Im generellen Verständnis ist die körperdysmorphe Störung (KDS) durch eine ausgeprägte Körperunzufriedenheit gekennzeichnet. Allerdings ist die Unzufriedenheit mit dem Körper kein spezifisches Merkmal, da sie doch in der Allgemeinbevölkerung bereits relativ verbreitet ist und auch bei anderen psychischen Störungen oder körperlichen Krankheitsbildern ein Problem darstellt. Zu den zentralen Merkmalen der KDS gehört die intensive Beschäftigung mit einzelnen oder mehreren im Erscheinungsbild wahrgenommenen Mängeln (DSM‑5, American Psychiatric Association 2013). In einer eigenen früheren Studie waren dies durchschnittlich 9 abgelehnte Körperbereiche (Kollei et al. 2013). Dabei sind die von den Betroffenen benannten Defekte oder Mängel im äußeren Erscheinungsbild für andere Personen typischerweise nicht erkennbar, oder sie werden von Außenstehenden nur als geringfügig bewertet. Die Überzeugung, mindestens einen hässlichen oder entstellenden Körperbereich zu haben, obwohl andere Menschen diese Meinung nicht teilen oder für stark übertrieben halten, geben beispielsweise 16 % der deutschen Allgemeinbevölkerung an (Schieber et al. 2015). Eine KDS wird allerdings erst diagnostiziert, wenn die aussehensbezogenen Sorgen mit erheblichem Leiden oder Beeinträchtigungen in wichtigen Funktionsbereichen einhergehen. Im Zusammenhang damit stehen für das Störungsbild typische Verhaltensweisen zur Überprüfung des eigenen Aussehens, seiner Veränderung über kaschierende Maßnahmen oder übermäßige Körperpflege, aber auch der Vergleich des Aussehens mit dem anderer Personen bzw. mit inneren Idealen.

Legt man diese Kriterien zur Erfassung von KDS an, resultieren Prävalenzraten von 0,8–3,2 % aus den Selbstberichten in der deutschen Allgemeinbevölkerung (Buhlmann et al. 2010; Schieber et al. 2015). Eine Reihe epidemiologischer Studien in verschiedenen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (u. a. Dermatologie, plastische Chirurgie, Kieferchirurgie) und mit verschiedenen Altersgruppen – einschließlich Jugendlichen – unterstreicht, dass es sich bei der KDS um ein klinisch relevantes Problem handelt (Möllmann et al. 2017; Schneider et al. 2017; Veale et al. 2016).

In den letzten 10 bis 20 Jahren ist ein deutlicher Anstieg an Forschungsaktivitäten zu verzeichnen, die zum zunehmend besseren Verständnis der klinischen Besonderheiten, ätiologischen Bedingungen und evidenzbasierten Therapieansätze führten. Verglichen mit anderen psychischen Störungen besteht gleichwohl ein weiterer Bedarf, die Störungsmechanismen besser zu verstehen und aus diesen Erkenntnissen die Psychotherapie der KDS weiterzuentwickeln. Damit einhergehend besteht auch ein großer Bedarf, die Versorgung von Betroffenen mit KDS zu verbessern. Zu den aktuellen Problemen gehört hier einerseits, dass die KDS häufig in der psychotherapeutischen Praxis übersehen wird oder u. U. seitens der Psychotherapeut*innen eine Unsicherheit in der Behandlung besteht. Andererseits suchen die Betroffenen selbst oftmals primär andere, nichtpsychosoziale Behandlungen zur Lösung ihrer Problematik auf und stehen einer Psychotherapie ambivalent oder sogar ablehnend gegenüber.

Entsprechend befassen sich die Beiträge dieses Schwerpunkthefts der Zeitschrift Psychotherapeut mit verschiedenen Besonderheiten im klinischen Bild und der Therapie der KDS. Um das Verständnis der Einflussfaktoren zu verbessern, schließt dies Arbeiten an Personen mit aussehensbezogenen Sorgen bzw. Körperunzufriedenheit ein, die nicht unbedingt das Vollbild einer KDS erfüllen, jedoch zu den Risikogruppen zur Ausbildung einer klinischen Problematik gezählt werden können.

