Einleitung

Der Prototyp der Kettensäge geht auf die beiden schottischen Ärzte John Aitken und James Jeffray zurück [1]. Bereits im 18. Jh. wurde eine handbetriebene Kettensäge u. a. in der Geburtshilfe bei der Symphysiotomie (Durchtrennung des Bindegewebes und Knorpels zw. den beiden Schambeinästen zur Weitung des Beckens), aber auch bei chirurgischen Eingriffen zur Exzision geschädigter Knochen genutzt, welche, laut Jeffray, nur kleinere Wunden verursache und anliegende Nervengefäßstrukturen schone. Vom einst chirurgischen Nutzen kommt die Kettensäge heutzutage v. a. in der betrieblichen Forst- und Baumwirtschaft zum Einsatz. In den letzten Jahren hat insbesondere die vermehrte Handhabung im privaten Gebrauch zu einer Zunahme akzidenteller Kettensägenverletzungen geführt [1,2,3]. Diese spezielle Art der Verletzungen findet sich meist an Fingern und Oberschenkeln [4]. Darüber hinaus werden Verletzungen durch „kickbacks“ oder „Rückschlageffekte“ beschrieben, die sich gehäuft in Gesicht und Nacken finden [4,5,6,7,8]. Es handelt sich hierbei um Verletzungen, die entstehen, wenn die Spitze der Kettensäge plötzlich mit einem festen Gegenstand in Kontakt gerät und unkontrolliert zurückgestoßen wird [8].

Morphologisch kommt es bei Kontakt mit einer Kettensäge primär zu einem Zerreißen der Weichteile, nicht immer ist auch von einer Knochenbeteiligung auszugehen [4]. Meistens stehen die Verletzungen in Zusammenhängen mit überlebten Unfällen [4, 9]. Unfallbedingte Todesfälle spielen eine untergeordnete Rolle, ebenso wie Suizide oder Tötungsdelikte [3, 10, 11].

Im Rahmen einer rechtsmedizinischen Einschätzung derartiger Vorfälle ist neben der unmittelbaren, tatsächlichen Verletzungsbeurteilung v. a. die Rekonstruktion des Tathergangs essenziell. Es gilt hier, besonders die Vortäuschung eines Unfalls und somit eine Selbstbeibringung auszuschließen bzw. zu bestätigen. Im vorliegenden Fall wird die seltene Konstellation einer akzidentellen Kettensägenverletzung am Unterschenkel präsentiert. Mithilfe experimenteller Vergleichsversuche einer Kettensäge mit einem Messer und einer Glasscherbe werden die rechtsmedizinischen und wundmorphologischen Aspekte von Verletzungen analysiert und der aktuelle Fall rekonstruiert.

Kasuistik

Sachverhalt

Ein 22-jähriger Feinwerkmechaniker sei auf dem Gartengrundstück eines Bekannten durch dessen akkubetriebene Motorkettensäge erheblich am Unterschenkel verletzt worden. Er selbst habe nicht an den Gartenarbeiten teilgenommen und sei ca. 1–2 m vom Arbeitsplatz entfernt gestanden. Nachdem die Sägearbeiten beendet waren, habe der Verursacher das Schutzschild des Sägeblatts aufgezogen und dieses aufräumen wollen, die Kettensicherung sei nicht eingestellt worden. Er sei um den Geschädigten von vorne nach hinten herumgelaufen. Als ihm die Kettensäge aus der Hand zu gleiten drohte, weil er laut eigener Aussage gestolpert sei, habe er seinen Griff verfestigt und sei dabei an beide Gasknöpfe gekommen (Sicherheitsknopf und Startknopf), die das Sägeblatt in Bewegung gesetzt hätten. Die Schutzabdeckung sei dabei weggeschleudert worden, und die Säge habe den 22-Jährigen an der rechten Wade kurz unterhalb des Kniegelenks verletzt. Der Polizeinotruf sei sofort gewählt und nach Anweisung ein Druckverband angelegt worden. Man habe das Bein mit einem Gürtel abgebunden und bis zum Eintreffen des Notarztes hochgelagert.

