Die erste Version der interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge für das Zervixkarzinom (AWMF-Registernummer: 032/033OL) war bis 31. Oktober 2019 gültig und liegt nun in überarbeiteter Form vor.

Einleitung

Die für die Pathologie relevanten neuen Anforderungen sollen nachstehend zusammengefasst werden. Neue verbindliche Empfehlungen und Statements der Leitlinie sind farbig hervorgehoben. In der nachstehenden Übersicht werden ausschließlich die Änderungen zur initialen Version der S3-Leitlinie dargestellt, bezüglich aller weiterhin geltenden Empfehlung sei auf die Publikation in Der Pathologe aus dem Jahr 2015 verwiesen [19]. Aus didaktischen Gründen sind die Abbildungen nochmals wiedergegeben.

Wesentliche Änderungen sind:

  • Aufnahme der International Endocervical Adenocarcinoma Classification (IECC) mit prinzipieller Unterscheidung zwischen HPV-assoziierten und non-HPV-assoziierten Adenokarzinomen mit Angabe ihrer jeweiligen Subtypen

  • Aufnahme des morphologischen Wachstumsmusters bei (HPV-assoziierten) Adenokarzinomen der Cervix uteri (sog. Silva-Pattern)

  • Ergänzungen zur Definition von Lymphgefäßeinbrüchen und Grading

  • Definition der Multifokalität des mikroinvasiven Zervixkarzinoms

  • Berücksichtigung der insbesondere bei Adenokarzinomen relevanten intratumoralen Heterogenität mit Auswirkungen auf den Zuschnitt

  • zusätzliche Empfehlungen zum Zuschnitt, basierend auf den Empfehlungen der ICCR und der ESGO-Leitlinie Zervixkarzinom

  • Empfehlung zur Dokumentation und Klassifikation isolierter Tumorzellen und Mikrometastasen in Lymphknoten im Kontext zur revidierten Fassung der FIGO-Klassifikation des Zervixkarzinoms 2018/19

  • Empfehlung zur Aufarbeitung und Befundung von Sentinellymphknoten,

  • Diskussion der revidierten Fassung der FIGO-Klassifikation des Zervixkarzinoms 2018/19 mit Ableitung von Empfehlungen

  • Überarbeitung des Kapitels Prognosefaktoren

Obwohl zum Zeitpunkt der Erstellung und internen Konsentierung noch nicht publiziert, sind die wesentlichen Aspekte der WHO-Klassifikation von 2020 mit aufgenommen worden. Zu den Neuerungen der WHO-Klassifikation gynäkologischer Tumoren ist separat in Der Pathologe Stellung genommen worden [36].

An den jeweiligen Empfehlungsgraden mit differenter Verbindlichkeit, die für alle Leitlinien der AWMF bzw. DKG gelten, hat sich nichts geändert (Tab. 1).

Tab. 1 Erläuterung der Empfehlungsgraduierung im Rahmen der Leitlinie

Der vollständige Text der überarbeiteten S3-Leitlinie Zervixkarzinom kann unter http://www.awmf.org/leitlinie/detail/II/032-033OL.html abgerufen werden.

Definition TNM-relevanter Faktoren

Eine Quantifizierung von Lymphgefäßeinbrüchen, wie sie z. B. beim Endometriumkarzinom beschrieben ist [4, 48], wird aufgrund des Fehlens einer allgemein akzeptierten Definition sowie relevanter Studien beim Zervixkarzinom nicht empfohlen.

Das Grading ist bei Zervixkarzinom nicht stagingrelevant, soll jedoch integraler Bestandteil der Befunddokumentation sein (s. unten) und wird u. a. auch bei der Tumordokumentation im Rahmen der Gynäkologischen Krebszentren gefordert. Für das Plattenepithelkarzinom sowie für die Mehrzahl der Adenokarzinome der Cervix uteri gibt es kein von der WHO empfohlenes Gradingsystem [47, 56]. Ungeachtet neuerer Studien zum Plattenepithelkarzinom [5, 24, 24, 27] gibt es auch bis dato kein einheitlich akzeptiertes Grading beim Plattenepithelkarzinom [28, 37].

Für das primäre endometrioide Adenokarzinom der Cervix uteri wird ein Grading in Analogie zum FIGO-Grading des endometrioiden Adenokarzinoms des Endometriums empfohlen [24]. Bei der Majorität der endometrioiden Zervixkarzinome handelt es sich in erster Linie um die (schleimdepletierte) Variante des Adenokarzinoms vom endozervikalen Subtyp. Das zumeist auf dem Boden einer endozervikalen Endometriose entstandene genuine endometrioide Adenokarzinom der Cervix uteri [17, 46] ist extrem selten [18, 61].

