Die Therapie mit Psychedelika ist eine Behandlungsform mit spezifischen ethischen Problemen, die der genauen Betrachtung und Diskussion unterzogen werden sollten. Psychedelika können tiefgreifende Wirkungen auf das Selbstverständnis, die Werte, die Überzeugungen und die Persönlichkeit von Patient:innen haben. Verschiedene Faktoren wie die aktuelle Lebenssituation, die unmittelbare Umgebung und die Beziehung zu den anwesenden Therapeut:innen haben einen entscheidenden Einfluss auf das Erleben während der psychedelischen Erfahrung und somit auch auf den Langzeitverlauf.

Hintergrund

Psychedelische Substanzen bewirken tiefgreifende Veränderungen von Wahrnehmung, Selbsterleben und Emotionalität. Derzeit werden sie zunehmend hinsichtlich ihrer schnell einsetzenden und anhaltenden therapeutischen Wirkung auf verschiedene psychiatrische Störungsbilder untersucht. Unter dem Begriff Psychedelika („die Seele offenbarend“) werden im engeren Sinne meist serotonerge Psychedelika wie Psilocybin, Lysergsäurediethylamid (LSD) und N,N-Dimethyltryptamin (DMT) verstanden; diese entfalten ihre Wirkung primär über die Aktivierung des Serotonin-2A-Rezeptors. Sie lösen tiefgreifende Veränderungen von Wahrnehmungen sowie Zeit- und Raumerleben aus, führen zur Verstärkung von Emotionen, bewirken vorübergehende Auflösungen des Selbst und verändern zuvor feste Überzeugungen über die Welt. 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) wird von vielen Autoren wegen des unterschiedlichen Wirkmechanismus und der subjektiven Wirkung, die in erster Linie in einer Reduktion von Angst und einem starken Gefühl von Nähe, Vertrautheit und Empathie gegenüber dem direkten Umfeld besteht, auch als Entaktogen („innerlich berührend“) bezeichnet. Ketamin nimmt eine Sonderstellung ein, da es einen nochmals anderen molekularen Wirkmechanismus aufweist (Antagonismus am Glutamat-N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor) und ein anderes subjektives Wirkprofil aufzeigt, in dem Dissoziation gegenüber klassischen psychedelischen Effekten überwiegt. Da diese 3 Substanzklassen allesamt veränderte Bewusstseinszustände auslösen, werden sie im Folgenden zusammen als Psychedelika behandelt.

Aufgrund des nichtmedizinischen Gebrauches wurden Psychedelika 1971 durch das Übereinkommen über psychotrope Stoffe strenger internationaler Kontrolle unterstellt. In Deutschland sind Psychedelika (nicht jedoch Ketamin) in die Klasse der nichtverkehrsfähigen Betäubungsmittel eingruppiert. Seit einigen Jahren wird ihr medizinischer Nutzen jedoch wieder vermehrt wissenschaftlich untersucht. Vorläufige Studienergebnisse legen nahe, dass bestimmte Psychedelika bald wieder in der Psychiatrie angewendet werden könnten, etwa in der Behandlung von Depression, Substanzgebrauchs- oder Angststörungen (Psilocybin, LSD) sowie posttraumatischer Belastungsstörung (MDMA). Derzeit finden multizentrische klinische Studien zur Behandlung diverser psychischer Erkrankungen mit Psilocybin und MDMA statt. Das Ausmaß ihres therapeutischen Einsatzes wird auch von den ethischen, rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen sowie gesamtgesellschaftlichen Erwägungen beeinflusst werden. Da es sich um Substanzen mit einer kulturellen Vorgeschichte handelt, die außerhalb der Medizin missbräuchlich verwendet werden können, besteht ein gesellschaftlicher Diskussions- und Vermittlungsbedarf, der nicht nur empirisch-medizinische, sondern auch philosophisch-theoretische Fragen umfasst. Der Einsatz von Psychedelika in der Psychotherapie bedürfte auch einer neuen Eingruppierung im Betäubungs- und Arzneimittelgesetz. Solche Entwicklungen werden die öffentliche Einstellung zu diesen Substanzen verändern. Der in den nächsten Jahren zu erwartende medizinische Einsatz wirft daher eine Reihe ethischer Fragen auf, die geklärt werden sollten, bevor diese Interventionen Eingang in die psychiatrische Praxis finden und um einen rechtswidrigen, nichtmedizinischen Umgang mit Psychedelika einzuhegen. Ebenso bedarf es eines ethischen und rechtlichen Rahmens für die Durchführung und Ausgestaltung psychedelischer Therapien.

