Das Fach Rechtsmedizin ist zunehmend interessant für den Medienmarkt. An dieser Entwicklung (der „Mediatisierung der deutschen Rechtsmedizin“) beteiligen sich Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner teils auch aktiv. Die öffentliche „Vermarktung“ rechtsmedizinischer Inhalte und insbesondere von Bildern Verstorbener in (Massen‑)Medien wirft ethische und juristische Fragen hinsichtlich der Grenzen des Präsentierbaren auf. Diese Fragen sind bereits Gegenstand der Forschung anderer Disziplinen.

Die Mediatisierung der Rechtsmedizin wirft Fragen auf

Die Rechtsmedizin versteht sich als wissenschaftliche Disziplin, die sich über Forschung weiterentwickelt und ihre Erkenntnisse für die Klärung rechtlich relevanter Fragestellungen zur Verfügung stellt. Die überwiegende Zahl der deutschsprachigen Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner ist an Universitätsinstituten tätig. Ihre Dienstaufgaben umfassen Forschung, Lehre und die Erbringung einschlägiger Dienstleistungen, insbesondere für Ermittlungsbehörden und Gerichte. Die Forensische Morphologie ist einer der wichtigsten Kernbereiche des Faches seit seinen Anfängen. Im Mittelpunkt steht hier die Obduktionstätigkeit. Diese wird aufgrund ihrer Geschichte und Bedeutung nach innen wie nach außen als identitätsstiftend wahrgenommen.

Auf die rechtsmedizinische Obduktion richtet sich daher auch das internationale Interesse der „breiten Öffentlichkeit“, das in den letzten Jahrzehnten immer mehr zugenommen hat [11], etwa durch Blockbuster wie CSI – Crime Scene Investigation [2, 6]. Die rechtsmedizinische Untersuchung Verstorbener nach Tötungsdelikten wird in zahlreichen fiktiven Formaten („Krimis“) und True-Crime-Formaten dargestellt, die die „populäre Faszination für reale Gewaltverbrechen und ihre Narrativierung mit unterhaltend-aufklärerischem Gestus“ bedienen [13]. Zunehmend gewähren in diesem Kontext Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner auch Einblicke in die Realität des Faches – in journalistischen Beiträgen, aber auch in selbst produzierten Beiträgen in den Social Media (z. B. Instagram). Das Spektrum reicht vom „Erklär-Podcast“ bis zur Live-Übertragung von Obduktionen – und vom ehrenamtlichen Beitrag bis zum Geschäftsmodell.

Diese Entwicklung, die als „Mediatisierung der deutschen Rechtsmedizin“ bezeichnet wird, wurde u. a. im DFG-Schwerpunktprogramm 1505 („Mediatisierte Welten“) analysiert [4]. Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner erkennen und nutzen demnach ihr „mediales Kapital“. Wie Reichertz [11] festhält, werden „aus den von den Medien Beobachteten […] aktive Akteure, die den Markt beobachten und strategisch eingreifen – die einen, um mit ihrem medialen Kapital ihr eigenes Institut zu sichern, die anderen, um mit ihrem medialen Kapital ökonomisches zu erwerben …“; es sei nachweisbar, dass es in der Rechtsmedizin zu einer „teilweisen Umstellung von Reputation auf Prominenz“ gekommen sei.