Beim HPV-assoziierten Adenokarzinom wurde in den letzten Jahren ein architektonisches Graduierungssystem entwickelt (sog. Silva-Pattern; [51,52,53, 59]), das im nächsten Abschnitt dargestellt ist.

Änderungen beim Adenokarzinom

Silva-Pattern

Für den mit 75 % häufigsten Subtyp, das Adenokarzinom vom endozervikalen Subtyp (syn. „not otherwise specified“ [NOS]) wurde in den letzten Jahren ein auf dem Wachstumsmuster („pattern“) basierendes Graduierungssystem entwickelt [51,52,53], das sog. Silva-Pattern [59]. Die prognostische Relevanz des Silva-Patterns ist in Abb. 1 exemplarisch dargestellt und dessen morphologische Kriterien sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Prognostische Bedeutung des Wachstumsmusters beim HPV-assoziierten Adenokarzinom der Cervix uteri vom endozervikalen Subtyp (Zahlen entnommen aus Roma et al. [53]). LKM pelvine Lymphknotenmetastasen

Tab. 2 Histologische Kriterien der verschiedenen Invasionsmuster („pattern“) des endozervikalen Adenokarzinoms (sog. Silva-Pattern; [24, 51,52,53])

Der seltenste Typ mit dem Pattern A weist dabei die wenigsten Lymphgefäßeinbrüche und die geringste Zahl an pelvinen Lymphknotenmetastasen auf, wohingegen Pattern C mit den meisten Lymphgefäßeinbrüchen und der konsekutiv höchsten Zahl an Lymphknotenmetastasen prognostisch am ungünstigsten ist [51, 53, 62]. In diesem Kontext wichtig ist, dass dieses patternbasierte System zumeist beim endozervikalen Subtyp untersucht wurde [51, 53], möglicherweise aber auch auf andere, HPV-assoziierte Subtypen des Adenokarzinoms der Cervix uteri anwendbar ist [61]. Das Silva-Pattern ist auch in der WHO-Klassifikation enthalten [36, 66].

IECC-Klassifikation

Basierend auf dem HPV-Status und damit dem pathogenetischen Hintergrund ist die sog. IECC(International Endocervical Adenocarcinoma Criteria and Classification)-Klassifikation entstanden ([18, 61, 59]; s. Tab. 3). Non-HPV-assoziierte Adenokarzinome zeigen eine signifikante Assoziation mit höherem Erkrankungsalter, größeren Tumoren, einer höheren Zahl an Lymphgefäßeinbrüchen bzw. (pelvinen) Lymphknotenmetastasen, einem höheren Tumorstadium sowie dem prognostisch ungünstigen (s. Abschn. „Silva-Pattern“ sowie Abb. 1 und Tab. 2) Silva-Pattern C auf [59, 62] und haben so konsekutiv eine ungünstigere Prognose. Die IECC-Klassifikation ist von der WHO übernommen worden [36, 66].

Tab. 3 IECC(International Endocervical Adenocarcinoma Criteria and Classification)-Klassifikation des Adenokarzinoms der Cervix uteri [1, 18, 59, 62]

Unabhängig von der HPV-Assoziation und der IECC-Klassifikation haben Untersuchungen der letzten Jahre ergeben, dass das Adenokarzinom mit gastrischer [30] und mikropapillärer Morphologie [1] sowie das invasive, stratifizierte, muzinproduzierende Karzinom [18, 22, 60] eine ungünstige Prognose mit untypischer (Fern‑)Metastasierung (insbesondere Lunge) zeigen. Daher wird empfohlen auch bei lediglich fokalem Nachweis dieser Morphologien, diese im Befundbericht explizit zu erwähnen.

Multifokalität beim mikroinvasiven Zervixkarzinom

Mikroinvasive Karzinome können multifokal auftreten [10, 38, 50]. Basierend auf vorangegangenen Untersuchungen, mit allerdings limitierter Fallzahl [10, 38], wird von der ICCR ein multifokales Wachstum definiert als der Nachweis voneinander histologisch klar separierter invasiver Foci, die einen minimalen Abstand von 0,2 cm aufweisen [37]. In der ESGO-Leitlinie zum Zervixkarzinom ist festgelegt, dass jeder invasive Tumor separat in seiner Größe angegeben werden soll, wobei die größte Einzelläsion stagingrelevant ist [8, 11]. Zum Ausschluss einer Konfluenz der jeweiligen separaten invasiven Foci ist es zweckmäßig (weitere) Stufenschnitte anzufertigen.