Stand der Forschung und offene Fragen

Seit den 1990er-Jahren sind psychedelische und entaktogene Substanzen aus der Subkultur in die Mainstream-Wissenschaft zurückgekehrt (Langlitz 2012). Im Rahmen der klinischen Forschung in Deutschland gab es 2021 die ersten Zulassungen für klinische Studien mit psychedelischen Substanzen, wobei die Charité – Universitätsmedizin Berlin an internationalen, multizentrischen Studien zu MDMA- und Psilocybin-Therapie teilnahm. Gleichzeitig förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Psilocybin-Therapiestudie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Da es bisher keine als Medikamente zugelassenen psychedelischen Substanzen gibt, nutzen Kliniker inzwischen „off label“ das schon seit Jahrzehnten als Anästhetikum eingesetzte Ketamin in Kombination mit Psychotherapie (Dore et al. 2019). Zum anderen beschäftigten sich zunehmend auch die Geistes- und Sozialwissenschaften mit diesem Forschungsbereich, beispielsweise die Philosophie (Caporuscio und Fink 2022) und die Anthropologie (Langlitz 2012). Da die pharmakologischen Wirkungen von Psychedelika maßgeblich durch den sozialen und kulturellen Kontext ihres Gebrauchs moduliert werden (Carhart-Harris et al. 2018), stehen folgende zwei Fragen im Vordergrund: Wie beeinflusst die Wahrnehmung von Psychedelika in der Gesellschaft deren subjektive Wirkung? Und wie wirkt sich die Wiedereinführung von Psychedelika in die Therapie psychischer Störungen auf die Gesellschaft insgesamt aus?

Psychedelika scheinen ein besonderes Behandlungsmodell zu erfordern, bei dem die pharmakologisch ausgelösten Erfahrungen im Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses stehen. Eine ständig wachsende Zahl bekannter und neuer Substanzen wird in präklinischen und klinischen Studien untersucht, und die Zahl der psychedelischen Start-ups steigt stetig. Der Schwerpunkt liegt meist auf serotonergen Halluzinogenen, wobei Psilocybin (ein Tryptamin, das auch in halluzinogenen Pilzen vorkommt) die prominenteste Substanz in klinischen Studien ist. Bei diesem Therapiemodell werden die Medikamente nicht täglich eingenommen, sondern nur wenige Male während Therapiesitzungen angewendet. Der Prozess umfasst in der Regel einige substanzfreie Vorbereitungssitzungen, gefolgt von der substanzgestützten Sitzung und einigen nachfolgenden Integrationssitzungen. Die Anwendung von Psychedelika in einem klinischen Umfeld kann daher als pharmakologisch unterstützte Psychotherapie verstanden werden; sie macht sich die molekularen, systemischen und funktionellen Veränderungen, die durch die psychedelische Substanz hervorgerufen werden, zunutze (für einen Überblick: Vollenweider und Preller 2020). Die Erfahrung kann von dem Gefühl tiefer Einsicht bis hin zu Gefühlen von Nondualität und Einsseins reichen – ein Bewusstseinszustand, in dem das Konzept von „Ich“ und „Anderer“ als getrennte Entitäten nicht existiert (Fink 2020) Wichtig scheint jedoch insbesondere die Integration der psychedelischen Erlebnisse nach dieser Erfahrung für den Therapieerfolg zu sein. Klassische Psychedelika wie LSD wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren im Rahmen der substanzgestützten Psychotherapie eingesetzt. Psilocybin wird in aktuellen klinischen Studien gegenüber anderen serotonergen Halluzinogenen bevorzugt (für ein Review: Andersen et al. 2021), was auf seine kürzere Wirkdauer zurückzuführen ist, und möglicherweise auch darauf, dass es im Vergleich zu anderen ähnlichen Substanzen (wie LSD) weniger bekannt ist und weniger Stigma aufweist. Die depressive Störung wird höchstwahrscheinlich die erste Indikation sein, für die eine Zulassung für Psilocybin erteilt werden könnte. Inzwischen gibt es mehrere unabhängige Studien, die über eine Verbesserung der depressiven Symptomatik nach einer psilocybin-unterstützten Therapie berichten. In einer Studie war Psilocybin ebenso wirksam wie eine antidepressive Standardbehandlung mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Escitalopram, wobei die meisten sekundären Ergebnisse zugunsten von Psilocybin ausfielen (Carhart-Harris et al. 2021). Die Belege für die Wirksamkeit bei therapieresistenter Depression sind ebenfalls vielversprechend (Goodwin et al. 2022). In einigen Studien waren die Teilnehmer Patient:innen mit Depressionen und Ängsten im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen Krebserkrankungen (z. B. Agrawal et al. 2023). Darüber hinaus hat Psilocybin auch vielversprechende Effekte bei der Behandlung von Zwangsstörungen, Alkohol- und Tabakkonsumstörungen gezeigt. Bezüglich potenzieller Nebenwirkungen wurden bei Patient:innen und gesunden Personen, die in den letzten zwei Jahrzehnten unter streng überwachten klinischen Bedingungen Psychedelika erhalten haben, bisher keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen als direkte Folge der Substanz festgestellt. Allerdings gibt es nur wenige Daten zu den langfristigen Wirkungen, und es bestehen noch offene Fragen zur Sicherheit, insbesondere bei Personen mit einem Psychoserisiko. Weitere und größere Studien sind in Vorbereitung und werden das Wissen über die Sicherheit und Wirksamkeit sowie über die Wirkmechanismen erweitern.

