Einleitung

Die hier vorliegende postmortale Analyse einer tödlichen Komplikation bei der Verschraubung einer Densfraktur vom Typ II nach Anderson und D’Alonzo [2] soll in zwei Teilschritten erfolgen. Im ersten Teil wird die technische Handhabung der Operation betrachtet. Darauf aufbauend wird in einem biomechanischen Ansatz der Frage nachgegangen, wie es zu einer solchen Extremverletzung kommen konnte. Im Vordergrund steht dabei die Betrachtung der knöchernen Festigkeit des Widerlagers für die eingesetzte Schraube. Entsprechend wird auf Details der Morphologie des Axis, auf die Knochenqualität [8, 25, 27] von Spongiosa und Kompakta in Dens und Corpus axis, eingegangen, und zwar in Anknüpfung an einschlägige anatomische und radiologische Untersuchungen [1, 9, 11, 13, 14, 16, 18, 20, 23, 24]. Unter Berücksichtigung des Vektors der Krafteinleitung kann damit die vorliegende Kasuistik im Rahmen der klinischen Rechtsmedizin auch einen Beitrag zur Indikationsstellung für die operative Versorgung der Typ-II-Densfraktur liefern.

Kasuistik

Die zum Unfallzeitpunkt 72-jährige Frau stürzte nachts bei einem häuslichen Unfall aus dem Stand auf den Fußboden, schlug dabei mit der linken Scheitelbeinregion und der linken Schulter auf. Es handelte sich um ein gemischtes Hyperextensionsrotationstrauma. Direkt nach dem Sturz habe sie erbrochen, sei bei der Notfallaufnahme orientiert gewesen, hätte auch keine Erinnerungslücke gehabt. Die Computertomographie (CT) der Halswirbelsäule (HWS) habe eine Densfraktur vom „Typ II-III“ nach Anderson und D’Alonzo [2] ergeben, und zwar mit nicht ganz symmetrischem Ausbruch des Dens durch das Corpus axis zur rechten Seite in den Querfortsatz, wobei der Apex dentis um ca. 2 mm von der Mittelinie abwich.

Bei fehlender neurologischer Symptomatik der Densfraktur erfolgte zunächst über 3 Tage eine konservative Versorgung (Orthese). Obwohl der Zustand der Patientin stabil blieb, sahen die behandelnden Ärzte eine Indikation zur vorderen Densverschraubung.

Nach entsprechender Lagerung wählten sie, 2 Fachärzte (der eine für Chirurgie und Neurochirurgie, der andere für Chirurgie), einen rechts-vorderen Zugang zur HWS. Eingedreht wurde entgegen der geplanten Versorgung mit 2 Schrauben nur eine. Dazu sei unter Bildwandlerkontrolle die Grundplatte des 2. Halswirbelkörpers aufgesucht und unter Röntgenkontrolle a.-p. und seitlich ein Zieldraht in der Dens-Spitze platziert worden. Operationsbericht: „Nach endgültiger Positionierung vorsichtiges Überbohren des Zieldrahtes und Längenmessung, Eindrehen einer 40er-Densschraube, die unter BV-Kontrolle in beiden Ebenen gut zum Liegen kommt“. Bei einer vorsichtigen Bewegungskontrolle hätten sich Dens und Corpus axis „in typischer Weise“ bewegt. Hinweise darauf, dass evtl. die Lage der Schraube hätte revidiert werden müssen, finden sich im Operationsbericht nicht.

Weil die Patientin nicht aus der Narkose aufwachte, wurde eine Notfall-CT durchgeführt. Dabei wurden eine traumatische Subduralblutung basal in der hinteren Schädelgrube sowie eine Subarachnoidalblutung im zervikalen Spinalkanal mit einem Punctum maximum im Bereich des Dens gefunden. Neurologisch fand sich zunächst das Bild eines wohl nur inkompletten hohen Querschnitts. Weder bei einer primär durchgeführten CT-Angiographie der Halsgefäße noch bei einer weiteren, die unter dem Aspekt einer etwaigen Schraubenkorrektur veranlasst wurde, fanden sich aktuelle Gefäßverletzungen, „insbesondere nicht der Aa. vertebrales bzw. Aa. cerebelli posteriores inferiores“. Bei einer darauf folgenden Nachuntersuchung wurde radiologisch der Hinweis gegeben: „Die eingebrachte HWK2-Schraube ragt ca. 1,5 cm in den Spinalkanal hinein, das kraniale Fragment ist von der Schraube nicht sicher erfasst“.

