Die Schweigepflicht für Ärzt:innen und psychologische Psychotherapeut:innen ist ein aktuelles Thema in der Diskussion um die Verhinderung von extremistischen Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit psychisch auffälligen Personen. In der vorliegenden Studie wird erstmalig untersucht, wie die Allgemeinbevölkerung den Umgang mit der Schweigepflicht im Zusammenhang mit religiösem oder politischem Extremismus sieht.

Einleitung

Das Attentat im Juni 2021 in Würzburg mit mutmaßlich extremistischem Hintergrund entfachte erneut die Debatte über die Möglichkeiten der Verhinderung von Gewalttaten durch eine psychiatrische Behandlung (taz.de 2021). Bereits 2016 wurden im Zusammenhang mit Attentaten und in der Folge der Verschärfung des Antiterrorgesetzes eine Beteiligung von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen an der Terrorbekämpfung gefordert und auch die Lockerung der Schweigepflicht diskutiert (tagesschau.de 2020; Linden und Helmchen 2018; dw.com 2020). Kammern, insbesondere die Psychotherapeutenkammer, und Fachgesellschaften der Heilberufe lehnten allerdings in der Vergangenheit eine Lockerung der bestehenden Schweigepflicht (bundesaerztekammer.de 2021; bptk.de 2019) und Reform der Gesetzesgrundlage vehement ab. Sie warnten davor, sich wegen der angespannten Sicherheitslage zu vorschnellen politischen oder gar rechtlichen Änderungen verleiten zu lassen (bayerische-staatszeitung.de 2021; aerzteblatt.de 2020; psychotherapeutenjournal.de 2015). Neben dem Hinweis auf bereits hinreichend bestehende Möglichkeiten, die Schweigepflicht bei konkreter Gefahr zu brechen, wurde v. a. auf die negativen Folgen einer grundsätzlichen Lockerung der Schweigepflicht für das Vertrauensverhältnis zwischen Patient:innen und Berufsgeheimnisträgern, z. B. Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen, hingewiesen. Dies sei insbesondere relevant für Patient:innen, bei denen aggressive Fantasien im Rahmen der Behandlung kommuniziert werden (Klett und Tessmer 2016). Die Diskussion über die Schweigepflicht führte zudem dazu, dass extremistische Gewalt in der Öffentlichkeit primär mit dem Vorliegen psychischer Störungen in Verbindung gebracht wurde (tagesschau.de 2020; sueddeutsche.de 2021). Diese Annahme lässt sich wissenschaftlich nicht begründen und kann zu einer allgemeinen Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen führen (Allroggen 2020; Bühring 2016, 2018; Dom et al. 2018; Schomerus et al. 2017).

Betrachtet man die Schweigepflicht von Ärzt:innen und psychologischen Psychotherapeut:innen in Bezug auf das Arzt-Patienten-Verhältnis, stellt diese eine „Grundvoraussetzung ärztlichen Wirkens“ dar. Die Schweigepflicht zählt zu den höchsten Berufs- und Standespflichten von Ärzt:innen (Parzeller et al. 2005) und psychologischen Psychotherapeut:innen (bptk.de 2019). Das gesetzliche Gerüst zur Verschwiegenheitspflicht im Rahmen einer Behandlung wurzelt im allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Weitergabe von Informationen durch Angehörige von Heilberufen setzt demnach eine, ggf. auch mutmaßliche, Einwilligung der Patientin/des Patienten voraus. Gegen den Willen oder ohne Einverständnis von Patient:innen ist demgegenüber eine Weitergabe von Informationen nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich, z. B. bei Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) oder im Fall einer möglichen Kindeswohlgefährdung (§ 4 KKG). Eine Verpflichtung zur Weitergabe besteht z. B. im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes oder wenn Ärzt:innen bzw. Psychotherapeut:innen glaubhaft von der Planung einer schweren Straftat nach dem Katalog des § 138 StGB erfahren.

