Tanz- und Bewegungstherapie („dance movement therapy“, DMT) aktiviert Wirkfaktoren (WF) von Psychotherapie, Kunst und Bewegung. Die Fragestellung der vorgestellten Studie „Kann die DMT, indem sie diese WF aktiviert, die gesundheitsbezogenen psychologischen Outcomes erlebter Stress, Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) und Wohlbefinden (WB) verändern?“ wurde mithilfe einer umfragebasierten partizipatorischen multizentrischen Studie beantwortet. Die Teilnehmenden konnten präzise beschreiben, was für sie in der DMT hilfreich war, und erwiesen sich in ihrer Rolle als Forschungsbeteiligte im Rahmen partizipativer Gesundheitsforschung.

Einleitung

Zunehmende Wirksamkeitsnachweise (Koch et al. 2014, 2019) deuten auf eine breite Wirkung der Tanz- und Bewegungstherapie („dance movement therapy“, DMT) hin. Die Ergebnisse dieser Wirksamkeitsnachweise beziehen sich auf alle randomisierten kontrollierten Studien (RCT) im Feld der DMT und Tanzinterventionen, die zwischen 1996 und 2018 veröffentlicht wurden. Sie zeigen für 14 verschiedene Populationen u. a. einen signifikanten (sign.) Rückgang von Depression und Angst sowie einen sign. Anstieg von Wohlbefinden (WB) und Lebensqualität. Dies ermöglicht zum einen, Hypothesen über generelle Wirkfaktoren (WF) der DMT aufzustellen, zum anderen werden die Theoriebildung und systematische Testung spezifisch tanztherapeutischer WF angeregt (Koch 2017). „Wodurch wirkt die DMT?“, lautet deshalb die aktuelle Forschungsfrage der Studie.

Nach Koch und Bräuninger (2020) führt die DMT in ihrer Praxeologie Vorteile von Tanz und Bewegung mit denen der psychotherapeutischen Behandlung sowie der kreativen, künstlerisch-schöpferischen Aktivität zusammen. Die DMT aktiviert therapeutische WF von Psychotherapie, Kunst und Bewegung. DeWitte et al. (2021) differenzieren in ihrem Scoping Review eine hypothesengenerierende Übersicht empirischer Studien zu WF der künstlerischen Therapien (KüTh; k = 67) – allgemeine WF von Psychotherapie („common factors“), gemeinsame WF der KüTh („joint factors“) und spezifische WF („specific factors“) der jeweiligen Disziplin der KüTh, darunter der DMT (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Therapeutische Wirkfaktoren der künstlerischen Therapien. AT „art therapy“, CF „common factors“, DMT „dance movement therapy“, DT „drama therapy“, JF „joint factors“, MT „music therapy“, PD „psychodrama“, SF „specific factors“. (Nach DeWitte et al. 2021)

In Bezug auf das Zusammenspiel dieser Typen von WF lässt sich auf Grawe et al. (1994) und deren Annahme referenzieren, dass die konzeptuell verschiedenen WF im therapeutischen Vorgehen nicht voneinander getrennt sind, sondern die Effektivität der allgemeinen WF, vermittelt über das konkrete Handeln, das von spezifischen Wirkannahmen bestimmt ist, zustande kommt. Allgemeine WF nach Grawe et al. (1994) sind: 1) Problemaktualisierung, 2) Ressourcenorientierung, 3) therapeutische Klärung, 4) Problembewältigung und 5) therapeutische Allianz.

Bezüglich künstlerisch-therapeutischer WF existiert eine Vielzahl von z. T. empirisch basierten Annahmen (Gruber 2008; Oepen und Gruber 2014). Des Weiteren gibt es eine Theorie über 5 Cluster therapeutischer Wirkmechanismen: (a) Hedonismus, (b) Ästhetik, (c) Symbol/nonverbale Bedeutungsgestaltung, (d) enaktiver Übergangsraum und (e) Generativität (Produktivität, Gestaltung bzw. Kreation) von Koch (2017), um die zahlreichen und teils beliebig aufgeführten WF in aktive und rezeptive Faktoren zu systematisieren. DeWitte et al. (2021) formulieren 19 Domänen empirisch gefundener therapeutischer WF für die KüTh, wobei die am stärksten gewichteten WF Embodiment, Konkretisierung und Symbol/Metapher gemeinsame WF der KüTh sind.