Konsensbasierte Empfehlung

Ein multifokales mikroinvasives Karzinom ist definiert als der Nachweis voneinander histologisch klar separierter invasiver Foci, die einen minimalen Abstand von 0,2 cm aufweisen.

Jeder invasive Tumorfocus soll separat in seiner Größe angegeben werden, wobei die größte Einzelläsion stagingrelevant ist.

Zuschnitt: intratumorale Heterogenität, Parametrium, vaginaler Resektionsrand, Tumorgrößenbestimmung, Invasionstiefe

Zur Bestimmung der für die Prognoseabschätzung und adäquaten TNM-Kategorisierung notwendigen morphologischen Parameter empfiehlt die ESGO-Leitlinie die vollständige Einbettung/Aufarbeitung des resezierten parametranen Gewebes sowie des distalen vaginalen Resektionsrandes [8, 11, 20]. Zum Zuschnitt siehe Abb. 2 und 3.

Abb. 2
figure 2

Schema der Entnahmelokalisationen aus einem Präparat nach radikaler Trachelektomie wegen eines Zervixkarzinoms (s. Text)

Abb. 3
figure 3

Schema der Entnahmelokalisationen aus einem Präparat nach radikaler Hysterektomie wegen eines Zervixkarzinoms (s. Text)

Um die insbesondere bei Adenokarzinomen [1, 22, 45] sowie neuroendokrinen Karzinomen [14, 22] beschriebene intratumorale Heterogenität zu erfassen, empfiehlt die ESGO makroskopisch sichtbare Tumoren ≤ 2 cm vollständig aufzuarbeiten und bei Tumoren ab 2 cm mindestens einen Block pro Zentimeter größter Tumorausdehnung einzubetten [8, 11]. Die adäquate Einbettung von Tumorgewebe erscheint auch im Hinblick auf die exakte Zuordnung des Invasionspatterns beim endozervikalen Subtyp des Adenokarzinoms bedeutsam [51].

Konsensbasiertes Statement

Zur Dokumentation einer intratumoralen Heterogenität sollen makroskopisch sichtbare Tumoren ≤ 2 cm vollständig aufgearbeitet und von Tumoren ab 2 cm Größe mindestens ein Block pro Zentimeter größter Tumorausdehnung eingebettet werden.

Nach vorangegangener Exzision der Transformationszone (sog. Konisation) und Vorliegen des Befundes sollten die Tumorgrößen aus dem Konisationspräparat und aus dem Trachelektomie- bzw. radikalen Hysterektomiepräparat zur Kalkulation der endgültigen Tumorgröße zusammengeführt werden. Dabei ist es zweckmäßig darauf hinzuweisen, dass die additiv ermittelte Tumorgröße eine kalkulierte Tumorgröße ist, die ggf. auch Befunde aus unterschiedlichen Pathologien zusammenführt [8, 11, 37]. Sind die Konisation und die Trachelektomie in verschiedenen Pathologien beurteilt worden, die dem zuletzt beurteilenden Pathologen nicht im Originalbefund bekannt sind, obliegt die Ermittlung der kalkulierten Tumorgröße den zuletzt behandelnden Gynäkologen.

Da Mehrzahl von Studien beim makroinvasiven Zervixkarzinom des Stadiums pT1b/FIGO IB, eine tiefe Stromainfiltration als prognostisch relevant einstuft, wird die Angabe der Invasionstiefe nun von der ICCR als „required data item“ eingestuft [37], daher soll die Angabe im Befundbericht erfolgen. Zur Bestimmung der Infiltrationstiefe siehe Abb. 4.

Abb. 4
figure 4

Schematische Darstellung zur Bestimmung der Invasionstiefe

Konsensbasiertes Statement

Eine tiefe Stromainfiltration ist definiert als die Invasion des Zervixkarzinoms bis in das äußere Drittel des zervikalen Stromas (> 66 %).

