Evaluation und Qualitätssicherung in der Psychotherapie nehmen wachsenden Raum ein. Wichtig ist hierzu die differenzierte Betrachtung der Ausbildungslandschaft und der Arbeitsbedingungen von PsychotherapeutInnen, die wesentlich zu deren psychischem Wohlbefinden und beruflicher Entwicklung beitragen. Der retrospektiven Einschätzung von Input‑, Prozess- und Output-Variablen der Psychotherapieausbildung kommt dabei große Bedeutung zu, da so die nachhaltige Relevanz von Ausbildungsbestandteilen erfasst werden kann und AbsolventInnen als LehrtherapeutInnen und/oder im Rahmen der Berufspolitik Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Ausbildung nehmen können.

Hintergrund

Nach wie vor gibt es wenige Studien, die sowohl verschiedene Aspekte der Psychotherapieausbildung als auch die Persönlichkeit und die berufliche Weiterentwicklung von PsychotherapeutInnen untersuchen. Auch wenn in den vergangenen Jahrzehnten oft auf die Notwendigkeit der Ausbildungsforschung aufmerksam gemacht wurde, gestaltet sich die Literatur in diesem Bereich noch recht unübersichtlich und heterogen. Während beispielsweise die große innereuropäische Diskrepanz in den Rahmenbedingungen der Psychotherapieausbildung bekannt ist und folglich die Notwendigkeit wissenschaftlich fundierter, übergreifender Ausbildungsstandards angeführt wird (Strauß und Kohl 2009a), gibt es bisher kaum veröffentlichte Studien zu den spezifischen Ausbildungsbedingungen und der allgemeinen professionellen Entwicklung von PsychotherapeutInnen in Österreich (Hagleitner und Lang 2005).

Psychotherapieausbildung

Grundsätzlich kann in der Psychotherapieausbildung zwischen Input, Prozess und Output unterschieden werden (Strauß und Kohl 2009b). Als Input wird die Ausgangslage der TeilnehmerInnen (Motive für den Ausbildungswunsch, Kosten etc.) verstanden. Hierzu können auch die Vorkenntnisse zur Therapierichtung (in Bezug auf Menschenbild, Persönlichkeitstheorie etc.) gezählt werden. Der Prozess umfasst die Entwicklung und die Umsetzung von Fertigkeiten. Hierbei spielen, wie beispielsweise von Laireiter und Botermans (2005) näher erläutert, folgende Aspekte der Ausbildung eine wesentliche Rolle: (a) theoretische Inhalte und Methoden, (b) eigene psychotherapeutische Praxis, (c) Supervision und (d) Lehrtherapie bzw. Selbsterfahrung. Der Output schließlich umfasst unmittelbare und langfristige Ergebnisse des Ausbildungsprozesses, wie professionelle Identität und Weiterentwicklung (Strauß und Kohl 2009b). Ronnestad und Skovholt (2013) führen dazu an, dass ein wissenschaftlich fundiertes Model über den gesamten Verlauf der professionellen Entwicklung noch ebenso fehlt wie die Definition einer notwendigen Wissensbasis für PsychotherapeutInnen.

Arbeitszufriedenheit: Belastungen und Ressourcen

Im Laufe ihrer professionellen Entwicklung sind PsychotherapeutInnen andauernden Belastungen ausgesetzt. Diese liegen beispielsweise im emotionalen Aufwand der Begegnungen mit KlientInnen sowie in den hohen Anforderungen an Haltung und Persönlichkeit der PsychotherapeutInnen (Hoffmann und Hoffmann 2008; Lups et al. 2012). Nach Jaeggi (2001) erleben viele PsychotherapeutInnen ihre Berufswahl als Berufung, woraus sich hohe Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit ergeben. Kanfer et al. (2012) sehen in diesem übersteigerten Engagement und in der hohen emotionalen Beteiligung die Ursache eines möglichen Burn-outs, das wiederum die Qualität von Psychotherapien beeinträchtigen kann. Demnach meint Burn-out „… den Verlust positiver Empfindungen, den Verlust von Sympathie oder Achtung für Klienten oder Patienten beim professionellen Helfer“ (Burisch 2010, S. 17).