Die Auseinandersetzung mit spezifisch tanz- und bewegungstherapeutischen (dmt‑)WF wird seit einigen Jahren in theoretischen Forschungsarbeiten (z. B. Koch 2017), Auflistungen von Wirkannahmen (z. B. Acolin 2016; Koch und Eberhard-Kaechele 2014; Tschacher et al. 2014) sowie deren systematischen Testungen vorangetrieben. Wie DeWitte et al. (2021) zusammenfassen, ist besonders der nonverbale Charakter der DMT ein hervorstechender Wirkfaktor (Mannheim et al. 2013; Shim 2015), wodurch körperliche Erfahrungen (Chyle et al. 2020) evoziert sowie die Wahrnehmung und Flexibilisierung des Körpers (Mannheim et al. 2013; Shim 2015) geschult werden. Zudem sind die eigeninitiierte Aktivität und sensorische Beteiligung, Emotionsregulation und die aus der aktiven Expression resultierende „agency“ und Probehandeln wichtige Wirkkomponenten (DeWitte et al. 2021; Koch und Bräuninger 2020). In der Arbeit von Mehling et al. (2011) zeigt sich, dass die Körperwahrnehmung einen zentralen Aspekt der verkörperten Selbstwahrnehmung bildet. Die eigene Verkörperung in Aktion sowie Interaktion mit der Umwelt wahrzunehmen, entspricht dem Bestreben von Organismen nach Selbstorganisation und Ganzheit (Varela und Maturana 1980; De Jaegher und Di Paolo 2007), in die Körper und Geist integriert sind und in denen sie miteinander interagieren. Die Körper-Geist-Verbindung, als Embodiment bezeichnet, durch therapeutische Handlungen zu bestärken, wird als zentrales Ziel der DMT verstanden. Die Fragestellung der Studie lautete: Kann die DMT, indem sie WF der 3 Richtungen Psychotherapie, Kunst und Bewegung aktiviert, zu einer Veränderung der gesundheitsbezogenen psychologischen Outcomes erlebter Stress, Selbstwirksamkeitserwartung (SWE) und WB beitragen?

Dem Mixed-Methods-Ansatz folgend können einerseits mithilfe quantitativer Methoden bisherige Ergebnisse zu evidenten dmt-WF empirisch überprüft, andererseits anhand qualitativer Methoden neue Informationen bezüglich der Wirkweise der DMT explorativ generiert werden. Da die DMT zumeist im klinischen Kontext zur Anwendung kommt, ist die Erhebung dort angesiedelt und ermöglicht eine praxisbezogene, naturalistische Forschung. Dabei steht die Sicht der Patient*innen im Fokus, was auf dem partizipativen Ansatz der Gesundheitsforschung (Wright 2013) gründet und neben der objektiven Veränderungsmessung von relevanten Zielparametern therapeutischer Behandlung einen bedeutsamen Aspekt von Therapieerfolg darstellt. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass DMT zur Stressreduktion (Bräuninger 2006) sowie zur Steigerung von SW und WB (Wiedenhofer und Koch 2017) beiträgt; diese Parameter wurden auch in der vorliegenden Studie als Outcome-Kriterien gewählt.

Es wurde angenommen, dass: 1) DMT zur Abnahme von erlebtem Stress sowie zum Anstieg von SWE und WB führt (Hypothese 1), und 2) die erwartete positive Veränderung der 3 Outcomes sich jeweils durch die Ausprägung von allgemein psychotherapeutischen, künstlerisch-therapeutischen sowie spezifisch dmt-WF vorhersagen lässt (Hypothese 2).

Zudem wurde der selbstkonstruierte Fragebogen namens DMT-SF-Skala zur Erfassung der dmt-WF psychometrisch und faktorenanalytisch untersucht. Schließlich diente eine qualitative Befragung der explorativen, partizipatorischen Erhebung der Wirkweise der DMT.

