Die Fähigkeit, das gesamte Spektrum der Emotionen wahrnehmen und adaptiv ausdrücken zu können, ist ein zentraler Faktor psychischer Gesundheit (DSM-5, APA 2013). Psychische Störungen werden in der Affektphobietherapie (APT) als Folge von Affektphobien betrachtet. Das Vermeiden angstbesetzter Emotionen verursacht die Symptomatik. Die APT stellt ein psychodynamisches Therapiemodell dar, in dem die verhaltenstherapeutischen Konzepte der gestuften Desensibilisierung auf die psychodynamische Bearbeitung konflikthafter Affekte angewendet werden. Die APT ist ein transdiagnostisches, evidenzbasiertes und integratives Therapiemodell, das von Patienten gut angenommen wird und wegen der prozessorientierten Manualisierung für das Lernen von Psychotherapie gut eignet ist. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die APT, die bislang in der deutschen Versorgung noch weitgehend unbekannt ist, vorzustellen.

Konzeptueller Hintergrund

Die APT kommt aus der Tradition der „short-term dynamic psychotherapy“ (STDP), einem evidenzbasierten psychodynamischen Ansatz, der auf Michael Balint (1896–1970) und die von ihm ins Leben gerufene Kurzzeitpsychotherapiearbeitsgruppe an der Tavistock-Klinik in London zurückgeht (Abbass et al. 2014; McCullough et al. 2019). Ziel der von Balint ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe war es, psychodynamische Behandlungen effektiver zu machen, vorwiegend durch eine Fokussierung der Interventionen (Balint et al. 2013). Die Arbeitsgruppe hatten einen engen Bezug zur Objektbeziehungs- und Bindungstheorie und betonte die Bedeutung des emotionalen Erlebens. Mitte der 1960er-Jahre wurde die Arbeitsgruppe von David H. Malan (1922–2020) weitergeführt. Malan selbst befand sich noch bei Michael Balint (1896–1970) und Donald Winnicott (1896–1971) in der Lehranalyse (Eppel 2018). Auf Malan (1963, 1979 orig., zit. nach Malan 2013) geht die Ausarbeitung eines zentralen Instruments der STDP zurück, das auch in der APT die zentrale Rolle für das Verständnis der Symptome und die Strukturierung der Interventionen spielt: das Konflikt- und das Personendreieck (Abb. 1). Nach Malan repräsentieren diese beiden Dreiecke das „universelle Prinzip der psychodynamischen Psychotherapie“. Konflikthafte Gefühle (F, „feeling“) triggern Angst (A, „anxiety/inhibition“) und werden deshalb abgewehrt (D, „defense“). Diese maladaptiven Reaktionsmuster wurden in Abhängigkeitsbeziehungen aus der Vergangenheit (P, „past person“) erlernt und werden in gegenwärtigen Beziehungen (C, „current person“) wiederholt, aufrechterhalten und auf den Therapeuten (T, „therapist/transference“) übertragen.

Abb. 1
figure 1

Konflikt- und Personendreieck. A „anxiety/inhibition“, C „current person“, D „defense“, F „feeling“, P „past person“, T „therapist/transference“

Die APT wurde von Leigh McCullough (1945–2012) entwickelt. McCullough entschied sich zu Beginn ihrer Karriere zunächst für eine verhaltenstherapeutische Ausbildung bei Joseph Cautela, einem fortschrittlichen Verhaltenstherapeuten, der im Konzept der verdeckten Konditionierung („covert conditioning“, Cautela 1973) die Prinzipien der Lerntheorie mit dem Vorstellungserleben in Verbindung brachte (Cautela 1966). Cautela nutzte erstmals die imaginative Konfrontation, um maladaptives Verhalten zu verändern. Cautela war es auch, der McCullough mit der wegweisenden Monografie Psychoanalysis and Behavior Therapy: Toward an Integration (Wachtel 1977) bekannt machte. In ihrer weiteren beruflichen Entwicklung – so McCullough – erkannte sie die Grenzen ihrer therapeutischen Techniken bei der Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und suchte nach Möglichkeiten, ihre psychotherapeutischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. In diesem Kontext besuchte sie als Verhaltenstherapeutin einen Workshop an der Tavistock-Klinik bei Malan, der mithilfe von Videoaufnahmen von Therapiesitzungen die Methode der STDP vermittelte. Malan empfahl ihr – auch der räumlichen Nähe wegen – Habib Davanloo, den Begründer der Intensiven Psychodynamischen Kurzzeittherapie („intensive short-term dynamic psychotherapy“, ISTDP; Davanloo 2001), als Trainer und Supervisor. Von 1983 bis 1985 nahm sie an seinem videobasierten „core training“ in Manhattan teil. Nachhaltig beeindruckt hatte sie in diesen Workshops, wie durch die konsequente und beharrliche Bearbeitung der Abwehr – also durch Reaktionsverhinderung im verhaltenstherapeutischen Sinne – auch komplexe und bisher therapieresistente Störungen erfolgreich behandelt werden konnten (McCullough et al. 2019). Dies war jedoch nicht die einzige intensive Begegnung mit der Tiefenpsychologie. Zuvor war sie von 1980 bis 1983 im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Harvard Universität von George Vaillant (2011) mit der Operationalisierung und Auswertung von Abwehrmechanismen betraut worden. So vorbereitet entwickelte sie den zentralen Gedanken des APT-Modells, dass psychische Störungen als Folge von Affektphobien verstanden werden können: So wie eine Person sich davor fürchtet, eine Brücke zu betreten, so kann eine Person Angst davor haben, bestimmte Affekte zu erleben und diese dann phobisch vermeiden, was mit entsprechend schädlichen Konsequenzen einhergeht. Das Vermeidungsverhalten entspricht der Abwehr im psychodynamischen Sinne. Wenn beispielsweise im Laufe der Entwicklung der Affekt „Wut“ die primäre Bindung gefährdete, löst später das Aufkommen von Wut automatisch Angst und das damit verbundene Abwehrverhalten aus: Beispielsweise wird die Emotion „Wut“ dann gegen das eigene Selbst in Form von Selbstkritik gewendet, anstatt der Abgrenzung und Selbstbehauptung zu dienen. Dies kann zu einer Depression führen: „Anstatt den anderen niederzuschlagen, schlägt man sich selbst nieder.“ Im APT-Modell wird durch die Desensibilisierung des Affekts der „Wut“ diese Emotion wieder für die Person auf adaptive Weise nutzbar, anstatt auf maladaptive Weise vermieden bzw. abgewehrt zu werden. Das Konzept der Affektphobie stellt damit eine Umformulierung der psychodynamischen Konflikttheorie mithilfe der Konzepte der Lerntheorie dar. Hierdurch können bewehrte Techniken und Konzepte der verhaltenstherapeutischen Behandlung von Phobien wie das der systematischen Desensibilisierung in einem psychodynamischen Behandlungskontext anwendet werden (McCullough et al. 2003, 2019; McCullough Vaillant 1997).