Die psychedelische Substanz, die der Zulassung am nächsten ist, ist hingegen MDMA, ein substituiertes Amphetamin, das sich an die Monoamintransporter bindet. Das MDMA erhöht die synaptische Konzentration von Serotonin und in geringerem Maß von Noradrenalin und Dopamin, indem es die Freisetzung und Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter hemmt. Es erhöht auch den Spiegel des Bindungshormons Oxytocin, das mit erhöhtem Vertrauen in engen Beziehungen in Verbindung gebracht wird (Kamilar-Britt und Bedi 2015). Durch die Verringerung der Aktivierung von Hirnregionen, die an der Furcht- bzw. Angstreaktion beteiligt sind, der Amygdala und der Insula, und durch die Erhöhung der Konnektivität zwischen Amygdala und Hippocampus kann MDMA die Aufarbeitung traumatischer Erinnerungen im Rahmen des therapeutischen Prozesses ermöglichen. Schon in den 1970er-Jahren begannen Psychotherapeut:innen MDMA im Rahmen der Therapie einzusetzen. Der Freizeitkonsum von „Ecstasy“– Tabletten, die MDMA enthalten – wurde in den 1980er-Jahren populär und führte zur Einstufung in die höchste Stufe des Betäubungsmittelgesetzes, wodurch auch ihre therapeutische Verwendung illegal wurde. In den letzten 15 Jahren wurden mehrere Phase-II- sowie 2 Phase-III-Studien durchgeführt, die zeigten, dass die MDMA-unterstützte Therapie bei der Behandlung von PTBS hochwirksam, sicher und gut verträglich ist (Mitchell et al. 2021, 2023). Damit könnte eine Zulassung durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA) bereits 2024 erfolgen. Eine europäische Phase-II-Studie, an der die Charité – Universitätsmedizin Berlin beteiligt war, befindet sich gerade in der Auswertungsphase. Parallel dazu wurden bereits positive Ergebnisse aus Pilotversuchen bei anderen Indikationen gemeldet, wie Ängsten im Zusammenhang mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, sozialen Ängsten bei Erwachsenen mit Autismus-Spektrum Störung oder bei Patient:innen mit einer Alkoholkonsumstörung.