Eine partizipatorische multizentrische Studie

Klinische Stichprobe

Es wurden eine klinische Stichprobe von 82 Patient*innen (57 weiblich, 24 männlich, eine Person o. A.; alle kaukasischer Abstammung, außer einer Person afrikanischer Abstammung) mit einem durchschnittlichen Alter von 43 Jahren (SD ± 13 Jahre; Range 19 bis 66 Jahre) zu Beginn und am Ende ihrer psychotherapeutischen Behandlung befragt. Sie erhielten eine DMT, eingebettet in ein multimodales Behandlungsangebot im tagesklinischen (3,7 %), teilstationären (24,4 %) oder stationären (72 %) klinischen Kontext. Die Behandlungsdauer reichte von 4 bis 12 Wochen oder länger und betrug durchschnittlich 8 Wochen (M = 7,8 Wochen; SD ± 2,2 Wochen). Hinsichtlich der klinischen Charakteristika gaben im Rahmen der Selbstauskunft 41,25 % der Patient*innen eine einzelne psychische Erkrankung als Diagnose an, 58,75 % nahmen entsprechende Mehrfachnennungen vor. Vorwiegende Leiden in der Stichprobe waren durch eine affektive Symptomatik (70 %), Diagnose im Bereich der neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (66,25 %) und posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; 17,5 %) sowie allgemeine psychosomatische Symptomkomplexe gekennzeichnet. In die Studie eingeschlossen wurden volljährige Patient*innen mit jeglichen psychischen und Verhaltensstörungen (F00–F99; Kapitel V der 10. Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, ICD-10) und guten Deutschkenntnissen, die während ihrer Behandlung in einer (a) psychiatrischen, (b) psychosomatischen oder (c) rehabilitativen Klinik mindestens einmal pro Woche fortlaufend DMT-Gruppentherapie in Anspruch genommen hatten. Ausschlusskriterium war weniger als 3 absolvierte DMT-Sitzungen. Die Ethik-Kommission der Philipps-Universität Marburg gab der Studie ein positives Votum (Aktenzeichen 2021-06k).

Vorgehen

Die Studie wurde an 7 Gesundheitseinrichtungen in Deutschland durchgeführt. Die DMT-Interventionen hielten die ansässigen 8 TanztherapeutInnen ab, von denen 6 vom Berufsverband der TanztherapeutInnen Deutschlands (BTD) e. V. zertifizierte Ausbildungen nachwiesen. Bei Interesse an einer Studienteilnahme wurden die Patient*innen über Ziele und Ablauf der Studie informiert, über Aspekte des Datenschutzes aufgeklärt und unterzeichneten eine Einverständniserklärung bezüglich der Freiwilligkeit der Studienteilnahme sowie der Möglichkeit des Rücktritts. Zu Beginn (t0) und am Ende (t1) ihrer DMT-Behandlung füllten die Studienteilnehmenden einen kurzen Fragebogen in Papierversion aus, der die 3 Outcomes erfasste. Dieser wurde von den jeweiligen Tanztherapeut*innen im Rahmen der DMT-Gruppensitzungen ausgehändigt und nach 5‑minütiger Bearbeitungsdauer eingesammelt. Am Ende der Behandlung erhielten die Studienteilnehmenden zudem einen Link zu einer Online-Befragung (t2), die auf dem Web-Portal Unipark.com zugänglich war. Dort wurde ein umfangreicher Fragebogenkatalog präsentiert; dieser erfasste neben den WF diverse Hintergrundinformationen. Die Bearbeitungsdauer der Online-Befragung betrug etwa 30 min. Die Datenerhebung fand vom 01.03.2021 bis zum 15.07.2021 statt.

Erhebungen und Messinstrumente

Standardisierte Messinstrumente werden im Folgende lediglich benannt; für genauere Informationen: Estel (2021).

Quantitative Methoden

Erlebter Stress wurde mithilfe der visuellen Analogskala (VAS) nach der Vorlage von Faiz (2014) und SWE mithilfe der Allgemeinen Selbstwirksamkeits Kurzskala (ASKU; Beierlein et al. 2012) erfasst. Anhand des Heidelberg State Inventory (HSI; in der Version von Koch et al. 2016) erfolgte die Erhebung von WB über 24 Items und auf den 6 Dimensionen Anspannung, depressiver Affekt, positiver Affekt, Ängstlichkeit, Vitalität und Bewältigungsfähigkeit bzw. Resilienz. Nach dem einleiten Satzanfang „Ich fühle mich im Moment …“ wird eine Liste mit Adjektiven zum Befinden (z. B. entspannt, kraftvoll, ängstlich) aufgeführt. Die Items werden mit Hilfe einer 5‑stufigen, endverbalisierten Likert-Skala (1: trifft nicht zu und 5: trifft genau zu) beantwortet. Die internen Konsistenzen in vorherigen Studien, Cronbachs α, betrugen zwischen 0,68 und 0,94.

