Zusammenfassung
Hintergrund
Es gibt keine größeren Vergleichsstudien zu der Anwendbarkeit etablierter klinisch-diagnostischer Computertomographie (CT)-Kriterien für „Coronavirus Disease 2019“ (COVID-19)-Infektionen auf die postmortale Computertomographie (PMCT).
Methodik
Es wurden 131 PMCT von COVID-19-Verstorbenen im Vergleich mit einer Kontrollgruppe von 39 PMCT „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“(SARS-CoV-2)-negativer, bekannt lungenkranker Verstorbener analysiert (morphologische Einzelkriterien, modifizierter Total Severity Score (mTSS), „Covid-19 Reporting and Data System“ (CO-RADS-Score).
Ergebnisse
Milchglastrübungen und Konsolidierungen v. a. in dorsalen Lungenabschnitten dominieren als unspezifische Merkmale das postmortale radiologische Bild. Die in der PMCT abgebildeten oft finalen Krankheitsstadien zeigen erwartungsgemäß hohe mTSS-Scores, weniger peripher orientierte Verteilungsmuster, mehr mediastinale Lymphadenopathien und Pleuraergüsse als klinisch beschriebene Stichproben. Die Spezifität der COVID-19-Diagnose ist in Übereinstimmung mit der Ante-mortem-Radiologie auch in der PMCT niedrig. Im Kontrollgruppenvergleich wurden ein CO-RADS Grad 5 und ein bilateral maximal saumartiger Pleuraerguss als diagnostisch wegweisend für eine COVID-19-Infektion in der PMCT identifiziert.
Diskussion
Postmortale Artefakte stellen eine Limitation der Spezifität der pulmonalen PMCT-Bildmorphologie dar. Ein fehlender relevanter Pleuraerguss stellt sich vor dem Hintergrund einer grundsätzlich postmortal bereits artifiziell möglichen Zunahme der Pleuraflüssigkeit als wertvolles Kriterium eines COVID-19-Befunds dar. In einem rechtsmedizinischen Kontext zeigt sich, dass die PMCT in einer pandemischen Situation mit Lungenmanifestationen als Screening-Tool geeignet sein kann.
Abstract
Background
There are no large comparative studies on the applicability of established clinical diagnostic computed tomography (CT) criteria for “Coronavirus Disease 2019” (COVID-19) infections to postmortem computed tomography (PMCT).
Method
In this study 131 PMCTs of COVID-19 deceased were analyzed in comparison to a control group of 39 PMCTs of “severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2” (SARS-CoV-2) negative individuals with known lung diseases (morphological criteria, modified total severity score (mTSS), “Covid-19 Reporting and Data System” (CO-RADS score).
Results
Ground-glass opacities (GGOs) and consolidations mainly in the posterior lung segments as nonspecific features dominated the postmortem radiological findings. As expected, the PMCT typically depicts final stages of the disease, demonstrated by high mTSS scores, less peripherally oriented patterns but more mediastinal lymphadenopathies and pleural effusions than in clinical reviews. The specificity for the COVID-19 diagnosis by PMCT is low, consistent with the clinical situation. In a PMCT case-control design, a CO-RADS score of 5 and bilateral minor pleural effusions were identified as diagnostically indicative of COVID-19 infections in PMCT.
Discussion
Postmortem artefacts limit the specificity of pulmonary PMCT morphological imaging findings. The absence of minor pleural effusions is particularly valuable given that a postmortem fluid increase in the pleural space could be expected artificially. In a forensic context, PMCT can be useful as a screening tool for pulmonary manifestations in pandemic situations.