Es gibt jedoch neben den Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten weitere Aspekte, die die klinischen Studien zeigen. Psychedelika scheinen auch die soziale Kognition zu modulieren. Gesunde Teilnehmer:innen berichteten über eine Zunahme interpersonellen Nähe-Empfindens, und es wurden altruistische soziale Effekte deutlich (Griffiths et al. 2006). Bei Patient:innen mit einer Depression nahmen Extraversion und Offenheit zu (Erritzoe et al. 2018), und viele von ihnen berichteten, dass sie in der Lage waren, sich mit anderen „wieder zu verbinden“. Außerdem wurde gezeigt, dass Psychedelika die Verarbeitung negativer Stimuli abschwächen, was sich auf negative soziale Interaktionen erstreckt, und die Ablehnungsempfindlichkeit verringern (Preller et al. 2016). Diese Effekte könnten für die therapeutische Beziehung relevant sein. Dies gilt auch für ihre Auswirkungen auf die Suggestibilität (Carhart-Harris et al. 2015). Dies legt ein höheres Risiko für Missbrauchspotenzial in der therapeutischen Beziehung nahe.

Eine rasch wachsende medizinethische Literatur ergänzt die psychiatrische und erweitert deren Perspektive. Die aktuelle Renaissance der psychedelischen Forschung bedingte eine soziale und normative Neubewertung, die seit den 1960er-Jahren sowohl in den biomedizinischen Wissenschaften als auch in der Gesellschaft insgesamt stattgefunden hat. Epistemologisch stellt sich die Frage, ob der derzeitige Goldstandard der randomisierten, placebokontrollierten Studie eine passende Grundlage bietet für die Bewertung von Medikamentenwirkungen, von denen bekannt ist, dass sie von extrapharmakologischen Faktoren wie (psycho-)therapeutischen Interventionen beeinflusst werden (Langlitz 2012). Philosoph:innen haben die Frage gestellt, wie psychedelisch induzierte Erfahrungen als solche zu bewerten sind, sowohl epistemologisch als auch ethisch: Sind solche Erfahrungen von therapeutischem Wert, weil sie echte Einsichten vermitteln (Letheby 2021), oder handelt es sich lediglich um „comforting delusions“, die eher von einer tieferen Erkenntnis über die Welt wegführen? Verringern psychedelisch induzierte mystische Erfahrungen die Bedeutung egoistischer Belange und ermöglichen ein „moral enhancement“ (Langlitz et al. 2021)? Fördern Psychedelika antiautoritäre und umweltbewusste Einstellungen, oder dienen sie als unspezifische Verstärker, die auch autoritäre Orientierungen verstärken können (Pace und Devenot 2021)? Und was bedeuten solche Auswirkungen auf moralische und politische Orientierungen oder Persönlichkeitsmerkmale für den Prozess der informierten Einwilligung („informed consent“) in der Klinik (Smith und Sisti 2021)? Schließlich stellen sich grundsätzlichere Fragen über das Verständnis der Wirkung von Psychedelika. Grob gesprochen: Handelt es sich um bloßes Rauscherleben, oder öffnen die durch Psychedelika angestoßenen außergewöhnlichen Erfahrungen Wege der Selbst- und Welterkenntnis, wie es manchmal heißt (Letheby 2021). Antworten auf solche Fragen prägen den künftigen rechtlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Psychedelika maßgeblich vor, und auf einige von ihnen wird im Folgenden eingegangen, ohne dass ein Anspruch auf Klärung der Fragen erhoben wird.

Ethische Aspekte

Generell muss eine durch Psychedelika unterstützte Psychotherapie bereits denselben Ansprüchen, wie sie für die Psychotherapie i. Allg. formuliert sind, gerecht werden. Aus diesem Grund werden im Folgenden nur Aspekte fokussiert, die diesen Psychedelika-gestützten Psychotherapieformen eigen sind. Jedoch gibt es noch kein allgemeingültiges Format für diese Art der Psychotherapie. Das wäre allerdings wünschenswert, um eine Homogenität der Therapieergebnisse, der Behandlungsform und der Qualität sicherzustellen. Die folgenden ethischen Überlegungen können als erste Schritte dorthin verstanden werden.

Es ist noch unklar, inwiefern die Psychedelika-unterstützte Therapie als eine rein medikamentöse Therapieform verstanden werden sollte oder als eine durch Medikamente unterstützte Psychotherapie. Da viele interessante ethische Probleme jedoch aus der Therapeut-Patient-Beziehung im Kontext der psychedelischen Erfahrung des Patient:innen entstehen, wird ein größerer Fokus auf Problemen liegen, die mit dieser Interaktion einhergehen können.