Die allgemeinen WF von Psychotherapie wurden unter Zuhilfenahme des Fragebogens zum Erleben von therapeutischen Prozessen in der Gruppe (FEPiG; Vogel et al. 2016) erhoben. Zur Erfassung der WF von KüTh kam die Active Factors of Creative Arts Therapies Scale (AF-CATs; Koch 2020a) zum Einsatz. Ein Beispiel-Item lautet: „Waren Sie innerlich bewegt/berührt?“. Beantwortet wird auf einer 6‑stufigen, endverbalisierten Likert-Skala (1: überhaupt nicht und 6: sehr stark). Bei einer Probetestung mit Studierenden des Masterstudiengangs Tanztherapie der SRH Hochschule Heidelberg, die 2 DMT-Interventionen absolvierten, wurde ein Cronbachs α von 0,95 und 0,96 erreicht. Zur Erfassung der spezifischen dmt-WF wurde, basierend auf bisherigen Studienergebnissen, ein Fragebogen namens Dance Movement Therapy – Specific Factors Scale (DMT-SF) selbst entwickelt. Der DMT-SF erhebt diese über retrospektive Selbstauskunft und umfasst 24 Items. Beispiel-Items lauten: „Wenn Sie an die DMT zurückdenken, inwiefern haben Sie Zugang zu Ihrem Körper finden können?“ oder „… inwiefern konnten Sie etwas Bedeutungsvollem eine Form/einen Ausdruck geben?“. Beantwortet wird auf einer 6‑stufigen, endverbalisierten Likert-Skala (1: überhaupt nicht und 6: sehr stark). Bei einer Probetestung mit 18 Studierenden des Masterstudiengangs Tanztherapie der SRH Hochschule Heidelberg wurde nach einer DMT-Intervention ein Cronbachs α von 0,93 erreicht.

Qualitative Methoden

Es wurden krankheits- und behandlungsbezogene Informationen wie Diagnose, Behandlungsdauer und -umfang, subjektiv eingeschätzte Wirksamkeit der DMT, deren Bedeutung für den Therapieprozess (Rangreihe erhaltener Therapieangebote) sowie deren Effektivität auf einer 10-stufigen Likert-Skala (1: gar nicht bis 10: sehr viel/sehr wichtig/sehr schnell/sehr erfolgreich) erhoben. Drei anschließende offene Fragen dienten (a) der subjektiven Beschreibung der Wirkweise der DMT in einem Satz, (b) einer besonders hilfreichen Erfahrung im Umgang mit den eigenen Problemen sowie (c) einer besonders bereichernden Übung im Rahmen der DMT.

Datenanalyse

Die Daten der Patient*innen wurden in einer Experimentalgruppe (EG) für die Analyse zusammengefasst. Die statistischen Berechnungen erfolgten mithilfe der Software SPSS Statistics for Windows (Version 27.0) von IBM® Cooperation, Armonk, NY.

Zur Überprüfung der H1 diente eine einfaktorielle MANOVA mit Messwiederholung, bei der Zeit als Innersubjektfaktor fungierte. Es wurden explorativ multivariate Analysen der Kovarianz (MANCOVA) mit den Differenzvariablen der 3 Outcomes berechnet, um den potenziellen Einfluss der Variablen Alter, Geschlecht, Diagnose, absolvierte Sitzungsanzahl der DMT, Beginn der Studienteilnahme, Wichtigkeit sowie Wirksamkeit der DMT systematisch zu untersuchen.

Die H2 wurden anhand multipler linearer Regressionsanalysen überprüft. Bei diesen dienten jeweils die allgemeinen psychotherapeutischen, die künstlerisch-therapeutischen sowie die spezifisch dmt-WF als Prädiktoren. Als Kriterium wurde in Modell 1 die beobachtete Veränderung von erlebtem Stress, in Modell 2 die beobachtete Veränderung von SWE und in Modell 3 die beobachtete Veränderung von WB festgelegt.