Behandlungsprinzipien

Die zentralen Behandlungsprinzipien der APT sind (McCullough et al. 2019), dem Patienten zu helfen,

  1. 1.

    das gesamte Spektrum seiner Gefühle erleben und adaptiv ausdrücken zu können;

  2. 2.

    Mitgefühl mit sich und anderen zu haben;

  3. 3.

    zu einer gesunden Balance von Autonomie und Abhängigkeit zu finden und

  4. 4.

    die Behandlung so effizient wie möglich zu gestalten.

Die therapeutische Haltung ist gekennzeichnet durch eine partnerschaftliche Beziehung auf „Augenhöhe“ und die Betonung des patientenseitigen Willens zur Zusammenarbeit sowie die aktive Bearbeitung der Abwehr im Gegensatz zur freien Assoziation, um maligne Regressionen und die Entfaltung einer Übertragungsneurose zu verhindern. Verhaltenstherapeuten werden vieles an dieser therapeutischen Haltung auch in dem „cognitive behavioral analysis system of psychotherapy“ wiederfinden (McCullough 1984).

Die APT zählt zur Familie der STDP. „Short term“ ist hier jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Terminus „Kurzzeit“ der Psychotherapierichtlinie. Die typische Sitzungsdauer beträgt 50 min mit einer Frequenz von einer bis 2 Sitzungen/Woche. Die APT-Behandlungen dauern so lange wie notwendig. In Abhängigkeit von der Komplexität der Störung können Behandlungen sich über 100 und mehr Stunden erstrecken. Die APT ist für das gesamte Spektrum psychischer Störungen geeignet; es gibt keine störungsspezifischen Kontraindikationen (McCullough et al. 2003, 2019). Das Manual ist prozessorientiert. Die Interventionen antworten auf die klinischen Phänomene, die mithilfe des Konflikt- und des Personendreiecks strukturiert werden (Abb. 1).

Bedeutung der Affekte

Nachfolgend werden die Begriffe Affekt, Emotion und Gefühl weitgehend synonym verwendet. In der APT stehen die Affekte im Mittelpunkt der Therapie, weil psychische Störungen als Folge von Affektphobien betrachtet werden (McCullough et al. 2019). Affekte gelten als das primäre Motivationssystem des Menschen (Demos 2019; Grecucci et al. 2017; Tomkins et al. 1995). Affekte geben Orientierung. Sie stellen eine Art innerer Kompass dar. Sie wahrzunehmen bedeutet, mit der inneren Stimme in Kontakt zu sein, sich lebendig zu fühlen. Affekte adaptiv ausdrücken zu können, ist die Voraussetzung für gelingende soziale Beziehungen (McCullough et al. 2019; McCullough Vaillant 1997). In der Behandlung werden Patienten fortwährend angeleitet, sich der eigenen Gefühle bewusst zu werden. Dies bedeutet erstens, sie im Körper zu spüren, zweitens sie richtig zu benennen und drittens sich der damit verbundenen Handlungsimpulse bewusst zu werden. Auch wenn es in der APT als essenziell betrachtet wird, alle Gefühle fühlen zu können, geht es nicht darum, Gefühlen blind zu folgen bzw. diese auszuagieren, sondern sich der inneren emotionalen Welt bewusst zu werden, um dadurch adaptive Entscheidungen treffen zu können. Denn man kann nur regulieren, was man bewusst wahrnimmt.