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Einleitung
Infolge des erstmaligen Nachweises von „severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“ (SARS-CoV‑2) in Wuhan, China, [11, 31] stufte die „World Health Organization“ (WHO) die „Coronavirus Disease 2019“(COVID-19)-Infektion am 11.03.2020 als Pandemie ein [28]. Nach Bekanntwerden der ersten Todesfälle in Deutschland wurde im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (IfR) im Auftrag der Gesundheitsbehörde bis Ende 2020 eine systematische Evaluation der COVID-19-Gesamtmortalität in Hamburg durchgeführt [8, 14], die durch postmortale computertomographische Diagnostik (PMCT) des Thorax unterstützt wurde, nachdem radiologische Veränderungen sich in der klinischen Diagnostik frühzeitig als sensitiv für COVID-19-Infektionen gezeigt hatten [1, 3].
Die vorliegende Studie untersucht 131 COVID-19-Todesfälle und prüft die Anwendbarkeit von in der klinischen Computertomographie (CT)-Diagnostik etablierten diagnostischen Kriterien bzw. Diagnose-Scores auf die spezielle Situation der postmortalen Befundung. Ein Kontrollgruppenvergleich analysiert mögliche Prädiktoren für die Diagnose COVID-19 in der PMCT.
Methodik
Fallkollektiv
Zwischen März und Dezember 2020 wurden im Stadtgebiet Hamburg Verstorbene mit SARS-CoV-2-positivem Status in die zentrale Leichenhalle des Instituts für Rechtsmedizin verbracht. Das Untersuchungskonzept beinhaltete eine abgestufte Diagnostik [8]. Dazu zählten u. a. neben einer nasopharyngealen virologischen Reverse-Transkriptase(RT)-qPCR(quantitative Polymerasekettenreaktion)-Diagnostik Obduktionen sowie PMCT [8].
Aus dem Gesamtkollektiv von 735 SARS-CoV-2-assoziierten Todesfällen mit 411 PMCT wurden für diese Studie primär 157 konsekutive PMCT-Fälle ausgewählt. Einschlusskriterien waren hierfür ein positives RT-qPCR-Ergebnis auf SARS-CoV‑2 in Kombination mit einer klinisch gesicherten COVID-19-Diagnose und/oder positivem Obduktions- bzw. histologischem Befund sowie ein postmortales Intervall (PMI) ≤ 7 Tage. 26 der primär 157 COVID-19-PMCT offenbarten Ausschlusskriterien (nichtausreichende Bildqualität, Fremdkörperartefakte, Pneumothorax über 1 cm Breite, vollständige Konsolidierung oder hochgradige Lungengerüststörungen). Für die Kontrollgruppe wurden 39 konsekutive PMCT aus dem Zeitraum Dezember 2019 bis Juni 2020 eingeschlossen, bei denen als Todesursache oder Komorbidität eine alternative Lungenerkrankung (Pneumonie, exazerbierte COPD, Lungenfibrose, Bronchialkarzinom) in der Todesbescheinigung bzw. Klinikanamnese dokumentiert war und eine SARS-CoV-2-/COVID-19-Infektion virologisch ausgeschlossen worden war [14]. Die PMCT-Scans (Philips Brilliance 16-Zeiler, Philips Medical Systems DMC GmbH, Hamburg, Deutschland) erfolgten in Rückenlage der Verstorbenen (Thorax-Scan: Schichtdicke 0,8 cm; Schichtabstand 0,4 mm; Pitch-Faktor 1,5; Filter/Kernel B; 120 kV; 230–250 mA).
Es wurden Alter, Geschlecht, PMI, Sterbeort und Komorbiditäten dokumentiert (Tab. 1).
