Hintergrund

In der rechtsmedizinischen Praxis bilden Schädigungen durch thermische Gewalt einen regelmäßigen Gegenstand der Begutachtung. Thermische Verletzungen können durch akzidentelle oder nichtakzidentelle Ereignisse herbeigeführt werden und sowohl durch direkte, kontaktbedingte (z. B. Flammenexposition, Verbrühung und Kontaktverbrennung) als auch durch indirekte thermische Einwirkungen (z. B. Strahlungshitze und Kälteeinwirkung) verursacht werden. Direkte, durch offene Flammen verursachte thermische Schädigungen stellen bei Erwachsenen und Jugendlichen die Hauptursache von Verbrennungen dar, wohingegen im Kindesalter in der überwiegenden Zahl der Fälle Verbrühungen die Ursache bilden [15, 16]. Beabsichtigte und bewusste Schädigungen durch offene Flammenexpositionen und die selbst- oder fremdherbeigeführte Inbrandsetzung des Körpers bilden zumindest in Deutschland relativ seltene Vorkommnisse. Selbst- oder fremdherbeigeführte Inbrandsetzungen des Körpers umfassen neben suizidalen Selbstverbrennungen auch (versuchte) Tötungsdelikte. Darüber hinaus finden sich bewusste Selbstverbrennungen beispielsweise im Zuge politischer Proteste sowie im Kontext psychischer Erkrankungen [8, 18, 19, 21, 23, 24]. Die Inzidenz bewusst herbeigeführter Schädigungen und Tötungen durch thermische Einflüsse schwankt weltweit zwischen knapp 2 und 21 % und liegt in Deutschland bei den klinisch dokumentierten Brandverletzten bei etwas mehr als 3 % [6, 11, 14, 21, 26]. Die Inzidenzunterschiede beruhen u. a. auf geografischen, ethnischen, altersabhängigen und sozioökonomischen Einflüssen. Darüber hinaus findet sich der Begriff der thermischen Gewalt nicht einheitlich definiert, sodass sich beispielsweise auch Viktimisierungen durch Chemikalien unter den thermischen Schädigungen und Tötungen subsumiert finden [11, 26].

Folgt man Presseberichten in Deutschland, so lassen sich hinter den Viktimisierungen durch Inbrandsetzung betrunkene Täter, Gruppendelikte und/oder menschenverachtende Grundgesinnungen neben psychischen Erkrankungen der Täter ableiten. Zudem scheinen (schlafende) Obdachlose ein besonderes Opferkollektiv zu sein [4].

In Hamburg wurden die Haare eines schlafenden, obdachlosen, 52-jährigen Mannes durch eine weitere Person mittels Feuerzeug in Brand gesetzt. Eine Zeugin beobachtete die Situation und löschte geistesgegenwärtig die Flammen. Die Täterperson sei geflüchtet. Die betroffene Person wurde durch den alarmierten Rettungsdienst in ein Krankenaus verbracht, behandelt und konnte nur leicht verletzt mit lediglich angesengten Haaren sowie auf die Kopfhaut lokalisierten Verbrennungen I. Grades kurze Zeit später entlassen werden [4]. Für die Ermittlungsbehörden ist in vergleichbaren Fällen insbesondere im Hinblick auf die weiteren zu ergreifenden Ermittlungen und die korrekte Eingruppierung als Delikt die Frage nach der Relevanz und Wirklichkeit der (konkreten und/oder abstrakten) Gefahr bedeutsam, die von solch einer Tathandlung, also dem Anzünden des Kopfhaars, ausgeht.

Gleichwohl das Verständnis über die von Feuer ausgehende Gefahr bekannt ist, sieht sich die Rechtsmedizin in foro häufig damit konfrontiert, die Gefährlichkeit eines Handelns vor dem Hintergrund theoretischer Tathergangsvarianten zu bewerten und anhand potenzieller Folgen zu objektivieren. Zur Objektivierung des (subjektiv) Vorstellbaren bzw. Denkbaren im Rahmen von Einlassungen oder Zeugenwahrnehmungen bedarf es regelmäßig experimenteller Untersuchungen, die für das bewusste Inbrandsetzen von menschlichem Kopfhaar in der forensischen Literatur bisher fehlten.