Zur Untersuchung der psychometrischen Gütekriterien wurde die DMT-SF-Skala einer deskriptiv statistischen Analyse sowie einer exploratorischen Faktorenanalyse (EFA) unterzogen.

Für die qualitative Analyse der textuellen Daten zur Wirkweise der DMT wurde die thematische Analyse (TA; Attride-Stirling 2001; Braun und Clarke 2006) gewählt. Die TA zielt darauf ab, über verschiedene Datenquellen hinweg wiederkehrende Themen zu identifizieren, deren Beziehung zueinander zu analysieren und als thematisches Netzwerk grafisch mit den 3 hierarchischen Abstraktionsebenen globale Themen, organisierende Themen sowie Basisthemen darzustellen.

Ergebnisse

Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) für die 3 Outcomes der EG über die Zeit sind in Tab. 1 abgetragen und in Abb. 2 grafisch dargestellt.

Tab. 1 Deskriptive Statistik der Outcomes (M ± SD) in Prä- und Posttest, n = 82
Abb. 2
figure 2

Grafische Darstellung der Outcomes in Prä- und Posttest, n = 82. ASKU Allgemeine Selbstwirksamkeits Kurzskala (Beierlein et al. 2012), HSI Heidelberg State Inventory (Koch et al. 2016), M Mittelwert, SD Standardabweichung, t0 Prätest, t1 Posttest, VAS visuelle Analogskala

Im Hinblick auf die H1 ergab die MANOVA mit Messwiederholung einen sign. Haupteffekt für den Innersubjektfaktor Zeit mit F (3, 79) = 24,99; p < 0,0001, ηp2 = 0,49. Erlebter Stress nahm über die Behandlungszeit sign. ab, mit F (1, 81) = 46,16, p < 0,0001, ηp2 = 0,36. SWE mit F (1, 81) = 46,25, p < 0,0001, ηp2 = 0,36 und WB mit F (1, 81) = 57,67, p < 0,0001, ηp2 = 0,42 nahmen sign. über die Behandlungszeit zu. Die Ergebnisse der MANCOVA zeigen, dass kein sign. Einfluss der untersuchten Kovariaten vorlag – außer einem sign. Einfluss der soziodemografischen Variable Alter auf das WB mit F (1, 57) = 4,902, p = 0,031, ηp2 = 0,079, sowie des Beginns der Studienteilnahme auf die SWE mit F (1, 58) = 4,95, p = 0,030, ηp2 = 0,079.

Für die H2 zeigte sich anhand Modell 1 (R2 = 0,10, ƒ2 = 0,18) und Modell 3 (R2 = 0,23, ƒ2 = 0,38), dass die Veränderungen von erlebtem Stress und WB sign. durch die allgemeinen psychotherapeutischen WF vorhergesagt wurden, während die künstlerisch-therapeutischen sowie dmt-WF keinen sign. Einfluss auf die Veränderungen der beiden Ergebnismaße hatten. Hinsichtlich der Veränderung der SWE konnte im Modell 2 (R2 = 0,22, ƒ2 = 0,35) keine sign. Vorhersagekraft der 3 Wirkfaktorenbereiche nachgewiesen werden.

Die explorative Untersuchung der Wirkweise der DMT ergab in Bezug auf die quantitativen Daten zufriedenstellende psychometrische Gütekriterien der DMT-SF-Skala. Die Trennschärfen betrugen ri (t=/i) = 0,43–0,84 im angemessenen bis ausreichenden Bereich. Die Item-Schwierigkeit war mit pi zwischen 62 und 82,4 im leichten bis mittleren Bereich und die Reliabilität mit Cronbachs α von 0,95 im exzellenten Bereich. Die Dimensionsreduktion der DMT-SF Skala ergab eine 3‑faktorielle Lösung, wobei insgesamt 61,28 % der Varianz in den Daten aufgeklärt wurden. Dabei erwies sich der erste Faktor Embodiment als Generalfaktor, da 36,36 % der Varianzaufklärung durch diesen erfolgten. Der zweite Faktor Konkretisierung klärte weitere 16,66 % und der dritte Faktor Gespiegeltwerden klärte 8,26 % Varianz in den Daten auf. Die entlang der Dimensionen gebildeten Skalen des DMT-SF ergaben Reliabilitäten mit Cronbachs α zwischen 0,74 und 0,96 im akzeptablen bis exzellenten Bereich.