Deskriptive Bildbewertung
Jeweils 10 Lungenabschnitte (5 Lungenlappen, jeweils ventraler und dorsaler Abschnitt) wurden im Lungenfenster (C −500 HU/: W 1500 HU) getrennt beurteilt. Eine Fachärztin für Radiologie und ein Facharzt für Rechtsmedizin (3 bzw. 12 Jahre Erfahrung in der Auswertung von PMCT) evaluierten – hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit verblindet – die verbleibenden 131 COVID-19-Fälle (n = 1266 Lungenabschnitte) sowie 39 Kontrollfälle (n = 390 Lungenabschnitte). Auftreten und Intensität folgender in der klinischen Literatur zu COVID-19 beschriebener radiologischer Kriterien [9] wurden bewertet: Milchglastrübungen („ground-glass opacities“, GGO) [2, 11, 20, 27, 30], Konsolidierungen [3, 18, 20, 23, 29, 30], „crazy paving pattern“ [3, 20, 29, 30], Halo-Zeichen [3, 30], umgedrehtes Halo-Zeichen [3, 30], zentrilobuläre Noduli [3, 20] und retikuläre interstitielle Muster [3, 23, 25, 29, 30]. Es erfolgte eine topographische semiquantitative Quantifizierung. Bewertet wurden auch eine mediastinale Lymphadenopathie, periphere Gasfüllung der Bronchien sowie ggf. vorhandene Pleuraergüsse (nicht vorhanden/saumartig, \(\leq\)0,5 cm/bis 2 cm/über 2 cm).
Der Total Severity Score (TSS mit 5‑gradiger Skala) etablierte sich klinisch zur Einschätzung des COVID-19-Schweregrades anhand visueller Quantifizierung in der CT [17]. Der TSS ergibt sich aus dem prozentualen Anteil an Läsionen/Inflammation der einzelnen Lungenlappen und wurde hier, modifiziert für ventrale bzw. dorsale Abschnitte eines jeden Lungenlappens, erhoben, um postmortale posteriore Hypostaseeffekte differenzieren zu können [17]. Die Gesamtwertung des TSS resultiert aus der Addition der Einzelscores – in der hier modifizierten Fassung (mTSS) wurde der Mittelwert aus den ventralen und dorsalen Scores pro Lungenlappen gebildet und das TSS-Gesamtergebnis symmetrisch gerundet (Tab. 2). Eine weitere Klassifizierung erfolgte mit dem „COVID-19 Reporting and Data System“ (CO-RADS, 7 Schweregrade [22]). Das CT-Thorax-basierte Bewertungsschema des CO-RADS stellt den Verdachtsgrad für eine pulmonale Beteiligung entsprechend einer mutmaßlichen COVID-19-Infektion dar. Es beruht auf radiologischen Kriterien, die in der Literatur für COVID-19 beschrieben wurden, und zeigt eine sehr gute Leistung bei der Vorhersage von COVID-19 bei Patienten mit moderaten bis schweren Symptomen [22]. Für diese Studie wurde dieser Score zu einer 5‑gradigen Skala modifiziert (1–5, entsprechend 1 = „no“, 2 = „low“, 3 = „indeterminate“, 4 = „high“, 5 = „very high“), da die klinischen Skalenwerte „6“ (positive RT-qPCR) und „0“ (nichtinterpretierbare CT) hier aufgrund der Ausschlusskriterien entfielen.
Statistische Analyse
Alle Tests wurden mit IBM® SPSS Statistics (Version 27 für Windows) ausgeführt. Es erfolgte eine explorative multivariate Analyse der für diese Studie definierten morphologischen COVID-19-Kriterien.
Im Fall-Kontroll-Vergleich wurden Unterschiede mittels univariater und multivariater Analyse dargestellt.
Als Regressionsmodell wurde ein verallgemeinert lineares gemischtes Modell gewählt, das in der multivariaten Analyse auf die Einflussfaktoren Alter, Geschlecht, PMI und Sterbeort adjustiert wurde. Ein p-Wert < 0,05 wurde als signifikant definiert; „odds ratios“ (OR) wurden in einem 95 %-Konfidenzintervall bestimmt. Für die Regressionsanalyse wurden die mTSS-Einzelscores am Median in „mTSS ≤ 2“/„mTSS > 2“ dichotomisiert. Subgruppenanalysen erfolgten für einen mTSS > 2 und ventrale vs. dorsale Lungenabschnitte. Prozentuale Angaben beziehen sich, wenn nicht anders definiert, auf die Gesamtzahl der analysierten Lungenabschnitte und sind auf eine Nachkommastelle gerundet. Für den Vergleich der Lungenlappenkategorien wurden jeweils rechter und linker Oberlappen sowie rechter und linker Unterlappen zusammengefasst betrachtet.
