Zusammenfassung
Ausgehend von der aktuellen Debatte über die Traumatisierung von Soldaten in Afghanistan zeichnet der Beitrag die historische Entwicklung von Traumakonzepten seit dem 19. Jahrhundert bis heute nach. Dabei zeigt sich, dass ohne eine Reflexion des gesellschaftspolitischen Kontextes seitens der Therapeuten und Gutachter die medizinischen und psychotherapeutischen Maßnahmen der Gefahr ausgesetzt sind, durch die unerkannt bleibenden politischen Interessen instrumentalisiert zu werden.
Abstract
Based on the current debate on the traumatisation of soldiers in Afghanistan, the article traces the historical development of trauma concepts from the 19th century to the present day. Thereby, it is shown that without reflecting on the socio-political context on the part of therapists and experts, medical and psychotherapeutic measures are at risk of being exploited by undetected political interests.
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Lamott, F., Lempa, G. Zwischen Klinik und Politik. Psychotherapeut 54, 289–294 (2009). https://doi.org/10.1007/s00278-009-0683-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00278-009-0683-5
Schlüsselwörter
- Kriegstraumatisierung
- Geschichte der Traumabehandlung
- Militärpsychiatrie
- Historische Entwicklung der Traumakonzepte