Allgemein können ethische Probleme in allen Phasen der Therapie auftreten. Die Grundthemen vor der Gabe von Psychedelika haben v. a. mit dem Screening und dem Abwägen von Negativindikatoren, die gegen eine Gabe sprechen würden, zu tun. Dabei greifen Standardmechanismen. Interessant ist der Umgang mit dem „informed consent“ (s. Abschn. „Informierte Einwilligung“). In der Phase der Erfahrung sind es insbesondere die spezifischen Auswirkungen der jeweiligen Psychedelika auf Kognition und Erleben, die ethische Probleme aufwerfen. Auf kognitiver Ebene sind erhöhtes Bedeutsamkeitserleben und Suggestibilität zu nennen, eine größere Offenheit für die Überzeugungen anderer, ein größeres Bedürfnis nach körperlicher Nähe und vermehrte Emotionalität. Auf der Ebene des Bewusstseins sind es Erfahrungen wie Raum-Zeit-Verzerrungen, das Erleben von halluzinierten, aber als beseelt empfundenen „Entitäten“ oder Veränderungen des Selbsterlebens. Caporuscio (2022) weist insbesondere auf das therapeutische Potenzial in der Phase nach der psychedelischen Erfahrung hin, da dort die Einbindung des Erlebten in die Gesamtpsyche stattfindet. Nach der Erfahrung geht es v. a. darum, wie diese Erlebnisse und Veränderungen produktiv und positiv in den Therapieverlauf eingebettet und mögliche Abhängigkeiten von Therapeut:innen vermieden werden können. Die Radikalität, Fremdheit und Wechselhaftigkeit der Erfahrung müssen wieder in Stabilität umgewandelt werden. Letztlich sind aber auch langfristige Auswirkungen über die Therapie hinaus von ethischer Relevanz, wie die mögliche Beförderung esoterischer und antinaturalistischer Weltbilder o. Ä. (Timmermann et al. 2021). Auf einige dieser Probleme wird im Folgenden näher eingegangen.

Spezifische ethische Fragestellungen

Die Literatur deutet insgesamt daraufhin, dass die Wirkung von Psychedelika in hohem Maße kontextabhängig ist. Nicht nur der mentale Zustand der Patient:innen („Set“), sondern auch deren sozialer Kontext und direktes Umfeld wie die Gestaltung des Therapieraums, die zur Unterstützung eingesetzte Musik, Lichtverhältnisse und viele weitere Faktoren beeinflussen die Art der psychedelischen Erfahrung. Darüber hinaus spielen die Kenntnisse und Persönlichkeit des Therapeuten, seine aktuelle Verfassung und die therapeutische Beziehung wesentliche Rollen für das Erleben des Patient:innen in der Substanzsitzung. Durch eine bewusste Gestaltung dieser Umgebungsfaktoren („Setting“) kann in gewissem Umfang beeinflusst werden, ob die psychedelische Erfahrung als bereichernd und therapeutisch wirksam oder als bedrohlich und belastend erlebt wird. Diese ungewöhnliche pharmakologische Eigenschaft wirft schwierige ethische, rechtliche und soziale Fragen auf, von denen sich der vorliegende Beitrag auf einige wenige, aber prominente Beispiele beschränkt.

Machtungleichgewicht

Ein Machtungleichgewicht in der therapeutischen Beziehung ist ein bereits bekanntes Problem der Psychotherapie. Im Rahmen der Anwendung psychedelischer Substanzen wird dieses Machtungleichgewicht nochmals verschärft, da diese die Suggestibilität der Patient:innen erhöhen und sie somit anfälliger für freiwillige und unfreiwillige Manipulationen machen (Carhart-Harris et al. 2015). Immer wieder werden Fälle von Machtmissbrauch und unethischem Handeln psychedelischer Therapeut:innen bekannt, die sich hauptsächlich in der „Underground“-Therapieszene ereigneten, aber auch vereinzelt Studientherapien betrafen. Konsequenzen aus derartigen Vorkommnissen sind u. a. die Einhaltung von etablierten Standards und die Etablierung von vorbeugenden Maßnahmen wie z. B. die therapeutische Dyade (eine weibliche Therapeutin und ein männlicher Therapeut führen gemeinsam eine Patientenbehandlung durch) und die Aufzeichnung von Therapiesitzungen im klinischen Forschungskontext.

