Epidemien, bedingt durch Viren aus der Gruppe der Orthomyxoviren (Influenza A) treten in jedem Jahr weltweit für etwa 2 bis 3 Monate auf und verursachen eine Virusgrippe. In der Regel bestehen bei den infizierten Patienten „grippeartige“ klinische Symptome, wie z. B. Fieber, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Husten und nicht selten eine Photophobie. Die Influenza-A-Viren sind durch häufige Punktmutationen einer hohen Variabilität der antigenen Struktur („antigenic shift“) unterworfen, sodass sich in der Bevölkerung keine dauerhafte Immunität gegen eine Infektion mit Influenza A entwickeln kann [10]. Eine allgemein bekannte Komplikation der Influenzagrippe ist eine Pneumonie, die häufig viral bedingt, nicht selten jedoch auch bakteriell superinfiziert ist. In diesen Fällen ist jedoch meist Influenza B für die Erkrankung verantwortlich. Okuläre Befunde sind beschrieben und bei etwa 50–70% aller betroffenen Patienten kommt eine „katarrhalische“ Konjunktivitis mit subkonjunktivalen Blutungen und einer Keratitis superficialis punctata vor. Sehr viel seltener wird eine beidseitige granulomatöse Iridozyklitis oder gar eine Mitbeteiligung der hinteren Augenabschnitte in Form einer Choriokapillaritis mit konsekutiver retinaler Pigmentepithelatrophie beobachtet [1,19]. Wir stellen eine Patientin mit einer Panuveitis und einer serologisch nachgewiesenen Influenza-A-Infektion vor, die mit einer systemischen antiviralen Therapiekombination behandelt wurde.

Patient

Eine 30-jährige Patientin in leicht reduziertem Allgemeinzustand wurde von einem niedergelassenen Augenarzt mit der Frage der Abklärung eines beidseitigen intraokularen Reizzustandes und einer randunscharfen Papille am rechten Auge vorgestellt. Anamnestisch gab sie eine seit 3 Wochen bestehende Grippe an. Die Patientin klagte über eine seit 10 Tagen bestehende Rötung und über Schmerzen am linken Auge. Vor 3 Tagen waren nun eine Rötung und Schmerzen am rechten Auge hinzugekommen. Bisher wurde die Frau von ihrem Hausarzt, dem Augenarzt und dem HNO-Arzt systemisch mit Acetylsalicylsäure und seit 2 Tagen mit Amoxicillin behandelt. Lokal wurde von ihrem Augenarzt die Uveitis anterior zuletzt 2-stündlich mit Prednisolonaugentropfen und mit Atropinaugentropfen 0,5% einmal/Tag therapiert.

Ophthalmologische Untersuchung am rechten Auge

  • Visus cc: 0,6;

  • Vordere Augenabschnitte: Hyperämie und gemischte Injektion der Bindehaut, Hornhaut mit granulomatösen Präzipitaten im Arlt’schen Dreieck;

  • Zellen (++);

  • Tyndall (++);

  • Glaskörperzellen (+).

Untersuchung des Augenhintergrundes des rechten Auges

  • Hyperämische, nasal gering randunscharfe Papille;

  • Hinterer Pol mit fehlendem Makulareflex;

  • Zirkulär außerhalb der Gefäßarkarden multiple weißliche geographische Areale mit beginnender Pigmentierung;

  • Linkes Auge: Seitengleicher Befund bei einem Visus von cc 0,6.

Zusätzliche Untersuchungen

Der Augeninnendruck betrug beidseits 6 mmHg. Die Motilität war in allen Richtungen frei, aber schmerzhaft. Die Patientin sah keine Doppelbilder. Die statische Perimetrie (Humphrey-30-2-Zentralfeld-Schwellentest) zeigte keine eindeutigen Skotome im 30°-Gesichtsfeld. Die Fundusaufnahmen (Abb. 1) vor und nach antiviraler Therapie ergaben eine geringe nasale Randunschärfe der rechten Papille sowie die geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels (RPE), die auch in einer Fluoreszenzangiographie (Abb. 2) nach antiviraler Therapie zu keiner Leckage in der mittleren Phase führen. Auch nach 5,55 min war keine Zunahme der Floureszenz im Makulaschatten festzustellen.