Während Burn-out – als potenzieller Wirkfaktor im „stressful involvement“ (Orlinsky und Rønnestad 2005) – den Therapieprozess negativ beeinflussen kann, beschreibt das Kohärenzgefühl als zentrales Element des Salutogenesekonzepts – als potenzieller Wirkfaktor im Sinne des „healing involvement“ (Orlinsky und Rønnestad 2005) – mit positivem Einfluss auf den Therapieprozess, inwieweit eine Person das eigene Leben und Handeln innerlich als stimmig erlebt. Personen mit hohem Kohärenzgefühl bewerten an sie gestellte Anforderungen subjektiv als vorhersehbar, handhabbar und sinnhaft (Reddemann 2014). Folglich geht ein höheres Kohärenzgefühl mit höherem Wohlbefinden bzw. weniger Burn-out-Symptomatik einher (Linley und Joseph 2007). Auch eine längere berufliche Tätigkeit und mehr Arbeitszufriedenheit scheinen mit besserem Wohlbefinden (Reis et al. 2014) bzw. einer geringeren Burn-out-Symptomatik (Lee et al. 2011) verbunden zu sein. Weitere mögliche Ressourcen von PsychotherapeutInnen stellen die Tätigkeit in Forschung und Lehre, politisches Engagement (Pross 2009) sowie Selbsterfahrung (Reimer 1997) und Supervision bzw. Intervision (Trost 1999) dar. Diese Elemente sind darüber hinaus v. a. für eine kontinuierliche Qualitätssicherung in der Psychotherapie wichtig (Reimer 1997; Strauß und Freyberger 2010; Kanfer et al. 2012).

Die Fachsektion Integrative Gestalttherapie (IG) ist seit Inkrafttreten des österreichischen Psychotherapiegesetzes 1991 ein Teil des Österreichischen Arbeitskreises für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG). Die IG wird den humanistisch-existenziellen Fachrichtungen der Psychotherapie zugeordnet. Das Fachspezifikum IG ist nicht nur den österreichischen gesetzlichen Vorgaben, sondern einem internationalen Rahmen zur Qualitätssicherung verpflichtet. Laut österreichischem Psychotherapiegesetz (§ 2) muss vor Eintritt in das Fachspezifikum, das auf eine Psychotherapierichtung fokussiert, ein psychotherapeutisches Propädeutikum absolviert werden, in dem eine übergreifende theoretische und praktische Grundausbildung erfolgt.

Ziel der vorliegenden, weitgehend explorativen Studie war es, bei AbsolventInnen des ÖAGG Fachspezifikum IG Informationen zur Beurteilung der fachspezifischen Ausbildung, zur beruflichen Tätigkeit sowie zu Kohärenzsinn und Burn-out zu erfassen. Damit sollte nicht nur eine Grundlage für die Evaluation und Qualitätssicherung des Fachspezifikums im ÖAGG geschaffen, sondern auch zu einer differenzierteren Sichtweise der Ausbildungslandschaft und der Arbeitsbedingungen von PsychotherapeutInnen beigetragen werden. Der vorliegenden retrospektiven Einschätzung von Input‑, Prozess- und Output-Variablen kommt dabei eine große Bedeutung zu, da so die nachhaltige Relevanz von Ausbildungsbestandteilen erfasst werden kann und AbsolventInnen als LehrtherapeutInnen und/oder im Rahmen der Berufspolitik Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Ausbildung nehmen können. Aufbauend auf bisherigen Studien (Linley und Joseph 2007; Lups et al. 2012; Hill und Knox 2013) wurde des Weiteren die Hypothese überprüft, dass ein höherer Kohärenzsinn und eine längere Tätigkeit als PsychotherapeutIn mit einer geringeren Burn-out-Symptomatik in Verbindung stehen.

Material und Methoden

Studiendesign

Von Oktober 2015 bis April 2016 nahmen 91 AbsolventInnen des Fachspezifikums IG an der vorliegenden Studie teil. Dies entspricht 24,5 % der per E‑Mail kontaktierten Personen (Abb. 1). Kontaktiert wurden alle aktuellen und ehemaligen Mitglieder der Fachsektion IG. Die Fragebogen wurden mithilfe des LimeSurvey® (LimeSurvey GmbH, Hamburg, Deutschland) vorgegeben; die Beantwortung dauerte etwa 30 min.