Informierte Einwilligung

Eine wichtige Fragestellung, auf die derzeit von Jacobs (2023) hingewiesen wird, betrifft das transformative Potenzial dieser Substanzen und die Notwendigkeit einer aufgeklärten Einwilligung (Informed consent) vor der Gabe dieser Substanzen. Wünschenswerterweise sollte diese Einwilligung rational und informiert geschehen. Jacobs weist jedoch auf das grundsätzliche Entscheidungsproblem, das Paul (2014) für transformative Erfahrungen aufzeigt: Wenn Erfahrungen das Wertesystem einer Person grundlegend ändern, sind sie persönlichkeitstransformierend. Jedoch kann man sich bei einigen dafür oder dagegen entscheiden, sie zu durchlaufen – wie beispielsweise Psychedelika einzunehmen. Alle Rationalitätstheorien haben gemeinsam, dass sie voraussetzen, dass den zu erwartenden Auswirkungen eines Ereignisses ein Wert zugewiesen werden kann. Kommen Unsicherheiten ins Spiel, werden Auswirkungsmöglichkeiten und ihre Werte mit den jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten verrechnet. Eine Entscheidung gilt dann als rational, wenn sie prospektiv wertmaximiert wird. Aus einer rationalen Sicht sind Nebenwirkungen also dann in Kauf zu nehmen, wenn deren Eintreten unwahrscheinlich genug ist sowie die Chance auf Heilung als groß genug und Gesundheit als hoher Wert angesehen wird.

Transformative Erfahrungen, so Paul (2014), können jedoch nicht so verhandelt werden. Sie sind in ihrer Struktur keine Entscheidung unter Unsicherheit, sondern unterlaufen die Grundannahmen des Rationalitätskalküls. Hier lassen sich den möglichen Auswirkungen der Erfahrung keine klaren Werte zuweisen, denn es ist vor der Erfahrung für die Einzelperson nicht abzusehen, wie sie diese Erfahrung verändern wird. Dies ist nicht durch den Einbezug von Unsicherheitserwägungen aufzufangen, denn diese betreffen Wahrscheinlichkeiten des Eintritts eines Ereignisses, nicht Wertsysteme. Patient:innen können ihr jeweiliges neues Wertsystem nach der Erfahrung zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich für diese Erfahrung entscheiden müssen nicht kennen. Die zentralen Informationen sind nicht zu bekommen, nämlich wie es sich für genau sie als Individuum anfühlen wird, diese Erfahrung zu machen. Frequentistische Statistiken – diejenigen, die durch epidemiologische Studien und Umfragen als Entscheidungsgrundlage angeboten werden können – bieten diese relevante Informationen aufgrund des Referenzklassenproblems prinzipiell nicht (Hájek 2007): Sie bilden nicht ab, wie es sich für diese Einzelperson anfühlen wird, und welche Werte sie danach vertritt. Diese entscheidende Information ist Einzelpatient:innen jedoch unmöglich zu liefern. Dieses Problem zeigt sich besonders stark für Psychedelika aufgrund ihres möglichen persönlichkeitstransformierenden Potenzials und der Abruptheit, mit der diese einschneidende Erfahrung erlebt wird: Eine psychedelische Erfahrung dauert eben nur einige Stunden; kann jedoch den eigenen Lebensentwurf und das bisherige Weltbild anhaltend ändern. Zum Teil steckt darin auch ihr therapeutisches Potenzial.

Dies weckt Probleme für den Informed consent, der die rechtliche Grundlage für die Gabe von Psychedelika ist: Wenn dieses Problem besteht, unterläuft es die Grundvoraussetzungen des Informed consent. Denn dann wären die relevanten Informationen – wie es für das Individuum sein wird – nicht zu geben. Der Consent könnte dann nicht informiert sein. Andererseits kann das Individuum zwar entscheiden, aber dafür nicht den Anspruch erheben, dass diese Entscheidung rational war. Dies würde teilweise untergraben, dass diese Entscheidung als „consent“ in legalem Sinne gelten kann.