Da für den Ausdruck der Affekte die Differenzierung adaptiver von maladaptiven Affekten wichtig ist, haben McCullough et al. (2003, 2019) entsprechende Kriterien herausgearbeitet. Wichtige Unterscheidungskriterien sind die Konsequenzen des Affektausdrucks und das körperliche Erleben des Affekts. Ein adaptiver Affekt kann im Körper wahrgenommen werden; sein Ausdruck ist befreiend und stellt eine gesunde Reaktion dar. Maladaptive Affekte stehen in den Diensten der Abwehr; der Ausdruck ist interpersonell destruktiv und mehrt Missverständnisse, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Beispielsweise können Tränen oder das Wort Trauer eine maladaptive Abwehr darstellen. Die Unterscheidung lässt sich durch die Exploration des körperlichen Erlebens und der damit verbundenen Vorstellungen aufklären. Echte Tränen und echte Trauer sind, wenn auch schmerzlich, so doch letztendlich befreiend und stärken die Verbundenheit. Maladaptive Tränen verdecken oft Wut und stehen für eine Position der selbstquälerischen Hilfs- und Hoffnungslosigkeit oder spiegeln massive Selbstkritik wider. Diese Tränen vergrößern die Qual, wirken nicht befreiend und stellen auch kein progressives therapeutisches Ereignis dar, sondern stehen in den Diensten der Abwehr und halten die Störung des Patienten aufrecht.

Konfliktdreieck und Personendreieck

Das Konfliktdreieck beschreibt die Psychodynamik der Symptome, das Personendreieck die Entstehung und Aufrechterhaltung der maladaptiven Reaktionsmuster in den primären und aktuellen Beziehungen (Abb. 1).

Symptome werden im Konfliktdreieck als Folge der Abwehr adaptiver Affekte (beispielsweise Wut, Liebe, Trauer, positive Selbstgefühle, Sexualität) verstanden, die in der individuellen Entwicklungsgeschichte konflikthaft wurden und deshalb Angst und Abwehr auslösen (Vaillant 1997). Das Konfliktdreieck stellt damit eine Ableitung von Freuds zweiter Angsttheorie dar, wobei die Funktion der „Triebregungen“ durch die der Affekte ersetzt wurde (Freud 1991; Vaillant 1997). Die Anwendung des Konfliktdreiecks wird in Fallbeispiel 1 aufgezeigt.

Fallbeispiel 1 Anwendung des Konfliktdreiecks

Patient: Ich habe meinem Kollegen gesagt, dass es mir nicht recht ist, dass er schon wieder einen Brückentag nimmt und ich schon wieder leer ausgehe (Ärger/Selbstbehauptung ≙ adaptives Gefühl), aber dann fühlte ich mich plötzlich unsicher (Angst [A-Pol im Konfliktdreieck]), es war mir peinlich (Scham-Angst und Abwehr in Form von Selbstverurteilung und Projektion der Verurteilung), und ich machte einen Rückzieher (Abwehr: Vermeidung, Unterwerfung).

Erläuterung: In dieser kurzen Vignette stellt Ärger das abgewehrte adaptive Gefühl dar (F-Pol im Konfliktdreieck), das den Patienten bewegte, sich kurz gegenüber dem Kollegen zu behaupten. Auf die Mobilisierung des Ärgers folgte jedoch Angst (A-Pol im Konfliktdreieck) und setzte dann die Abwehr (D-Pol im Konfliktdreieck) in Form von Selbstkritik, Projektion der Kritik auf andere und Unterwerfung in Gang. Die Abwehr bedingt das maladaptive symptomatische Verhalten.

Affektphobien entwickeln sich in der Beziehung zu den primären Bezugspersonen, denn Gefühle sind immer mit Beziehungen und Beziehungserfahrungen assoziiert (Bowlby 2010; Vaillant 1997). Dies wird im Personendreieck verdeutlicht. Affektphobien werden in den primären Beziehungserfahrungen erlernt bzw. konditioniert (P, „past persons“ [Personen der Vergangenheit]) und in den heutigen Beziehungen ausgelebt (C, „current persons“ [aktuelle Beziehungen] und T, „transference“ [Übertragung]).

In diesem Modell kommen Menschen als Säuglinge unbelastet von neurotischen Konflikten auf die Welt und sind kompetent darin, über den Ausdruck ihrer Gefühle das Gegenüber wissen zu lassen, was sie wollen. Sie schreien, wenn etwas nicht passt, und hören nicht damit auf, bis ihre Eltern herausgefunden haben, was sie brauchen. Unglücklicherweise lernen Kinder aber auch, dass der Ausdruck bestimmter Gefühle mit der Gefahr verbunden ist, die „Liebe“ der primären Bezugsperson zu verlieren, was Angst auslöst. Über den Prozess der Konditionierung ruft der Affekt später automatisch Angst und das entsprechende Abwehrverhalten hervor (McCullough Vaillant 1997; Vaillant 1997). In einer gesunden Entwicklung kommt es zu keiner massiven Angst vor den eigenen Gefühlen, sondern das Kind lernt, Emotionen auf der Basis einer sicheren Bindung zu regulieren (Fonagy et al. 2010; McCullough et al. 2019).