Dokumentation isolierter Tumorzellen und Mikrometastasen in Lymphknoten

In einer Überarbeitung der FIGO-Klassifikation zum Zervixkarzinom hat die FIGO vorgeschlagen, den Nachweis von isolierten Tumorzellen in Lymphknoten nicht im Befundbericht zu erwähnen [3]. Der Vorschlag der FIGO widerspricht allgemeinen Stagingempfehlungen im TNM [67]. Aufgrund einer geringen Evidenz, ist die prognostische Bedeutung isolierter Tumorzellen unklar [64]. In Übereinstimmung mit den allgemeinen Empfehlungen des TNM-Systems und der ESGO-Leitlinie Zervixkarzinom soll der Nachweis von isolierten Tumorzellen im Befundbericht angegeben werden [8, 11, 20, 25].

Konsensbasiertes Statement

Der Nachweis von isolierten Tumorzellen bzw. von Mikrometastasen soll im histologischen Befundbericht erwähnt werden und in die TNM-Klassifikation einfließen.

Sentinellymphknoten

Konsensbasierte Empfehlungen

Sentinellymphknoten beim Zervixkarzinom sollen vollständig eingebettet und in Stufenschnitten untersucht werden.

Zur histopathologischen Untersuchung von Sentinellymphknoten beim Zervixkarzinom gibt es derzeit kein einheitliches Protokoll [7, 8, 37, 49, 64]. Aufgrund von Ergebnissen großer Studien [12, 15, 31, 49, 55] und der ESGO-Leitlinie wird folgendes Vorgehen zur Aufarbeitung von Sentinellymphknoten empfohlen [7, 8, 11]:

Konsensbasierte Empfehlungen

Sentinellymphknoten beim Zervixkarzinom sollten wie folgt aufgearbeitet werden:

  • Lamellierung des übersandten Fettgewebes mit Identifikation aller Sentinellymphknoten,

  • vollständige Einbettung aller Lymphknoten,

  • Halbierung aller Lymphknoten ≤ 0,3 cm Größe,

  • Lamellierung aller Lymphknoten > 0,3 cm in 0,2 cm dicke Lamellen,

  • Anfertigung von Stufenschnitten,

  • immunhistochemisches Ultrastaging,

  • vollständige Einbettung des Fettgewebes bei makroskopisch nicht identifizierbaren Sentinellymphknoten.

Zur Anfertigung von Stufenschnitten gibt es keine allgemein gültigen Empfehlungen [7, 8, 21, 37]. In Analogie zu anderen AWMF-Leitlinien und vorangegangenen Empfehlungen [20, 21] sollten von den Paraffinblöckchen mindestens 3 Stufenschnitte jeweils in einem Abstand von maximal 200 µm angefertigt und HE-gefärbt werden.

Lassen sich in den HE-gefärbten Schnittpräparaten keine Tumorzellen nachweisen, ist eine immunhistochemische Untersuchung mit einem (oder mehrerer) Panzytokeratinantikörper (sog. Ultrastaging) sinnvoll [7, 12, 49, 55, 64]. Zusätzlich kann ein Antikörper gegen p16 verwendet werden. Hierbei ist zu beachten, dass insbesondere beim Adenokarzinom nicht alle histologischen Tumortypen p16-positiv sind [24, 58, 61].

Für die intraoperative Schnellschnittuntersuchung von Sentinellymphknoten beim Zervixkarzinom gibt es keine allgemeingültigen Richtlinien [31, 37, 64]. Die ESGO-Leitlinie zum Zervixkarzinom empfiehlt [11]:

Konsensbasierte Empfehlungen

Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung (wenn klinisch indiziert) von Sentinellymphknoten beim Zervixkarzinom soll wie folgt durchgeführt werden:

  • makroskopische Aufarbeitung wie zur Aufarbeitung der Sentinellymphknoten beschrieben,

  • Untersuchung ALLER Sentinellymphknoten im Schnellschnitt,

  • bei makroskopisch sichtbarem Tumor ist die intraoperative Untersuchung einer Probe des befallenen Lymphknotens ausreichend,

  • makroskopisch unauffällige Lymphknoten sollen vollständig intraoperativ untersucht werden,

  • von den Gefrierblöckchen sollen (3) Stufenschnitte angefertigt werden,

  • Die histologische Gefrierschnittuntersuchung kann durch eine intraoperative Imprintzytologie ergänzt werden.

Die ESGO-Leitlinie nimmt zur Zahl der Stufenschnitte im Rahmen der intraoperativen Schnellschnittuntersuchung keine Stellung [8]. In Analogie zu den Empfehlungen in anderen AWMF-Leitlinien (u. a. Vulva- und Vaginalkarzinom, Endometriumkarzinom) und zu oben genannten Empfehlungen der Aufarbeitung der Sentinellymphknoten im Paraffinblock erscheint die Anfertigung von 3 Stufenschnitten vom Gefrierblock sinnvoll.

