Die Psychoonkologie ist ein interdisziplinär orientierter Ansatz und befasst sich mit den psychischen, sozialen und sozialrechtlichen Bedingungen, Folgen und Begleiterscheinungen einer Krebserkrankung im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter. Sowohl die wissenschaftliche Forschung als auch die praktische Tätigkeit von Psychoonkologen werden unter dem Begriff Psychoonkologie subsumiert.

Der nationale Krebsplan (Bundesministerium für Gesundheit 2010) definiert psychoonkologische Versorgung als gestufte psychosoziale und psychotherapeutische Interventionen in allen Bereichen der medizinischen Versorgung – Prävention, Akutbehandlung, stationäre Rehabilitation und ambulante Nachsorge – sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Angehörigen. Die psychosoziale Versorgung stellt die Information, Beratung, Psychoedukation, Krisenintervention und supportive Begleitung der Patienten in den Vordergrund. Die psychotherapeutische Versorgung hingegen konzentriert sich v. a. auf Diagnostik, Krisenintervention und psychotherapeutische Behandlung von Patienten mit ausgeprägten psychischen Beeinträchtigungen oder komorbiden psychischen Störungen. Ziel ist es, jedem Krebspatienten eine angemessene bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgung zu ermöglichen.

Die Beiträge dieses Schwerpunkthefts thematisieren auf verschiedene Weise die psychosoziale und psychotherapeutische Versorgung onkologischer Patienten.

In der Übersichtsarbeit von Geue et al. wird auf die bislang in Deutschland wenig untersuchte Problematik „Kinderwunsch junger Krebspatienten“ eingegangen. Die Autoren arbeiten die Forschungsliteratur der Arzt-Patient-Kommunikation bezüglich der Familienplanung und des drohenden Fertilitätsverlusts durch die medizinische Behandlung auf. Festgestellt wurde, dass Krebspatienten im jungen Erwachsenenalter sich unzureichend über die Themen Kinderwunsch, Fertilitätsverlust und Fertilitätserhalt informiert fühlen. Die befragten Onkologen äußerten oftmals Gesprächsbarrieren und wünschten sich mehr Informationen und Schulungen auf diesem Gebiet. Für diese Patientengruppe lässt sich ein spezifischer psychoonkologischer Betreuungsbedarf annehmen.

Vogel befasst sich in seinem Beitrag mit der psychotherapeutischen Arbeit auf Palliativstationen. Ausgebildete Psychotherapeuten und Fachärzte nehmen einen festen Platz auf deutschen Palliativstationen ein und verfügen oftmals über Zusatzqualifikationen wie z. B. Psychoonkologie. Außerdem geben die in der Palliativmedizin arbeitenden Psychotherapeuten eine hohe Arbeitszufriedenheit an, was angesichts der ständigen Konfrontation mit Leiden und Tod nicht selbstverständlich erscheint. Kritisch angemerkt wird jedoch die mangelnde Vorbereitung auf eine psychotherapeutische Palliativarbeit während der Therapieausbildung. Hier sind die Ausbildungsinstitute gefragt, die Themen „Tod und Sterben“ stärker in ihre Curricula zu integrieren und angehenden Psychotherapeuten Hilfestellungen für die praktische Palliativarbeit zu vermitteln.

Auf eine besondere Angehörigengruppe – die Kinder krebskranker Eltern – gehen Romer et al. in ihrem Beitrag ein. Die psychosozialen Belastungen von krebskranken Eltern und deren Kindern werden aufgezeigt und eine eigens entwickelte kindzentrierte Familienberatung – Children of Somatically Ill Parents (COSIP) – vorgestellt. Hauptfokus der Intervention, die momentan in einer multizentrischen Studie bundesweit erprobt wird, ist die Stärkung der familiären und der kindlichen „Coping“-Ressourcen. Als wesentliche Interventionsziele nannten die teilnehmenden Familien bisher die Stützung des elterlichen Kompetenzerlebens, die Unterstützung aktiver Bewältigung beim Kind und die Unterstützung antizipierender Trauerarbeit. Hervorzuheben ist der ganzheitliche Ansatz der Intervention, der die psychosoziale Betreuung aller Familienmitglieder einschließt. Eine Übertragung dieses Ansatzes auf andere Patientengruppen und deren Angehörige wäre wünschenswert.

Im Fokus des Beitrags von Mehnert et al. steht eine besondere Form psychoonkologischer Versorgungsangebote: die sinnorientierten Interventionen. Diese werden v. a. bei existenziellen Belastungen in der palliativen Krankheitssituation angewandt. Ziel der sinnorientierten Gruppeninterventionen ist es, Menschen mit begrenzter Lebenserwartung im Umgang mit Verlust und Trauer zu unterstützen. In Deutschland existieren solche Angebote jedoch kaum.

Um eine bedarfsgerechte psychoonkologische Versorgung zu gewährleisten, ist neben der Erprobung, Durchführung, Manualisierung und Evaluation von Interventionen die Ermittlung des Versorgungsbedarfs bzw. der momentanen Versorgungssituation erforderlich. Singer et al. führten eine solche Studie zur stationären und zur ambulanten psychoonkologischen Versorgungssituation am Beispiel des Leipziger Universitätsklinikums durch. Die Studienergebnisse zeigen eine deutliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen psychoonkologischen Betreuungssituation und dem Betreuungswunsch der Patienten auf, sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. So stellen die Autoren fest, dass onkologische Patienten deutlich unterversorgt sind. Die Ergebnisse legen den Ausbau psychosozialer und psychotherapeutischer Intervention nahe.

Das Themenheft wird mit der Falldarstellung einer Brustkrebspatientin hinsichtlich der Wirksamkeit einer psychodynamischen Kurzzeittherapie von Imruck u. Beutel abgerundet. Im Fokus der manualisierten Intervention stehen die Erkennung und die Bearbeitung intrapsychischer Konflikte, um seelische Belastungen besser regulieren zu können. Neben der Fallbeschreibung werden die einzelnen Phasen des Behandlungsverlaufs beschrieben. Damit wird dem Leser ein tieferer Einblick in die psychotherapeutische Arbeit innerhalb der Psychoonkologie gegeben.

Die Psychoonkologie bietet ein vielfältiges Aufgabenspektrum mit unterschiedlichen Problemfeldern – wie die in diesem Heft versammelten Beiträge exemplarisch verdeutlichen. Ziele innerhalb der Psychoonkologie liegen in den nächsten Jahren u. a. in der Festigung vorhandener Versorgungsstrukturen und der Implementierung weiterer evaluierter Versorgungsangebote. Angesichts des großen Bedarfs soll dieses Heft zu psychotherapeutischer Arbeit mit Krebskranken psychotherapeutische Anstöße geben und Handlungsfelder aufzeigen.