Abb. 1
figure 1

Flowchart zur Generierung der Stichprobe. IG integrative Gestalttherapie

Messinstrumente

Zu den verschiedenen Aspekten der Ausbildung und Berufsausübung wurde, unter Berücksichtigung bisheriger Studien zu den relevanten Themenbereichen u. a. (Willutzki et al. 1997; Ôrlinsky et al. 1999; Hagleitner und Lang 2005; Reis et al. 2014), in Zusammenarbeit mit der Fachsektion IG des ÖAGG ein allgemeiner soziodemografischer Fragebogen erstellt (nähere Informationen dazu über die Erstautorin).

Zur Erfassung von Burn-out wurde das Maslach Burn-out Inventory (MBI; Enzmann und Kleiber 1989) eingesetzt, das emotionale Erschöpfung (EE, 9 Items), Depersonalisation (DP, 5 Items) und persönliche Leistungsfähigkeit (PL, 8 Items) über eine 7‑stufige Likert-Skala (0: nie bis 6: täglich) erhebt. Als Kerndimensionen des Burn-outs gelten emotionale EE und DP (Taris et al. 2005). Emotionale Erschöpfung definiert sich über Überforderung und die Unfähigkeit zur Entspannung, wodurch sich Müdigkeit, Schlaflosigkeit und diffuse somatische Beschwerden ergeben. Depersonalisation beschreibt die zunehmende Abstumpfung gegenüber dem (Arbeits‑)Umfeld, die mit einer zynischen, negativen Einstellung im Umgang mit Mitmenschen einhergeht (Kapfhammer 2012).

Zur Erfassung des Kohärenzsinns wurde die Sense of Coherence Scale in der Version mit 29 Items (SOC-29; Singer und Brähler 2007) vorgegeben, die über die Aspekte Verstehbarkeit (11 Items), Handhabbarkeit (10 Items) und Sinnhaftigkeit (8 Items) das Gesamtausmaß des Kohärenzsinns erfasst. Da sich die theoretisch begründeten Subskalen faktorenanalytisch nicht reproduzieren lassen, wird die Verwendung des Gesamtsummenwerts empfohlen (Schumacher et al. 2000). Die Items werden über eine 7‑stufige Likert-Skala bewertet; die Endpunkte sind jeweils über qualitative Aussagen definiert (z. B.: 1: stimme gar nicht zu bis 7: stimme voll zu; Singer und Brähler 2007).

Stichprobe

Von 91 TeilnehmerInnen schlossen 62 (42 Frauen) die Befragung ab (Abb. 1). Diese Daten wurden für die Auswertungen herangezogen. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung waren die TeilnehmerInnen zwischen 31 und 67 Jahre alt (M = 52,11 Jahre; SD ± 8,70 Jahre). Der Beginn des Fachspezifikums lag im Durchschnitt 21 Jahre (SD ± 9,01 Jahre; Range: 5 bis 41 Jahre) zurück, die Eintragung in die Liste der PsychotherapeutInnen des Bundesministeriums für Gesundheit im Durchschnitt 13 Jahre (SD ± 9,17 Jahre; Range: 0 bis 30 Jahre). Es hatten 46 TeilnehmerInnen (47,2 %) vor Eintritt in das Fachspezifikum bereits einen akademischen Abschluss.

Statistische Auswertung

Der Fragebogen zu Ausbildung und Berufsausübung wurde deskriptiv und über Friedman- bzw. Cochran-Tests mit Wilcoxon bzw. McNemar-Tests als Post-hoc-Verfahren ausgewertet. Zu Burn-out und Kohärenzsinn wurden t-Tests und Korrelationen nach Pearson durchgeführt. Das Signifikanzniveau wurde mit 1 % gewählt.

Ergebnisse

Die deskriptiven Ergebnisse zur Bewertung des Fachspezifikums und der beruflichen Tätigkeit sind in Tab. 1 aufgeführt.

