Hintergrund und Fragestellung

Der Begriff „partnerschaftliche Gewalt“ bezieht sich auf jede Form von Gewalt, die zwischen aktuellen oder früheren Ehepartner*innen bzw. Lebensgefährt*innen stattfindet [1]. Im Vergleich zu Erhebungen partnerschaftlicher Gewalt gegen Frauen ist partnerschaftliche Gewalt gegen Männer ein weniger häufig adressiertes Thema, sodass nur wenig aktuelle Literatur zu der Problematik vorliegt.

Die umfassendste Quelle zur Inzidenz partnerschaftlicher Gewalt in Deutschland dürfte die jährlich veröffentliche Sonderauswertung des Bundeskriminalamtes sein. Für das Jahr 2022 wurden insgesamt 157.818 Betroffene partnerschaftlicher Gewalt verzeichnet [2]. In 80,1 % der Fälle waren Frauen von Übergriffen betroffen, in 19,9 % Männer. Diese Zahlen spiegeln jedoch nur das polizeiliche Hellfeld, also nur die Fälle, die von den Ermittlungsbehörden registriert wurden, wider. Wertvolle Erkenntnisse zur Betroffenheit von Männern konnten von Jungnitz et al. [3] in 2007 gewonnen werden. Neuere Publikationen beschreiben u. a. Fälle, die sich im Rahmen einer klinisch-forensischen Untersuchung in einer Gewaltschutzambulanz vorstellten [4], vergleichen Daten partnerschaftlicher Gewalt gegen Frauen und gegen Männer [5, 6] oder stellen Übersichtsarbeiten zu dem Thema dar [7, 8], während das Landeskriminalamt Niedersachsen zuletzt in 2022 Daten zu Fallumständen, aber auch zum Dunkelfeld veröffentlichte [9].

Um Daten zu Erfahrungen von Männern zu erfassen, die von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind, und hierdurch einen Beitrag zur besseren Erfassung der Problematik zu leisten, wurde eine Fragebogenstudie durchgeführt.

Material und Methoden

Zur Erhebung von Daten zu Erlebnissen partnerschaftlicher Gewalt gegen Männer wurde ein Fragebogen entworfen und der gemeinnützigen Organisation Fairmann® mit der Bitte um Rückmeldung zu Inhalt und Formulierungen vorgelegt. Der Fragebogen wurde mit „DeepL“ (DeepL SE, Köln, Deutschland) in 12 weitere Sprachen (Arabisch, Bulgarisch, Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch und Türkisch) übersetzt und von Muttersprachlern bzw. Personen mit ausgezeichneten Kenntnissen der jeweiligen Sprache korrigiert. Der mehrsprachig vorliegende Fragebogen wurde in das Online-Tool „SoSci Survey“ (SoSci Survey GmbH, München, Deutschland) übertragen. Die dort hinterlegte Verzeigungslogik ermöglichte es, dass den Teilnehmern nur die Fragen, die für sie relevant waren, gestellt wurden (max. 22 Fragen). Im Hinblick auf die Teilnahmebereitschaft wurde der Fokus auf die wesentlichen Kernpunkte des untersuchten Themenbereiches gelegt. Durch „SoSci Survey“ wurde eine vollkommen anonyme und nicht auf Einzelpersonen zurückverfolgbare Erhebung von Daten gewährleistet, da die IP-Adressen der Teilnehmer nicht gespeichert wurden. Personenbezogene Daten oder Informationen, die Rückschlüsse auf einzelne Personen erlaubt hätten, wurden nicht erhoben. Eine berufsrechtliche Beratung durch die Ethikkommission war daher nicht erforderlich. Der Link zur Studie wurde mit der Bitte zur Weiterleitung an mögliche Teilnehmer auf den Social-Media-Seiten der Gewaltambulanz Heidelberg veröffentlicht und an 223 im Internet recherchierte E‑Mail-Adressen (u. a. von Hilfsorganisationen und Beratungsstellen) mit Bitte um Weiterleitung an mögliche Teilnehmer versendet. Fairmann® bot den Link zum Fragebogen betroffenen Männern im Rahmen einer Beratung an. Die Teilnahme an der Studie war von Juli 2021 bis Juni 2022 möglich.