Die TA (Abb. 3) erbrachte hinsichtlich der Untersuchung der Wirkweise der DMT eine umfangreiche Zahl von Basisthemen, die sich unter den 6 globalen Themen Kontakt mit sich selbst, Gruppe, Therapeut*in, Medium, Themen und Atmosphäre zusammenfassen ließen. Dabei erhielten die Basisthemen Zugang zu neuen Erfahrungen (10), Selbstwahrnehmung (13), Körperwahrnehmung (24), Problemwahrnehmung (30), Problembewältigung (21), Erkennen von Zusammenhängen/Erkenntnisse (32), Loslassen (17) sowie Wahrnehmung von Emotionen (20) und Ausdruck von Emotionen (18) die meisten Nennungen (absolute Anzahl in Klammern) von den Patient*innen.

Abb. 3
figure 3

Thematisches Netzwerk zu Wirkfaktoren der DMT, n = 82. Globale Themen blau hinterlegte Kreise, organisierende Themen blau umrandete Kästen, Basisthemen ohne Umrandung, (Zahl) absolute Anzahl der Kodierungen

Diskussion

In Übereinstimmung mit der H1 zeigten sich positive Veränderungen von erlebtem Stress, SWE und WB über die Behandlungszeit. Dieser Effekt kann mangels einer Kontrollgruppe (KG) und Inanspruchnahme anderer therapeutischer Angebote im Rahmen der multimodalen Behandlung nicht allein auf die DMT zurückgeführt werden. Der Anteil der DMT am Behandlungserfolg kann jedoch als hoch eingeschätzt werden, da die Hälfte der Patient*innen die DMT als hilfreichste Therapie im Vergleich zu anderen in Anspruch genommenen Therapieangeboten benannte. Auch in der Kategorie zweithilfreichste und dritthilfreichste Therapie lag die DMT direkt hinter der psychotherapeutischen Einzel- und Gruppentherapie. Weiterhin empfanden 74,1 % der Patient*innen die DMT als unabkömmlich für ihren gesamten Therapieprozess. Dabei sind ein Selbstselektionsbias und ein Bias der sozialen Erwünschtheit kritisch im Auge zu behalten.

In Bezug auf die H2 Vorhersage der Verbesserung von erlebtem Stress, SWE und WB durch die allgemeinen, gemeinsamen künstlerisch-therapeutischen und spezifischen dmt-WF ergab sich ein uneindeutiges Ergebnis. Zurückzuführen ist dieses auf das Ein-Gruppen-Prätest-Posttest-Design der Studie, eine für die Berechnung zu geringer Power und die hohe Korrelation der Maße AF-CATs und DMT-SF-Skala, die eine Voraussetzungsverletzung für die Berechnung darstellte. Letzteres deutet darauf hin, dass die WF der KüTh und der DMT in hohen Maße übereinstimmen und womöglich konvergieren. Im Sinne einer Augenscheinvalidität weisen die ermittelten Regressionskoeffizienten darauf hin, dass die allgemeinen psychotherapeutischen WF als Prädiktoren einen bedeutsamen Beitrag zur Varianzaufklärung in Bezug auf die Veränderung von erlebtem Stress und WB leisten. Letzteres Ergebnis steht im Einklang mit den Befunden von Wampold et al. (2018), nach denen die Therapiemethode nur einen geringen Anteil an der Varianzaufklärung des Therapieerfolgs hat.

In Bezug auf die DMT-SF-Skala ergibt die 3‑faktorielle Lösung Embodiment als Generalfaktor. Durch die Ladung der Items, die die Interaktion von Psyche und Körper operationalisieren und nach dem Einfluss der Bewegungen auf Emotionen und Kognition fragen, wird deutlich, dass es sich bei diesem weniger um ein klar abgrenzbares Konstrukt handelt, sondern vielmehr um eine Embodiment-Perspektive (Tschacher und Storch 2012). Diese Embodiment-Perspektive befasst sich mit der Einheit von Körper und Geist sowie dem Körperfeedback (der Rückwirkung des Körpers auf Denken und Fühlen, z. B. Koch 2011). Darunter fallen Aspekte der Körperwahrnehmung sowie der Entspannung, inneren Balance, des Spaßes und der Lebendigkeit sowie der Zweckfreiheit und Flexibilisierung von Bewegung.