Material und Methoden

Material.

Zur experimentellen Untersuchung wurde menschliches Kopfhaar verwendet. Die Entnahme der Haarproben erfolgte kopfhautnah bei 10 Gewebespendern nach vorheriger Zustimmung durch die totensorgeberechtigten Angehörigen. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde ein einheitlicher Haartyp (glattes bis maximal leicht/vereinzelt gewelltes Haar) mit einer Haarprobenlänge zwischen 9 und 16 cm gewählt. Die entnommenen Haarproben wurden anschließend mittels eines Bindfadens zu Büscheln fixiert, einmalig shampooniert (mit reiner Kernseife, um etwaige Beeinflussungen durch Shampoozusätze auszuschließen) und 30 s unter fließendem und lauwarmem Wasser ausgewaschen (um Beeinflussungen durch unbekannte Rückstände auszuschließen), getrocknet und unter haptischen (Textur) und optischen (Struktur) Gesichtspunkten in mitteldickes/dickes (gut spürbar zwischen den Fingern, mitunter grob bis drahtig anfühlend, nähgarn- bis baumwollfadenartig) und dünnes (kaum zwischen den Fingern spürbar, sehr leicht und seidenfadenartig) Haar unterteilt. Eine weitere Differenzierung bezüglich der Haarfarbe (natürlicher Ton, gefärbtes und/oder getöntes Haar) und des Gesamthaarvolumens (dichtes/volles bzw. ausgelichtet/schütteres Haar) erfolgte nicht.

Das Gesamtvolumen wurde im Versuchsablauf durch eine dichte/kompakte zusammenliegende Fixierung in der Brandguthalterung einheitlich imitiert – auf eine locker zusammenliegende Fixierung in der Brandguthalterung zur Imitierung von ausgelichtetem/schütterem Haar wurde aufgrund der nur geringen Probenzahl zur besseren Vergleichbarkeit verzichtet. Nach der Waschung und Trocknung der Haarbüschel wurden diese zu gleichen Teilen geteilt (Teile A und B), sodass letztlich 20 Haarbüschelproben für die experimentellen Untersuchungen zur Verfügung standen.

Die jeweilige A‑Probe wurde unbehandelt belassen und die jeweilige B‑Probe mit unterschiedlichen handelsüblichen Haarstylingprodukten (markenunabhängige Auswahl weitverbreiteter Produkte, Tab. 1) behandelt und für 12 h getrocknet, um die Untersuchung durch schnell flüchtige Bestandteile in den Haarstylingprodukten nicht zu verfälschen. Eine der Haarproben (7A/B) zeigte sich nach der standardisierten Aufbereitung (Shampoonierung, Auswaschung und Trocknung) weiterhin fettig/talgig und glänzend (entsprechend einer fettigen Haarprobe). Die Proben 1A/B und 2A/B wurden als Feuchthaarproben 15 min vor der Versuchsdurchführung mittels einer Wassersprühfalsche angefeuchtet (eine Durchfeuchtung war bis zum Zeitpunkt der Versuchsdurchführung gegeben).

Tab. 1 Versuchsergebnisse (n = 20)

Weiterhin kamen lange Zündhölzer (um eine Verdeckung der Video- und Wärmebildaufzeichnung zu vermeiden), Textilgewebe (Viskose-Elastan-Mischgewebe [CV, EL], reines Polyestergewebe [PES] und reine Baumwolle [CO]) zur Nachahmung von Bekleidungsgegenständen, eine metallene Brandguthalterung sowie ein Kamera- und Wärmebildgerätstativ, ein Videoaufnahmegerät (Spiegelreflexkamera mit Videoaufnahmefunktion in Full HD, Nikon D3500 mit dem Objektiv AF‑S DX NIKKOR 18–140 mm 1:3,5–5,6 G ED VR; Minato, Japan) und ein Wärmebildmessgerät (Dräger UCF 9000; Lübeck) zum Einsatz.

Versuchsablauf.