Abb. 1
figure 1

a Rechter Fundus einer 30-jährigen Patientin mit nasaler Papillenrandunschärfe und peripherer Chorioretinitis bei Panuveitis durch Influenza A. b Linker Fundus mit ähnlichen chorioatrophischen Entzündungsarealen und beginnender Pigmentierung, Visus RA 0,6, LA 0,6

Abb. 2
figure 2

Floureszenzangiographie nach antiviraler Therapie bei Influenza A. a Spätaufnahme rechts mit nasaler Hyperfloureszenz der Papille, Aufhellungen im Makulaschatten sowie peripherer retinaler Pigmentepithelatrophie. b Spätaufnahme links mit zarten Aufhellungen in der Makula und peripher geographische Pigmentepithelatrophie

Serologische Untersuchungen

  • Positive Befunde für Influenzavirus-A-IgG (IFT);

  • Influenzavirus B (IFT);

  • Parainfluenzavirus-1-Antikörper (KBR): 1:5 (auch nach der Kontrolle);

  • C-reaktives Protein: 17 mg/l (Norm <8 mg/l);

  • Negative Befunde (ELISA) für HSV, VZV, CMV sowie Lues, Borreliose und Toxoplasmose.

Diagnose

Aufgrund des typischen Erscheinungsbildes im Rahmen einer Panuveitis, sowie der Pigmentepithelatrophie nach den Folgen einer Grippe mit serologischem Nachweis einer abgelaufenen Infektion, wurde die Diagnose einer seltenen, durch Influenzavirus A verursachten Panuveitis gestellt. Typischerweise führt die Beteiligung der Choriokapillaris zu einer irreversiblen Atrophie des RPE.

Therapie und Verlauf

Nach der ersten positiven Serologie wurde innerhalb einer Woche nach der Erstvorstellung der Patientin am rechten Auge ein abfallender Visus von 0,1, am linken von 0,2, sowie eine zunehmende Befundverschlechterung beobachtet. In Absprache mit den Infektiologen wurde Amantadin (1-Adamantanamin-Hydrochlorid) gegeben. Dies ist ein älteres Virostatikum, welches die Penetration von Viren in die Zelle verhindern und diese bei rechtzeitiger Gabe vor einer Infektion schützen soll, indem die Influenza-A-Viren gehindert werden, ihre Eiweißhülle abzustreifen [17]. Es wurde eine 10-tägige systemische Therapie mit Amantadin (Infex®) 100 mg 2-mal/Tag per os, polyvalentem Hyperimmunglobulin (Intraglobin®) 2ml/kg/Körpergewicht einmal/Tag intravenös, sowie adjuvanter Therapie mit Vitamin C 1 g einmal/Tag per os eingeleitet. Die symptomatische Therapie mit Vitamin C wurde vom Hausarzt begleitend als antivirale und antioxidative Behandlung ordiniert. Topisch wurde die granulomatöse Iridozyklitis mit Prednisolon (Inflanefran forte®)-AT 5-mal/Tag, Diclofenac (Voltaren®)-AT 4-mal/Tag zur Vorbeugung eines zystoiden Makulaödems und Scopolamin (Boroscopol®)-AT einmal/Tag behandelt. Unter diesem Therapieschema zeigte sich innerhalb einer Woche eine Verbesserung der zentralen Sehschärfe um 2 Linien. Nach 4 Wochen war die volle Sehkraft unter Reduktion der topischen Therapie auf 3 Tagesdosen wiederhergestellt.

Die biomikroskopischen Befunde bestätigten die subjektive Verbesserung der Panuveitis im Verlauf, nur im Glaskörperraum waren noch alte Zellen nachweisbar. Auch in der Floureszenzangiographie konnten noch die geographischen Atrophien des peripheren retinalen Pigmentepithels, auch 3 Monate nach der Infektion mit Influenza A, festgestellt werden.

Diskussion

Eine Epidemie durch Influenza-A-Viren ist periodisch immer wieder in Mitteleuropa festzustellen. Der Infektionsweg durch Speicheltröpfchen wird durch die zunehmende Migration und Reisetätigkeit der Menschen gefördert. In der Bevölkerung sind die Durchseuchungsgrade mit bekannten Influenza-A-Subtypen hoch, jedoch muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil der gegen ein neues Virus immunen Bevölkerung gering ist. Dies haben die Erfahrungen der schweren Influenzapandemien des vergangenen 20. Jahrhunderts gezeigt. In einem WHO-Plan wird im Falle der Pandemie vornehmlich der Impfung von ausgewählten Berufsgruppen (medizinischem Personal) der Vorrang gegeben. Dies betrifft etwa 5–10% der Bevölkerung, die damit ausreichend vor neuen Influenzasubtypen geschützt sind [9].

