Am 7. April 2020 wurde eine Umfrage zur Situation der Deutschen Universitätspathologien von der Deutschen Gesellschaft für Pathologie mit einem strukturierten Fragebogen zu allen Bereichen der Universitätspathologie gestartet und um Rückmeldung bis zum 14. April 2020 gebeten. Wir danken allen teilnehmenden Universitätspathologien für die rasche und informative Rückantwort auf die Umfrage. Insgesamt haben 30 aller befragter Deutschen Universitätspathologien (n = 36; 83 %) geantwortet, sodass die Umfrageergebnisse die Situation zum Befragungszeitpunkt repräsentativ abbilden und daher eine fundierte Aussage ermöglichen.

Diagnostik

Auch die Universitätsinstitute verspüren eine erhebliche quantitative Einschränkung der diagnostischen Tätigkeit. Mehr als die Hälfte der Universitätsinstitute verzeichnen einen Einbruch der Eingangstätigkeit von mehr als 20 %, nur 13 % sehen (noch) keine signifikante Reduktion der Eingangsfälle (Abb. 1a). Die Reduktion wird vor allem im Bereich der sog. elektiven Eingriffe und der Biopsien gesehen (Abb. 1b). Dies reflektiert somit explizit die Effekte der Anti-Corona-Maßnahmen (Aufschieben/Reduktion der elektiven Eingriffe; weitgehendes Brachliegen des ambulanten Bereichs). Auch bei den Tumorboards zeigen sich deutliche Auswirkungen: Nur 25 % der befragten Institute verzeichnen keine wesentlichen Qualitätseinschränkungen, die übrigen bemerken teils erhebliche Qualitätseinbußen (Umstellung auf Telefonkonferenzen; reduzierte Teilnehmerzahlen; allgemeine Qualitätseinbußen; Abb. 1c). Zu COVID-19-Obduktionen sind die allermeisten Institute bereit (>85 %), wobei der Großteil der Institute zum Erhebungszeitpunkt noch keine COVID-19-Obduktionen durchgeführt hat. Zum Erhebungszeitpunkt waren erst 30 Obduktionen SARS-CoV-2-positiver Verstorbener durchgeführt worden (durchschnittlich 1 Obduktion pro befragter Universitätspathologie; Abb. 1d).

Abb. 1
figure 1

Effekte der COVID-19-Pandemie auf die diagnostische Tätigkeit der Universitätspathologien. a Prozentuale Einschränkung der Einsendezahlen verglichen mit der Situation vor Ausbruch von COVID-19. b Darstellung der besonders betroffenen Einsendebereiche. c Veränderungen in Tumorboards. d Übersicht über die Obduktionszahlen SARS-CoV-2-positiver Verstorbener

Schlussfolgerungen

Die Einschränkungen der Eingangszahlen sind so umfangreich, dass mit signifikanten Einnahmen‑/Budgeteffekten in Abhängigkeit vom Andauern der Einschränkungen/Eingangseffekte gerechnet werden muss. Die Einflüsse zeigen aber deutliche Differenzen zwischen den Instituten, was am ehesten als Folge vor Ort unterschiedlich rigoros gehandhabter Einschränkungen zu sehen ist. Es wird empfohlen, sich angesichts der erheblichen Verschiebungen in der Finanzierung und Ressourcenallokation auch in den Universitätskliniken damit genau auseinanderzusetzen (s. auch Abschn. „Personal“). Da die Reduktion der Eingangszahlen auf dem Aufschieben normaler, regelmäßiger Einsendungen beruht, ist bei Aufheben entsprechender Beschränkungen mit einer verstärkten Eingangstätigkeit zu rechnen. Je nach Dauer der Einschränkungen kann dies erheblich sein und zu deutlichen Mehrbelastungen führen. Es wird empfohlen, sich darauf angemessen vorzubereiten (Ressourcen, Personalplanung/Urlaub). Die Relevanz der genannten Tumorboardeffekte ist zu beobachten und ggf. ist ihre Wirkung auf Zertifizierungen/Begutachtungen zu prüfen. Gegebenenfalls sind hier die beobachteten (anordnungsbedingten) Veränderungen durch ausreichende Dokumentation zu belegen. Die deutschen Universitätspathologien sind ganz überwiegend bereit und interessiert, COVID-19-Obduktionen durchzuführen. Die tatsächlich bislang niedrige COVID-19-Obduktionszahl dürfte Folge der primär geringen Sektionsfrequenz und der nicht rational begründeten und vorschnellen Empfehlung des Robert Koch-Instituts gegen COVID-19-Obduktionen sein, welche mittlerweile revidiert wurde.

Personal

Korrelierend zum Einbruch der Eingangstätigkeit, jedoch nicht im gleichen Umfang, zeigen sich Einschränkungen im personellen Bereich, die von einem Drittel der Einrichtungen als erheblich (>20 %) bewertet werden (Abb. 2a). Die Ursachen sind unterschiedlich (Unterteilung in Teams/Rumpfmannschaft, krankheits- und quarantänebedingte Ausfälle, Ausfall der Kinderbetreuung; Abb. 2b), scheinen aber definitiv direkt oder indirekt durch die Corona-Epidemie bedingt zu sein.