Bei im Schnellschnitt tumorfreien Lymphknoten sollen die Aufarbeitung und das Ultrastaging wie oben beschrieben erfolgen.

FIGO-Klassifikation 2018/19

Zur Problematik der überarbeiteten FIGO-Klassifikation beim Zervixkarzinom ist bereits ausführlich in Der Pathologe Stellung genommen worden [25]. In der aktuellen Version der S3-Leitlinie zum Zervixkarzinom wird ausdrücklich empfohlen, bis zum Erscheinen einer neuen TNM-Klassifikation (wahrscheinlich 2025) und Vorliegen prognostischer Daten zur Neudefinition des mikroinvasiven Zervixkarzinoms die TNM-Klassifikation von 2017 beizubehalten. Die Angabe der neuen FIGO-Klassifikation kann zusätzlich und optional erfolgen. Beide Klassifikationen sind in Tab. 4 gegenübergestellt.

Tab. 4 Übersicht der TNM-Kategorien/FIGO-Stadien [3, 25, 35, 68, 69, 71]

Morphologische Prognosefaktoren

Das Kapitel zu den morphologischen Prognosefaktoren wurde komplett überarbeitet. Zur klinischen Relevanz siehe Tab. 5 und 6. Zur Erörterung der einzelnen morphologischen Parameter in ihrer Gesamtheit muss aus Platzgründen auf das entsprechende Kapitel im Leitlinientext verwiesen werden.

Tab. 5 Zusammenfassung von Standard‑, Risiko- und Prognosefaktoren und deren Therapierelevanz beim mikroinvasiven Karzinom (Stadium T1a laut TNM-Klassifikation)
Tab. 6 Zusammenfassung von Standard‑, Risiko- und Prognosefaktoren und deren Therapierelevanz beim makroinvasiven Karzinom (Stadium > T1a laut TNM-Klassifikation)

Aus aktuellem Anlass soll nur auf die folgenden Punkte näher eingegangen werden.

Die Tumorgröße stellt unabhängig vom Tumortyp einen etablierten Prognosefaktor dar [32, 65], der im Stadium FIGO IB/T1b stagingrelevant ist [9]. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass FIGO-IB1/T1b1-Tumoren ≤ 2 cm eine bessere Prognose aufweisen als solche mit einer Tumorgröße von 2–4 cm [23, 35, 65, 71] und möglicherweise ein eingeschränkt radikaleres operatives Vorgehen möglich ist [2]. Daher wurde von der FIGO 2018 vorgeschlagen, IB/T1b-Tumoren anhand ihrer Tumorgröße weiter aufzugliedern [3]: FIGO-IB1/T1b1-makroinvasive Tumoren ≤ 2 cm, FIGO-IB2/T1b2-Tumoren 2–4 cm und FIGO-IB3/T1b3-Tumoren > 4 cm. Obwohl die UICC diesem Vorschlag im korrigierten Nachdruck der 8. Auflage der TNM-Klassifikation aus dem Jahr 2020 nicht gefolgt ist und die aktuelle Version der S3-Leitlinie Zervixkarzinom die Beibehaltung der FIGO-Klassifikation von 2009 bzw. TNM-Kategorisierung von 2017 empfiehlt (s. oben), kann die Dreiteilung des FIGO-/TNM-Stadiums IB/T1b optional im Befundbericht erwähnt werden.

Inwieweit das Wachstumsmuster (sog. Silva-Pattern; [51, 53]; s. Abschn. „Silva-Pattern“ sowie Abb. 1 und Tab. 2) als Surrogat für das Grading beim endozervikalen Subtyp bzw. beim HPV-assoziierten Adenokarzinom der Cervix uteri, unabhängig vom histologischen Subtyp [61] dienen kann, ist derzeit offen [61]. Auch beim Adenokarzinom wurde in einer Studie über ein auf dem Grad der Tumorzelldissoziation basierendes und an das Adenokarzinom des Kolorektums angelehntes Gradingsystem mit der Unterscheidung verschiedener sog. Buddingtypen mit prognostischer Relevanz [57] berichtet. Dieses buddingbasierte System weist Überschneidungen zu den Silva-Pattern auf. Unklar ist derzeit, ob nicht bestimmte histologische Subtypen des zervikalen Adenokarzinoms wie der HPV-negative gastrische [30] und der HPV-positive mikropapilläre Subtyp [1] sowie das zumeist HPV-18-assoziierte invasive SMILE [18, 26] in Analogie zum serösen Endometriumkarzinom aufgrund ihrer ungünstigen Prognose per se als „high-grade“ i.S. von G3 einzuordnen sind.

