Dass „das Ich … vor allem ein körperliches“ sei, formulierte Sigmund Freud bereits 1923 [1]. Während seine Feststellung im Kontext seines Strukturmodells des psychischen Apparates zu sehen ist und damit kaum Implikationen für die Behandlungstechnik verknüpft waren, wissen wir heute, dass Psychotherapie ohne Bezug zum Körper weder denk- noch durchführbar ist. Von der großen Vielfältigkeit der Bedeutungen und Rollen, die der Körper in der Psychotherapie hat und spielt, möchte dieses Schwerpunktheft einen lebendigen Eindruck vermitteln. Der weite Bogen spannt sich dabei von der Psychotherapie körperlich kranker Patient*innen und Zusammenhängen zwischen Bindung und körperlicher Gesundheit über den Körper als therapeutischen Zugang sowie die Körperwahrnehmung bei Patient*innen mit Essstörungen bis zum Körper der Therapeut*innen.

Eröffnet wird das Heft mit einem Beitrag von Sandra Zara (Gießen) et al. zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung von Patient*innen mit Diabetes mellitus. In einer Inanspruchnahmestichprobe war der Anteil zuckerkranker Psychotherapiepatient*innen niedriger als angenommen, obwohl erwartungsgemäß Probleme im Umgang mit der Krankheit die Inanspruchnahme begründeten. Die deutliche Symptomverbesserung und hohe Therapiezufriedenheit sprechen dafür, psychotherapeutische Spezialangebote für Patient*innen mit körperlichen Grunderkrankungen auszubauen bzw. zu entwickeln.

Die Arbeitsgruppe um Eva Flemming (Rostock) beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von körperlicher Gesundheit und desorganisierter Bindung. In einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe war die somatische Krankheitslast mit desorganisierter Bindung assoziiert. Sie diskutieren die Implikationen dieses Befundes für die Psychotherapie von desorganisiert gebundenen Patient*innen unabhängig von deren psychischen Störungen und empfehlen, die körperlichen Aspekte in der Behandlung nicht zu vernachlässigen.

Der folgende Beitrag von Ute Martens (Heidelberg) et al. gibt einen fundierten Überblick über die ideengeschichtliche Herkunft und Entwicklung der Körperpsychotherapie, um anschließend eine Standortbestimmung der heutigen Vielfalt der unterschiedlichsten körperpsychotherapeutischen Ansätze und Methoden vorzunehmen. Anhand der funktionellen Entspannung werden beispielhaft die Besonderheiten des körperpsychotherapeutischen Vorgehens illustriert und ihre Bedeutung in multimodalen Behandlungsprogrammen diskutiert.

An diese Übersicht knüpft die Arbeit von Lea Anna Graute (Münster) et al. an, indem sie einen körperpsychotherapeutischen Gruppenansatz für jugendliche Patient*innen mit Anorexia nervosa vorstellen und erste Befunde zu dessen Beurteilung präsentieren. Auch wenn sich die Körperbildstörungen am Ende der Behandlung als vergleichsweise persistent erwiesen, konstatierten die Betroffenen ein positives Beziehungserleben in der Gruppe; tendenziell gingen positive körperbezogene Erfahrungen mit einer Symptomverbesserung einher.

Die Körperwahrnehmung von Patient*innen mit Anorexia nervosa steht auch im Zentrum des Beitrags von Simone C. Behrens (Tübingen) et al. Sie beschäftigen sich explorativ mit dem Nutzen einer biometrischen Figure-Rating-Skala für das Monitoring der Angst vor Gewichtszunahme und Körperbild während einer stationären Behandlung und stellen dazu interessante Befunde aus einer Fallserie von 13 Patientinnen mit Anorexia nervosa vor.

Die beiden abschließenden Beiträge setzen sich mit dem Körper der Psychotherapeut*innen auseinander. Zunächst stellt Ute Backmann (Heppenheim) das Konzept der körperlichen (Gegen‑)Übertragung in der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT) dar. Anhand eines klinischen Beispiels illustriert sie eindrücklich, dass dieses Konzept erhebliches sowohl diagnostisches wie therapeutisches Potenzial hat. Zudem setzt sie sich kritisch mit der Frage auseinander, wie Veränderungen in der Körperlichkeit der Körperpsychotherapeut*innen den therapeutischen (Gegen‑)Übertragungsprozess beeinflussen.

Die Arbeitsgruppe um Antonia Bendau (Berlin) fragt nach der körperlichen Aktivität und berufsbezogenen Lebensqualität bei Psycholog*innen und macht somit deutlich, dass Psychotherapeut*innen keine körperlosen Wesen sind. Auch wenn in einer online untersuchten Gelegenheitsstichprobe keine Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und berufsbezogener Lebensqualität gefunden wurden, zeigte sich, dass Psycholog*innen eine körperlich aktive und tendenziell zufriedene Berufsgruppe darstellen.

Aus Herausgebersicht ist es gelungen, einen weiten und runden Bogen zu dem Schwerpunktthema zu spannen. Dafür möchten wir uns herzlich bei allen Autor*innen bedanken. Den Leser*innen wünschen wir eine anregende und (körperlich) aktivierende Lektüre.