Mit Blick auf den forensischen „(Medien‑)​Markt“ stellen Englert und Kempken [3] fest, dass das „Innere“ der Rechtsmedizin „zunehmend nach außen getragen, auf einer massenmedialen Bühne präsentiert und damit Akteuren zugänglich gemacht“ werde, „die auch ökonomische Ziele verfolgen“. Nach Analyse eines Interviews mit einem anonym bleibenden Rechtsmediziner („seit vielen Jahren in der Gerichtsmedizin tätig“) kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass „im Tätigkeitsfeld der Rechtsmedizin unterschiedliche Rolleninterpretationen“ existieren. Der interviewte Kollege habe sich gegenüber (im Beitrag auch benannten) in den Medien sehr präsenten Kolleginnen und Kollegen abgegrenzt. Es sei deutlich geworden, dass es „Gerichtsmediziner“ gebe, „die sich und ihr Feld medienwirksam nach außen präsentieren […], solche, die lieber an der klassischen Ordnung im Feld festhalten würden und sich aktiv von den in den (Massen‑)Medien präsenten Gerichtsmediziner abgrenzen […] und zunehmend auch externe Akteure […], die von der Öffnung des Feldes durch die (Massen)-Medien profitieren“. Letztlich leisteten aber alle Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner (auch die, „die für sich beanspruchen, eher ‚zurückhaltend‘ in den (Massen‑)Medien aktiv zu sein“) einen Beitrag zur „medialen Reproduktion“ des Faches und „zum Diskurs über Rechtsmedizin im Hinblick und unter Verwendung der (Massen‑)Medien“. Diesen wiederum komme insoweit eine („machtvolle“) Position zu, wenn es darum gehe, Aufmerksamkeit (als Kapital für die Erreichung von Zielen) zu generieren. Dabei werde „das ausgestrahlt, was ökonomische Erfolge verspricht“. Letztlich sei ein „Forensischer (Medien‑)Markt“ entstanden, über den die Rechtsmedizin „in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit für die in ihr agierenden einzelnen Individuen und für das Fach an sich generieren kann“, wobei die Regeln des Marktes sehr komplex seien.

Das Interesse der Öffentlichkeit und das besondere „mediale Kapital“ der Rechtsmedizin beziehen sich auf verschiedene Aspekte, die durch das Fach „bedient“ werden können. Zunächst ist das Berufsfeld selbst interessant – Menschen interessieren sich für die Frage, wie die in fiktiven Formaten mittlerweile sehr präsenten Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner in der Realität arbeiten. Dieses Interesse wird von unterschiedlichen Formaten aufgenommen, wobei mittlerweile auch Live-Videos aus Obduktionssälen in Social Media wie auch Fernsehproduktionen mit Dokumentation realer Obduktionen geboten werden. Solche „bebilderten“ Formate scheinen besonders erfolgreich zu sein. Weiteres „mediales Kapital“ können Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner aus den „Geschichten“ rund um die von ihnen bearbeiteten Fälle schöpfen. Auch für True-Crime-Formate (in denen Fälle quasi „nacherzählt“ werden) wird teilweise authentisches Bildmaterial insbesondere aus Obduktionen genutzt. Sahner [13] weist auf die Bedeutung von Bildern für diese Formate hin; sie dienten als „Authentifizierungsstrategie“ und als Verstärkung einer „aura of reality“.

Im Rahmen der Obduktionstätigkeit ist die Dokumentation von an der Leiche erhobenen Befunden durch die Erstellung von Fotos (seltener auch durch Videos) sehr häufig angezeigt und „normale“ Routine. Sie dient der Qualitätssicherung, der Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit von Befunden oder auch Belangen von Forschung und Lehre. Insbesondere in der Lehre ist Bildmaterial (z. B. zu charakteristischen Verletzungen) unverzichtbar. Im Kontext von Aus‑, Fort- und Weiterbildung bestimmter Berufsgruppen werden solche Bilder nur für umschriebene und definierte Zielgruppen (z. B. Studierende der Medizin, Ärzteschaft, Polizei) und in eng sachbezogenem Rahmen präsentiert, nicht aber für eine größere medienaffine Öffentlichkeit. Auch in der Forschung ist von eng umschriebenen Zielgruppen auszugehen, wenn auch Open-Access-Publikationen den Zugang auch für eine größere Öffentlichkeit zumindest theoretisch eröffnen.

Jedenfalls erwerben Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner im Rahmen der Erfüllung ihrer Dienstaufgaben quasi automatisch „mediales Kapital“, insbesondere durch den Zugang zu „spannenden Fällen“ und entsprechendem Bildmaterial. Bei aller Legitimität eines öffentlichen Interesses am Fach und an seiner Ausübung wirft die Nutzung dieses Kapitals mit der öffentlichen „Vermarktung“ rechtsmedizinischer Inhalte und von Bildern Verstorbener jenseits von Forschung und Lehre jedoch Fragen nach Grenzen des ethisch und juristisch Gebotenen und Zulässigen sowie nach den Grenzen des Präsentierbaren auf.