Im weiteren Verlauf kam es zunehmend zum Versagen der Stammhirnfunktion.

Sieben Tage post operationem wurde durch zwei getrennte Untersucher der Tod (Hirntoddiagnostik) infolge unterer Hirnstammschädigung festgestellt.

Material und Methode

Gutachterliche Tätigkeit

Basierend auf den Ergebnissen der im Auftrag des Gerichts durchgeführten Obduktion erteilte die Staatsanwaltschaft (StA) den Auftrag, gutachtlich zur Todesursache unter dem Aspekt eines möglichen ärztlichen Fehlverhaltens Stellung zu nehmen. Entsprechend wurden nach rechtsmedizinischen Kriterien im Auftrag der StA [10] die für die weitergehenden Untersuchungen erforderlichen Proben asserviert. Das schloss auch die HWS mit hinterer Schädelbasis zur Präparation und das Gehirn für eine neuropathologische Untersuchung ein. Histologische und toxikologische Untersuchungen wurden beauftragt und durchgeführt. Weiterhin konnte auf die beschlagnahmten Krankenunterlagen mit den enthaltenen radiologischen Befunden (2 CD-ROM) zurückgegriffen werden. Abschließend wurde im rechtsmedizinischen Gutachten angeregt, eine neuropathologisches sowie ein fachchirurgisches Zusatzgutachten einzuholen.

Das Strafverfahren wurde von der StA eingestellt, nachdem im neuropathologischen Gutachten der Behandlungsfehler als nichttodesursächlich angesehen worden war. Allerdings wurde in diesem Gutachten nicht auf die Totalnekrose der kaudalen Medulla eingegangen, was in einer zusätzlichen rechtsmedizinischen Stellungnahme auch angesprochen wurde. Damit entfiel auch die Erstattung eines weiterführenden klinischen Gutachtens.

Untersuchungstechnik der HWS

Eine sonst selbstverständliche forensisch-radiologische Darstellung erfolgte nicht, weil die zur Gutachtenerstattung überreichten klinischen prä- und postoperativen CT, einschließlich der Angiographie, aussagekräftig waren. Grundsätzlich kamen für die beauftragte Präparation der (formalinfixierten) HWS mit hinterer Schädelbasis bei der vorliegenden Fragestellung 4 verschiedene Techniken in Betracht. So wäre die Darstellung einer Densfraktur durch einen sagittalen Sägeschnitt mit anschließender Schrägschnittführung von der Vorderunterkante des Corpus axis über den Apex dentis in die Kopfgelenke zwar der operativen Schraubenführung gerecht geworden, als Nachteil wurden jedoch die Möglichkeit einer Verschiebung der Schraube sowie ein unvermeidbarer Substanzverlust um Sägeblattbreite in Medulla und Spinalmark angesehen und deshalb auf diese etablierte Technik [22] verzichtet.

Die Kunststoffeinbettung (Biodur®, BIODUR Products GmbH, Heidelberg, Deutschland) mit Sägeschnitten auch durch die Schraube selber hätte die besten Ergebnisse gebracht [25]. Diese Technik stand nicht mehr zur Verfügung.

Als ungeeignet wurde auch die Kältefixation des Präparats zur Sicherung der Topografie der Fraktur mit Herausdrehen der Schraube vor dem Legen der Sägeschnitte aus dem gefrorenen Präparat angesehen, weil der Blick gerade der topografischen Beziehung von Schraubenspitze zu Medulla gelten sollte.

So wurde bei der Befundsicherung auf die Eröffnung der HWS von dorsal zurückgegriffen [28].