Ergebnisse
Phänomenologie in der COVID-19-Fallgruppe
Ground-glass opacity und Konsolidierung
Die häufigsten Beobachtungen waren GGO (86,7 %) und Konsolidierungen (64,2 %, Tab. 3 und Abb. 2); 2,7 % der GGO lagen ausschließlich peripher (Abb. 1). Beide Phänomene fanden sich v. a. im Unterlappen und in dorsalen Lungenabschnitten, dagegen seltener im Mittellappen. In der multivariaten Analyse zeigten sich Konsolidierungen – nicht jedoch GGO – signifikant häufiger in dorsalen Lungenabschnitten und in den Unterlappen (unabhängig von ihrer Lokalisation peripher/zentral; OR 5,7; p < 0,001 bzw. OR 1,9; p < 0,001). Im Vergleich zu nichtperipheren GGO liegen periphere GGO und Konsolidierungen signifikant häufiger ventral (OR 4,6; p < 0,001 bzw. OR 1,7; p = 0,26) und im Oberlappen (OR 5,5; p = 0,003 bzw. OR 2,3; p < 0,001); bei peripheren GGO ist auch der Mittellappen (OR 6,8; p = 0,002) eine signifikant häufigere Lokalisation als der Unterlappen. Periphere GGO (OR 13,8; p < 0,001) sowie periphere Konsolidierungen (OR 6,9; p < 0,001) sind im Vergleich zu nichtperipheren in der univariaten Analyse signifikant mit einem mTSS-Score ≤ 2 assoziiert. GGO erwiesen sich stets als bilateral, Konsolidierungen in 94,3 % der Fälle.
Pleuraerguss.
55,7 % der Fälle zeigten keinen oder maximal einen saumartigen Pleuraerguss (Tab. 3). Intensivbehandlung zum Sterbezeitpunkt war häufiger mit mindestens einseitig relevanten (mehr als saumartigen) Pleuraergüssen verbunden (OR 37,4; p < 0,001).
Mediastinale Lymphadenopathie
In 35,9 % der Fälle fand sich eine mediastinale Lymphadenopathie (Tab. 3), die sich mit zunehmendem Alter häufiger beobachten ließ (≤ 65 Jahre: 8,3 %; > 95 Jahre: 60,0 %). Bei onkologischen Komorbiditäten ist der Anteil der mediastinalen Lymphadenopathie erhöht (42,9 % vs. 35,9 %). Beide Beobachtungen erwiesen sich in der multivariaten Analyse als nicht signifikant.
Seltene Morphologien
Radiologische Phänomene, die sich in weniger als 5 % der Lungenabschnitte fanden, wurden wie folgt beobachtet: Halo-Zeichen (2,8 %), „crazy paving pattern“ (1,8 %; Abb. 3), zentrilobuläre Noduli (1,1 %), umgedrehtes Halo-Zeichen (0,6 %) und retikuläres interstitielles Muster (0,2 %).
Belüftung der peripheren Bronchien
Die Bronchien erschienen lappenbezogen in 22,1 % aller Lungenabschnitte bis nach peripher belüftet, signifikant häufiger in Oberlappen (29,6 %, OR 20,5; p < 0,001) und Mittellappen (38,6 %, OR 48,4; p < 0,001) als in den Unterlappen (6,3 %).
Klinische Scores
In der Fallgruppe überwog der mTSS-Score 4 (44,2 %); 6,8 % zeigten keine relevanten Veränderungen (Score 0). In 58,5 % der Lungenabschnitte lag der mTSS-Einzelwert oberhalb des Medians von Score 2.