Rechtsfragen

Bei Präsentation rechtsmedizinischer Inhalte für eine breite Öffentlichkeit stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, inwieweit personenbezogene Informationen, die in einer Rolle als Sachverständige oder als Sachverständiger im Ermittlungsverfahren oder im Rahmen einer Hauptverhandlung erworben wurden, in die breite Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es versteht sich von selbst, dass dies in laufenden Verfahren nicht zulässig ist. Für die Zeit danach wird häufig argumentiert, dass doch „sowieso schon alles über die Presse“ an die Öffentlichkeit gelangt sei. Hier ist zumindest kritisch zu hinterfragen, ob und wie eine Autorin oder ein Autor ex post noch verifizieren kann, welche Informationen tatsächlich schon publik waren, und welche (in der Rolle als Sachverständige oder als Sachverständiger erlangten) Informationen bislang nur ihr oder ihm bekannt waren und jetzt als neue Informationen präsentiert werden. Grundsätzlich wäre im Übrigen eine derartige Zweckänderung der Datenverwendung aus der persönlichkeitsrechtlichen Perspektive der Betroffenen (und ihrer Angehörigen) jedenfalls rechtfertigungspflichtig.

Hinsichtlich der Frage der Nutzung von Bildern Verstorbener ist der Kontext von zentraler Bedeutung. Die jüngere Rechtsentwicklung ist generell geprägt von einer zunehmenden Säkularisierung und damit Enttabuisierung der gesellschaftlichen Grundhaltung zu Verstorbenen, insbesondere auch mit stärkerer Betonung der Wissenschaftsfreiheit. Die unbestritten notwendige Nutzung von Bildmaterial in Forschung, Lehre und Weiterbildung bei entsprechend begrenzter und definierter Zielgruppe ist i. Allg. unproblematisch, sofern die Bilder angemessen (also sachbezogen ausgewählt, nicht entwürdigend, sensationsheischend usw.) sind und die Anonymität der abgebildeten Person gewahrt bleibt. Sofern es sich um Bilder handelt, die im Kontext gerichtlicher Obduktionen erstellt wurden, ist es selbstverständlich, dass keine Bilder aus nichtabgeschlossenen Fällen gezeigt werden dürfen.

Sehr viel genauer muss die Frage der Nutzung von Bildern Verstorbener geprüft werden, wenn sie einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden sollen. Hier ist zunächst zu hinterfragen, in welchem Kontext die Bilder entstanden sind. Wurden sie im Rahmen gerichtlicher Obduktionen zu dienstlichen Zwecken erstellt, ist eine Nutzung der Bilder ohne Einverständnis der zuständigen Staatsanwaltschaft jenseits enger Grenzen von Forschung und Lehre nicht statthaft [12]. Ebenso wenig ist das Erstellen von Bildmaterial an beschlagnahmten Leichen zu anderen als zu dienstlichen Zwecken erlaubt.

Weiter verlangt das Selbstbestimmungsrecht grundsätzlich eine Zustimmung der Betroffenen zu Lebzeiten, wenn deren sterbliche Überreste hernach erwartungswidrig (also jenseits dienstlicher Belange, zu denen auch Forschung und Lehre gehören) verwendet werden sollen; auch eine Verwendung von Bildern Verstorbener für eine Präsentation in der breiten Öffentlichkeit (z. B. über Social Media) setzt danach eine Zustimmung der betreffenden Person zu Lebzeiten voraus. Im Kontext gerichtlicher Obduktionen kann eine solche Zustimmung in aller Regel nicht (mehr) erlangt werden. Eine stellvertretende Zustimmung ist zwar in der Mehrzahl der geltenden Landesgesetze (Ausnahme: Berlin) nicht vorgesehen; jedoch sieht § 22 S. 3 KUG für das insoweit infrage stehende Recht am eigenen Bild eine Einwilligungsbefugnis der nächsten Angehörigen (überlebender Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten) innerhalb einer 10-Jahres-Frist vor. Eine solche Einwilligung aller nächsten Angehörigen ist zwingend erforderlich; jeder Einzelne besitzt einen Unterlassungsanspruch [10]. Dabei dürfte eine Einwilligung allerdings nur dann wirksam sein, wenn sichergestellt ist, dass die Angehörigen den mutmaßlichen Willen der/des Verstorbenen tatsächlich kennen und allein danach handeln; ein Bedrängen von Angehörigen unmittelbar nach dem Tod der betreffenden Person („Witwen-Schütteln“) oder gar das Anbieten finanzieller Zuwendungen macht die Wirksamkeit eines gegebenen Einverständnisses jedenfalls sehr fraglich.