Die unterschiedlich behandelten Haarproben wurden an einer Brandguthalterung (mit Skalenbandmaß in Zentimetern) mittels Metallklemme (ca. 20 cm über Standfußniveau) fixiert. Zusätzlich wurde eine Textilgewebeprobe unmittelbar neben der Haarbrennprobe (0–1 cm Abstand) und in Abhängigkeit von der Haarprobenlänge ca. 4–11 cm darunter zur Ermittlung eines möglichen Feuerübertritts (Imitierung eines beispielsweise getragenen Huts, Schals oder Kragenmantels) befestigt. Nach der Befestigung erfolgte die offene Flammenexposition des unteren Haarprobenendes unter Verwendung eines entfachten, langen Zündholzes (der Zündholzkopf wurde jeweils etwa in 1 cm Abstand zum Haarprobenende gebracht) unter gleichzeitiger Videoaufzeichnung und Wärmebildmessung. Anschließend erfolgte die Ermittlung der Entflammungszeit (durch den in der Wärmebildkamera integrierten Zeitzähler), der Flammenentwicklung, der Brenndauer und des Brennverhaltens (Tab. 1).

Ergebnisse

Mit Ausnahme der unbehandelten und behandelten Feuchthaarbrennproben (1A/B und 2A/B) kam es im Moment der Zündholzflammenexposition i. Allg. zu einer raschen Entzündung (wenige Sekunden) der Versuchshaare mit z. T. sofortiger starker Flammenentwicklung, schneller Brandausbreitung (Entflammung des gesamten Haarbüschels) und größtenteils nahezu vollständiger Verbrennung bzw. schneckenförmiger Zusammenrollung/hitzebedingter Kräuselung und tropfenförmigem, lotrechtem Abfallen der angekohlten oder verkohlten, noch brennenden oder glimmenden „Haarkräusel“ (Tab. 1, Abb. 1). In den z. T. dichter zusammengelagerten, zentralen Haarbüschelanteilen war eine teils unvollständige Verbrennung der Haare, mitunter mit zeitlich anhaltendem Glimmen, zu beobachten. Für die mit Haarstylingprodukten behandelten Haarbrennproben zeigten sich – mit Ausnahme der Feuchthaarbrennproben – in 7 von 8 Fällen die Entflammung und die Flammenentwicklung beschleunigt sowie die Brenndauer verlängert (im Mittel nahezu verdoppelt), wobei sich im Falle des getesteten Schaumfestigers Hinweise auf eine zwar intensivierte, aber kürzere Brennphase und im Falle des getesteten Haargels auf eine gesamthaft verminderte Entflammbarkeit mit intensivierter und verlängerter Brennphase im Falle der Entzündung ergaben.

Abb. 1
figure 1

Zeitlicher Ablauf der Entzündung eines mit Haarwachs präparierten Haarbüschels (Umgebungs‑/Kontaktmaterial 95 % Viskose und 5 % Elastan; obere Bildreihe) und Visualisierung der Hitzeabstrahlung mittels Wärmebildkamera (untere Bildreihe; graue Skalierung: Temperaturen unter 600 °C; Farbverlauf von hellgelb – orange – rot: ansteigende Temperaturen von 600–900 °C) des Falls 9B (Tab. 1): a Einzelne Haarsträhnen fangen bereits nach weniger als 1 s Feuer, b Abtropfen von brennenden Haarbestandteilen, c Stoff verformt sich in Richtung der Hitzeentwicklung und beginnt ebenfalls zu brennen, d in Brand geratene Textilfetzen fallen herab, und e sowohl oberer als auch abgefallener Stofflappen stehen in Flammen, Haar nur noch in Form verkohlter Reste vorliegend

In 2 von 8 Fällen konnte keine dauerhafte Entflammung der unbehandelten Haarbrennproben durch einen kurzen Flammenkontakt erzielt werden – gleiches galt für eine von 8 behandelten Haarbrennproben. In 6 von 16 Fällen – mit Ausnahme der Feuchthaarbrennproben – konnte ein Übertritt der Flammen auf die Textilgewebe mit Entzündung derselben detektiert werden. In diesen 6 Fällen mit Flammenübergriff befand sich das Textilgewebe unmittelbar neben der initialen Brandquelle (0 cm Abstand), wobei es sich bei der initialen Brandquelle in 5 Fällen um behandelte und in einem Fall um eine unbehandelte Haarbrennprobe handelte (ausbleibender Flammenübergriff mit Entzündung bei Textilgewebe-Brandquellen-Entfernung von 1 cm). Ein Brandquellen-Textilgewebe-Flammenübergriff in Abhängigkeit von der Textilart zeigte sich nicht.