Wenig Beachtung fand in der bisherigen kontroversen Auseinandersetzung zwischen Fachgesellschaften, Kammern, Gesetzgeber und Regierung (aerztezeitung.de 2021; handelsblatt.com 2021), ob die vonseiten der Politik geforderte Lockerung der Schweigepflicht ein mehrheitsfähiges Argument ist, mit dem sich die ärztliche und psychotherapeutische Profession im Sinne von Aufklärung über die Bedeutung der Schweigepflicht auseinandersetzen muss. Es ist aus Sicht von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit aber ein entscheidender Faktor, ob die zentrale Bedeutung der Schweigepflicht von Patient:innen und der Bevölkerung wahrgenommen wird. Denn nur, wenn hierüber eine prinzipielle Verständigung besteht, kann der Schutz- und Vertrauensraum im Rahmen einer Behandlung überhaupt wirksam sein. Daher ist es das Ziel der folgenden Untersuchung, die Allgemeinbevölkerung nach ihrer Einstellung zu befragen, ob sie eine Lockerung der Schweigepflicht von Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen im Zusammenhang mit Extremismus befürworten würden. Zudem soll untersucht werden, ob die Befürwortung einer Lockerung der Schweigepflicht eine Korrelation mit der Überzeugung zeigt, dass extremistische Gewalttäter:innen unter psychischen Störungen leiden, oder ob diese von einer politischen Orientierung abhängt, und welche Rolle speziell Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen in der Prävention von extremistischen Taten zugeschrieben wird.

Methode

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde nach dem „Random-route“-Verfahren mit Startadressenvorgabe eine für Deutschland in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildung und Wohnregion repräsentative Stichprobe gezogen. In diesen insgesamt 5668 ermittelten Haushalten wurden Interviewpartner:innen nach dem Zufallsprinzip („Schwedenschlüssel“) ausgewählt. Teilnehmen konnten grundsätzlich Personen mit einem Mindestalter von 14 Jahren sowie mit ausreichenden Deutschkenntnissen. Die Teilnahme an der Studie war freiwillig; An der Untersuchung nahmen 2524 Haushalte teil; diese wurden im Zeitraum von Februar 2020 bis April 2020 für ein persönliches Interview kontaktiert. Eine Einwilligung zur Studienteilnahme wurde schriftlich erhoben.

Zu Beginn des Interviews erhob die/der Studienmitarbeiter:in die soziodemografischen Daten von der Zielperson des Haushalts. Anschließend erhielt diese einen Fragebogen sowie einen Umschlag, in dem sie den ausgefüllten Fragebogen später selbst verschließen sollte. Die/der Interviewer:in konnte bei Verständnisproblemen um Hilfe gebeten werden. Die Befragung wurde von dem deutschen Markt- und Sozialforschungsinstitut USUMA (Unabhängiger Service für Umfragen, Methoden und Analysen), Berlin-Weißensee, durchgeführt und enthielt insgesamt 119 Fragen zu unterschiedlichen Themen wie zur politischen Einstellung, zu belastenden Kindheitserfahrungen und psychosozialen Belastungen. In dieser Arbeit wird nur ein Teil der Fragen berichtet. Die Untersuchung erfolgte in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki (Weltärztebund 2013), sie erfüllt die ethischen Richtlinien des International Code of Marketing and Social Research Practice der International Chamber of Commerce und der European Society for Opinion and Marketing Research (ICC/ESOMAR 2007) und erhielt ein positives Votum durch die Ethikkommission der Universität Leipzig.

Stichprobenbeschreibung

Insgesamt wurden 2503 Personen in die Studie eingeschlossen. Nicht verwertbar waren 21 Interviews und wurden daher für weitere Auswertungen aus dem Datensatz genommen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden betrug 49,52 Jahre (SD ± 17,51 Jahre), 50,2 % waren weiblich (für detaillierte Informationen zu den Studienteilnehmenden: Tab. 1).