Interventionsstrategien

In der APT werden 3 Kategorien von Interventionen unterschieden, die abhängig vom therapeutischen Prozess und dem Funktionsniveau des Patienten angewendet werden. Orientierung über den Prozess gibt das Konfliktdreieck. Der Therapeut prüft, ob gerade Abwehr, Angst oder der adaptive Affekt/Impuls im Vordergrund steht und passt daraufhin seine Interventionen an.

Umstrukturierung der Abwehr

Hierbei zielen die Interventionen darauf ab, dem Patienten zu helfen, sich seiner Abwehr bewusst zu werden, d. h., die Abwehr zu erkennen, einschließlich deren destruktiver Konsequenzen, sie aufzugeben und durch gesündere Reaktionen zu ersetzen (Fallbeispiel 2). In der Sprache der Verhaltenstherapie wären dies Interventionen zur Reaktionsverhinderung.

Fallbeispiel 2 für die Umstrukturierung der Abwehr

P: (Patient wendet den Blick ab, schaut längere Zeit auf den Boden, während er spricht.)

T: Fällt Ihnen auf, wie Sie den Blick abwenden, während Sie mit mir sprechen [Markieren der Abwehr gegen emotionale Nähe]? Was würde passieren, wenn Sie mich anschauen? Wollen Sie es einmal versuchen? [Herausforderung der Abwehr].

T: Was sind die Hauptprobleme, für die Sie meine Hilfe suchen?

P: Ich bin fertig, ich habe keine Energie mehr, und nichts macht mir mehr Freude, seit meine Frau mich vor 6 Wochen verlassen hat. Sie ist einfach ausgezogen und wohnt bei einem anderen Mann.

T: Welche Gefühle hat es bei Ihnen ausgelöst, dass Ihre Frau Sie verlassen hat?

P: Ich weiß nicht [Abwehr: Hilflosigkeit oder Vermeidung von emotionaler Nähe] -‑--(kurzes Schweigen), ich denke, ich bin so ein Idiot [Abwehr: Wendung gegen das Selbst].

T: Wenn Sie sich hier als Idiot bezeichnen, hat dies etwas Verletzendes, so als ob Sie sich selbst verletzen [Spiegelung der Abwehr]. Wenn Sie sich nicht selbst angreifen, welche Gefühle würden dann gegenüber Ihrer Frau in Reaktion auf das Verlassenwerden auftreten [Herausforderung der Abwehr]?

Umstrukturierung der Affekte

Diese Interventionen zielen auf die Reduktion der Angst vor und dem Erleben der bisher konflikthaften Affekte. Dabei geht es im ersten Schritt um das volle Erleben der Affekte und im zweiten Schritt um deren angemessenen Ausdruck. Das volle Erleben der Affekte entspricht in der Sprache der Verhaltenstherapie der Exposition mit dem phobischen Stimulus. Die graduierte Exposition der angstmachenden Affekte in einer sicheren Beziehung bei gleichzeitiger Blockierung der Abwehr bzw. des Vermeidungsverhaltens und der Regulation der dabei aufkommenden Angst führt zur Desensibilisierung des phobischen Affekts. Dieser Affekt macht dem Patienten nun keine Angst mehr und muss deshalb nicht mehr abgewehrt werden, sondern steht ihm wieder zur Verfügung (McCullough und Osborn 2004). Für die erfolgreiche Desensibilisierung ist es notwendig, dass der Patient nicht nur über die Gefühle spricht, sondern sie voll erlebt (d. h., den Affekt korrekt benennt, ihn im Körper spürt und den damit verbundenen Handlungsimpuls beschreibt). Voraussetzung für diese Art der Interventionen sind adaptive Selbst- und Objektvorstellungen sowie, eng damit verbunden, eine ausreichende Fähigkeit zur Impulskontrolle. Es geht bei der Umstrukturierung der Affekte darum, in einem sicheren Raum jedes Gefühl innerlich zu erleben und zu untersuchen, wobei je nach Affekttoleranz die Intensität des Gefühls allmählich gesteigert wird. Sehr intensive Aggressionen, auch wenn sie von Personen aus der Gegenwart getriggert wurden, rühren aus frühkindlichen emotionalen Verletzungen. Das Erleben dieser Emotionen mit der vollen Intensität bringt dann meist Erinnerungen an diese Zeit zutage. Im Fallbeispiel 3 könnte sich dann beispielsweise das Gesicht der Freundin in das eines Elternteils verwandeln.

Fallbeispiel 3 für die Umstrukturierung der Affekte

T: Sie sagen, das hat Sie wütend gemacht. Wie fühlen Sie die Wut in Ihrem Körper? [T fokussiert auf das körperliche Erleben der Emotion].

P: (sich im Stuhl aufrichtend und die Fäuste ballend) Da ist ein Hitzegefühl im Bauch, das hochkocht [Psychomotorik und Introspektion des Patienten zeigen, dass er die Wut körperlich erleben kann, ohne dabei ein Übermaß an Angst zu erleben].