Ergebnisse der HWS-Präparation

Die schrittweise Eröffnung des Spinalkanals erfolgte zunächst unter Abtrennung der Wirbelbögen und des hinteren Atlasbogens (Abb. 1). Dabei wurden Dura spinalis und dorsaler Rand des Foramen occipitale magnum zunächst belassen: Es fand sich zervikal keine epidurale Blutung; in der hinteren Schädelgrube ein flaches, die Medulla nur gering verdrängendes subdurales Hämatom.

Abb. 1
figure 1

Spinalkanal dorsal bis an den Rand des Foramen occipitale magnum eröffnet (Pfeil), keine epidurale Blutung, Totalnekrose der kaudalen Medulla, flaches subdurales Hämatom in der hinteren Schädelgrube

Nach kompletter Darstellung des Rückenmarks von dorsal (Abb. 2a) stellte sich eine Totalnekrose der kaudalen Anteile der Medulla dar. Die Detailaufnahme (Abb. 2b) zeigt diesen vollständig nekrotisch aufgelösten Abschnitt der Medulla nach leichter Verschiebung mit dem Maßstab in seinem direkten Bezug zur eingedrehten Schraube. Dabei ragt die Schraubenspitze mit 6 Umdrehungen auf 1 cm Länge in den Spinalkanal.

Abb. 2
figure 2

a Zarte diffuse Subarachnoidalblutung. Untere Grenze der Medullanekrose in Höhe des Unterrands vom Foramen occipitale magnum, b Detailaufnahme der Totalnekrose nach leichter Verschiebung durch den Messstab. Schraubenspitze ragt auf 1 cm Länge in den Spinalkanal

In einem weiteren Schritt wird ein der topografischen Lage der Schraube angepasster sagittaler Sägeschnitt durch die ventralen Anteile der Halswirbelsäule und den Clivus gelegt (Abb. 3, linke Seite mit Schraube; Abb. 4, rechte Seite).

Abb. 3
figure 3

Sagittalschnitt, linke Seite. Fragliche Gewindeabformungen der Schraube, beginnend an der Deckplatte 3. HWK. Extremverlagerung der Densschraube bis tief in den Spinalkanal, Verlauf im Frakturspalt. Umfangreiche knöcherne Revision im Corpus axis

Abb. 4
figure 4

Sagittalschnitt, rechte Seite. Umfangreiche Mikrofrakturen der Spongiosa um den Frakturspalt mit vorderem Stückbruch der Kompakta. Hochgradige Arthrose der Articulatio atlantoaxialis mediana

Degenerative Veränderungen:

Sie betreffen die Articulatio atlantoaxialis mediana mit teilweise fast obliteriertem Gelenkspalt, dabei kräftigen Osteophyten am Oberrand der Fovea, die mit einem Denssporn artikulieren, und geringerem knöchernen Anbau am Unterrand der Fovea. Sehr schmale Grundplatte des Axis, nur mäßige regressive Veränderungen der Bandscheibe C2/3.

Densfraktur:

Schrägbruch (Abb. 3 und 4) dorsal von der Höhe des Dens-Corpus-Übergangs nach ventrokaudal in das Corpus verlaufend. Rechts paramedial ein in den Frakturspalt einlaufender Kompakta-Spongiosa-Ausriss, der kaudal bis an das untere Drittel des Corpus axis heranreicht. Links paramedial sind in der gesamten vorderen kaudalen Hälfte des Corpus axis Kompakta und Spongiosa bis um die Schraube operativ entfernt worden (Abb. 3).

Die dadurch entstandene Wundhöhle ist mit zerfallenem Fibrinmaterial, wenigen feinen Spongiosabruchstücken und reichlich Blutungsresten gefüllt. Sie wird von einem leicht zerfallenen Fibrinstreifen abgedeckt. Fragliche Gewindespuren von der Schraube finden sich ventral an der Deckplatte des 3. Halswirbelkörpers (HWK), fortgesetzt im Anulus fibrosus der Bandscheibe C2/3 und in der nach kaudal etwa bis zur Mitte abgeknickten Grundplatte C2.