Tab. 1 Soziodemografische Daten der Studienteilnehmenden

Fragestellungen

Zur Beantwortung der Fragestellung wurden den Studienteilnehmenden 3 Fragen vorgelegt, die die Einstellung zum Bruch der Schweigepflicht im Zusammenhang mit extremistischer Einstellung und Gewalt auf einer 5‑stufigen Skala erfassten („stimme nicht zu“ bis „stimme zu“). Zudem wurde anhand von 4 Fragen untersucht, inwieweit ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen psychischer Störungen und Problemen sowie der psychotherapeutischen/psychiatrischen Behandlungsnotwendigkeit bei extremistischer Gewalt besteht (Tab. 2). Ergänzend wurde die politische Orientierung (links, Mitte, rechts) auf einer 11-stufigen Skala erfasst.

Tab. 2 Einstellung zum Bruch der ärztlichen Schweigepflicht im Zusammenhang mit extremistischen Einstellungen von Patient:innen und zu psychiatrischen/psychotherapeutischen Behandlung von Extremist:innen

Statistische Analysen

Für die statistische Datenanalyse wurden die Befragungsdaten in die Auswertungssoftware IBM SPSS Statistics 27 importiert. Die einzelnen Antworten auf einer 5‑stufigen Ordinalskala wurden deskriptiv ausgewertet. Aussagen, die mit 4 oder 5 (stimme zu) bewertet wurden, wurden als Zustimmung bewertet. Darüber hinaus wurden bivariate Korrelationen mittels des Pearson-Korrelationskoeffizienten berechnet zur Aussage, inwieweit von den Befragten eine Verbindung zwischen dem Vorliegen psychischer Störungen sowie der psychotherapeutischen/psychiatrischen Behandlungsnotwendigkeit bei extremistischer Gewalt gesehen wird. Zusätzlich wurde untersucht, inwieweit die politische Einstellung einen Einfluss auf das Antwortverhalten hat. Dies wurde mithilfe multivariater Varianzanalysen sowie t-Tests und anschließender Post-hoc-Analysen getestet. Für die Berechnungen wurden die Fragen zur politischen Orientierung, die auf einer 11-stufigen Skala erfasst wurden, in 3 Kategorien (links: 1–3; Mitte: 4–8 und rechts: 9–11) zusammengefasst.

Ergebnisse

Der Aussage, dass Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen grundsätzlich ihre Schweigepflicht sollten brechen dürfen, wenn sie von extremistischen Einstellungen erfahren, stimmen 53,3 % (n = 1328) der Befragten überwiegend zu. Auch die Aussage, dass Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich ein Einsichtsrecht haben sollten, wenn bei Patient:innen eine extremistische Einstellung vorliegt, beantworteten 53,8 % (n = 1345) der Befragten zustimmend. Zudem wurde der Schutz vor extremistischer Gewalt von 57,5 % (n = 1438) der Befragten als bedeutsamer angesehen als die Schweigepflicht, wohingegen nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Befragten von 29,9 % (n = 742) der Meinung ist, dass Menschen mit extremistischen Gewaltvorstellungen psychotherapeutisch oder psychiatrisch geholfen werden kann (Tab. 2).

Bei der Betrachtung von Zusammenhängen zeigen sich kleine bis mittlere Korrelationen zwischen der Zustimmung zum Bruch der Schweigepflicht und der Einschätzung, dass extremistische Einstellungen und Gewalt mit psychischen Störungen verbunden sind (Tab. 3).

Tab. 3 Zusammenhang der Einstellung zum Bruch der ärztlichen Schweigepflicht mit der Einstellung zu psychischen Erkrankungen von Menschen mit extremistischer Einstellung

In der Stichprobe gaben 265 Personen (10,6 %) an, dass sie eher dem linken, und 163 Personen (6,5 %), dass sie eher dem rechten politischen Spektrum angehören, während sich 1991 Personen (79,5 %) politisch in der Mitte einordneten. Beim Vergleich der Einstellungen von politischen Gruppierungen zu bestimmten Fragestellungen verringern sich die Gruppengrößen aufgrund von fehlenden Angaben zu den jeweiligen Fragestellungen gering. Bei der Frage nach einer grundsätzlichen Einsicht von Polizei und Staatsanwaltschaft in Patientenakten bei Patient:innen mit extremistischer Einstellung unterscheiden sich die Einstellungen aller 3 Gruppen. Personen mit eher linker politischer Orientierung stimmen dieser Aussage am wenigsten zu, eher rechtsorientierte Personen am häufigsten (Tab. 4).