Weiter verbietet das sog. postmortale Persönlichkeitsrecht einen Umgang mit menschlichen Leichnamen bzw. Körperteilen, dem die „Würdewidrigkeit“ auf die Stirn geschrieben steht. Das ist immer dann der Fall, wenn sich die Art und Weise der Handhabung in keinster Weise mehr vom zweckhaften Umgang mit beliebigen Gegenständen unterscheidet, obgleich es hier doch um die sterblichen Überreste eines menschlichen Subjekts – einer Person – handelt. Entsprechend verbietet sich jede Nutzung von Bildmaterial, die die/den Verstorbenen als bloßes Objekt erscheinen lässt.

Die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ist zwar in einer liberalen Gesellschaftsordnung von hoher Wertigkeit, gibt aber kein eigenmächtiges Zugriffsrecht auf den menschlichen Leichnam; Gleiches gilt für die Kunstfreiheit. Zudem muss bei aller liberalen Offenheit die Berufung auf eine Vermittlung wissenschaftlicher Gegebenheiten wenigstens im Minimum auch Vermittlungscharakter haben, um sich von bloßem Voyeurismus abzuheben.

Und sicher ist nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, auch moralisch einwandfrei oder gar empfehlenswert. Auch dann, wenn das allgemeine Recht nach Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles freiheitsfreundlich keine Einwände erhebt, sind die Fachgesellschaften der Rechtsmedizin noch immer frei, nach Maßgabe ihres eigenen Selbstverständnisses und der Mehrheitsmeinung ihrer Mitglieder den Rahmen und die Grenzen der Toleranz enger zu ziehen. Denn jedes öffentlichkeitswirksame Wirken einzelner Mitglieder wird in der Außenwirkung als berufsspezifisches und nicht als rein privates aufgenommen.

Ethische Fragen

Ethische Fragen im Zusammenhang mit True-Crime-Formaten wurden mittlerweile intensiv beforscht und diskutiert (z. B. [7, 13, 16]). Dabei werden in erster Linie die „Rücksichtslosigkeit“ gegenüber den Opferfamilien, die Ikonisierung von Täterinnen und Tätern sowie der u. U. ungünstige Einfluss auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von Verbrechen und auf das Justizsystem problematisiert. Ferner wird kritisiert, dass durch „die kommerzielle Nutzbarmachung der Faszination für Gewaltverbrechen […] reale Gewalt an Menschen zum Unterhaltungsfaktor“ wird [13], wobei das in effektheischenden und sensationalistischen Formaten umso mehr zum Tragen komme.

Lyons [7] beleuchtet in dieser Hinsicht die problematische Beziehung zwischen True-Crime-Produkten und der aus ihr resultierenden Prominenz der Autorinnen und Autoren. Diese Prominenz basiere auf Mord und Tod und einem merkantilen Interesse, was Fragen nach der Vorgehensweise und Verantwortung aufwerfe: „Without a corpse, the crime author has no story and therefore cannot adequately gain any prestige for their accounts, and so their career somewhat depends on the brutality of crime to exist. […] The spectacle of celebrity culture is seen to discredit the grounds on which journalism and true crime writing functions.“

