Die ärztliche Pflicht und das ständige Bemühen um „best practice“ setzt Fortbildungen in Theorie und Praxis voraus [1]. Die gegenwärtige Pandemie hat uns gezeigt, wie vulnerabel die Umsetzung dieser Pflicht sein kann. Viele ärztliche Fortbildungen wurden aus dieser Notsituation heraus in digitaler Form (Webinare, Onlinevorlesungen etc.) angeboten. Ein digitaler Unterrichtszugang ist in der manuellen Medizin nur bedingt möglich, da der erforderliche Gewebedialog nicht ohne die Erfahrung aus der unmittelbaren haptischen Wahrnehmung zu vermitteln ist. Infolge dieser Notwendigkeit war und ist die ÖAMM bestrebt, Kurse unter den vorgegebenen Lockdown-Bedingungen durchzuführen.

Zur Durchführung der Kurse mussten die gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich gesundheitlicher Dokumentation der Teilnehmer und Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur, wie sie für diese spezielle Ausnahmezeit definiert wurden, entsprechend umgesetzt werden.

Die schriftliche Dokumentation umfasste die Gesundheitsbestätigung aller beteiligten Personen im geforderten zeitlichen Rahmen. Zwei Wochen vor Kursbeginn wurde eine Symptomfreiheit gefordert (Tab. 1); dies musste dokumentiert vorgelegt werden. Zusätzlich war bei Kursantritt ein negativer Antigentest vorzulegen. Bei Bedarf wäre dieser auch während des Kurses wiederholt worden.

Tab. 1 Die häufigsten Symptome einer SARS-CoV‑2 Infektion. (Quelle: WHO-Homepage [3])

Die Vorkehrungen während des Kursgeschehens umfassten das verpflichtende Tragen von FFP2/FFP3-Masken sowie die Anwendung von Einweghandschuhen im Bedarfsfall und Desinfektionsmitteln. Außerdem wurden fixe Übungspaare gebildet und diese durch Plexiglaswände (Abb. 1) separiert. Zusätzlich wurde auf eine adäquate Lüftung geachtet.

Abb. 1
figure 1

Räumliche Trennung der Übungspaare durch Plexiglaswände. Maße der Plexiglaswände: 200 cm × 210 cm. 220-cm-Abstand der Liegen zueinander, dazwischen die Plexiglaswand. Jedes dieser „Séparées“ verfügt so weit wie möglich über ein eigenes Fenster. (Mit freundlicher Genehmigung der Autoren)

Das Risiko einer Infektion im Rahmen dieser Maßnahmen wurde mittels COVID-19-Risikorechner für Aerosolübertragung in Innenbereichen des Max-Planck-Instituts [2] berechnet. Die Wahrscheinlichkeit wurde mit 7,6 % ermittelt, dass sich mindestens ein Teilnehmer infizieren könnte – wohlgemerkt nur im Falle, dass eine hoch infektiöse Person zusätzlich im Raum wäre.

In den Pausen wurde einzelverpackte Verpflegung angeboten, die Räumlichkeit wurde so adaptiert, dass adäquate Abstände zwischen den Teilnehmern ermöglicht wurden.

Die Maßnahmen und das Sicherheitskonzept wurden auch an die sich ständig ändernden Regierungsvorgaben angepasst und aktualisiert.

Methode

Die Infektionszahlen der Kursteilnehmer vom 20.09.2020 bis zum 09.07.2021 wurden retrospektiv beurteilt. Innerhalb dieses Zeitraums veranstaltete die ÖAMM 13 Kurse mit insgesamt 166 Kursanten, die je 7 Kurstage absolvierten. Dies entspricht also 1162 Kurstagen, d. h. 1162 Tagen mit „Übertragungsrisiko“. Im Mittel gab es 12 Teilnehmer (TM) pro Kurs (mindestens 8 TM, maximal 20 TM).