Ein mTSS > 2 war statistisch assoziiert zur Lokalisation Unterlappen (OR 5,1; p < 0,001), dorsalen Position (OR 4,9; p < 0,001), zu unbelüfteten peripheren Bronchien (OR 2,8; p = 0,001), zentralen i. V. zu fehlenden Konsolidierungen (OR 8,7; p < 0,001) und relevanten Pleuraergüssen (OR 3,4; p = 0,03). Die mTSS-Gesamtscore-Summenwerte streuten zwischen 3 und 20 Punkten (MW 13,6 Punkte, SD ± 4,7 Punkte).
Der CO-RADS wurde am häufigsten (38,2 %) mit dem Score 4 („high“) bewertet, die Scores 1 und 2 wurden kaum vergeben (Tab. 3). In der multivariaten Regressionsanalyse verfehlten alle Prädiktorvariablen für das CO-RADS-Niveau das gewählte Signifikanzniveau.
Fall-Kontroll-Vergleich
Im univariaten Fall-Kontroll-Vergleich zeigte sich ein beidseits fehlender bis maximal saumartiger Pleuraerguss mit einer COVID-19-PMCT assoziiert (OR = 19,5; p < 0,001). CO-RADS-Scores von 2 oder 3 sprachen dagegen für einen Kontrollfall (OR = 0,001; p < 0,001 bzw. 0,025; p = 0,003). Höhere CO-RADS-Werte waren signifikant mit einer COVID-19-PMCT assoziiert. In der multivariaten Analyse des Fall-Kontroll-Vergleichs zeigten sich PMI, Sterbeort, CO-RADS und Pleuraerguss als signifikante Prädiktoren für das Vorliegen von COVID-19 in der PMCT. Statistische Alternativmodelle mit Limitierung der Stichprobe auf ausschließlich ventrale Lungenabschnitte (zur Neutralisierung postmortaler Hypostase-Effekte in Rückenlage) sowie die Limitierung der Stichprobe auf Lungenabschnitte mit mTSS ≤ 2 (zur Reduzierung der Fälle mit fortgeschrittener Konsolidierung) zeigten vergleichbar signifikante Analyseergebnisse.
Diskussion
GGO und Konsolidierungen zeigen sich in der PMCT erwartungsgemäß als regelmäßige, wenn auch grundsätzlich wenig spezifische Merkmale bei COVID-19-Verstorbenen in der Lunge. Häufiger in posterioren und inferioren Lungenabschnitten vorkommend, war der rechte Mittellappen gering betroffen, was sich im mTSS spiegelt. In einem klinischen COVID-19-Kollektiv fand sich für die Unterlappen sowie den Mittellappen die gleiche Verteilung [13]. Klinisch sind bilaterale GGO mit oder ohne Konsolidierungen in dorsalen und peripheren Lungenabschnitten radiologisches Hauptmerkmal von COVID-19. Postmortale und klinische Übereinstimmungen bestehen somit offensichtlich trotz postmortaler hypostasebedingter Überlagerung [7, 10, 12, 15, 24].
Klinisch häufen sich mit zunehmendem Krankheitsverlauf Konsolidierungen, und GGO sind zunehmend diffus und bilateral verteilt und konfluieren [2, 3, 20, 21, 23, 25], nachdem sie in früheren Krankheitsstadien (0 bis 4 Tage nach Symptombeginn) zunächst typisch peripher gelegen sind [20]. Diese periphere Betonung ist in der PMCT zugunsten zentraler oder kombinierter Lokalisationen selten und zeigt sich bevorzugt in weniger stark betroffenen Lungenabschnitten. Die postmortale Bildgebung bildet naturgemäß häufiger finale Krankheitsstadien ab [15, 16].