Laut Birbaumer und Schmidt (2002) stützt die Psychophysiologie der Emotionen die Embodiment-Befunde, indem das Erleben der Emotionen erst nach der Wahrnehmung peripherer körperlicher Reaktionen ausgestaltet wird. Dies unterstreicht die Bedeutung der Wahrnehmung. Damit übereinstimmend zeigt sich, dass Items, die sich auf die Wahrnehmung des Körpers oder auf den Zugang zum Körper beziehen, ebenfalls hoch auf dem Faktor luden. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Mannheim et al. (2013), bei denen Körper- und Selbstwahrnehmung als ein WF von DMT identifiziert wurde. Demnach ist im Kontext der Ergebnisse die Interozeption/Fähigkeit, eigene Körpersignale wahrzunehmen und ihnen ergebnisoffen zu folgen, als bedeutsam für Embodiment zu erachten.

Hier findet sich die inhaltliche Nähe zur Körperpsychotherapie, bei der Embodiment als „ganzheitliches Erleben zu betrachten [ist], das umso tiefer, reicher und genauer wird, je mehr es mit den interozeptiven und propriozeptiven Wahrnehmungen verbunden ist“ (Geuter 2019, S. 426), und bei der sich der spezifische körperpsychotherapeutische WF „Förderung des Erlebens“ als inhaltsverwandt darstellt. Laut Elliott et al. (2013) ist für therapeutische Veränderung zentral, körperlich gefühltes Erleben zu prozessieren und zu vertiefen. In diesem Sinne kann Bezug genommen werden auf DeWitte et al. (2021), die Embodiment als einzigartigen WF der KüTh hervorheben. Dies wird dadurch begründet, dass Aktivität und Physikalität im Therapieprozess der KüTh (z. B. sensorische Wahrnehmung von Material und künstlerischer Kreation) die Verbindung zum Körper, die Körperwahrnehmung sowie ganzheitliche Erfahrungen durch künstlerische Mittel in den Vordergrund stellen und verkörpertes Erleben fördern sowie aufgrund ihrer Ressourcenorientierung die SW stärken (Koch 2017; Lange et al. 2018). Die KüTh nutzt zwar durch ihre künstlerische Arbeitsweise im Vergleich zu herkömmlichen gesprächsbasierten Therapien Embodiment in besonderem Maße, allerdings deuten andere Befunde (Dohrenbusch und Scholz 2004; Fisher et al. 2011; Tschacher et al. 2007) darauf hin, dass Embodiment z. B. als nonverbale Synchronie in der psychotherapeutischen Interaktion auftritt und auch dort Körperhaltung, Gestik, Mimik und Prosodie im Therapieprozess bedeutsame Rollen spielen. Inwiefern dadurch das Erleben vertieft wird, ist zu untersuchen. Schließlich verweisen Pascual-Leone und Greenberg (2007) darauf, dass das Erleben (als ein Maß emotionalen Verarbeitens) als ein allgemeiner Faktor, der Veränderungen über einzelne Verfahren hinweg erklärt, fungieren könnte.

Auf dem zweiten Faktor laden Items, die eine Übersetzungsfunktion widerspiegeln. Indem der Zusammenhang und Wechsel von Innerem und Äußerem so aktiv und bewusst wie möglich durch das Medium Tanz bzw. Bewegung gestaltet wird, kann Relevantes konkret und greifbar werden. Damit zeigt sich eine weitere Übereinstimmung mit der zweiten Dimension der von DeWitte et al. (2021) gefundenen gemeinsamen Wirkfaktoren der KüTh: der Konkretisierung (als Ausdruck von einem inneren psychischen Aspekt in einem künstlerisch-kreativen Produkt).