T: Mit welchem Impuls ist die Wut verbunden? Wie würden Sie, wenn es nur noch diese Wut gäbe und nichts, was sie zurückhält, wie würden Sie in der Fantasie die ganze Wut mit voller Wucht auf die Frau kommen lassen? [Der Therapeut legt nun den Fokus auf den mit dem Affekt der Wut verbundenen Handlungsimpuls. Dies ist möglich, weil der Patient den Affekt der Wut innerlich auf der Basis einer sicheren Beziehung zum Therapeuten erleben kann.].

P: (mit fester Stimme, Fäuste ballend und mit angedeuteten Faustschlägen) Ich würde ihr immer und immer wieder in die Fresse schlagen, bis das Gesicht ein blutiger Brei ist, bis sie tot ist [Erleben der Handlungsimpulse unbewusster mörderischer Wut ohne Angstsymptome].

T: Wenn Sie dann der Leiche in die Augen schauen, welche Farbe haben die Augen, wen sehen Sie da?

P: Meine Mutter (‑-- fängt an zu schluchzen).

Umstrukturierung der Selbst- und Objektvorstellungen

Diese Interventionen sind strukturbezogen und zielen darauf ab, Selbstfürsorge und Mitgefühl mit sich selbst aufzubauen und die Beziehungsfähigkeit zu verbessern. Sie umfassen immer auch die Bearbeitung primitiver realitätsverzerrender Abwehrmechanismen wie Projektion, Wendung gegen das Selbst und Spaltung sowie Interventionen zur Umstrukturierung der Affekte, wie das Erleben liebevoller Gefühle (Stolz, Interesse, Nähe, Fürsorge) für sich und andere. Typische Interventionen zur Umstrukturierung der Selbstvorstellungen zielen auf die Anerkennung des eigenen Werts, der eigenen Stärken und Grenzen, der Wahrnehmung und Responsivität gegenüber den Signalen des eigenen Körpers, der Fähigkeit zur Selbstfürsorge und Selbstbehauptung, um die eigenen Bedürfnisse verfolgen zu können (Fallbeispiel 4).

Fallbeispiel 4 Interventionen für die Umstrukturierung der Selbstvorstellung

T: Können Sie sich vorstellen, Sie hören die Geschichte, die Sie mir gerade erzählt haben, im Radio. Welche Gefühle würde diese Geschichte bei Ihnen gegenüber der Person, die all das durchgemacht hat, hervorrufen [Perspektivenwechsel]?

P: Hm … ich wäre traurig und würde sie trösten.

T: Können Sie jetzt und hier Mitgefühl sich selbst gegenüber aufbringen? [Exposition mit positiven Gefühlen dem Selbst gegenüber].

P: Nein, ich komme mir dumm vor, ich würde mich für arrogant halten. [Abwehr].

T: Also, wenn es darum geht, sich selbst zu akzeptieren und zu lieben, dann kommen Sie sich also dumm und arrogant vor. Sind Sie sich bewusst, dass Sie sich selbst abwerten, wenn es darum geht, sich zu akzeptieren und wertzuschätzen? [Bewusstmachen der Abwehr].

P: Nein.

T: Was passiert gerade in Ihrem Körper [Intervention zur Angstregulation], während wir darüber sprechen, wie Sie sich selbst abwerten, anstatt sich mit Mitgefühl und Wertschätzung zu begegnen?

P: Ich fühle mich angespannt [≙Angst].

T: Ja, es macht Ihnen Angst, und etwas verkrampft sich in Ihnen [A, Angstpol], Sie werten sich selbst als dumm und arrogant ab [D, Abwehr], anstatt sich zu akzeptieren und sich mit Mitgefühl und Wertschätzung zu begegnen [F, adaptive Emotion]. Das klingt schmerzhaft. [Formulierung des zentralen Konflikts mit dem Konfliktdreieck].

P: Das ist es auch.

T: Wollen Sie es ändern? Wollen Sie lernen, sich selbst gegenüber mitfühlend und liebevoll zu sein? [T motiviert den Patienten, sich gegen die Abwehr zustellen].

P: Ja, deshalb bin ich hier. Ich bin zu hart zu mir selbst und erwarte zu viel. Ich bin erschöpft und ausgebrannt.

T: Beginnen wir damit herauszufinden, was das absolut Schlimmste ist, was Ihnen passieren kann, wenn Sie sich selbst gegenüber Mitgefühl und Wertschätzung aufbringen. [Exploration der Angst und Abwehr].

Für die Umstrukturierung der Objektvorstellungen wird untersucht, wie der Patient andere Menschen, einschließlich die Person des Therapeuten, wahrnimmt (Fallbeispiel 5). Dies ist v. a. notwendig bei Problemen mit Intimität, emotionaler Nähe und Beziehungsproblemen. Nur wenig kann in einer Therapie erreicht werden, wenn ein Patient kein Vertrauen und keine Anteilnahme in der therapeutischen Beziehung zulassen kann. Behandlungsziel ist ein reifes, gut integriertes Selbst, das ein gesundes Gleichgewicht von Autonomie und Verbundenheit mit anderen herstellen kann.