Im Gegensatz zum Vulvakarzinom spielt die Unterscheidung zwischen HPV-unabhängigen und HPV-assoziierten Plattenepithelkarzinomen therapeutisch und prognostisch keine Rolle. Im Gegensatz dazu sind HPV-negative Adenokarzinome prognostisch ungünstiger [44]. Therapeutisch spielt derzeit der HPV-Status beim Adenokarzinom der Cervix uteri keine Rolle. Ungeachtet der Tatsache, dass auch HPV-negative Adeonkarzinome p16-positiv sein können [29], wird in der WHO-Klassifikation der immunhistochemische p16-Nachweis als Surrogatmarker einer HPV-Infektion akzeptiert, sodass molekularpathologische Untersuchungen nur in Einzelfällen notwendig sind [36, 66].

Zur Relevanz molekularer Marker und der auf molekularen Untersuchungen des The-Cancer-Genome-Atlas-Projektes beruhende TCGA-Klassifikation („keratin-low“ versus „keratin-high“ Plattenepithelkarzinome) stehen derzeit nur eingeschränkt Daten zur Verfügung [6, 9, 43]. Die mit rund 33 % vermutlich häufigste Mutation beim Zervixkarzinom ist die PIK3CA-Mutation, wobei zwischen Plattenepithel- und Adenokarzinomen hinsichtlich der Mutationsfrequenz keine Unterschiede zu bestehen scheinen, jedoch mutierte Tumoren ein signifikant kürzeres Überleben zeigen [70]. Eine KRAS-Mutation scheint ausschließlich in Adenokarzinomen vorzukommen [70], wobei diese möglicherweise charakteristisch für mesonephrische Karzinome ist [41]. Die TCGA-Analyse ergab auch eine Amplifikation immunmodulatorischer Gene [6]. In diesem Kontext zu erwähnenswert ist, dass eine PD-L1-Expression [39, 63] bzw. intratumorale Mikrosatelliteninstabilität [33] sowie die Mutationslast („tumor mutational burden“ [TMB]), besonders bei den prognostisch ungünstigen neuroendokrinen Karzinomen [42] therapeutisch relevant sein kann [34]. Wahrscheinlich bestehen keine Unterschiede in der PD-L1-Expression der Tumorzellen zwischen Primärtumor und ihren Lymphknotenmetastasen [16].

Aufgrund der derzeit eingeschränkten Datenlage spielen molekulare Marker und die TCGA-Klassifikation zur Prognoseabschätzung des Zervixkarzinoms bzw. als mögliche therapeutische Targets noch keine relevante Rolle [9, 13, 33, 40, 54].

Fazit für die Praxis

  • Beim Adenokarzinom wird, entsprechend der International Endocervical Adenocarcinoma Classification (IECC), zwischen HPV-assoziierten und non-HPV-assoziierten Karzinomen unterschieden.

  • Das morphologische Wachstumsmuster bei (HPV-assoziierten) Adenokarzinomen (sog. Silva-Pattern) hat prognostische Relevanz und sollte im Befundbericht angegeben werden.

  • Eine Multifokalität beim mikroinvasiven Zervixkarzinom ist definiert als der Nachweis voneinander histologisch klar separierter invasiver Foci mit einem minimalen Abstand von 0,2 cm.

  • Aufgrund einer möglichen intratumoralen Heterogenität sollen Zervixkarzinome ≤ 2 cm vollständig und Tumoren > 2 cm mit einem Block pro Zentmeter größter Ausdehnung eingebettet werden.

  • Bei der (radikalen) Trachelektomie/Hysterektomie sollen der vaginale Resektionsrand und das parametrane Gewebe vollständig eingebettet werden.

  • Sentinellymphknoten sollen entlang ihrer Längsachse in 0,2 cm Abstand lamelliert, vollständig eingebettet und mittels Ultrastaging aufgearbeitet werden.

  • Die FIGO-Klassifikation von 2009 bzw. TNM-Kategorisierung von 2017 wird beibehalten, die Angabe der FIGO-Klassifikation 2018/19 ist optional.

  • Molekulare Marker spielen derzeit noch keine relevante Rolle in der Prognose und zum Therapieentscheid.