All dies ist derzeit noch in der Diskussion. Einerseits wird die Frage aufgeworfen, ob dieses Problem, das besonders für Psychedelika-gestützte Therapien aufgeworfen wirft, sich nicht auf andere Therapieformen erweitert. Letztlich kann darauf hingewiesen werden, dass in diesen Fällen Persönlichkeitstransformationen vernachlässigbar gering sind, während sie im Fall von Psychedelika-gestützter Therapie nicht nur wahrscheinlich, sondern auch teils Behandlungsziel sind. Daher kann die Möglichkeit nicht übersehen werden, dass die Person, die in die Behandlung einwilligt, ein Behandlungsergebnis, das sie zuvor als positiv angesehen hätte, nachträglich bedauert, da sich durch die Behandlung ihr Wertsystem verändert hat. Solche Änderungen könnten weitreichende Konsequenzen für das soziale Umfeld oder die Gesamtlebenssituation der Patient:innen haben. Die Schnittstelle zwischen Transformation und Informed consent bedarf deswegen tieferer Aufarbeitung.

Ich-Auflösung

Eine Art von psychedelischer Erfahrung, die ab und an berichtet und von vielen als eine der bedeutungsvollsten Erfahrungen des Lebens angesehen wird, ist die „Ich-Auflösung“ („ego dissolution“; Milliere und Metzinger 2020). Bisher ist unklar, wie genau diese Erfahrung zu verstehen ist (Fink 2020). Jedoch kann die vorübergehende Auflösung des eigenen Selbstgefühls entweder Panik auslösen oder zu tiefgreifenden Einsichten führen, in die Form- und Veränderbarkeit des Selbst, da dieses als Konstrukt erlebt und verstanden werden kann (Letheby 2021). Es ist bisher offen, ob diese Art von Erfahrung überhaupt therapeutisch angestrebt werden sollte, und inwiefern Patient:innen darauf vorbereitet werden können oder sollten. Wie Fink (2020) und Milliere (2019) argumentieren, kann Ich-Auflösung als ein sehr heterogenes Phänomen betrachtet werden. Bevorzugt werden aber anscheinend Berichte aufgrund bestimmter Weltansichten wie des Buddhismus. Ein Framing aus dieser Perspektive könnte einerseits hilfreich sein, jedoch ebenso verfälschend. Das Phänomen der Ich-Auflösung und die ethischen Implikationen daraus sind weiterhin nicht ausreichend erforscht.

Mögliche Persönlichkeitsveränderungen

Psychedelische Erfahrungen scheinen zu Veränderungen der Persönlichkeit führen zu können. Dies kann u. a. die Bereiche der persönlichen Identität, eigenen Vorstellungen und Erwartungen, affektive Reaktionsmuster sowie handlungsleitende Überzeugungen, Glaubenssätze und Werte (ethisch, metaphysisch, politisch etc.) betreffen. In mehreren Studien fanden sich Hinweise darauf, dass die Persönlichkeitsvariablen der Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Selbsttranszendenz sich zumindest für Wochen bis Monate erhöhen, während sich eine Reduktion von Neurotizismus zeigte (Bouso et al. 2018).

Ein Beispiel aus der Praxis soll ein weiteres Problemfeld illustrieren: Wie kann damit umgegangen werden, wenn sich eine Patientin durch tiefe Einsichten plötzlich nicht mehr in ihrem „alten Leben“ zurechtfindet? Eine Studienteilnehmerin machte in einer Psychedelika-Sitzung die schockierende Entdeckung, dass sie seit mehreren Jahrzenten eine unglückliche Ehe führte und dies ein wesentlicher Grund für ihre anhaltende Depression sein müsse. Die Vorstellung, sich als Konsequenz von ihrem Ehemann zu trennen, löste große Ängste aus; gleichzeitig konnte sie diese Erkenntnis nicht einfach wieder „vergessen“. Dieses Dilemma resultierte in einer psychischen Destabilisierung, auch wenn zugleich die rein depressive Symptomatik positiv beeinflusst wurde. Solche Situationen sind aus der konventionellen Psychotherapie grundsätzlich bekannt, können aber bei der Psychedelika-gestützten Therapie in größerer Intensität und Dringlichkeit auftreten. Die Reaktion des Therapeuten sollte besonders sensibel und ethisch informiert sein.