Tab. 4 Vergleich der Einstellung zum Bruch der ärztlichen Schweigepflicht im Zusammenhang mit der politischen Einstellung

Diskussion

Die vorliegende Studie untersucht anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe, inwieweit die Allgemeinbevölkerung den Bruch der Schweigepflicht im Rahmen einer psychiatrischen/psychotherapeutischen Behandlung im Zusammenhang mit extremistischen politischen oder religiösen Einstellungen von Patient:innen befürwortet. Damit einhergehend wurde untersucht, inwiefern die Bedeutung der Schweigepflicht von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen der Allgemeinbevölkerung präsent ist. Dabei wird deutlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine Lockerung der Schweigepflicht eher befürworten würde. Diese Einstellung zeigt sich bereits, wenn es lediglich um extremistische Einstellungen (und nicht um drohende Gewalttaten) geht, und ist unabhängig von der politischen Orientierung. Die vorliegende Studie ist nach Kenntnis der Autoren die erste Studie, die diese Fragestellung untersucht und damit auch eine wissenschaftliche Grundlage für den Diskurs um die Schweigepflicht von Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen bereiten kann.

Über die Gründe einer so deutlichen Diskrepanz in der Bewertung der Bedeutsamkeit der Schweigepflicht zwischen Kammern und Fachgesellschaften als Vertretern der Heilberufe und der Allgemeinbevölkerung, die letztlich als potenzielle Patient:innen von einer Lockerung der Schweigepflicht unmittelbar betroffen wären, kann nur spekuliert werden. Die hohe Zustimmung zum Bruch der ärztlichen Schweigepflicht basiert möglicherweise darauf, dass das Thema von der Bevölkerung als hochsicherheitsrelevant eingeschätzt wird und dabei kaum differenziert wird, ob es sich um eine Gefährdung durch extremistische Gewalt handelt oder ob lediglich eine extremistische Einstellung vorliegt. Wenngleich beide Aspekte auch Überschneidungen aufweisen können (McCauley und Moskalenko 2017), sollte bedacht werden, dass extremistische Einstellungen nicht zwangsläufig mit Gewalttaten verbunden sein müssen oder kausal zusammenhängen, ebenso wenig wie aggressive Fantasien mit Handlungsabsichten gleichzusetzen sind (Allroggen et al. 2012). Die sich daraus ergebende Notwendigkeit für psychologische Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen, die Bevölkerung (und potenzielle Patient:innen) stärker auf die Bedeutung und den Stellenwert der Schweigepflicht im Rahmen einer Behandlung aufmerksam zu machen, wird jedoch deutlich, insbesondere im Zusammenhang mit persönlichen (extremistischen) Einstellungen von Patient:innen, die an sich keine Gefährdungslage darstellen.