In der Notaufnahme sei im Rahmen des klinischen Befundes eine dorsal an der Wade gelegene, geschätzt ca. 10 cm lange, horizontal verlaufende Wunde mit Durchtrennungen der Unterschenkelmuskulatur (M. gastrocnemius und M. soleus) diagnostiziert worden, welche keine Hinweise auf grobe Verschmutzung und aktive Blutung gezeigt hätte. Periphere Durchblutung, Motorik und Sensorik seien größtenteils intakt gewesen. Röntgenologisch seien eine knöcherne Beteiligung sowie vorhandene Fremdkörper ausgeschlossen worden.

Mittels Faszien‑, Subkutan- sowie Primärnaht seien die Wundversorgung erfolgt sowie die Anlage einer Redon-Drainage mit anschließender Ruhigstellung in einer Cast-Schiene in Spitzfußstellung. Eine prophylaktische Antibiotikagabe mit Cefuroxim 1,5 g als „single shot“ sei verabreicht und für den weiteren Verlauf ein Orthotech-Vario-Stabil-Schuh rezeptiert worden. Die Wundverhältnisse hätten sich im Verlauf reizlos gezeigt, und die Mobilisation unter Entlastung mit Unterarmgehstützen sei ohne Probleme erfolgt. Eine Vollbelastung im normalen Schuh mit Gelfersenkissen sei beidseits ca. 3–6 Monate postoperativ möglich gewesen.

Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung ca. 8 Monate nach dem Vorfall wurden vom Geschädigten weiterhin Funktionseinschränkungen, Hypästhesien, Kribbeln und Schmerzen des rechten Unterschenkels bei langem, dauerhaftem Gehen, Stehen, Hocken und Knien angegeben.

Eine rechtsmedizinische Begutachtung des Sachverhalts erfolgte durch Beauftragung der Versicherung des Geschädigten nach bereits erfolgter klinischer Behandlung und basierte somit primär auf den Krankenblattunterlagen und den im Krankenhaus angefertigten Lichtbildern. Die Fragestellung galt primär der Differenzierung einer Fremdverschuldung vs. Selbstbeibringung.

In den vorliegenden Unterlagen haben sich keine Hinweise auf eine Alkoholisierung oder Drogeneinnahme der Beteiligten ergeben.

Verletzung

Die Verletzung wurde vor ärztlicher Versorgung am Vorfallstag durch ein Lichtbild vor Ort im Krankenhaus dokumentiert (Abb. 1). Das Lichtbild wurde bei unzureichender Belichtung angefertigt; ein Maßstab wurde nicht verwendet. Die Wunde präsentiert sich als eine geschätzt 10 cm lange, komplexe, horizontal an der Wade verlaufende klaffende Verletzung, die eine ca. 7 cm tiefe Wundhöhle aufweist und durch eine Durchtrennung des M. gastrocnemius sowie des M. soleus gekennzeichnet ist. Der Schnittrand zeigt sich am distalen Bereich glatt begrenzt, ohne umgebenden Substanzverlust der Haut, Ablederung oder Schürfung. Der Wundrand der proximalen Schnittfläche ist unscharf begrenzt, mit feinfetziger, fransiger Zeichnung. Mittig des Unterrandes ist ein Hautfetzen zu sehen, der über die intakte Haut ragt. Die Beurteilung der Wundwinkel ist aufgrund der Blutantragungen, der verminderten Bildqualität und der Perspektive nur begrenzt möglich. Soweit beurteilbar zeigte sich hier eine eher feinfetzige Morphologie.

Abb. 1
figure 1

Verletzung des Geschädigten am rechten Unterschenkel

Kettensäge

Bei der sichergestellten Kettensäge (Abb. 2) handelt es sich um eine Stihl MSA 160C der Fa. Andreas Stihl AG & Co. KG mit einem Kettenschnellspannsystem, einem EC-Motor und der Quickstop-Super-Funktion [12]. Durch dieses zusätzliche Bremssystem stoppt die Sägekette bei starkem Rückschlag sowie beim Loslassen beider Knöpfe und bietet so vermehrten Schutz. Der Schalthebel ist nur durch Betätigung des Sperrknopfes zu entriegeln.

Abb. 2
figure 2

Motorsäge Stihl MSA 160C (Fa. Andreas Stihl AG & Co KG, Waiblingen, Deutschland)

Die Kettensäge hat eine zulässige Führungsschiene von maximal 350 mm/14″. An der Kettensäge selbst befindet sich eine Schiene, mit einer Schnittlänge von 30 cm/12″ und einer Stihl-Halbmeißelkette V1 mit einer Kettenteilung von 1/4 P″, einer Breite der Treibglieder von 1,1 mm und somit einer Kettenlänge von 64 × 1,1 mm = 70,4 mm, was einer Sägekette von 71 PM3 entspricht.