Fallbeispiel 5 für die Umstrukturierung der Objektvorstellung

P: Sie kommen mir so kalt und distanziert vor, wie mein Vater (mit gereizter Stimme)! [Übertragung, gleichzeitig projektiver Ärger].

T: Das hört sich sehr unangenehm an. Können Sie mir erzählen, wie es kommt, dass Sie sich mich so wahrnehmen? [Untersuchung der Objektwahrnehmung und Realitätsprüfung].

P: Sie fragen nur und erzählen nichts von sich.

T: Ja, das stimmt. Aber ich frage mich, ob Sie sich noch andere Gründe für mein Verhalten vorstellen können, als dass ich darauf aus bin, Ihnen gegenüber kalt und distanziert zu sein? [Intervention zur Verbesserung der Realitätsprüfung].

P: (nickt) Ich weiß Sie sind Therapeut, es geht hier um mich.

T: Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir nun Ihre Gefühle untersuchen, die bei Ihnen ausgelöst werden, wenn ich „kalt und distanziert wie ihr Vater“ erscheine? [Nachdem der Patient den Therapeuten von der Vaterübertragung kognitiv unterscheiden kann, wird es möglich, die dadurch ausgelösten Gefühle zu untersuchen. Erst die Verarbeitung dieser Gefühle wird es dem Patienten ermöglichen, eine realistischere Objektwahrnehmung aufzubauen.]

Prozessinstrumente

Für die APT wurden Prozessinstrumente entwickelt, mit der Videosequenzen der Therapiesitzungen ausgewertet werden, und die bei Bedarf in der Prozessforschung und Ausbildung Anwendung finden können: Mithilfe der Rating-Skala „Achievement of Therapeutic Objectives Scale (ATOS)“ werden die Fortschritte des Patienten beurteilt (Ryum et al. 2014a, 2014b; Valen et al. 2011): Beurteilt werden auf einer Skala von 1 bis 100, wie gut der Patient seine maladaptiven Reaktionsmuster (Abwehr) erkennt, das Ausmaß seiner Motivation, dieses maladaptive Verhalten einzustellen, die Mobilisierung der abgewehrten Affekte, das Ausmaß der Angst, der Grad adaptiven Verhaltens (beispielsweise Selbstöffnung, Erleichterung) sowie die Qualität der Selbst- und Objektvorstellung bzw. -wahrnehmung (beispielsweise Spaltung und Mitgefühl). Mehrere empirische Arbeiten haben Reliabilität, Validität und Nützlichkeit der ATOS gezeigt (Berggraf et al. 2014a, 2012; McCullough et al. 2011; Ryum et al. 2014b; Town et al. 2012; Valen et al. 2011). Beispielsweise konnte mithilfe der ATOS abgebildet werden, wie Einsicht positiv mit dem Behandlungsergebnis korrelierte (Kallestad et al. 2010). Eine andere Prozessstudie mit der ATOS zeigte, dass das Ausmaß des emotionalen Erlebens mit der Umstrukturierung der Selbst- und Objektwahrnehmung korrelierte. Je tiefer das emotionale Erleben war, desto mitfühlender und realistischer wurde die Selbst- und Objektwahrnehmung (Berggraf et al. 2014b). Analog zur ATOS entwarf Osborn eine weitere Skala, um die Interventionen des Therapeuten im Sinne einer Adhärenzskala zu beurteilen (Donovan et al. 2016; Tab. 1): Beurteilt wird auf einer Skala von 1 bis 100, wie gut der Therapeut das maladaptive Verhalten (Abwehr) erkennt und dem Patienten bewusst macht, wie gut er die Motivation des Patienten fördert, das maladaptive Verhalten einzustellen, in welchem Ausmaß er das Erleben der Affekte fördert, Einsicht vermittelt, Angst reguliert sowie die Selbst- und Objektwahrnehmung umstrukturiert (Tab. 1).

Tab. 1 Ausschnitt aus der Achievement of Therapeutic Objectives Scale (ATOS) – Therapeutenversion

Evidenz

Die APT konnte wiederholt zeigen, dass Patienten erfolgreich mit diesem Behandlungsmodell behandelt werden können. Es gibt bisher 7 randomisierte kontrollierte Studien (RCT), darunter 5 RCT, die ein internetbasiertes Selbsthilfeprogramm mit minimaler Psychotherapeutenunterstützung evaluierten, und 2 randomisierte klinische Studien zur APT als Einzelpsychotherapie im Gegenübersitzen bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen.