Langwährende „Placebo-Einsichten“?

Eine der interessantesten Langzeitveränderungen durch Psychedelika-Gebrauch sind Überzeugungsveränderungen. Insbesondere scheinen Überzeugungen über die Natur der Realität, metaphysische Überzeugungen, ausgebildet zu werden. Es scheint eine größere Tendenz hin zu antinaturalistischen Weltbildern zu geben (Timmermann et al. 2021), womöglich bei Menschen, die ohnehin eine Tendenz dazu hatten und sich gerade deswegen für den Gebrauch von Psychedelika entschieden haben. Da Thesen über die Natur der Realität kaum empirisch gestützt werden können, ist die Heftigkeit, mit der diese Überzeugungen nach dem Psychedelika-Gebrauch gehalten werden, kritisch zu sehen. Mögliche Überzeugungen wie „Das Universum liebt mich“ sind sehr wahrscheinlich Pseudo-Einsichten, denn es ist unklar, ob sie wahr oder falsch sind. Dennoch steht unter Diskussion, ob diese Einsichten vielleicht therapeutischen Nutzen haben. Insofern werden sie häufiger als „placebo insight“ oder „comforting delusions“ verhandelt und als vertretbare Nebenwirkungen gerechtfertigt (Jopling 2001).

Jedoch sind Veränderungen solch zentraler Überzeugungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, denn Überzeugungen treten nicht isoliert auf. Vielmehr werden sie Auswirkungen auf andere Überzeugungen haben, um ein Maß an Widerspruchsfreiheit im eigenen Überzeugungssystem, durch das man als kohärente Person gelten kann, zu erreichen. Weiterhin sind Überzeugungen handlungsrelevant: Menschen handeln aufgrund dessen, was sie für wahr halten. Eine signifikante Abkehr von einem naturalistisch-wissenschaftlichen Weltbild könnte weitgreifende Folgen haben, zum einen für das Leben der Patient:innen (beispielsweise darauf, welche Arten von Behandlungen aufgesucht werden), aber auch auf ihr Umfeld oder, sollte diese Behandlungsmethode sich großflächig in der Gesellschaft durchsetzen, sogar auf den sozialen Diskurs als Ganzes. Langlitz (2012) weist jedoch anekdotisch darauf hin, dass das Abweichen in Esoterik nicht notwendig ist: Gerade selbstexperimentierende Neuropharmakolog:innen haben zumeist ein Erstarken ihres naturalistischen Weltbilds erfahren, da sie psychedelische Erfahrungen als durch Neurochemie bedingte Veränderungen ihres Erlebens kategorisieren. Der Umgang also, wie diese Erfahrungen hilfreich in ein Weltbild einzubetten sind, wird ein weiterer Kernpunkt der Nachbehandlung sein. Ethisch stellt sich die Frage, inwiefern von außen überhaupt eine Art von Weltbild nahegelegt werden sollte, oder ob die Einflussnahme in einer freien Gesellschaft nicht eine tiefe Grenzüberschreitung darstellen könnte. Gute ethische Bewertungen dieser epistemischen Veränderungen fehlen bisher. Diese sollten aus Sicht der Autoren dringend unter Einbeziehung von Ethiker:innen und Philosoph:innen entwickelt werden, wenn es in den kommenden Jahren zu einer Implementierung der Psychedelika-gestützten Therapie in die Regelversorgung psychischer Störungen kommt.

Fazit für die Praxis

  • Die Psychedelika-gestützte Therapie ist eine komplexe Therapieform mit spezifischen ethischen Besonderheiten, die zu einer hohen Verantwortung der Ärzt:innen und Therapeut:innen in der Behandlung führen.

  • Daraus ergeben sich konkrete Handlungsanweisungen für die klinische Praxis, z. B. für das ärztliche Aufklärungsgespräch, da auch bezüglich möglicher tiefgreifender Veränderungen persönlicher Überzeugungen aufgeklärt werden muss.

  • Falls diese Therapieform in den kommenden Jahren dem öffentlichen Gesundheitssystem zugänglich gemacht wird, sollten Forschungsgruppen und Gremien mit philosophisch geschulten Akteuren diese ethischen Fragen weiterausarbeiten und vertiefen, um sichere Rahmenbedingungen zu schaffen.