Da der Fragebogen Informationen von Männern erheben sollte, die von partnerschaftlicher Gewalt betroffen waren, wurden nur die Personen, die als Geschlecht „männlich“ auswählten und entweder aktuell oder früher von partnerschaftlicher Gewalt betroffen waren, befragt. Personen, die sowohl aktuell als auch früher Gewalt in einer Partnerschaft erlebten, wurden gebeten, Angaben zu der Partnerschaft, in welcher die von ihnen als schwerwiegender empfundene Gewalt stattgefunden hat, zu machen. Die Form der Partnerschaft wurde hierbei nicht eingegrenzt.

Die Arten von Gewalt wurden den Teilnehmern mit folgenden Definitionen zur Auswahl angeboten:

  1. 1.

    Gewalt in der Kindheit:

    • psychische Gewalt (z. B. sprachliche Demütigungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Isolation, Mobbing; Isolation von Freund*innen);

    • körperliche Gewalt (z. B. Vernachlässigung, Schubsen, Anspucken, Ohrfeigen, Schläge, Tritte);

    • sexuelle Gewalt (z. B. sexuelle Nötigung, Vergewaltigung).

  2. 2.

    Partnerschaftliche Gewalt (ohne nähere Eingrenzung der Form):

    • psychische Gewalt (z. B. Demütigungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Stalking, Herabwürdigung, Isolation von Freund*innen oder Familie);

    • finanzielle Gewalt (z. B. finanzielle Ausbeutung, Vorenthalten oder Kontrolle von Geld, Erpressung);

    • körperliche Gewalt, Schweregrad I: keine ärztliche Behandlung erforderlich (z. B. Schubsen, Anspucken, Ohrfeige, Ziehen an den Haaren, kräftiges Packen an den Armen);

    • körperliche Gewalt, Schweregrad II: ambulante ärztliche Behandlung war erforderlich oder wäre erforderlich gewesen (z. B. kräftige Faustschläge oder Tritte, Verbrühungen, Schläge mit Gegenständen);

    • körperliche Gewalt, Schweregrad III: stationärer Aufenthalt in einer Klinik war erforderlich oder wäre erforderlich gewesen (z. B. massive Schläge oder Tritte, Stichverletzungen etc. oder gefährlicher Angriff z. B. gegen den Hals);

    • sexuelle Gewalt (z. B. sexuelle Nötigung, Vergewaltigung).

Die Auswertung der Daten erfolgte in Excel (Microsoft Corporation, Version 2308, Washingston, USA) und mithilfe der Software SPSS (IBM SPSS Statistics, Version 27, 2020, Böblingen, Deutschland). Da den Teilnehmern weitestgehend Fragen mit dichotom kodierten Mehrfachantworten gestellt wurden, wurden Mehrfachantwortensets für die zentralen Variablen, wie z. B. die Form der erlebten Gewalt (erlebt/nicht erlebt), generiert und interpretiert. Als Korrelationskoeffizienten für dichotome Variablen, wie Gewalterfahrungen in Schule und zu Hause durch Eltern, wurden Phi-Koeffizienten als Zusammenhangmaße berechnet.

Ergebnisse

Insgesamt lagen Angaben von 306 Teilnehmern vor. Die Datensätze von 2 Teilnehmern, die als Geschlecht „trans/nichtbinär“ angaben, wurden von der Analyse ausgeschlossen, da davon ausgegangen wurde, dass Personen, die sich als männlich verstanden, als Geschlecht „männlich“ auswählten. Ebenfalls von der Analyse ausgeschlossen wurden die Datensätze von 141 Personen, die den Fragebogen nicht vollständig beantworteten. Insgesamt wurden Angaben von 163 Teilnehmern in die Analyse aufgenommen.

Das durchschnittliche Alter der 163 Teilnehmer betrug 44,7 Jahre (±SD = 10,6 Jahre). Der jüngste Teilnehmer war laut eigenen Angaben 23 Jahre, der älteste 81 Jahre alt.

Auf die Fragen, ob die Teilnehmer in ihrer Kindheit körperliche, psychische und/oder sexuelle Gewalt durch ihre Eltern oder in der Schule erlebt hatten, antworteten 135 Teilnehmer (82,8 %) mit „ja“. Die am häufigsten berichtete Arten von Gewalt, die von Eltern oder in der Schule gegen die Betroffenen in ihrer Kindheit ausgeübt wurde, waren sowohl im häuslichen als auch im schulischen Umfeld körperliche sowie psychische Gewalt (Abb. 1). Der Zusammenhang zwischen dem Erleben körperlicher und psychischer Gewalt war sowohl für den Bereich „Schule“ als auch den Bereich „Eltern“ signifikant (Schule: φ = 0,415, p < 0,001; Eltern: φ = 0,511, p < 0,001). Auch der Zusammenhang zwischen dem Erleben von Gewalt in beiden Lebensbereichen war signifikant (φ = 0,31, p < 0,001).