Bei den stattgefundenen Kursen handelte es sich um manualmedizinische Kurse der ÖAMM, die im Wesentlichen (Aufbau, Umfang, Inhalt) jenen der MWE entsprechen. Es fanden sämtliche Kursarten, also die Kurse 1 bis 5 statt, in denen der gesamte theoretische und praktische Stoff in Form eines Präsenzunterrichtes vermittelt wurde. Nach neuer ESSOMM-konformer Nomenklatur entspricht dies den Grundkursen (Module 1–4) sowie den Aufbaukursen (Module 5–8; [4]).

Für etwaige SARS-CoV-2-Infektionen kamen ein aktives und passives Meldesystem zur Anwendung. Passives Meldesystem bedeutet, dass die Kursanten angehalten wurden, eine Erkrankung an das Sekretariat zu melden. Als aktive Komponente wurden telefonisch 85 TM (56 % der Gesamtanzahl) befragt, ob sie innerhalb der 2 Wochen nach dem jeweiligen Kursende coronarelevante Symptome an sich beobachtet hatten. Außerdem wurden sie zu möglichen Mängeln hinsichtlich der Kursdurchführung befragt. Das Einverständnis zur Befragung wurde mündlich eingeholt. In keinem Fall lagen diesbezüglich Beschwerden oder Einwände vor.

Ergebnis

Bei den 85 telefonisch befragten Teilnehmern kam es in dem abgefragten Zeitraum nach den Kursen zu keiner SARS-CoV-2-Infektion oder zu entsprechenden Symptomen. Ebenso wurde über das passive Meldesystem keine Erkrankung gemeldet. Somit gab es nachweislich keine SARS-CoV-2-Infektion in Zusammenhang mit dem Kursgeschehens.

Im Rahmen der Befragung konnten wir feststellen, dass seitens aller Teilnehmer absolute Zufriedenheit mit den Vorkehrungen und der umfassenden Vorbereitung bestand. Gut aufgenommen wurde die jederzeitige Kontrollmöglichkeit auch während der Kurse und deren umfassende Dokumentation.

Erwähnenswert ist, dass die Kursdynamik eine andere war. Da sich die Teilnehmer innerhalb der Schutzwände, sozusagen innerhalb eigener vier Wände befanden, arbeiteten sie noch konzentrierter.

Diskussion

Besondere Situationen erfordern ein besonderes und besonnenes Vorgehen. Ein Abbruch der Kurstätigkeit war im Interesse der Teilnehmer und Patienten nicht zu akzeptieren.

Grundlage für das sehr zufriedenstellende Ergebnis war eine verlässliche Sekretariatsarbeit, beruhend auf aktueller Recherche, Dokumentation und Vorbereitung der notwendigen Unterlagen. Die daraus erarbeiteten Maßnahmen wurden konsequent umgesetzt und kontrolliert.

Dadurch konnten wir Infektionen und Clusterbildungen in unseren Kursen vermeiden.

Als mögliche Schwäche des passiven Systems ist die Compliance zu nennen. In Anbetracht der für uns alle einschneidenden Situation gehen wir aber von einer 100 %igen Mitarbeit der Kollegen aus.

Vonseiten der Schule konnten die anfallenden höheren Kosten ohne Anheben der Kursgebühren kompensiert werden. Diese Kompensationen stellen selbstverständlich eine bilanzmäßige Mehrbelastung dar, die einvernehmlich innerhalb der Lehre getragen wurde.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die ärztliche Fortbildung im Sinne der Patienten mit Beschwerdebildern des Bewegungssystems in der Manualmedizin auch unter diesen Bedingungen absolut zu bewältigen ist.

Für das Verständnis gegenüber diesem unerwarteten Mehraufwand versäumen wir aber nicht, unseren Kursanten für ihre Bereitschaft, die Maßnahmen mitzutragen, zu danken.

Fazit für die Praxis

  • Die Coronakrise hat gezeigt, dass flexibel gehandelt werden muss; starre Konzepte scheitern.

  • Manuelle Medizin ist jederzeit und auch unter den widrigsten Umständen durchführbar.

  • Angst infolge Unwissenheit begegnen wir mit Wissen und Lehre.