Auf dem dritten Faktor laden Items des Gespiegeltwerdens in Worten und Bewegungen durch die Therapeut*in. Spiegeln wird eingesetzt, um emotionales Verstehen und Empathie für andere zu steigern (Berrol 2006). McGarry und Russo (2011) untersuchten potenzielle Mechanismen des Spiegelns und verwiesen darauf, dass durch das Verstehen der emotionalen Intentionen anderer eine verstärkte Aktivität in spiegelneuronalen Schaltkreisen einsetzt. Spiegeln stellt einerseits eine neuronale, andererseits eine soziale Synchronisation dar, beim Imitieren des körperlichen/motorischen Verhaltens einer Person. Die Ergebnisse knüpfen an die bestehende Forschung (Koch et al. 2015; Shuper-Engelhard et al. 2019; Chyle et al. 2020) und sprechen dafür, Gespiegeltwerden als bedeutsame Methode der DMT sowie Synchronie als WF zu erforschen.

Die qualitativen Ergebnisse machen deutlich, was von den Patient*innen in der DMT als hilfreich bzw. wirksam erlebt wurde. Auffallend ist, dass gerade die Basisthemen der Wahrnehmung besonders viele Nennungen vorwiesen. Damit sind die empirischen Daten kongruent mit der theoretisch formulierten Arbeitsweise der DMT, in der die Wahrnehmung ein Grundkonzept ist. Laut Wilke (2006) ist eine aktive Ausdrucksarbeit ohne Eindrücke, also ohne sensible Sinneswahrnehmung, nicht möglich. Demnach wird die Wahrnehmung des Körpers, der Bewegung, der eigenen Emotionen und Bedürfnisse in der DMT genutzt, um therapeutisches Material zu entdecken und bewusst zu machen. Dies schult die von den Patient*innen häufig genannte Selbstwahrnehmung, die wiederum ermöglicht, sich im therapeutischen Prozess und der Interaktion real erleben zu können. Dadurch kann die Problemaktualisierung erreicht werden (Grawe et al. 1994; Willke 2007). Gleichsam wird die Fremdwahrnehmung geschult, in dem die Wahrnehmung auf die Umgebung (z. B. Atmosphäre, Gestaltung, Musik), Mitpatient*innen innerhalb der Gruppe sowie Therapeut*in gelenkt wird, was von den Patient*innen als hilfreich beschrieben wurde.

Bemerkenswert erscheint, dass die Patient*innen in der Lage waren, präzise zu beschreiben, was für sie in der DMT hilfreich war. Somit steht ihre reflektierte Selbstauskunft mancher Lehrmeinung gegenüber und bestärkt Patient*innen als Forschungsbeteiligte im Rahmen partizipativer Gesundheitsforschung (Eberhard-Kächele, persönliche Kommunikation, 25.09.2022) und im Shared Decision-Making, was sich als Paradigma im therapeutischen Prozess etabliert (Schrauth und Zipfel 2005).

Dass die Studie die 3 Wirkfaktorenbereiche erstmals für die DMT untersucht, ist eine Stärke. Positiv ist die Methodenverschränkung, mit der der thematischen Umfänglichkeit Rechnung getragen wurde. Die Ergebnisse ermöglichen, weitere Forschungsfragen abzuleiten. Der Mangel einer KG stellt eine besondere Limitation der Studie dar. Zudem lassen die Ergebnisse, aufgrund der sehr heterogenen und durch hohe Komorbidität gekennzeichneten Stichprobe, keine Aussagen über die Wirkweise der DMT für spezifische Populationen zu. Eine Weiterführung dieser Studie, die diese und weitere Limitationen adressieren kann, ist auf dem Weg. Weiterhin bezog sich die Erhebung auf DMT im Gruppensetting, sodass die Ergebnisse nur bedingt auf die DMT-Einzelarbeit übertragen werden können. Inwiefern einzelne WF auch in der therapeutischen Dyade wirksam sind, bedarf weiterer Forschung.

Fazit für die Praxis

  • Tanz- und Bewegungstherapie (DMT) leistet einen bedeutsamen Beitrag zur Behandlung von Patient*innen im klinischen Kontext und hat in ihrer Anwendung als integrativ-medizinisches Verfahren einen besonderen Stellenwert im Behandlungsspektrum.

  • Zukünftig ist Embodiment innerhalb des Wirkmechanismus der DMT, der künstlerischen Therapien und als allgemeiner Wirkfaktor von Psychotherapie weiterzuerforschen.