Aufgrund der relativ geringen Fallzahlen in dieser Untersuchung wurde auf statistische Berechnungen bzw. erweiterte statistische Auswertungsverfahren verzichtet.

Die Tab. 1 stellt die Versuchsergebnisse im Detail dar. Jeweils eine Fallnummer entspricht einer Haarprobe einer Versuchsperson. Die entnommenen Haarproben wurden, wie oben beschrieben, bearbeitet und in 2 Unterproben geteilt (A unbehandelt; B mit Haarstylingprodukt behandelt). Es wurden folgende Haarstylingprodukte verwendet: Haarspray von Wella, Budni Haarwachs, Gard Haargel, L’Oreal Schaum. Bestandteile Textilgewebe (I) 95 % Viskose, 5 % Elastan, (II) 100 % reine Baumwolle, (III) 100 % reines Polyestergewebe.

Diskussion

Dass es sich bei der Inbrandsetzung einer (obdachlosen) Person und deren Habseligkeiten (z. B. Schlafplatz) keinesfalls um eine banale Schädigung, sondern um die Inkaufnahme einer potenziell lebensgefährlichen Verletzungsbeibringung handelt, scheinen viele der Täter in Kauf zu nehmen. In weiteren im Institut der Autoren begutachteten Fällen kam es u. a. zu einer Inbrandsetzung des Kopfhaares von Schülern der Oberstufe durch Klassenkammeraden. In den kriminalpolizeilichen Ermittlungsberichten war je eine durch die Täter als „scherzhaft“ gemeinte und unbedacht ausgeführte Handlung notiert.

Die Hypothese, dass die Inbrandsetzung einer Person bzw. die bewusste Flammenexposition des Kopfhaares keineswegs als banale Körperverletzung oder gar Dumme-Jungen-Streich gewertet werden kann, konnte in mehr als eindeutiger Weise durch die experimentelle Untersuchung belegt werden. Nach der Flammenexposition entzündete sich das menschliche Versuchshaar (mit Ausnahme der Feuchthaarproben) in der überwiegenden Zahl der Fälle binnen kürzester Zeit bzw. unmittelbar im Moment der Flammenexposition, mitunter einhergehend mit einem Inbrandgeraten von Textilgewebe in unmittelbarer räumlicher Nähe, was die Gefahr eines kompletten Personenbrandes birgt. Insbesondere bei längeren Haaren oder entsprechend weit kranial lokalisierten Bekleidungsgegenständen wie Kopfbedeckungen, Mund-Nasen-Schutz oder Schals kann durch Übertritt der Flammen von den entflammten Haaren auf die Bekleidung der geschädigten Person ein vollständiger Personenbrand mit großflächigen Verbrennungen mit potenziell lebensgefährlichen Verletzungen resultieren.

Fälle der bewussten Anzündung bzw. der Inbrandsetzung einer Person sind – unabhängig von der konkreten Art und Weise – in ihrer Wirkung als gefährlich und als durch den Täter nicht kontrollierbar einzustufen. In der Literatur und Presseberichten (beispielhaft [4, 7, 20]) finden sich überwiegend Berichte über die Anzündung von Personen durch Übergießen mit brandfördernden Flüssigkeiten mit kriminellem [2] oder selbstverletzendem Hintergrund (Selbstverbrennung) [19, 23, 24]. Fallberichte zur gezielten Entzündung des Kopfhaares mit Übergriff auf den restlichen Körper finden sich bis dato nicht publiziert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollten daher durch eine experimentelle Rekonstruktion konkrete Erkenntnisse über Entflammbarkeit, Dauer und Hitze der Einwirkung von durch Zündquellen entflammte Kopfhaare bekannt gemacht werden.