Ins RCT von Winston et al. (1994) zur Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen wurden insgesamt 93 Patienten eingeschlossen. Die damals neu entwickelte APT (n = 31) wurde mit einer anderen psychodynamischen Behandlungsgruppe (n = 31) und einer Wartegruppe (n = 31) verglichen. Die aktiven Gruppen umfassten jeweils 40 Sitzungen. Beide aktiven Bedingungen waren gleich wirksam (Cohen’s d 0,96 für die allgemeine Belastungsschwere, gemessen mit dem Global Severity Index [GSI] der Symptom-Check-Liste [SCL-90R; Derogatis 1986] im Vergleich vom Beginn zum Ende der Behandlung; McCullough Magill 2009). In der APT-Gruppe gab es 6 Drop-outs. In einem späteren RCT von Svartberg et al. (2004) wurden 50 Patienten mit Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen 1:1 auf 2 aktive Behandlungsgruppen randomisiert (Svartberg et al. 2004). Die eine Hälfte der Patienten erhielt eine APT, die andere Hälfte eine kognitive Verhaltenstherapie (CBT), jeweils im Umfang von 40 Sitzungen. Beim Zweijahres-Follow-up erreichten in der APT-Gruppe 54 % der Patienten eine Remission vs. 42 % in der Kontrollbedingung. Die Unterschiede zwischen APT und CBT waren nicht signifikant. In der APT-Gruppe gab es keinen Drop-out und keinen Patienten, dessen Zustand sich hinsichtlich der allgemeinen Belastungsschwere (GSI der SCL-90R; Derogatis 1986) während der Behandlung verschlechtert hatte. Beide Studien zeigten also insgesamt eine eher niedrige Therapieabbruchrate (insgesamt 11 %), bei aufgrund von Metaanalysen zu erwartenden 19–60 % (Gries et al. 2020).

Bisher wurden 5 RCT veröffentlicht, die das internetbasierte Selbstmanagementprogramm, das auf der Grundlage der APT entwickelt wurde (Johansson et al. 2012), evaluierten. Im ersten RCT aus Schweden wurden insgesamt 100 Patienten mit depressiven Störungen und Angststörungen 1:1 auf die internetbasierte APT (iAPT) und eine aktive Kontrollbehandlung randomisiert (Johansson et al. 2013). Die Behandlungen dauerten 10 Wochen mit im Mittel 9,5 min Therapeutenkontakt/Woche. Die Kontrollgruppe umfasste das Symptom-Monitoring und den supportiven Therapeutenkontakt in gleicher Dosis. Im Vergleich zur aktiven Kontrollgruppe ergaben sich ein starker Effekt für Depressivität (d = 0,77) und ein moderater Effekt für Angst (d = 0,48). In der Interventionsgruppe kam es bei 52 % zu einer Remission vs. 24 % in der Kontrollgruppe. Die Effekte waren über eine 7‑monatige Nachbeobachtung stabil (Johansson et al. 2013). Weitere 2 RCT untersuchten die Wirkung der iAPT bei sozialen Ängsten (Johansson et al. 2017; Lindegaard et al. 2020), ein RCT bei depressiven Adoleszenten (Lindqvist et al. 2020) und ein RCT die internetbasierte APT als Nachsorgeprogramm für Patienten nach einer stationären psychosomatisch-psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung (Zwerenz et al. 2017; Tab. 2).

Tab. 2 Studien zur internetbasierten Affektphobietherapie (iAPT)

Insgesamt stellten alle Studien fest, dass die iAPT von über 80 % der Patienten als gut bis sehr gut bewertet wurde (Johansson et al. 2013, 2017; Lindegaard et al. 2020; Lindqvist et al. 2020; Zwerenz et al. 2017). In einer Studie wurde auch die Patientenpräferenz erfasst. Es zeigte sich, dass die meisten Patienten die iAPT der iCBT vorzogen (63,9 % vs. 36,1 %; Lindegaard et al. 2020). In der Nachsorgestudie von Zwerenz et al. (2017) wurde deutlich, dass die Wirksamkeit des Selbsthilfeprogramms stark von Motivation und Adhärenz der Teilnehmer abhängig war (Zwerenz et al. 2017), jedoch auch hier die meisten Patienten die iAPT positiv oder sehr positiv (88 %) bewerteten.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass es einige RCT-Ergebnisse gibt, die auf eine Wirksamkeit der APT bei unterschiedlichen Patientengruppen und in unterschiedlichen Settings hinweisen, jedoch umfassen alle genannten RCT eher kleine Stichproben. Bezüglich der Patientenpräferenz existiert bisher nur eine Studie, in der iAPT mit iCBT verglichen wurde, sodass dies keine Verallgemeinerungen hinsichtlich der Patientenpräferenz erlaubt. Weitere Studien mit ausreichender „power“ sind notwendig.

Diskussion

Die APT ist ein evidenzbasierter psychodynamischer Therapieansatz, der das emotionale Erleben in den Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses stellt. Auch wenn es allgemein anerkannt ist, dass die Arbeit an den „Affekten im Zentrum der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie“ steht (Rudolf et al. 2018), gibt es doch oft Unsicherheiten, wie konkret mit Emotionen in der Therapie gearbeitet werden kann. Häufig wird über Gefühle mehr gesprochen, als dass die Affekte auch tatsächlich erlebt werden (Kuhn 2014). Dabei ist der Fokus auf das emotionale Erleben von herausragender Bedeutung für den Behandlungsprozess, wie mehrere Prozess-Outcome-Studien zeigen konnten (Friederich et al. 2017; Subic-Wrana et al. 2016; Town et al. 2019, 2017). Die APT bietet hier konkrete Interventionen für die Affektfokussierung an.

