Das Schwerpunktheft 3/2010 greift mit der psychologischen Versorgung von chronisch körperlich kranken Menschen ein eminent wichtiges Thema auf. Den Ausführungen und Argumentationen stimmen wir grundsätzlich zu. Leider wird im Editorial so gut wie überhaupt nicht auf die Arbeit der Rehabilitationspsychologen bzw. der klinischen Psychologen in der medizinischen Rehabilitation eingegangen. Die medizinische Rehabilitation ist der einzige Bereich innerhalb der Gesundheitsversorgung in Deutschland, in dem Psychologen bei der Versorgung von Patienten mit chronischen körperlichen Erkrankungen zwingend vorgesehen sind.

In Deutschland durchlaufen jährlich allein im Bereich der Rentenversicherungen (unabhängig von den Maßnahmen der Kranken- und Unfallversicherung) mehr als 600.000 Menschen eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme wegen einer somatischen Erkrankung. Von diesen haben indikationsübergreifend 20–40% eine psychische Komorbidität und 30–50% besondere berufliche Problemlagen (Härter et al. 2007).

Insbesondere die klinische Psychologie versteht die medizinische Rehabilitation als wichtiges Anwendungsfeld, u. a., weil hier nicht nur Psychotherapie betrieben wird, sondern weil auch Tätigkeiten und Arbeitsbereiche hoch relevant sind, die nicht unbedingt eine Approbation benötigen: Patientenschulung, psychologische Einzelberatung und Gruppentrainings zur Krankheitsverarbeitung, Gesundheitsförderung, Angehörigenberatung, Psychoedukation, Programme zur Lebensstiländerung (z. B. Raucherentwöhnung) sowie die Mitwirkung an Teilen der sozialmedizinischen Beurteilung.

Der Arbeitskreis Klinische Psychologie in der Rehabilitation ist einer der aktivsten Arbeitskreise der Sektion Klinische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Er veranstaltet seit nunmehr 30 Jahren einen jährlichen Kongress und vertritt dabei über 3000 Psychologen in der Rehabilitation. In diesem Arbeitskreis wurde bereits vor mehr als 10 Jahren die Spezialisierung und Weiterbildung in Rehabilitationspsychologie diskutiert, damals jedoch u. a. aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen im Bereich der Psychotherapie verworfen. Hinzu kam das Problem, dass in der Ausbildung bzw. Fortbildung nicht jeder Teilbereich (z. B. Psychodiabetologie, Psychoonkologie etc.) substanziell ausreichend integriert werden konnte. Dies wird auch ein Thema bei der jetzt geplanten Weiterbildung Somatopsychologie sein müssen.

Wir setzen uns auch im Hinblick auf die epidemiologische und demografische Entwicklung für eine Somatopsychologie oder Rehabilitationspsychologie in Forschung und Versorgung ein. An der Universität Freiburg ist die psychologisch-psychotherapeutische Versorgung chronisch körperlich kranker Menschen Gegenstand im Studium (BSc und MSc) und in der Psychotherapieausbildung (Freiburger Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie). Eine Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) ist derzeit damit beschäftigt, die Ausbildung, Fort- und Weiterbildung in diesem wichtigen Tätigkeitsfeld zu dokumentieren und Vorschläge zur Weiterentwicklung zu machen.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung psychosozialer Faktoren, der z. T. noch unbefriedigend erkannten und mitbehandelten psychischen Begleiterkrankungen und dem Ausbau entsprechender Behandlungskonzepte werden in den nächsten Jahren mehr Psychologen und Psychotherapeuten in der stationären sowie ambulanten medizinischen Rehabilitation gebraucht. Ebenso werden Psychotherapeuten benötigt, die sich insbesondere in der ambulanten Versorgung auf chronisch körperlich kranke Menschen mit einer komorbiden psychischen Störung spezialisieren.