Das menschliche Haar ist aus Zellen der Haut, die verhornt sind, aufgebaut. Hierdurch ergeben sich u. a. die Eigenschaft der leichten bzw. normalen Entflammbarkeit und die Fähigkeit, Flüssigkeiten aufzunehmen. Letztere Eigenschaft kommt insbesondere dann zu tragen, wenn das Kopfhaar mit Haarpflege- und/oder Stylingprodukten behandelt wurde, die häufig (leicht-)entzündliche und auch hochentzündliche sowie brennbare Bestandteile enthalten und sohin als Brandkatalysatoren fungieren [1, 6, 25]. Im Ergebnis der jetzt vorliegenden Untersuchungen ist auch eine Brand‑/Brenndauerverlängerung zu erkennen.

Das Ausmaß (Brenndauer, Hitze- und Flammenentwicklung) des brennenden Kopfhaares ist überdies von der Haardichte und Haarlänge abhängig. Wird nun das Haupthaar in Brand gesetzt – hierzu reicht ein sekundenkurzer Kontakt mit beispielsweise einer offenen Flamme – so kommt es in binnen kürzester Zeit zu einer Entwicklung von sich z. T. rasch ausbreitenden Flammen mit Übertritt auf in unmittelbarer räumlicher Nähe getragene Bekleidung (Kopfbedeckung, Jackenkragen, zu Pandemiephasen ggf. Mund-Nasen-Schutz) oder verwendete Textilgegenstände (Kopfkissen, Schlafsack o. Ä.). In einzelnen Fällen zeigte sich zudem ein zeitlich anhaltendes Glimmen der zentralen Haarschichten, wodurch sich die Zeit der Hitzeeinwirkung (als Einfluss nehmende Größe auf den Verbrennungsgrad) verlängert. Besteht für das brennende Haupthaar Kontakt zu am Körper getragenen Textilien, so können sich diese – in Abhängigkeit von der textilindividuellen Entflammbarkeit – ebenfalls entzünden, wodurch die Gefahr eines kompletten Personenbrandes, welcher infolge großflächiger Verbrennungen häufig tödlich verläuft, besteht. Würde der Brand auf die Kopfhaut begrenzt bleiben, so können in der Folge der direkten Hitzeeinwirkung und in Abhängigkeit von der Einwirkungszeit schwere und stark schmerzhafte Verbrennungen mit konsekutiven Entzündungen und einem dauerhaften Haarverlust (Glatzenbildung) resultieren [22, 27]. Akzidentiell kommt es häufiger zum Inbrandgeraten von längerem Kopfhaar, z. B. durch Zigaretten bei alkoholisierten Personen, die dann auch zu teils entstellenden Verbrennungen der Gesichtshaut führen können, jedoch gemäß einer Beobachtung von Koljonen [14] auf das Gesicht lokalisiert blieben und damit keinen lebensbedrohlichen Zustand hervorgerufen haben. Des Weiteren gilt es anzuführen, dass der Kopf eines erwachsenen Menschen rund 9 % der Körperoberfläche ausmacht, wenn man auch das Gesicht miteinbezieht [10]. Sollten im Kopfbereich getragene Bekleidungsgegenstände (Mund-Nasen-Bedeckung, Schal, Mütze etc.) ebenfalls entflammen, sollte zudem an die Gefahr eines Inhalationstraumas als ggf. lebensgefährlicher Folgezustand bedacht werden. Retrospektive Auswertungen von suizidalen Selbstverbrennungen zeigen, dass Verletzte mit 75 % verbrannter Körperoberfläche ebenso wie Personen mit Verbrennungen an Kopf und Hals, am Rumpf, an den Genitalien sowie an den oberen und unteren Gliedmaßen ein erhöhtes Sterberisiko aufwiesen [3, 23]. Betrachtet man an dieser Stelle die detektierten Temperaturen der Versuchsreihe (Wärmebildfarben, Abb. 1), so wird ersichtlich, dass sich relativ schnell sehr hohe Temperaturen (von 600–900 °C) nach der Entzündung des Haupthaares entwickeln, sodass eine nur kurze Einwirkzeit bereits ausreicht, um stärker- bis hochgradige Verbrennungen (Verbrennungen III. oder IV. Grades) z. B. der Kopf- und Gesichtshaut hervorzurufen [12, 14]. Zu diskutieren und in weiteren experimentellen Versuchsreihen zu prüfen, wäre hierbei auch, eine durch nicht austrocknende Haarpflege/-stylingprodukte verursachte feuchte Hitzekomponente (Dämpfe), wodurch die Hitzeeinwirkungszeit zur Verursachung von schweren Gewebeschäden noch verkürzt wird [5, 9, 28].