In der klinischen Literatur zur CT-Diagnostik von COVID-19 wird die hohe Sensitivität bei jedoch mangelnder Spezifität der Befundmuster GGO und Konsolidierung hervorgehoben [3, 23]; insbesondere andere Viruspneumonien zeigen Ähnlichkeiten [3, 5, 13, 23]. Auch finden sich klinisch erhebliche Streuweiten (65–98 % für GGO; 2–64 % für Konsolidierungen [3, 30]). Die radiologischen Phänomene retikuläres Muster (1–22 % [1, 5, 18, 23, 25]) und Crazy paving pattern (5–36 % [2, 5, 18, 20, 23, 29]) wurden klinisch dagegen als COVID-19-spezifischer beschrieben. Halo-Zeichen und umgedrehtes Halo-Zeichen wurden nur vereinzelt beobachtet [3, 30]. In der vorliegenden PMCT-Studie konnten diese Phänomene in der Prädiktorenanalyse statistisch nicht berücksichtigt werden.
Als Prädiktoren für einen mTSS > 2 (mittlere bis schwere Betroffenheit eines Abschnitts) im Fallkollektiv ließen sich Lokalisation im Unterlappen, posteriore Position, unbelüftete periphere Bronchien, zentrale Konsolidierungen und ein relevanter Pleuraerguss identifizieren – also Kriterien, die als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf oder Anzeichen für einen fortschreitenden Krankheitsprozess bekannt sind [18, 20, 25, 30].
Die visuelle Quantifizierung des Schweregrades durch den TSS erweist sich auch in der PMCT als sinnvoll. Der mTSS-Mittelwert lag mit 13,6 Punkten deutlich höher als in klinischen Studien, die wesentlich niedrigere Mediane von 3,0 bis 9,9 beschreiben, teils aber auch höhere Mittelwerte in späteren Erkrankungsstadien [2, 5]. Mediastinale Lymphadenopathien, die im vorliegendem Kollektiv bei hoher Gesamtprävalenz (35,9 %) mit aufsteigender Altersgruppe in ihrer Häufigkeit zunehmen, wurden für klinische COVID-19-Stichproben in der CT in nur 4–8 % der Patienten beschrieben und als Risikofaktor für einen schweren Verlauf identifiziert [3, 18, 23, 29].
Bei zeitlich konsekutiven Stichprobenziehungen können bezüglich Alter, Geschlecht, PMI und Sterbeorten Intergruppenvarianzen bestehen. Sterbeort und PMI zeigten univariat signifikante Gruppenunterschiede: Die inkludierten COVID-19-Fälle waren erheblich seltener Intensivpatienten und hatten ein durchschnittlich längeres PMI, da sie dem Ort der Studie teils verzögert zugeführt wurden. Im uni- wie im multivariaten Kontrollgruppenvergleich zeigten sich Pleuraerguss und CO-RADS als signifikante Gruppenunterschiede. Wenn auch der Maximalscore von 5 in der Fallgruppe erwartungsgemäß signifikant häufiger ist, gab es auf Skalenniveau keinen klaren „cut off“ für die Abgrenzung zu dem gravierend pulmonal vorerkrankten Vergleichskollektiv.
Die Prädiktionsqualität eines postmortal fehlenden bzw. maximal saumartigen Pleuraergusses ist bemerkenswert, da Pleuraergüsse im PMI bekanntermaßen eher zunehmen können [7, 10, 12, 15, 24]. Da Pleuraergüsse klinisch mit einem kardiopulmonal schwereren bzw. therapierefraktären Krankheitsverlauf assoziiert sind [19], finden sie sich bei Verstorbenen mit 44,3 % deutlich häufiger als in der allgemeinen Diagnoserate von 1–8 % [2, 23, 25, 27, 29]. Umso bemerkenswerter bleibt festzuhalten, dass das (oft weitgehende) Fehlen von Pleuraergüssen sich postmortal weiterhin als signifikanter Prädiktor für COVID-19 im gewählten Fall-Kontroll-Vergleich erwies.