Tab. 1 Deskriptive Ergebnisse zur Bewertung des Fachspezifikums und der beruflichen Tätigkeit

Beurteilung des Fachspezifikums

Die anschließenden Analysen (Tab. 2) zeigten, dass besonders das Menschenbild und die Methodik der IG für die Wahl dieses Fachspezifikums ausschlaggebend waren (χ 2 (4) = 166,61, p < 0,01). Hinsichtlich der Durchführung des Fachspezifikums wurden der Selbsterfahrung und der Lehrtherapie von allen Bestandteilen die größte Relevanz zugesprochen (χ 2 (4) = 58,49, p < 0,01). Des Weiteren wurden Selbsterfahrung, Lehrtherapie und Lehrsupervision auch als relevanter für die spätere berufliche Tätigkeit (χ 2 (4) = 95,33, p < 0,01) und die eigene persönliche Entwicklung (χ 2 (4) = 124,10, p < 0,01) eingeschätzt als die Vermittlung von Theorie und Methodik.

Tab. 2 Unterschiede in der Bewertung der Aspekte des Fachspezifikums

Aktuelle Berufstätigkeit

Die meisten TeilnehmerInnen (63 %; n = 39) gaben eine selbstständige Tätigkeit als PsychotherapeutIn an, 4 (6 %) eine unselbstständige. Es arbeiteten 16 (26 %) sowohl selbst- als auch unselbstständig. Zum Zeitpunkt der Studie waren 3 TeilnehmerInnen (5 %) nicht als PsychotherapeutInnen tätig. Nur wenige gaben eine geringe oder gar keine Zufriedenheit mit ihrem Einkommen als PsychotherapeutIn (8 %; n = 5), ihren beruflichen Zukunftsperspektiven (5 %; n = 3) und der Kooperation mit anderen Berufsgruppen im psychosozialen Bereich (15 %; n = 9) an. Obwohl die meisten TeilnehmerInnen (65 %; n = 40) eine stark ausgeprägte Identität als IG-TherapeutIn nannten, führten viele ein geringes (29 %; n = 18) oder gar kein (27 %; n = 17) berufspolitisches Engagement an (Tab. 1).

Ein Großteil der TeilnehmerInnen nahm Supervision (81 %; n = 50) bzw. Intervision (94 %; n = 58) in Anspruch und besuchte nach dem Fachspezifikum Fortbildungen (97 %; n = 60). Dabei zeigte sich in diesen Bereichen eine überwiegende Treue zur eigenen Fachrichtung, während v. a. zu verhaltenstherapeutischen Richtungen kaum Kontakt bestand (Fortbildungen: χ 2 (5) = 91,96; Supervision: χ 2 (5) = 58,55; Intervision: χ 2 (5) = 103,28; alle p < 0,01; Tab. 3).

Tab. 3 Unterschiede im Kontakt mit verschiedenen psychotherapeutischen Fachrichtungen

Kohärenzsinn und Burn-out

Der Kohärenzsinn der TeilnehmerInnen (M = 158,10, SD ± 16,39) war im Vergleich zur Normstichprobe (Schumacher et al. 2000) überdurchschnittlich ausgeprägt (t 61  = 5,98, p < 0,01). Hinsichtlich des Burn-outs zeigten die TeilnehmerInnen (EE: M = 11,18, SD ± 6,44; DP: M = 2,81, SD ± 2,63; PL: M = 42,21, SD ± 4,75) im Vergleich zu deutschen PsychotherapeutInnen (Reis et al. 2014) geringere EE (t 831  = 8,11, p < 0,01) und geringere DP (t 831  = 6,11, p < 0,01). Zur PL lagen aus dieser Studie keine Vergleichswerte vor.

Die Korrelationen zwischen Kohärenzsinn, Burn-out und Dauer der Berufstätigkeit zeigten folgende Ergebnisse: TeilnehmerInnen mit einem höheren Kohärenzsinn gaben eine geringere DP (r = −0,35, p < 0,01), eine tendenziell geringere EE (r = −0,30, p = 0,019) und sowie eine tendenziell höhere PL (r = 0,32, p = 0,011) an. Des Weiteren berichteten TeilnehmerInnen, mit ansteigender Dauer der Berufstätigkeit als PsychotherapeutIn, tendenziell über weniger EE (r = −0,28, p = 0,029) und mehr PL (r = 0,27, p = 0,033). Die Dauer der Berufstätigkeit wies jedoch keinen Zusammenhang mit dem Ausmaß an DP (r = −0,24, p = 0,058) oder Kohärenzsinn (r = 0,15, p = 0,26) auf.