Die ersten Arbeiten dieses Hefts befassen sich mit Faktoren und Prozessen, die als relevant für die Entstehung und Aufrechterhaltung der KDS und von aussehensbezogenen Sorgen erachtet werden können. Dabei nehmen Wambach und Schmidt selektive Informationsverarbeitungsprozesse in die nähere Betrachtung. Während bereits frühere Befundübersichten auf eine selektive Beachtung körperbezogener Reize bei Körperunzufriedenheit hinweisen, fokussiert das systematische Review der Autorinnen auf die selektive Aufmerksamkeit für sozial bedrohliche Reize. Deren Bedeutung lässt sich indirekt aus den existierenden Störungsmodellen der KDS, v. a. aber aus einigen phänomenologischen Parallelen zu sozialen Angststörungen ableiten. Dass die gängigen Störungsmodelle der KDS und anderer Störungen mit primärer Körperunzufriedenheit keine expliziten Annahmen über die Verarbeitung sozialer Situationen machen, mag eine Erklärung dafür sein, dass mögliche Verzerrungen in der Verarbeitung sozialer Reize bei KDS oder auch bei Essstörungen vergleichsweise selten untersucht wurden. Das systematische Review zeigt bei heterogener Befundlage erste Hinweise auf einen solchen Aufmerksamkeitsbias bei diversen klinischen und subklinischen Stichproben. Inwiefern die Effekte für Störungsbilder, bei denen aussehensbezogene Sorgen zentral sind, konsistent bzw. robust sind, müssen weitere Forschungsarbeiten dringend überprüfen. Die in der Arbeit diskutierte Interaktion mit interpersonellen Zurückweisungserfahrungen und Zurückweisungssensitivität stellt eine interessante Perspektive dar.

Frühes Hänseln, das das Aussehen betrifft, oder ähnliche negative Vorerfahrungen werden in den ätiologischen Modellen als Risikofaktoren für die Entwicklung einer KDS berücksichtigt (Neziroglu et al. 2008). Einige empirische Studien bestätigen, dass Betroffene mit diagnostizierter KDS erhöhte Raten aussehensbezogenen Hänselns berichten (Buhlmann et al. 2011; Weingarden und Renshaw 2016). Angenommen wird, dass diese frühen aversiven Erfahrungen die Ausbildung der Persönlichkeitsdisposition der „aussehensbezogenen Zurückweisungssensitivität“ begünstigt („appearance-based rejection sensitivity“, ARS; Park 2007) und damit das Verhalten einer Person in interpersonellen Interaktionen beeinflusst. Interessant sind verschiedene Arbeiten, die eine Vermittlungsfunktion der ARS zwischen Hänseln und KDS-Symptomatik aufzeigen (u. a. Schmidt und Martin 2019; Webb et al. 2015). In der vorgestellten Studie von Schmidt et al. zeigte sich, dass die ARS sowohl bei Personen mit KDS-Symptomatik als auch bei Personen mit Essstörungen erhöht ist und damit die Bedeutung der ARS als Marker aussehensbezogener Psychopathologie bereits im subklinischen Bereich unterstrichen wird, jedoch die ARS weniger geeignet erscheint, zwischen zwei Körperbildstörungen zu differenzieren.

Personen mit einer KDS vergleichen ihr Aussehen bzw. Merkmale ihres Erscheinungsbilds häufig mit einem „inneren Ideal“. Diesen mentalen Vergleichsprozessen wird in den Modellen eine zentrale Bedeutung zur Aufrechterhaltung der Störung beigemessen. Indem der Vergleich mit den Idealvorstellungen die Aufmerksamkeitslenkung auf subjektive Makelbereiche verstärkt und zu weiteren selbstabwertenden Kognitionen führt, verstärken sie negative Affekte, stabilisieren die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und schwächen den Selbstwert weiter. Daher könnte – ähnlich wie bei Essstörungen – in der Konfrontation mit den medialen Schönheitsidealen ein Risikofaktor für die KDS liegen. Die Arbeit von Schoenenberg und Martin erlaubt zwar keine kausalen Schlussfolgerungen. Sie zeigt jedoch den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Nutzung moderner sozialer Medien (hier Instagram) und der Ausprägung muskeldysmorpher Symptomatik und des Muskulositätsstrebens bei jungen sportlich aktiven Männern, einer Gruppe, die in diesem Kontext bislang vergleichsweise selten untersucht wurde. Ebenso weist die Arbeit auf die Rolle der Internalisierung des medialen Schönheitsideals bei der Nutzung sozialer Medien wie Instagram hin und diskutiert, inwiefern die Nutzung sozialer Medien eine aufrechterhaltende Funktion bei der muskeldysmorphen Symptomatik haben kann.

Die Arbeit von Schulte et al. zeigt auf, dass geringe bis fehlende Störungseinsicht, ein Phänomen, das bei der KDS häufig vorliegt, durchaus auch bei anderen psychischen Störungen wie der sozialen Angststörung und der Zwangsstörung vorkommt, bei der KDS im Vergleich zu den anderen Störungen jedoch am stärksten ausgeprägt ist (dicht gefolgt von der sozialen Angststörung). Insbesondere die psychischen Störungen, die durch Angst vor negativer Bewertung durch andere charakterisiert sind, zeichneten sich durch eine gering ausgeprägte Distanzierung von ihren störungsspezifischen Überzeugungen aus. Da Betroffene mit geringer Störungseinsicht oftmals keine Psychotherapie in Erwägung ziehen bzw. eine unsichere Therapiemotivation haben, ist es wichtig, entsprechende Strategien zu entwickeln, diese Behandlungsbarrieren abzubauen und dieses Problem sowohl in der Diagnostik als auch im Verlauf der Psychotherapie stärker zu berücksichtigen.