Abb. 2
figure 2

Personaleffekte in den Universitätspathologien infolge der COVID-19-Pandemie. a Geschätzte prozentuale Einschränkungen im personellen Bereich. b Aufschlüsselung der Einschränkung im personellen Bereich nach Ursache

Schlussfolgerungen

Da die angegebenen Ursachen zeigen, dass die Personaleffekte offenbar von der Reduktion der Eingangstätigkeit entkoppelt sind, sollte genau geprüft werden, wie sie mit den Veränderungen der Eingangstätigkeit (z. B. mögliche verstärkte Eingangstätigkeit nach Aufhebung der Maßnahmen) in Einklang gebracht werden können. Bestimmte Effekte (z. B. Kinderbetreuungsausfall) können auch über die Aufhebung der Anti-Corona-Maßnahmen hinaus problematisch bleiben.

Forschung

Als extrem ist die Einschränkung der Forschungstätigkeit zu bewerten. Nur 10 % der befragten Institute verzeichnen bislang keine Einschränkung ihrer Forschungstätigkeit, ca. die Hälfte der Institute verzeichnen eine Einschränkung von >50 % (Abb. 3a). Dominierender Grund ist die Verlagerung von Forschungspersonal ins Homeoffice (Abb. 3b). Bezüglich der COVID-19-bezogenen Forschung zeigt sich ein zweigeteiltes Bild: Etwa die Hälfte der Institute haben sich rasch mit eigenen Vorhaben oder Kooperationsprojekten an COVID-19-bezogener Forschung beteiligt (Abb. 3c). Ob die Nichtbeteiligung (auch) in der Reduktion der Forschungsressourcen (s. oben) begründet liegt, ist möglich, kann aber nicht bewiesen werden.

Abb. 3
figure 3

Effekte der COVID-19-Pandemie und resultierender Maßnahmen auf die Forschungstätigkeit der Universitätspathologien. a Geschätzte prozentuale Einschränkung der Forschungstätigkeit innerhalb des jeweiligen Institutes. b Ursachen für Einschränkung der Forschungstätigkeit. c Beteiligung der befragten Institute an COVID-19-bezogener Forschung

Schlussfolgerungen

Da Forschungstätigkeit/-erfolge in die Bewertung der Universitätsinstitute eingehen und oft auch budget-/zuwendungsrelevant sind, sollten die Einschränkungen und ihre Gründe zumindest dokumentiert und ggf. argumentativ vertreten werden. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen wesentlich (z. B. durch erzwungene Beendigung von Versuchsreihen/Tierexperimenten; eingeschränkte Verfügbarkeit von Reagenzien etc.) über den eigentlichen Zeitraum der verfügten Maßnahmen wirksam sein werden. Da Universitätspathologien zum einen klinisch-theoretische Institute sind und gleichzeitig als systemrelevant einzustufen sind, wird empfohlen, konkret zu prüfen, wie diese spezifische Situation zur Reduktion der Forschungseinschränkung eingesetzt werden kann. Begründend kann hier auch die Rolle der Pathologie für das Verständnis der COVID-19-Erkrankung und ihrer Folgen sein. Nach anfangs kontraproduktiven Stellungnahmen und Maßnahmen scheint hier ein Umschwung stattzufinden.

Lehre

Da mit dem Sommersemester eine Wiederaufnahme der Lehr- und Prüfungstätigkeit zu erwarten ist, aber gleichzeitig erhebliche Einschränkungen der Präsenzlehre und -prüfungen zu erwarten sind, stellt sich die Frage, inwieweit die Universitätsinstitute hierauf vorbereitet sind. Hier zeigt sich das erfreuliche Bild, dass die Institute sehr gut vorbereitet sind und drei Viertel der Befragten die Digitalisierung der Lehre bereits abgeschlossen haben (Abb. 4a). Darüber hinaus sind ein Viertel der Institute entsprechend in anderen Bereichen der studentischen Lehre unterstützend tätig (Abb. 4b).

Abb. 4
figure 4

Situation der Universitätspathologien in Bezug auf die Herausforderungen im Bereich Lehre infolge der COVID-19-Pandemie. a Status der Umstellung auf elektronische Lehre. b Unterstützung anderer Bereiche durch die befragten Institute in Bezug auf E‑Learning in der studentischen Lehre

Schlussfolgerung

Die Universitätspathologien scheinen ganz überwiegend für die Herausforderungen an die studentische Lehre ab dem Sommersemester gerüstet zu sein, was wohl wesentlich auch auf dem bereits vorher von der Pathologie betriebenen Digitalisierungs‑/E-Learning-Aufwand beruht. Es wird empfohlen zu prüfen, wie die unvermeidlichen Mehrbelastungen und Umstellungen im Lehrbetrieb von den anderen genannten Belastungseffekten entkoppelt werden können.

Wir hoffen sehr, mit der Übersicht und Auswertung wichtige und aktuelle Informationen zur Einordnung der jeweiligen konkreten Situation sowie ggf. auch als Argumentationsgrundlage zu bieten. Auch wenn die Situation derzeit durch hohe Unsicherheit und eingeschränkte Planbarkeit gekennzeichnet ist, lassen sich gewisse Grundtendenzen und auch Folgen erkennen und berücksichtigen. Wir planen, die Umfrage innerhalb von 1–2 Monaten zu wiederholen, um die Entwicklung noch besser beschreiben zu können.