Einige dieser kritischen Hinweise dürften nicht nur für True-Crime-Formate i. e. S. einschlägig sein, sondern sollten auch für die öffentliche Inszenierung rechtsmedizinischer Tätigkeit im Obduktionssaal berücksichtigt werden. Ohne Frage kann rechtsmedizinische Tätigkeit auch für eine breite Öffentlichkeit sachlich dargestellt werden. Der Übergang zwischen Information und Sensation ist jedoch fließend und läuft Gefahr, sehr schnell in einer sich permanent steigernden Eskalation in Richtung der Aufmerksamkeitsattraktion zu münden, da die Aufmerksamkeit und der „Erfolg“ eines Formates mit dem Grad der Sensation steigen [7]. Der „Erfolg“ effektheischender Präsentationen beim Publikum (z. B. Clicks, Quote) bringt die Notwendigkeit der „Dosis-Steigerung“ mit sich, was in weiterer Folge zu einer schiefen Ebene weg von der Information zur (Grusel‑)Sensation führt.

Die Mittel der Zuspitzung und effektheischenden Darstellung bringen die Gefahr mit sich, dass Schutzinteressen Beteiligter nicht gewahrt werden. Ferner gilt es zu diskutieren, auf Basis welcher Motivation auf dramatische Effekte hinzielende Formate der Öffentlichkeit präsentiert werden. Während Information und Transparenz einerseits wichtige Werte einer Demokratie verkörpern, hat die Gesellschaft andererseits keinen Anspruch auf Unterhaltung durch die Darstellung von Gewaltdelikten.

Besonderer ethischer Fragebedarf ergibt sich immer dann, wenn auch Bilder von Verstorbenen als Fotos oder in Form von Filmmaterial in die „Vermarktung“ rechtsmedizinischer Inhalte einbezogen werden. Grundsätzlich sollte aus Gründen der Pietät und im Sinne des Taktgefühls für die religiösen Vorstellungen anderer im Umgang mit Verstorbenen und in der öffentlichen Darstellung von Leichen Zurückhaltung geübt werden. Dieser Standard gilt in der naturwissenschaftlich orientierten Medizin mindestens seit ihren Anfängen in der Mitte des 19. Jahrhunderts [8]. Hier ist abzuwägen, aus welchem Grund die Präsentation in welcher Form erfolgen soll. Steht sie im Kontext von Forschung und Lehre und dient der (im Interesse der Gesellschaft liegenden) Weiterentwicklung des Faches, ist die Darstellung eher gerechtfertigt, als wenn sie aus dem individuellen wirtschaftlichen Interesse der präsentierenden Person heraus erfolgt. Der tatsächlich wissenschaftliche bzw. lehrende Kontext einer Präsentation ist dadurch gekennzeichnet, dass Informationen sachlich vermittelt werden und nur dann Bildmaterial gezeigt wird, wenn es unabdingbar ist, um Sachverhalte zu erläutern. Aus professionsethischer Sicht haben Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner hier eine besondere Verantwortung, denn die Art und Weise, wie sie und ihre Motivation bei der Darstellung des toten Körpers wahrgenommen werden, beeinflusst selbstverständlich das Bild, das sich die Gesellschaft von der Berufsgruppe macht [5].

Mit Blick auf die über den Todeseintritt hinaus nachwirkende Würde der verstorbenen Person (grdl. BVerfGE 30, 173 ff., 194: „Schutzwirkungen aus dem Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen“; zuletzt BVerfG, Beschl. v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, Rz. 30: „der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre Lebensleistung erworben hat“) ist auch deren mutmaßliches Einverständnis in die Zurschaustellung ihres Körpers in die Bewertung einzubeziehen. Selbst wenn die Anonymität der dargestellten Person gewahrt bleibt und Staatsanwaltschaft und Angehörige in die Präsentation der Bilder in den Medien eingewilligt haben, stellt sich die Frage, ob auch der oder die Verstorbene mit dem jeweils gewählten Format der Darstellung mutmaßlich einverstanden gewesen wäre. Die (bei fehlender Einwilligung zu Lebzeiten rechtlich gebotene) anonymisierte Präsentation führt ihrerseits zu moralischen Problemen. Sie verschleiert den Blick auf das Einzelschicksal, die Perspektive der dargestellten Personen geht verloren, und die Verstorbenen drohen – ihrer individuellen Lebensgeschichte beraubt –, zu Objekten degradiert zu werden, die im Extremfall sensationsheischend präsentiert werden.