Diskussion

In der vorliegenden Studie wurden PsychotherapeutInnen der Fachrichtung IG zu verschiedenen Aspekten der fachspezifischen Ausbildung, ihrer beruflichen Situation sowie zu Kohärenzsinn und Burn-out befragt. Entsprechend der Aufteilung der Psychotherapieausbildung in Input, Prozess und Output (Strauß und Kohl 2009b) kann als Input festgehalten werden, dass die AbsolventInnen des Fachspezifikums IG sich v. a. aufgrund des Menschenbilds und der Methodik für diese Richtung entschieden haben. In Bezug auf den Prozess wiederum gehen v. a. Selbsterfahrung, Lehrtherapie und Lehrsupervision als besonders relevante Ausbildungsbestandteile hervor, die im Sinne des Outputs langfristig als wichtig für die eigene psychotherapeutische Tätigkeit und die eigene persönliche Entwicklung gesehen werden. Zudem ist im Bereich des Outputs eine starke Weiterbeschäftigung mit der eigenen Fachrichtung feststellbar, während zu anderen Fachrichtungen ein geringerer Kontakt besteht. Dies könnte sich u. a. auf die Bereitschaft auswirken, neue Therapieansätze zu erlernen (Herschell et al. 2010).

Reimer et al. (2005) sehen positive Berufsperspektiven als wesentliche psychohygienische Einflussvariablen und schließen daraus auf die Notwendigkeit, die eigene Zukunft über aktives Mitwirken in Berufsverbänden zu gestalten. In der vorliegenden Studie äußerten sich die Befragten durchwegs zufrieden mit ihrem Einkommen und ihren beruflichen Perspektiven. Zudem berichteten die meisten über eine stark ausgeprägte Identität als IG-TherapeutIn. Dass das berufspolitische Engagement im Gegensatz dazu als gering eingeschätzt wird, könnte mit der aktuellen Zufriedenheit der TeilnehmerInnen und den folglich wahrscheinlich geringen Wünschen nach Veränderung im Zusammenhang stehen.

Der in anderen Studien (Binder et al. 2006; Brockhouse et al. 2011) berichtete, überdurchschnittlich ausgeprägte Kohärenzsinn bei PsychotherapeutInnen konnte bestätigt werden. Des Weiteren scheint sich mit längerer Berufstätigkeit eine geringere Burn-out-Symptomatik zu zeigen. Dies könnte darauf hinweisen, dass zunehmende Erfahrung das „healing involvement“ (Orlinsky und Rønnestad 2005; u. a. das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sowie konstruktives Coping) fördert, während die Wahrscheinlichkeit von „stressful involvement“ (Orlinsky und Rønnestad 2005; u. a. Gefühle von Angst und Langeweile sowie Coping durch Vermeidung) sinkt. Der Einfluss weiterer Variablen auf das psychische Befinden von PsychotherapeutInnen (z. B. Forschung und Lehre [Pross 2009], Supervision oder Intervision [Trost 1999]) sollte in weiteren Studien noch genauer untersucht werden.

Zusammenfassende Betrachtung und Ausblick

Studien, wie die vorliegende, ermöglichen eine Gegenüberstellung verschiedener Psychotherapierichtungen sowie eine differenziertere Sichtweise der Ausbildungslandschaft und der Arbeitsbedingungen von PsychotherapeutInnen. Dies hat große Bedeutung im Hinblick auf den Zeit- und Kostenaufwand der psychotherapeutischen Ausbildung sowie im Hinblick auf die Qualitätssicherung und Positionierung der Psychotherapie als wichtigen Teil des Gesundheitswesens.