Der Fokus auf das emotionale Erleben bildet außerdem eine Schnittstelle mit unterschiedlichen Therapieansätzen. Beispielsweise stellt die APT/iAPT einen wichtigen Referenzpunkt des evidenzbasierten „Unified Protocol“ der psychodynamischen Psychotherapie emotionaler Störungen dar (Leichsenring und Salzer 2014; Leichsenring und Steinert 2018), insbesondere hinsichtlich der Anleitung supportiver Interventionen, der Fokusfindung, Affektfokussierung und der Bearbeitung der Abwehr (Leichsenring und Steinert 2018). Während Mentalisieren pragmatisch als „sich Gedanken und Gefühle vergegenwärtigen“ definiert wird (Schultz-Venrath und Döring 2013), bietet die APT einen Werkzeugkasten mentalisierungsfördernder Interventionen. Die iAPT kann als Psychoedukation betrachtet werden, die v. a. das selbst- und affektbezogene Mentalisieren fördert, indem das Programm hilft, Zusammenhänge zwischen emotionalen Problemen und Symptomen zu erkennen. Mit kognitiv-behavioralen Ansätzen finden sich die engsten Berührungspunkte mit dem verhaltenstherapeutischen „Unified Protocol zur Behandlung emotionaler Störungen“ (Barlow et al. 2016; Boettcher et al. 2018), das ebenfalls die Vermeidung angstbesetzter Emotionen als zentralen transdiagnostischen Krankheitsmechanismus betrachtet. Der Affektfokus stellt auch eine Brücke zu allgemeinpsychologischen Konzepten dar. So konnte gezeigt werden, dass das psychische Funktionsniveau bzw. das Niveau der psychischen Integration, wie es in der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (Diagnostik AZOP 2006) abgebildet wird, nahezu identisch mit dem Konstrukt der emotionalen Intelligenz ist (Jauk und Ehrenthal 2020). Dies ist ein bemerkenswerter Befund, denn er zeigt erstens die Vereinbarkeit psychodynamischer mit allgemeinpsychologischen Konzepten, und zweitens impliziert er, dass die Besserung des psychischen Funktionsniveaus eine Verbesserung der emotionalen Kompetenzen erfordert. Im Bereich stationärer Psychotherapie kann das APT-Modell hilfreich sein, weil es für schulenübergreifende Teams eine gemeinsame Verständnisbasis bietet. Eine weitere interessante Möglichkeit der APT stellt die Verfügbarkeit eines darauf aufbauenden Selbsthilfeprogramms dar, wodurch „Blended-Care“-Modelle und die internetbasierte Nachsorge erleichtert werden (Zwerenz et al. 2017). Hinsichtlich der Aus- und Fortbildung kann die APT hilfreich sein, weil die Manualisierung praxisnahe und konkrete Anleitungen für Interventionen bietet (McCullough et al. 2019).

Eine Limitation der APT ist, dass bisher nur zwei RCT zu Persönlichkeitsstörungen mit erheblicher Komorbidität vorliegen, und die weiteren klinischen Studien die APT als internetbasierte Selbsthilfe untersuchten. Es gibt also noch Forschungsbedarf. Seitens eines Gutachters wurde die Frage aufgeworfen, ob spezifische Nebenwirkungen mit der APT verbunden sind. Hierzu gibt es gemäß dem Wissen der Autoren keine Forschung. Die bisherigen Studien zeigen aber eine gute Verträglichkeit und Akzeptanz bei den Patienten. Nichtsdestotrotz reagieren nichtwenige Kollegen, wenn sie erstmals das Video einer APT-Sitzung sehen, mit Sorge, sobald sie Zeuge der ungewohnt aktiven Bearbeitung der Abwehr und raschen Affektmobilisierung werden. Hinsichtlich der Verträglichkeit und Patientenakzeptanz ist es jedoch wichtig zu verstehen, dass in der APT die Affektexposition immer mit der Angstregulation Hand in Hand geht und Patienten sich dadurch sehr gesehen und gehalten fühlen. Limitationen im Kontext einer vertieften Ausbildung in der Methode sind derzeit v. a. die Sprachbarriere. Ausbildungsplattform und zertifizierte Supervision sind ans Englische gebunden. Das Manual und die verfügbaren Lehrvideos vermitteln aber bereits einen lebendigen Eindruck von der Methode, sodass APT-Techniken schrittweise in den eigenen Stil integriert werden können.

Fazit für die Praxis

  • Affekte sind das primäre Motivationssystem des Menschen und spielen deshalb für die Genese und Behandlung psychischer Störungen eine herausragende Rolle.

  • Die Affektphobietherapie (APT) ist ein psychodynamisches Therapiemodell, das zentrale Elemente der Psychoanalyse (Übertragung, Abwehr, Widerstand und Affekte) sowie Verhaltenstherapie (Vermeidung, Exposition und Desensibilisierung) integriert.

  • Die APT kann aufgrund der prozessorientierten Manualisierung sowie der Fokussierung auf Interventionen und therapeutische Fertigkeiten das Lernen von Psychotherapie erleichtern.