Überdies ist in die Überlegungen einzubeziehen, wie sich die gezeigten Bilder auf die Rezipientinnen und Rezipienten auswirken. Je weiter verbreitet die Präsentation von Bildern Verstorbener ist, desto weniger können sich Menschen dem entziehen, werden möglicherweise ungewollt zum Publikum. Bilder setzen in der Regel (starke) Emotionen frei, die motivieren und aktivieren, aber auch schockieren und abstumpfen können [14]. Insofern ist zu befürchten, dass gerade „unfreiwillige“ Betrachterinnen und Betrachter emotional überfordert werden. Schockierende Bilder und Details können zudem zu einer (Re‑)Traumatisierung vulnerabler Personen führen, wie etwa von Personen, die selbst physische Gewalt erleben mussten.

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Bilder Verstorbener nur dann eingesetzt werden sollten, wenn dies sowohl notwendig als auch verhältnismäßig ist. Vor der Entscheidung für den Einsatz von Bildern muss reflektiert werden, welche Folgen die Präsentation der Bilder haben könnte und welche Intention damit verbunden ist. Die nichtsachbezogene, sensationsgetriebene Präsentation von Bildern Verstorbener ist nicht zulässig – auch dann nicht, wenn sie anonymisiert und mit Einwilligung der Angehörigen erfolgt. Letztlich ist bei der Präsentation von Bildern Verstorbener immer zu fragen, wie in diesem Kontext die notwendige Pietät mit Blick auf eine menschenwürdige Darstellung des Verstorbenen gewahrt werden kann. So wie der Mensch mit den sterblichen Überresten seinesgleichen umgeht, offenbart er, ob der oder die Andere als Mittel zum Zweck betrachtet wird, oder als Individuum mit einem unveräußerlichen Eigenwert, dessen sterbliche Überreste damit als „herausgehobenes, positives Erinnerungszeichen“ [9] zu betrachten sind.

Die Mediatisierung der Rechtsmedizin fordert Selbstreflexion und einen Diskurs innerhalb des Faches

Unter dem Kerngedanken „You are always a doctor“ hat sich die Bundesärztekammer mit dem Thema „Ärztinnen und Ärzte in sozialen Medien“ befasst; entsprechende Überlegungen aktualisiert sie seit über 10 Jahren. In der gerade überarbeiteten Handreichung [1] findet sich der Hinweis auf das Risiko, durch Aktivitäten in den Social Media der eigenen Reputation wie auch der des ärztlichen Berufsstandes zu schaden, außerdem die Warnung, dass „auch vermeintlich anonymisierte Aussagen […] über Verknüpfung mit anderen Informationen nachvollziehbar werden“ können. Ansonsten ist die Handreichung an der Realität klinischer Fächer orientiert, die sich naturgemäß von der forensischer Fächer unterscheidet.