Bei Verbrennungen III. oder IV. Grades (hitzebedingte Schädigung aller Hautschichten) von mehr als 10 % der Körperoberfläche (beispielsweise behaarte Kopfhaut mit angrenzenden Teilen der Hals‑/Schulterregion) besteht bereits die Gefahr für den Eintritt von schwerwiegenden Komplikationen wie beispielsweise der Verbrennungskrankheit, sodass – zumindest initial – die Überwachung und Behandlung auf einer Intensivstation zu fordern sind [13, 17, 28]. Die Verbrennungskrankheit ist durch eine Kombination mehrerer schwerer Funktionsstörungen der Organsysteme gekennzeichnet. Die Verbrennung der Haut führt u. a. zu Veränderungen der Thermoregulation, zu Störungen der Wasser- und Elektrolytverteilung und zu einem Verlust bzw. einer Minderung der natürlichen Abwehrmechanismen gegenüber bakteriellen Infektionen.

Eine weitere, die letztliche Verletzungsschwere hier maßgeblich determinierende Einflussgröße bildet die Fähigkeit des situativ adäquaten Handelns. Ist das Opfer beispielsweise aufgrund von körperlichen, geistigen und/oder intoxikationsbedingten Beeinträchtigungen zur Selbsthilfe bzw. Eigenrettung nicht oder nur eingeschränkt fähig (z. B. Ausziehen in Brand geratener Bekleidung, Ersticken der Flammen durch Wälzen am Boden oder durch Überwerfen einer Decke) und besteht kein Eingreifen einer Zeugenperson, so ist mit ungleich schwerwiegenderen Folgen für das Opfer in Form von thermischer Gewalt bis hin zum Tod zu rechnen.

Abschließend können konkrete Gefährdungspotenzialbewertungen einer Tathandlung nur ansatzweise schematisch gelingen, da sie in der Realität von zu vielen individuellen und fallspezifischen Faktoren abhängen. Dies gilt es in der Routinearbeit für die individuelle Fallbewertung zu berücksichtigen.

Limitationen

In der dargestellten Studie wurde eine nur relativ kleine Fallzahl (2-mal 10 Haarproben) untersucht, die zudem mit unterschiedlichen Haarstylingprodukten vorbehandelt worden sind. Auf die damit einhergehende Reduktion der Aussagekraft und Vorsicht bei verallgemeinernden Schlussfolgerungen soll hingewiesen und zugleich angeregt werden, dem relevanten Thema weitere Forschungsarbeiten zu widmen.

Fazit für die Praxis

  • Eine Inbrandsetzung von Kopfhaaren ist äußerst gefährlich und nicht kontrollierbar.

  • Menschliches Kopfhaar ist rasch entflammbar; die Anwendung von Haarstylingprodukten beschleunigt diesen Prozess.

  • Bei der Inbrandsetzung von Kopfhaaren können leichte Verletzungen der Kopfhaut und bei insbesondere längeren Haaren auch der Gesichtshaut (z. B. Verbrennungen I.–II. Grades) resultieren.

  • Bei Übergreifen auf textile Gegenstände, das Gesicht oder den Körper kann ein lebensgefährlicher Zustand mit u. a. Inhalationstrauma und großflächigen Verbrennungen drohen.

  • Die untersuchte Form der Viktimisierung muss als potenziell vital bedrohliche Tathandlung bewertet werden.