In den letzten 3 Jahrzehnten wurden gewaltige Anstrengungen unternommen, um durch entsprechende aktive Impfstoffe, die den jährlich auftretenden Subtypen von Influenzaviren angepasst werden, den gefährdeten Personen (älteren und geschwächten Menschen) in der Bevölkerung einen Schutz vor einer pulmonalen Infektion anbieten zu können [6].

Eine okuläre Mitbeteiligung wird im Rahmen einer Grippeepidemie in 60–80% der Fälle gesehen. Es handelt sich jedoch oft genug um eine einfache Begleitkonjunktivitis im Rahmen der Infektion mit Influenza-A-Viren und wird nicht weiter beachtet. Weitaus seltener sind Uveitiden. Hier ist in erster Linie die granulomatöse Iridozyklitis zu nennen, die auch in dem beschriebenen Fall beobachtet wurde. Eine solche macht die Behandlung durch einen Augenarzt notwendig. Die Mitbeteiligung des hinteren Augenabschnittes und speziell der Choriokapillaris ist dagegen sehr selten und wurde erstmals im Rahmen einer Grippeepidemie in Russland beschrieben [13]. Eine ähnliche Beobachtung wurde in den 80er und 90er Jahren im Rahmen einer Impfung gegen Influenzaviren mit inaktiviertem Impfstoff gemacht. Hier zeigte sich an kleinen Hautgefäßen und in der Chorioidea eine Vaskulitis und eine Neuritis des N. opticus [2,3]. Die okulären Begleitsymptome sind nach bisher bekannten Berichten reversibel [10,14].Dies gilt jedoch nicht für die nach der Infektion mit Influenza A erfolgte Degeneration des retinalen Pigmentepithels [19]. Die Influenza-A-Retinitis ist eine typische Spätmanifestation der Influenza-A-Infektion und tritt selten auf. Bemerkenswert ist in den wenigen Fallberichten [12,16,18], dass sich eine beidseitige selbstlimitierte granulomatöse Iridozyklitis, ein Makulaödem sowie eine Choriokapillaritis und eine submakuläre Blutung zeigt, die in einer retinalen Pigmentepitheliopathie ohne spezifische Therapie resultiert und immer zu einer kompletten Wiederherstellung der Sehkraft führt.

Dies bestätigt unsere Beobachtungen, dass etwa 3 Wochen nach den ersten Symptomen einer Grippe von der Patientin ein Visusabfall wahrgenommen wurde und sich am Fundus geographische Atrophien im Bereich des RPE dargestellt haben. Es gibt nur sehr vereinzelt Berichte vom Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts, die eine Schädigung des N. opticus [8], bzw. eine makuläre Beteiligung [14,18] nach einer Infektion mit Influenza-A-Viren beschreiben. Wir konnten erstmals den Verlauf der Choriokapillaritis im Bild dokumentieren und haben die beschriebene Vernarbung im retinalen Pigmentepithel nach Rückbildung der Entzündungszeichen als dauerhafte Narbe auch 3 Monate nach der Infektion vorgefunden.

Eine Differentialdiagnose zur Panuveitis bei einer Influenza-A-Infektion ist ein Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom oder ein uveomeningeales Syndrom. Ein Morbus Harada vom kaukasischen Typ, ohne die typischen floureszenzangiographischen Bilder dieser Erkrankung mit hyperfloureszenten Punkten und seröser Netzhautabhebung sowie möglichen extraokulären Symptomen wie Vitiligo, Alopezie, Pleozytose etc. konnte bei unserer Patientin ausgeschlossen werden [15]. In die Differentialdiagnose der Influenza-A-Panuveitis sind virale Infektionen einzubeziehen, die als Leitbefund eine Optikusneuritis verursachen können. Hier wären das Mumps-, das Masern- und das Vakziniavirus, ebenso das Frühsommermeningoenzephalitisvirus und die Gruppe der Herpesviren zu nennen. Bakterielle Infektionen können ebenfalls eine Mitbeteiligung des Sehnerven verursachen, wie z. B. Borrelia burgdorferi, Treponema pallidum und Leptospiren. Selten ist dagegen im Rahmen einer okulären Toxoplasmose eine Papillitis zu beobachten. Die granulomatöse Iridozyklitis in Zusammenhang mit einer retinochorioidalen Entzündung ist dagegen auf wenige bakterielle Infektionen zu begrenzen, wobei als häufigste Erreger Mycobacterium tuberculosis, Leptospiren, Borrelia burgdorferi und Treponema pallidum genannt werden. Bei immunsupprimierten Patienten sind Aspergillus spp. oder atypische Mycobakterien als ursächliche Erreger abzuklären [1].