Inzwischen belegen einige randomisierte kontrollierte Therapiestudien, dass für die KDS wirksame Behandlungen bestehen. Die meisten positiven Resultate wurden für Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie (auf Basis durchaus unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen in den verfügbaren Manualen) und für eine Behandlung mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern als psychopharmakologischen Ansatz berichtet (Harrison et al. 2016). Trotz der hohen Effektstärken für die primäre Symptomatik weisen aktuelle Befundintegrationen aber auch darauf hin, dass selbst im Anschluss an eine erfolgreiche Behandlung eine Remission eher selten ist und im Mittel substanzielle Einschränkungen fortbestehen.

Die Behandlungsbeschreibung von Stierle illustriert anschaulich, welche konkreten Schwierigkeiten mit der Behandlung der KDS einhergehen können. So spielen bei vielen Betroffenen Gefühle von Scham, Selbstkritik und niedriger Selbstwert eine große Rolle, so auch bei der beschriebenen Patientin, die aufgrund ihrer KDS-Symptomatik im Alltag stark beeinträchtigt und sozial isoliert ist. Trotz hoher Motivation und Mitarbeit vonseiten der Patientin kam es im Verlauf der verhaltenstherapeutischen Behandlung immer wieder zu Rückschritten. Auch wird deutlich, dass es sich bei der KDS um eine chronische Störung handelt, und Perfektionismus, starke Selbstkritik und Schamerleben die Wirksamkeit therapeutischer Interventionen beeinträchtigen können, sodass die Einbindung zusätzlicher Therapieelemente wie der „compassion focused therapy“ oder achtsamkeitsbasierte Ansätze hilfreich sein können.

Es gibt eine Reihe von Neuentwicklungen innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie, anderer psychotherapeutischer Verfahren und integrativer Ansätze, deren Wirkungen, Wirkspektren und Nachhaltigkeit es abzusichern gilt. Einhergehend mit den beschriebenen Schwierigkeiten in der Behandlung der KDS befassen sich Ritter und Stangier in ihrer Übersichtsarbeit mit neuen Perspektiven in der psychotherapeutischen Behandlung der KDS. Im Speziellen beschreiben sie einen prozessorientierten Ansatz, der wie die kognitiv-behaviorale Therapie an dysfunktionalen Kognitionen und Verhalten sowie damit verbundenen Prozessen ansetzt, aber die relevanten Prozesse wie Verzerrungen bei der Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, inneren Bildern und des Gedächtnisses sowie motivationale Prozesse in Verbindung mit individuellen Bedürfnissen stärker in den Fokus nimmt. Auch bietet der Ansatz einen konzeptuellen Rahmen, um beispielsweise spezifische Interventionen für die Verarbeitung früherer traumatischer Erfahrungen in die Behandlungsplanung zu integrieren. Ein so stärker individualisierter Behandlungsansatz erscheint aus klinischer Sicht plausibel und erfolgversprechend. Gegenwärtig bleibt noch abzuwarten, ob und welche Vorteile sich, verglichen mit den etablierten kognitiv-behavioralen Verfahren, ergeben.

Sehr begrenzt ist bislang unser Wissen darüber, welche spezifischen Interventionen für den individuellen Therapieerfolg bei der KDS bedeutsam sind. Und – aus einer anderen Perspektive betrachtet – brauchen wir Studien, die zeigen, inwiefern sich die Störungsmechanismen spezifisch durch die darauf abzielende Intervention ändern lassen (z. B. Aufmerksamkeitstraining; Wambach und Schmidt). Eine stärker an Mechanismen orientierte Psychotherapie deutet sich auch in transdiagnostischen Behandlungskonzepten wie dem „unified protocol“ an, das jüngst auch bei der KDS eingesetzt wurde (Mohajerin et al. 2019). Zu Behandlungsbeginn besteht die KDS häufig schon seit Jahren als chronische Störung, die ausgeprägte Körperunzufriedenheit und aussehensbezogenen Vergleiche haben ihren Beginn oftmals bereits in der Adoleszenz. Daher sehen wir auch ein erhebliches Potenzial in erweiterten Versorgungsmodellen, beispielsweise mit niederschwelligen zielgruppenspezifischen Angeboten zu Beginn oder Selbsthilfeprogrammen über moderne Technologien, wie die internetbasierte kognitiv-behaviorale Therapie (Enander et al. 2019) oder mobile Apps (Wilhelm et al. 2020). Erfolgversprechend sind auch gestufte Therapiekonzepte mit motivationalen Strategien zur Initiierung einer Psychotherapie über störungsspezifische Kurzzeittherapien bis hin zu intensiver Therapie bei Komorbidität oder unzureichender klinischer Verbesserung.

Im vorliegenden Heft der Zeitschrift Psychotherapeut werden verschiedene für die KDS und Körperunzufriedenheit relevante Faktoren und Mechanismen vorgestellt und jeweils Implikationen für die therapeutische Praxis abgeleitet.