Aus den Aussagen von Therapeut_innen, was ihnen in der therapeutischen Interaktion mit einem Gender leichter oder schwerer fällt, und jenen von Patient_innen, was ihnen in den jeweiligen Genderkombinationen in den Dyaden begegnet, lassen sich unterschiedliche typische Dynamiken extrahieren (Schigl 2015). Generell stellt sich in genderhomogenen Dyaden leichter ein Gefühl von „das kann ich gut nachvollziehen“ ein. Das kann jedoch auch zu Missverständnissen führen, wenn bei Same-gender-Dyaden vielleicht irrtümlich größere Vertrautheit angenommen wird. Andererseits kann es auch problematisch sein, in genderheterogenen Dyaden aufgrund gefühlter Andersartigkeit zu vorsichtig und zögerlich zu interagieren (Schigl 2018b).
Typischerweise zeigen weibliche Dyaden einen schnelleren Aufbau der therapeutischen Beziehung und eine leichtere Herstellung einer Vertrauens- und Arbeitsbasis. Hier können Gefühle von großer Nähe entstehen und sich tiefe Allianzen bilden. Dies bewirkt auf der anderen Seite allerdings, dass es oft schwierig ist, Kritik zu äußern, Konkurrenz wahrzunehmen, zu konfrontieren.
Das Gegenstück dazu bieten die männlich zusammengesetzten Dyaden, in denen die Therapeuten berichten, dass es Zeit braucht, eine gedeihliche therapeutische Allianz aufzubauen. Vor allem die Anfangsphase ist oft geprägt von Kritik und Konkurrenz, es fällt schwerer, Gefühle wie Beschämung, Sehnsucht, Verletzbarkeit zu zeigen.
In der Dyade von Therapeutin mit männlichem Patienten berichten v. a. jüngere Kolleg_innen von der Schwierigkeit, den Prozess zu steuern und als Autorität anerkannt zu werden. „Komplimente“ und Rückmeldungen bezüglich ihres Äußeren verunsichern sie und können als Doing Gender gelesen werden, mit dem Patienten die auf den Kopf gestellte patriarchale Ordnung „leidender Mann sucht Hilfe bei einer Frau“ durch Romantisierung wiederherstellen wollen.
Die Dyade von männlichem Therapeuten und weiblicher Patientin ist gekennzeichnet durch einen aus Sicht der Therapeuten leichten Beziehungsaufbau, in dem ihre Autorität anerkannt und geschätzt wird. Es ist auch jene Dyade, in der eine Geschlechterspannung in Bezug auf erotisierende Atmosphären am deutlichsten benannt wird – was in den anderen Dyaden zumeist einen blinden Fleck darstellt.