Subgruppenanalysen zeigten im Regressionsmodell unter Ausschluss der von Hypostase betroffenen dorsalen Lungenabschnitte (sowie alternativ aller Abschnitte mit mTSS > 2) vergleichbare statistische Ergebnisse, sind also insofern resistent gegen postmortale Einflüsse, die Kernkriterien wie GGO oder Konsolidierungen überlagern können [4, 15, 24].
Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass die PMCT als Screening-Tool am Beispiel von COVID-19 für epidemische Situationen mit Lungenmanifestationen für epidemiologische Zwecke empfohlen werden kann – ein Beispiel für den systematischen PMCT-Einsatz in der Rechtsmedizin als Screeningverfahren in besonderen epidemiologischen Situationen.
Limitationen
Die hier dargestellte Verfahrensvalidität ist eng an den Rahmen einer die aktuell prävalente Lungenpathologie weitgehend bestimmenden Pandemie gebunden. Während der Pandemiezeit reduzierte sich auch in Deutschland die Inzidenz anderer respiratorischer Viren markant [6, 26]. Nichtabgrenzbare mögliche bakterielle Superinfektionen dürften zur Überlagerung der Bildmanifestation einer reinen atypischen COVID-19-Pneumonie geführt haben [15, 16]. Die Definition der Kontrollgruppe als SARS-CoV-2-negativ mit vorbestehender Lungenerkrankung statt der möglichen Alternative aller SARS-CoV-2-negativen Eingänge reduzierte die Fallzahl, entsprach aber einem konservativen Ansatz mit Beschränkung auf die Gruppe von phänomenologisch normabweichenden Lungenbildern. Ein negatives RT-qPCR-Testergebnis schließt eine akute SARS-CoV-2-Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, allerdings sind bei nichtausschließbarer vorausgegangener COVID-19-Infektion Überlagerungen mit der Lungenpathologie durch COVID-19-Folgeschäden möglich.
Fazit für die Praxis
-
Der Einsatz der postmortalen Computertomographie (PMCT) am Beispiel „Coronavirus Disease 2019“ (COVID-19) hat sich als alternatives Screening-Tool in epi- bzw. pandemischen Situationen mit Lungenmanifestationen für epidemiologische Zwecke als empfehlenswert erwiesen.
-
In der Rechtsmedizin kann der systematische PMCT-Einsatz in besonderen epidemiologischen Situationen bei fehlender mikrobiologischer Diagnostik und ungeklärter Todesursache vor Obduktionen gezielte arbeitsschutzrelevante sowie infektiologisch-diagnostische Maßnahmen einleiten.
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Förderung
Die Studie wurde von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der universitären Netzwerkprojekte Defeat Pandemics und NATON (Förderkennzeichen 01KX2021 und 01KX2121) gefördert.
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
M. Lutter, I. Kniep, B. Ondruschka und A. Heinemann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diese Studie wurde die Genehmigung der unabhängigen Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg eingeholt (Kennziffer 2020-10353-BO-ff und PV7311). Die Studie entspricht den Grundsätzen der Deklaration von Helsinki.
Additional information
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Data Availability Statement
Die Datensätze, die während der aktuellen Studie generiert und/oder analysiert wurden, sind auf angemessene Anfrage beim entsprechenden Autor (ML, malin.lutter@stud.uke.uni-hamburg.de) verfügbar. The data that support the findings of this study are available from the corresponding author (ML, malin.lutter@stud.uke.uni-hamburg.de) upon reasonable request.
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Lutter, M., Kniep, I., Ondruschka, B. et al. Pulmonale Befunde in der postmortalen Computertomographie bei COVID-19-assoziierten Todesfällen. Rechtsmedizin 34, 17–23 (2024). https://doi.org/10.1007/s00194-023-00667-4
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