Abb. 1
figure 1

Erlebte Gewalt in der Kindheit (absolute Zahlen). Mehrfachantworten waren möglich

Die von den 163 Teilnehmern am häufigsten berichteten Formen erlebter partnerschaftlicher Gewalt waren psychische Gewalt (90,2 %) und körperliche Gewalt des Schweregrades I (61,3 %; Abb. 2). Mindestens ein Schweregrad körperlicher Gewalt wurde von 76,7 % der Teilnehmer berichtet. Unter den Teilnehmern, die mindestens 2 Arten von Gewalt angaben (n = 122, 74,8 %), war die Kombination aus psychischer Gewalt und körperlicher Gewalt des Schweregrades I (54 %) am häufigsten.

Abb. 2
figure 2

Arten und Schweregrade erlebter partnerschaftlicher Gewalt (absolute Zahlen). Mehrfachantworten waren möglich

Insgesamt 6 Teilnehmer machten von der Möglichkeit, in ein Freitextfeld Angaben zu erlittenen Verletzungen einzutragen, Gebrauch. Hier wurden Kratzer, „Prellungen“ und Hämatome beschrieben. Als gesundheitliche Folge der erlebten Gewalt wurde besonders häufig „Einsamkeit“ genannt (60,7 %; Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Folgen erlebter partnerschaftlicher Gewalt (absolute Zahlen). Mehrfachantworten waren möglich

116 der 163 Teilnehmer (71,2 %) gaben an, wegen der erlebten Gewalt nicht die Polizei involviert zu haben. 47 Teilnehmer (28,8 %) waren zwar bei der Polizei, doch von diesen erstatteten 36 (76,6 %) keine Anzeige. 4 der 47 Teilnehmer (8,5 %) erstatteten zunächst Anzeige, zogen sie danach jedoch wieder zurück. Nur 7 der 47 Teilnehmer (14,9 %) erstatteten Anzeige und zogen sie nicht zurück. Die Gründe dafür, nicht die Polizei zu involvieren, keine Anzeige zu erstatten oder diese wieder zurückzuziehen, konnten in Freitextfelder eingetragen werden. Da die Antworten hinsichtlich ihres Umfangs und Inhalts sehr unterschiedlich ausfielen, konnten diese nicht systematisch analysiert werden. Häufig wurden jedoch die Sorge um den Schutz gemeinsamer Kinder sowie Furcht vor Unglaubwürdigkeit aufgrund bestehender Rollenbilder und Klischees genannt.

Auf die Frage, ob die Teilnehmer unabhängig von einer Involvierung der Polizei eine Beratungsstelle aufgesucht oder sich anderweitig Hilfe gesucht hätten, antworteten 103 Betroffene (63,2 %) mit „ja“; die meisten unter diesen gaben an, mit Freunden oder Vertrauten über ihre Erlebnisse gesprochen zu haben (76,7 %; Abb. 4). Eine Gewaltambulanz wurde nur in einem einzigen Fall konsultiert. Insgesamt 60 der Teilnehmer (36,8 %) gaben an, mit niemandem über ihre Erlebnisse gesprochen zu haben. Die hierfür am häufigsten angegebenen Gründe waren das Bedürfnis, allein mit der Situation zurechtkommen zu wollen (50 %), und Unsicherheit darüber, wer den Betroffenen hätte helfen können (46,7 %; Abb. 5).

Abb. 4
figure 4

Stellen/Kontakte, an welche Betroffene sich wegen der erlebten Gewalt wandten (absolute Zahlen). Mehrfachantworten waren möglich

Abb. 5
figure 5

Die am häufigsten angegebenen Gründe dafür, mit niemandem über die erlebte Gewalt gesprochen zu haben (absolute Zahlen). Mehrfachantworten waren möglich

Diskussion

Das Ziel dieser Studie bestand darin, Daten zu Erfahrungen von Männern zu erheben, die von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind oder waren. Der Fokus lag dabei auf Fragen nach früheren Gewalterlebnissen, den Arten und Schweregraden der erlebten Gewalt und der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten.