Zudem zeigen die Daten, dass der Bruch der Schweigepflicht von Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen insbesondere dann von der Allgemeinbevölkerung befürwortet wird, wenn die Befragten davon ausgehen, dass eine Verbindung zwischen Terrorismus und psychischen Störungen besteht. Wenngleich diese Vorstellung generell in der Allgemeinbevölkerung weit verbreitet zu sein scheint (dw.com 2020), ist dieser explizite Zusammenhang zwischen psychischen Störungen als Ursache von extremistischer Gewalt wissenschaftlich nicht belegt (Allroggen 2020; Corner et al. 2016; Corner und Gill 2019), sondern differenzierter zu betrachten: Einerseits kann das Vorliegen von einigen psychischen Störungen bei radikalisierten Personen den Übergang in Gewalttaten begünstigen, anderseits kann bei bestimmten psychischen Störungen auch die Übernahme von extremistischen Inhalten erleichtert sein, ohne dass diesen Fällen ein „echter“ Radikalisierungsprozess zugrunde liegt. Aufgabe von Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen ist es daher auch, über mögliche Zusammenhänge differenzierter zu informieren und über die Bedeutung der Vertraulichkeit der Behandlung als ihre zentrale Grundlage aufzuklären. Dies ist auch insofern bedeutsam, damit psychisch kranke Menschen weiter die Möglichkeit haben, über aggressive Fantasien im Rahmen der Behandlung zu sprechen und diese ggf. behandeln zu lassen, ohne fürchten zu müssen, dass die Sicherheitsbehörden informiert werden. Dies impliziert aber auch, dass Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen entsprechendes Wissen über die Entwicklung von extremistischer Gewalt und im Umgang mit Patient:innen mit extremistischer Einstellung und einer Gefährdungseinschätzung haben.

Interessant ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine Pflicht zur psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung von Menschen, die einen Terrorakt planen, sieht. Somit scheint die Meinung vorzuherrschen, dass Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen eine bedeutsame Rolle bei der Gefahrenabwendung spielen können – bei gleichzeitig deutlich geringerer Überzeugung, dass eine Behandlung Menschen mit extremistischen Einstellungen grundsätzlich hilft. Möglicherweise zeigt sich damit die implizite Erwartung der Befragten, dass Psychotherapeut:innen und Psychiater:innen eine Art „Wächerfunktion“ im Rahmen der Behandlung potenzieller Terrorist:innen übernehmen sollten. Auch hier wäre es Aufgabe, stärker auf die Voraussetzungen für eine gelingende psychotherapeutische/psychiatrische Behandlung hinzuweisen, aber auch auf die Möglichkeiten und Grenzen, die sich im Zusammenhang mit Extremist:innen zeigen können.

Limitationen

Bei der Betrachtung der Ergebnisse sollte berücksichtigt werden, dass die Befragten direkten Kontakt mit den Interviewer:innen hatten, der selbst dann, wenn der Fragebogen anonym ausgefüllt wurde, die Antwortvergabe im Sinne einer sozial erwünschten Tendenz beeinflusst haben könnte. Zudem war möglicherweise das Thema extremistische Gewalt für viele Studienteilnehmende so abstrakt, dass eine hohe Zustimmung zu den Fragen auch daraus resultieren kann, dass diese sich selbst nicht als potenziell vom Thema Betroffene gesehen haben. Die Fragen waren zudem sehr allgemein gestellt und erfassen somit eine individuell angenommene Gefährdungslage. In Folgestudien würde sich eine Befragung mit konkreteren Fallvignetten anbieten, mit deren Hilfe differenzierter erhoben werden könnte, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Indikation die Befragten den Bruch der Schweigepflicht und die Einsicht in Patient:innenakten befürworten würden, z. B. wenn bereits Tatpläne bekannt geworden sind o. Ä.

Fazit für die Praxis

  • Kammern und Fachgesellschaften fordern eine konsequente Einhaltung der Schweigepflicht für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen, auch im Zusammenhang mit extremistischen Einstellungen von Patient:innen.

  • In einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung wurden 2503 Personen zu ihrer Einstellung in Bezug auf die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei Patient:innen mit extremistischer Einstellung befragt.

  • Für 58 % der Befragten ist der Schutz vor extremistischen Gewalttaten wichtiger als die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht.

  • In der Bevölkerung wird ein Zusammenhang zwischen Terrorismus und psychischen Erkrankungen angenommen und der Bruch der Schweigepflicht insbesondere bei psychischen Erkrankungen befürwortet.

  • Aufgabe von Angehörigen der Heilberufe ist es, der Allgemeinbevölkerung die Bedeutung der Schweigepflicht für das Verhältnis zu Patient:innen im Rahmen einer Behandlung stärker zu vermitteln.