International zeigt sich eine hohe Variabilität in den zur Psychotherapieausbildung zugelassenen Berufsgruppen, der Struktur und Organisation der Ausbildung sowie den anerkannten Fachrichtungen (Strauß und Kohl 2009b). Dies muss bei der Interpretation und der Gegenüberstellung der Ergebnisse mit anderen Studien jedenfalls berücksichtigt werden. Des Weiteren wäre für eine umfassende Beurteilung der Qualität und der Auswirkungen des Fachspezifikums IG des ÖAG v. a. auch die laufende Evaluation über die gesamte Ausbildungsdauer bis in die Berufstätigkeit sinnvoll. Über die Veröffentlichung solcher Evaluationen durch verschiedene Ausbildungsinstitute könnte in der Folge die Qualität der Ausbildung weiter verbessert werden. Als weitere Einschränkung ist anzuführen, dass systematische Unterschiede zwischen TeilnehmerInnen und NichtteilnehmerInnen der vorliegenden Studie nicht untersucht werden konnten. Auch unvollständige Teilnahmen, die durchwegs durch Abbrüche zu Beginn der Befragung entstanden, konnten nicht sinnvoll in den Auswertungen berücksichtigt werden. Es besteht daher die Möglichkeit, dass die vorliegenden Ergebnisse nicht für alle AbsolventInnen dieses Fachspezifikums Gültigkeit haben. Des Weiteren konnte bei der vorliegenden Stichprobengröße nicht adäquat für die große Heterogenität (z. B. in den Jahren der Berufstätigkeit) kontrolliert werden. Auch kann das absolute Ausmaß an Burn-out in der vorliegenden Stichprobe aufgrund fehlender deutschsprachiger Cut-off-Werte nicht beurteilt werden.

Basierend auf den erhobenen Daten kann festgehalten werden, dass AbsolventInnen des Fachspezifikums IG des ÖAGG die Bedeutung der praktischen Erfahrung von Psychotherapie in der Ausbildung (Supervision, Selbsterfahrung und Lehrtherapie) für die spätere berufliche Tätigkeit besonders hervorheben. Auch Orlinsky und Rønnestad (2005) sehen diese Bereiche als wichtig für die Kompetenzförderung an, während Hill und Knox (2013, S. 778) ausführen, dass das Ziel der Ausbildung nicht im Erwerb von Fähigkeiten besteht, sondern darin zu lernen, wann und warum diese Fähigkeiten abgestimmt auf einzelne KlientInnen eingesetzt werden sollen. Dies wiederum könnte auch die eher uneinheitliche Einschätzung der Relevanz der Theorievermittlung für die berufliche Tätigkeit und die persönliche Entwicklung erklären.

Auch wenn bei den TeilnehmerInnen der Beginn des Fachspezifikums im Durchschnitt 21 Jahre und der Abschluss im Durchschnitt 13 Jahre zurücklagen, kommt dieser retrospektiven Einschätzung von Input‑, Prozess- und Output-Variablen doch große Bedeutung zu, da so die nachhaltige Relevanz von Ausbildungsbestandteilen erfasst werden kann und ehemalige AbsolventInnen als LehrtherapeutInnen und/oder im Rahmen der Berufspolitik Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Ausbildung nehmen können. Um einen besseren Einblick in die Mechanismen und Auswirkungen der Psychotherapieausbildung zu bekommen, bedarf es jedenfalls einer längsschnittlichen, auf diesen ersten Erkenntnissen aufbauenden Evaluation des Ausbildungsverlaufes. Insbesondere wäre interessant, ob sich die Einschätzung der Relevanz verschiedener Aspekte der Ausbildung für berufliche Tätigkeit und persönliche Entwicklung im Ausbildungsverlauf bzw. mit zunehmender beruflicher Tätigkeit verändert.

Fazit für die Praxis

  • Selbsterfahrung, Lehrtherapie und Lehrsupervision haben anhaltende Relevanz für persönliche Entwicklung und berufliche Praxis.

  • Kohärenzsinn und Berufserfahrung gehen zumindest tendenziell mit einer geringeren Burn-out-Problematik einher.

  • Neben einem hohen Identitätsbewusstsein besteht ein geringes berufspolitisches Engagement in der untersuchten Gruppe von Gestalt-PsychotherapeutInnen.

  • Als sinnvoller nächster Schritt zur Qualitätssicherung in der Psychotherapieausbildung wird auf die Möglichkeit längsschnittlicher Evaluationen verwiesen.