Häuser et al. [10] erhoben 2010 mithilfe des Childhood Trauma Questionnaire bei 2504 Befragten einer repräsentativen Zufallsstichprobe der deutschen Bevölkerung Daten zu erlebten Fällen von Kindesmisshandlung. Der Anteil der Befragten, die Misshandlung bzw. Missbrauch als Kind selbst erlebt hatten, betrug 68,2 %. Bei den Befragten, die von mindestens zwei Formen von Gewalt berichteten, zeigte sich eine starke Korrelation zwischen psychischem und körperlichem Missbrauch. Ein ähnliches Ergebnis zeigen die Daten der vorliegenden Studie, in welcher 82,8 % der Teilnehmer angaben, Gewalt als Kind erlebt zu haben, und sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Erleben von psychischer und körperlicher Gewalt in der Kindheit zeigte (Schule: φ = 0,415, p < 0,001; Eltern: φ = 0,511, p < 0,001). Der Studie von Häuser et al. [10] wurden zwar andere Definitionen von Gewalt zugrunde gelegt und ein anderes, größeres Teilnehmerkollektiv befragt, sodass ein direkter Vergleich mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie nur bedingt möglich ist; dennoch stehen die Daten der vorliegenden Studie mit denen von Häuser et al. im Einklang und belegen das oft gleichzeitige Vorkommen psychischer und körperlicher Gewalt gegen Kinder.

Wie die Studien von Afifi et al. [11] und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte [12] zeigten, besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Erleben von Gewalt als Kind und von partnerschaftlicher Gewalt im Erwachsenenalter. Da in der vorliegenden Studie ausschließlich Betroffene partnerschaftlicher Gewalt befragt wurden, konnte eine mögliche Korrelation nicht berechnet werden. Die als Kind erlebte Gewalt stellt neben den akuten Auswirkungen auch ein langfristiges Risiko dar. Das verdeutlicht die dringende Notwendigkeit, Kinder vor Gewalt zu schützen.

Die häufigsten von den Teilnehmern berichteten Arten von Gewalt waren psychische Gewalt (90,1 %), körperliche Gewalt von mindestens einem Schweregrad (76,7 %), finanzielle Gewalt (33,1 %) und sexuelle Gewalt (19 %). Die Daten einer Befragung von psychiatrisch behandelten Patienten in England [13] zeigen eine ähnliche Verteilung der Arten erlebter Gewalt: 42,9 % der 170 in die Untersuchung eingeschlossenen männlichen Patienten gaben an, im Rahmen häuslicher Gewalt auch emotionale Gewalt erlebt zu haben, 31,8 % berichteten von körperlicher Gewalt und 4,1 % von sexueller Gewalt, wobei jedoch nicht zwischen Fällen partnerschaftlicher Gewalt und Gewalt durch ein anderes Familienmitglied unterschieden wurde. Ein direkter Vergleich mit den Daten dieser Studie ist daher nur bedingt möglich.

In der vorliegenden Studie gaben 93 % der Befragten an, körperliche Gewalt des Schweregrades I erlebt zu haben, 18,7 % berichteten von körperlicher Gewalt des Schweregrades II und 4,7 % von Schweregrad III. Savall et al. [6] publizierten 2016 Daten von 712 männlichen und 865 weiblichen Patienten, die sich in einem Zeitraum von 10 Jahren wegen partnerschaftlicher Gewalt am Institut für Rechtsmedizin Toulouse vorgestellt hatten. 86 % der männlichen Patienten hatten Kratzer, „Prellungen“ und Hämatome (dies entspräche in der vorliegenden Studie Schweregrad I); 16,3 % der 712 Patienten erlitten Wunden (Schweregrad II), und 2,4 % hatten Frakturen (Schweregrad III). Auch wenn die Gewalt in dieser Arbeit anders kategorisiert wurde und die untersuchte Population eine andere war, zeigen beide Studien eine ähnliche Abnahme der Häufigkeit mit zunehmender Schwere der Verletzungen.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass partnerschaftliche Gewalt v. a. Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann: Die Befragten gaben als Folgen besonders häufig Einsamkeit (60,7 %), Schlafstörungen (51,5 %) und Depressionen (48,5 %) an. Auch die Studie von Afifi et al. [11], die Auswirkungen partnerschaftlicher Gewalt auf die mentale Gesundheit betroffener Männer untersuchte, zeigte, dass partnerschaftliche Gewalt bei Männern mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von psychiatrischen Komorbiditäten verbunden war. Studien, welche die Auswirkungen partnerschaftlicher Gewalt gegen Männer auf sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit untersuchen, liegen nicht vor.