Verlauf der Schraube:

Zunächst verläuft sie von links paramedial im spitzen Winkel nach links außen, steigt sodann etwa im Winkel von 45° von ventrokaudal nach dorsokranial an. Sie ist zwar fest eingedreht, dennoch dürfte der Schraubenkopf kein Widerlager in der lockeren Spongiosa, wie sie im kraniodorsalen Winkel des nach der Revisionsoperation sekundär gewebefreien Raums des Corpus axis vorliegt, gefunden haben. Der Schraubenkopf ist tief bis an den Frakturspalt eingedreht worden (Abb. 3), wobei der untere Teil des Schaftanteils der Schraube weitgehend im Frakturspalt selber liegt. Der obere Teil des Schraubenschaftes liegt fest der Rückseite des Densfragments an, wobei das Lig. transversum atlantis durchschraubt worden ist. Mit ihrer Spitze ist die Schraube in Höhe des Clivusunterrandes mit 6 Umdrehungen in den Spinalkanal eingetreten.

Eine postmortale Verlagerung der Schraube kann nach dem klinischen Verlauf und durch den präparativen Befund ausgeschlossen werden.

Todesursache

Die direkte Fehlpositionierung der Densschraube in die Medulla war rechtsmedizinisch als unmittelbare Todesursache anzusehen.

Sturzfolgen selber erklären den Todeseintritt nicht, was zumal für das klinisch als bedeutsam angenommene umschriebene flache subdurale Hämatom in der hinteren Schädelgrube gilt (Abb. 1).

Nach den Ergebnissen der gerichtlich durchgeführten Obduktion mit anschließender Histologie stellten die insgesamt nur altersgerechten mäßiggradigen chronischen und akuten Organerkrankungen gleichfalls keine konkurrierende Todesursache dar.

Diskussion – funktionelle Frakturanalyse

Widerlager:

Fehlpositionen einer Schraube sind nach vorderer Schraubenosteosynthese einer Typ-II-Densfraktur [2] bekannt [4, 17]; bei geriatrischen Patienten sind sie nicht ganz selten [19]. Weil dabei jedoch die Schraube zumeist durch die Kompakta des Apex dentis gedreht wird, verlaufen sie weitgehend symptomfrei. In großen Zusammenstellungen wird das Durchschrauben der Kompakta nicht als technischer Fehler angesehen. Im konkreten Fall lag eine Fehlposition mit Todesfolge vor. Von den Operateuren wurde die Densfraktur als „Typ II-III“ nach Anderson und D’Alonzo [2] klassifiziert. Gemeint sein könnte damit eine Typ-IIA-Fraktur nach Hadley et al. (1988) [7] mit Bruchstücken an der Basis des Densfragments. Unerwähnt blieb im Operationsbericht eine umfangreiche operative Revision unter Abtragung fast der gesamten linken Vorderhälfte des Corpus axis von Kompakta und Spongiosa (Abb. 3). Das dürfte im Verlauf der Operation zum Hauptbefund geworden sein. Die Länge der Schraube wurde nach der Distanz „vordere Unterkante des Corpus axis – Apex dentis“ bestimmt. Aus dieser technischen Angabe kann geschlossen werden, dass mit einer zunächst korrekt gewählten Schraube gearbeitet wurde, die jedoch nach erfolgter knöcherner Revision relativ zu lang geworden war. In seiner Endposition, nämlich im oberen/inneren Bereich der revidierten Wundhöhle (Abb. 3), hatte dann der Schraubenkopf in der Spongiosa praktisch kein knöchernes Widerlager mehr. Festigkeit fand sich für die Schraube erst im straffen Bindegewebe des Lig. cruciforme atlantis. Auch im Bohrkanal selber fehlte für die Schraube der knöcherne Halt, denn sie wurde nicht regulär durch den Frakturspalt gedreht, sondern weitgehend in ihn selber gelegt; fortgesetzt lag sie nicht, wie es hätte sein müssen, im Densfragment, sondern diesem dorsal an und war dann kranial durch das Lig. transversum atlantis bis in die Medulla eingeschraubt worden.