Auch andere forensische Disziplinen erfahren eine zunehmende Mediatisierung und sind gefordert, mit den dadurch aufgeworfenen Fragen umzugehen. Nachdem in Australien ein Forensischer Psychiater in einem Buch im True-Crime-Format 10 Fälle publizierte, in denen er zuvor als Gutachter tätig gewesen war, diskutierten Scott et al. [15] kritisch seine Vorgehensweise. Als wichtigste Kritikpunkte nennen sie u. a. das Fehlen von sachlichen und wissenschaftlichen Inputs zur Frage der Täter- und Opferwerdung von psychiatrisch kranken Personen, die sensationsheischende Tonalität des Buches sowie insbesondere auch die Möglichkeit der Retraumatisierung von Angehörigen der Opfer. Konkret hatte eine Mutter massiv negativ auf das Buch reagiert, weil sie erst bei der Lektüre erfahren hatte, was die letzten Worte ihrer ermordeten Tochter waren. Der Autor des Buches hatte – mit der Begründung, dass die Namen der Öffentlichkeit bereits bekannt seien – die Identitäten der betreffenden Täterinnen und Täter nicht verborgen, Familienmitglieder und Zeuginnen bzw. Zeugen aber mit Pseudonymen belegt. Gleichzeitig hatte er aber offenbar weder die Täterinnen bzw. Täter noch deren Familienangehörige um Einverständnis für die Schilderung der Fälle in seinem Buch gebeten. Scott et al. [15] halten hierzu fest: „There can never be any implied agreement or consent that a psychiatrist producing a report for the court can also use the material obtained during the assessment to include in a book written for profit. Such use also raises issues about an assessing psychiatrist’s fiduciary duty not to take collateral pecuniary advantage of what the psychiatrist learnt in a purely forensic context.“

Die zunehmende Verfügbarkeit von wissenschaftlicher Literatur durch Open Access Publishing und Social Media resultiert für Scott et al. [15] mit Blick auf die Effekte des von ihnen untersuchten Buchs in einer besonderen Verantwortung der forensischen Psychiaterinnen und Psychiater. Für die Veröffentlichung von Case Reports fordern sie die Vermeidung von unangemessener Vereinfachung sowie von Dehumanisierung oder der Entwertung von Menschen – also von Subjekten – zu Objekten. Zudem mahnen sie die Vermeidung unnötiger, trivialer oder anzüglicher Details an, die für die sachliche Aussage des Case Reports nicht nötig sind. Die hier aufgestellten Prinzipien gelten umso mehr, wenn forensische Inhalte jenseits von Lehrbüchern und Fachjournalen öffentlichkeitswirksam publiziert werden.

Während die Mediatisierung der Rechtsmedizin, deren Folgen und damit assoziierte Fragen bereits von anderen wissenschaftlichen Disziplinen untersucht und kommentiert wurden (z. B. [4]), gibt es innerhalb der deutschen Rechtsmedizin noch keinen strukturierten Diskurs. Ein solcher Diskurs erscheint nicht zuletzt deshalb geboten, weil jede Darstellung des Faches in den (Massen‑)Medien auch Implikationen für die Außensicht auf das Fach hat, z. B. auch für die Sicht von für die Weiterentwicklung des Faches relevanten Personen in der Politik und den Universitäts‑, Fakultäts- und Klinikleitungen. Rollenverständnis, Selbstdefinition und Haltung innerhalb des Fachs stehen zur Disposition, weshalb Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner, die Inhalte des Faches und das Fach an sich nach außen präsentieren möchten, gehalten sind, die oben angesprochenen rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen zu beachten und eine innere Haltung zu entwickeln, die verhindert, dass rechtsmedizinische Inhalte in Kontexten und Formaten so publiziert werden, dass involvierten Personen und dem Fach Rechtsmedizin Schaden droht.

Fazit für die Praxis

  • Eine breite Öffentlichkeit interessiert sich für die Rechtsmedizin. Daraus resultiert ein erhebliches mediales Kapital des Faches.

  • Je nach Art, Kontext und Format der Darstellung des Faches und seiner Inhalte können positive wie negative Effekte für involvierte Personen und das Fach resultieren.

  • Insbesondere bei Darstellung rechtsmedizinischer Inhalte in Massenmedien sind komplexe rechtliche und ethische Rahmenbedingungen zu beachten.

  • Der Übergang zwischen Information und Sensation ist fließend. Eine primär sensationsgetriebene Präsentation rechtsmedizinischer Inhalte erscheint problematisch.

  • Bilder Verstorbener sollten nur dann eingesetzt werden, wenn dies notwendig und auch verhältnismäßig ist.

  • Jede Darstellung des Faches in den (Massen‑)​Medien hat auch Implikationen für die Außensicht auf das Fach. Insoweit erscheint ein strukturierter Diskurs zur Mediatisierung der Rechtsmedizin innerhalb des Faches geboten.