Die Diagnose einer Influenza-A-Infektion erfolgt durch die Bestimmung von Antikörpertitern mittels Immunfloureszenztest (IFT) aus dem Serum, hier ist der Nachweis, wie in unserem Fall erfolgt, frühestens 14 Tage nach den ersten klinischen Zeichen der Infektion möglich. Der direkte Nachweis kann auch aus Rachenabstrichen oder Sputum in einer Viruskultur oder als direkter Antigennachweis durch IFT erfolgen [7]. Die serologische Untersuchung der Patientin hat 2-mal positive Befunde für Influenzavirus-A-IgG (IFT) ergeben. Diese Untersuchungen wurden neben anderen möglichen ursächlichen Erregern (Influenza B, Parainfluenza 1–3, Herpesviren, CMV, EBV, Adenovirus, Lues, Borreliose, Toxoplasmose) durchgeführt. Leider hatte das akute Krankheitsgeschehen mit schwerer grippaler Symptomatik schon 4 Wochen vor der Erstvorstellung stattgefunden, die Augenbeteiligung wurde erst nach 3 Wochen vom niedergelassenen Augenarzt festgestellt und führte zur Vorstellung in unserer Klinik. Ein möglicher Influenza-A-IgM-Titer ist nach 4 Wochen nicht mehr zu detektieren, deshalb dient der IgG-positive Befund als Unterstützung der klinischen Diagnose. Weiterhin ist es nach Döller et al. [7] möglich, dass bei Influenzainfektionen nicht regelmässig IgA- und IgM-Antikörper gebildet werden und die serologische Diagnose nur durch ein Serumpaar zu bilden ist. Somit bleibt der Wert einer viralen Serodiagnostik umstritten, da sich doch bei vielen Retinitiden durch Herpesviren gezeigt hat, dass allein der molekulare Nachweis aus Glaskörperflüssigkeit mittels PCR und nicht der serologische Titeranstieg oder Abfall zu dem Nachweis der Viren führt [19].

Eine antivirale Therapie der Influenza-A-Grippe ist selten notwendig, da jährlich eine Immunisierung mit speziellen, entsprechend dem Antigen-Shift der Viren aktualisierten Impfstoffen angeboten wird. Die einzige Möglichkeit, den Verlauf einer Netzhautbeteiligung bei einer Influenza-A-Infektion therapeutisch zu beeinflussen, wird in der Literatur mit der Gabe von Amantadinhydrochlorid (Infex®) in einer oralen Dosis von 100 mg 2-mal/Tag beschrieben [1,19]. Empfohlen wird die Gabe von systemischen antiviralen Substanzen zu Beginn der Infektion, um den Verlauf der Grippesymptome, insbesondere bei immunsupprimierten älteren Patienten, abzukürzen und zu mildern. Eine Studie zur Therapie der seltenen Influenza-A-Panuveitis existiert nicht, deshalb wurde in unserem Fall mit einer 10-tägigen antiviralen Therapie mit Amantadin und einer intravenösen Gabe von polyvalentem Hyperimmunglobulin behandelt, um eine Neutralisation der Viren durch die Antikörper (AK) zu erreichen. Diese Hypothese der immunmodulativen Therapie wird durch eine Arbeit gestützt, die die Neutralisation von Influenzavirus durch 3 monoklonale Antihämagglutinin-AK beschreibt [11].

Eine aktuelle antivirale Behandlungsform von Influenza-A- und B-Infektionen ist seit etwa 2 Jahren in Form der Inhalationstherapie mit Zanamivir (Relenza®) verfügbar. Dieser Neuraminidasehemmer greift in den Replikationszyklus der Influenzaviren ein und reduziert signifikant den zeitlichen Verlauf und die Ausprägung der Grippesymptome, wenn zu Beginn der Infektion behandelt wird [4]. Erfahrungen in der Behandlung einer Influenza-A-induzierten Panuveitis mit Zanamivir bestehen jedoch nicht.