Die knöcherne Dichteverteilung im Axis:

Die knöcherne Dichteverteilung des Axis muss als eine komplexe Ausformung genetischer, funktioneller und degenerativer Determinanten verstanden werden. Topografische Unterschiede in der Ossifikation von Apex, Schaft des Dens und Corpus axis sind klinisch geläufig und werden bei der Indikationsstellung zur Frakturversorgung berücksichtigt. Durch neuere Untersuchungen auf der Ebene des µ‑CT [14] konnte die räumliche Vorstellung von der Verteilung der Spongiosa deutlich erweitert werden (Dreistufenmodell).

Physiologisch finden die Exkursionen in den Atlantoaxialgelenken sowohl unter Flexion und Extension in der Sagittalebene als auch unter Rotation in der Horizontalebene statt. An diese funktionelle Beanspruchung ist der Dens angepasst, und zwar durch entsprechende Dimensionierung von Spongiosa und Kompakta.

Sowohl bei der physiologischen als auch bei der die Grenzen des Physiologischen überschreitenden rotatorischen Beanspruchung kommt den Ligg. alaria eine bestimmende Rolle zu. Weil deren Insertionsfelder jeweils lateral im Apex dentis liegen, ist dort die Dichte der Spongiosa in der Frontalebene erhöht, jedoch in Form und Umfang als Funktion der Größe dieser Insertionsfelder variabel [6, 26]. In der Sagittalebene gilt es, ein Spongiosabündel zu betrachten, das zwischen der Articulatio atlantoaxialis med. und dem Lig. transversum atlantis verläuft und dann dorsokaudal in die Kompakta des Corpus axis eingeht [11,12,13, 24]. Dieses Spongiosabündel ist beim lordotisch geneigten Dens kräftig, beim kyphotisch konfigurierten Dens hingegen nur zart dimensioniert. Die Termini lordotisch mit einer Dorsalneigung des Dens axis und kyphotisch mit einer Ventralneigung werden in Anlehnung an Krmptotić-Nemanić und Keros 1973 [15] gewählt.

Im konkreten Fall war der Dens lordotisch geneigt und das Spongiosabündel bereits makroskopisch zu erkennen (Abb. 3). Deshalb kann man von einem festen Dens axis sprechen, was zumal in Relation zum Corpus axis von traumatologischer Bedeutung ist.

Spannungsmaxima und Frakturmuster:

Der gesamte Dens axis ist funktionell auf Biegung und Rotation angepasst, das Corpus axis ist es dagegen auf Kompression. Für die Konstellation hoher rotatorischer Zugbeanspruchung des Dens über den Atlasring und die Ligg. alaria stellt der Grenzbereich dieser somit funktionell unterschiedlich ausrichteten Spongiosa von Dens und Corpus axis einen Locus minoris resistentiae dar.

Mathematische Analysen zur Spannungsverteilung im Axis ergaben über eine Generierung dreidimensionaler Modelle mit finiten Elementen [20] für den Dens-Corpus-Übergang unter axialer rotatorischer Krafteinleitung und unter der Lateralbiegung hohe Spannungswerte, geringere bei der Biegung in der Sagittalebene.

In Bezug auf die Praxis heißt das, dass Spannungsmaxima und vulnerable Spongiosaarchitektur in einem breiten Umfang zusammenfallen können. Auf den vorliegenden Fall der 72-jährigen Frau traf das ebenfalls zu (rotatorisches Hyperextensionstrauma). Von erheblicher funktioneller Bedeutung sind weiterhin Arthrosen der Articulatio atlantoaxialis mediana. Weil sich bei deren Vorliegen im Vergleich zum Normalbefund unter rotatorischer Beschleunigung das Drehmoment im Dens-Corpus-Übergang erhöht, steigt, statistisch gesichert, die Frakturinzidenz bei deren Vorliegen an [3, 16]. Ausgeprägte degenerative Veränderungen lagen bei der 72 Jahre alt gewordenen Patientin in der Fovea vor (Abb. 3 und 4). Für die Beanspruchung einer Schraube nach erfolgter Osteosynthese gilt es in gleicher Weise, was somit den Blick auf das Widerlager lenkt, also auf die für den konkreten Fall biomechanisch zentrale Frage.