Die vorliegende Studie ergab zudem, dass sich Betroffene, die über die erlebte Gewalt sprachen (n = 103), v. a. an Freund*innen oder Vertraute (48,5 %) oder an Psycholog*innen (53,4 %) wandten. Dies wurde auch in einer Studie von Machado et al. [14] aus 2016 beobachtet. In dieser wurden 1557 Männer in einer Online-Fragebogenstudie zu Erfahrungen mit partnerschaftlicher Gewalt befragt. Von den 89 Männern, die Gewalt erfahren hatten, wurde vorwiegend Unterstützung durch Freunde (71,4 %) und die Familie (66,7 %) in Anspruch genommen, aber auch Personen der Gesundheitsberufe („health professionals“) wurden häufig genannt (57,1 %). Ob es sich dabei um Psychologen oder Experten anderer Disziplinen handelte, bleibt unklar, da diese Gruppe in der Publikation nicht weiter definiert wurde [14].

Die am häufigsten genannten Gründe dafür, mit niemandem über die erlebte Gewalt zu sprechen, waren das Bedürfnis, allein mit der Situation zurechtkommen zu wollen (50 %), Unsicherheit über mögliche Ansprechpartner (46,7 %), Scham (40 %) und Angst vor Unglaubwürdigkeit (40 %). Möglicherweise lag somit die zurückhaltende Inanspruchnahme von Hilfsangeboten auch in einem zu gering ausgeprägten Bekanntheitsgrad möglicher Anlaufstellen, wie etwa des Hilfetelefons „Gewalt gegen Männer“, des Weißen Rings oder der lokalen Männerberatungsstellen, begründet. Zwar existieren keine Studien, welche die Gründe für ein Schweigen systematisch erfassen, doch werden insbesondere Scham und Angst vor Unglaubwürdigkeit in Fallberichten und Übersichtsarbeiten zur Problematik von partnerschaftlicher Gewalt gegen Männer häufig als Grund für eine zurückhaltende Inanspruchnahme von Hilfe aufgeführt [3, 4, 7].

Während psychische Gewalt (zunächst) keine körperlich sichtbaren Spuren hinterlässt und daher nur schwer nachweisbar ist, haben gesetzlich versicherte Betroffene körperlicher oder sexueller Gewalt entsprechend dem erst 2020 in Kraft getretenen SGB V § 27 Abs. 1 das Recht auf eine sog. vertrauliche („verfahrensunabhängige“) Spurensicherung am Körper. Eine flächendeckende Versorgung mit entsprechenden, rechtsmedizinisch qualifizierten Einrichtungen wie den an manchen Orten etablierten Gewaltambulanzen ist in Deutschland noch nicht vorhanden, sodass viele Betroffene keinen Zugang zu einem solchen Angebot haben. In der vorliegenden Studie gab nur ein einziger Teilnehmer an, wegen der erlebten Gewalt eine Gewaltambulanz aufgesucht zu haben. Aus welchen Gründen eine Kontaktaufnahme zu einer Gewaltambulanz oder anderen Hilfsangeboten nicht stattgefunden hat, wurde in der vorliegenden Studie nicht explizit abgefragt. Durch den Ausbau eines flächendeckenden Versorgungsangebotes zur verfahrensunabhängigen Spurensicherung könnte das Dunkelfeld weiter erhellt und ein niederschwelliges Angebot für Betroffene geschaffen werden, über das letztlich auch ein Zugang zu weiteren Hilfsangeboten erleichtert wird.

Die wesentlichsten Limitationen der vorliegenden Erhebung waren die eher geringe Zahl an auswertbaren Fragebogen, der mit Fragebogenstudien einhergehende Interpretationsspielraum und die fehlende Möglichkeit, die Angaben zu überprüfen.

Schlussfolgerung

  • Viele Betroffene erlebten bereits als Kind Gewalt. Es zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Erleben von Gewalt durch die Eltern und in der Schule, aber auch zwischen dem Erleben von psychischer und körperlicher Gewalt.

  • Die von Betroffenen am häufigsten berichtete Art partnerschaftlicher Gewalt war psychische Gewalt.

  • Die am häufigsten genannten Gründe, keine Hilfe in Anspruch zu nehmen, waren das Bedürfnis, allein mit der Situation zurechtkommen zu wollen, und Unsicherheit über geeignete Ansprechpartner.

  • Ein Ausbau der bestehenden Hilfestrukturen sowie eine bessere Datenlage wären zur genaueren Erfassung des Problems und zur Verbesserung der Situation Betroffener sinnvoll.