Unter traumarelevanter rotatorischer Belastung sind theoretisch zwei unterschiedliche Frakturformen zu erwarten, nämlich eine Spiralfraktur des Dens in seinem mittleren bis unteren Bereich oder ein basaler Ausriss des Dens axis aus dem Corpus. Spiralfrakturen des Dens sind nicht geläufig. Dagegen ist der zweite in Betracht kommende Frakturtyp, nämlich der asymmetrische Frakturverlauf in der Horizontalebene, ein häufiger Befund.

Asymmetrisch heißt dabei, dass es sich um einen horizontal verlaufenden rotatorischen Spongiosaausriss, der sich bis in einen der beiden Querfortsätze erstreckt, handelt. Im Vergleich mit einer Densfraktur in der Sagittalebene, bei der es wesentlich auf die Dimensionierung der Kompakta ankommt, ist bei einem Rotationstrauma ein relativ breites Feld von Mikrofrakturen in der Spongiosa um den Densausriss zu erwarten.

Die vorgestellte Kasuistik mit einem Frakturverlauf in den rechten Wirbelbogen und ausgedehnten Spongiosafrakturen ist ein Beispiel für eine solche rotatorische Ausrissfraktur (Abb. 4). So war auf der rechten Seite ventral von der Frakturhöhe bis zum unteren Drittel des Corpus axis ein großes Fragment aus der Kompakta mit angrenzender Spongiosa herausgebrochen. In welchem Umfang die Spongiosa jedoch auf der linken Seite, der Zugseite, verletzt gewesen ist, ließ sich am HWS-Präparat nicht mehr erkennen, allerdings schon, dass dafür die Mittellinie (Sägeschnitt) keine Grenze war. Gestützt auf den Frakturtyp eines „asymmetrischen Densausrisses“, konkret in das rechte Wirbelbogengelenk einlaufend, ist von einem umfangreichen, linksbetonten Mikrotrauma der Spongiosa auszugehen, insofern von einer geminderten Knochenqualität, von einem instabilen Widerlager.

Damit lässt sich zusammenfassend sagen, dass methodisch eine forensisch-funktionelle Analyse die Möglichkeit bietet, den klinisch unscharfen Begriff der „Knochenqualität“ zu schärfen. Bezogen auf die Qualität des Widerlagers für eine ventrale Densverschraubung ergab sich im vorliegenden Fall aus den beiden Parametern Knochenqualität und Richtung der Krafteinleitung, dass bei dieser 72-jährigen Patientin ein hohes Risiko für eine operative Stabilisierung der Fraktur bestanden hat. Somit hätte es für die Versorgung der Densfraktur eigentlich heißen müssen „noli me tangere“, klinisch übersetzt „do not further harm“. Diese Aussage kann allein auf die postmortale Diagnostik gestützt werden. Somit war gutachtlich ein Behandlungsfehler zu bejahen und erfolgte gemäß rechtsmedizinischer Praxis [5, 21] auch eine Empfehlung an die StA, ein ergänzendes neuropathologisches und ein klinisches Gutachten einzuholen.

Dem lag auch die Vorstellung zugrunde, dass die hier vorgestellte forensisch-biomechanische Analyse zur Knochenqualität dem klinischen Gutachter eine Basis für die Stellungnahme hätte bieten können, also ob mit dem Aufbau eines Widerlagers für die Densschraube (Platte, Scheibe, Zement) Stabilität hätte erreicht werden können, der Behandlungsfehler somit vermeidbar gewesen wäre.

Fazit für die Praxis

Für die forensische Beurteilung einer tödlichen Schraubenimprimierung bei der operativen Versorgung einer Typ-II-Fraktur des Axis wird der Blick auf die Festigkeit des Widerlagers für die Schraube, also auf die Knochenqualität, gerichtet. Obwohl deren Beurteilung im klinischen Alltag geläufig ist, beruht sie doch weitgehend auf Expertenwissen, haftet ihr auch Subjektives an. Die postmortale Diagnostik erlaubt dafür eine weitergehende Konkretisierung. Dafür bietet sich die Spongiosadiagnostik an. So erwiesen sich als bestimmende Kriterien für die Beurteilung der Knochenqualität Umfang und Topografie der Mikrofrakturen in der Spongiosa.