Die MSA 160C weist eine Nennspannung von 36 V bei einem Gewicht von 3,1 kg (ohne Akku und Sägekettenblattöl) auf und hat einen Schallleistungspegel von 95 dB (A) bei einem Schalldruckpegel von 84 dB (A) (K-Wert nach RL 2006/42/EG = 2,0 dB (A)). Sie wurde mit einem Akku AP 200, 187 Wh Akku-Energie bei 1,3 kg Gewicht betrieben [12].

Versuchsreihe

Material und Methoden

Der vom Beschuldigten und Geschädigten geschilderte Verletzungsablauf wurde anhand einer Schweinekeule (von Hüfte bis Haxe ohne Spitzfuß) nachgestellt. Die Schweinehaut wurde belassen (Borsten waren nicht zu sehen).

Die Keule wurde auf schon bestehende Hautrisse und Beschädigungen untersucht und anschließend für die ersten drei Schnitte auf einer Plastikfolie mit der Innenseite nach oben auf dem Boden ausgelegt. Für die weiteren Schnitte wurde die Keule gedreht und mit einer Hanfschnur an einer Eisenstage befestigt, um analog zum Unfallhergang die Position des verletzten Unterschenkels nachzustellen.

Die Kettensägeschnitte wurden mit der originalen Motorsäge des Unfallverursachers durchgeführt. Der Kettenschutz wurde für die Versuchsvorgänge entfernt.

Für Vergleichsschnitte wurde ein Konfitürenglas in einer Plastiktüte mit einem Stein zerschlagen, um einzelne Scherben zu erhalten. Die, für den Versuch verwendete Scherbe (Abb. 3), weist eine dreieckige Form mit scharfern Kanten auf. Sie misst am längsten Schenkel ca. 6,5 cm, am zweitlängsten 5 cm und am kürzesten 4,5 cm.

Abb. 3
figure 3

Glasscherbe für die Versuchsdurchführung

Zusätzlich wurde ein Küchenmesser (Abb. 4) mit einer Gesamtlänge von 24,5 cm und einer spitz zulaufenden Klinge mit einer Länge von ca. 13,5 cm für einen weiteren Schnitt genutzt.

Abb. 4
figure 4

Küchenmesser für die Versuchsdurchführung

Der Versuchsablauf sowie die Schnitte wurden mittels Digitalkamera vom Typ Canon EOS 250D fotografiert und gefilmt.

Ein männlicher Proband (Körperlänge ca. 180 cm, Körpergewicht ca. 80 kg) sowie eine weibliche Probandin (Körpergröße ca. 170 cm, Körpergewicht ca. 63 kg) führten die Schnitte aus unterschiedlichen Positionen durch. Dabei wurde die Motorsäge aus sicherheitstechnischen Gründen (entgegen dem Fall) mit beiden Händen geführt, um mögliche Verletzungen zu vermeiden.

Die Halteposition der Säge wurde zunächst, analog dem Unfall, mit einer Hand nachgestellt und sowohl Sperrknopf als auch Schaltknopf betätigt (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Halteposition der Säge mit einer Hand

Anschließend wurde, um das Verhalten der Motorsäge zu testen, mit der geraden Unterseite, ein tiefer Probierschnitt gemacht.

An der gleichen Seite folgten zwei weitere Schnitte mit der Spitze des Kettensägeblattes, jeweils in verschiedene Richtungen (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Schnitte 2 und 3 mit der Kettensäge

Um den Unfallhergang nachzustellen, wurde um die aufgestellte Schweinekeule seitlich von hinten nach vorne herum gegangen, die Säge einhändig aktiviert und anschließend mit beiden Händen ein horizontaler Schnitt gesetzt. Zum wundmorphologischen Vergleich wurde jeweils ein Schnitt mit dem Küchenmesser sowie mit der Glasscherbe gesetzt (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Kettensägeschnitt zum Vergleich mit dem Messer und der Glasscherbe

Ergebnisse

Es wurden 6 Schnitte mit der Kettensäge durchgeführt und mit Schnitten durch ein Messer und eine Scherbe verglichen (Tab. 1 und 2).

Tab. 1 Kettensägenschnitte
Tab. 2 Wundmorphologie im Vergleich

Die Wundränder der einzelnen Kettensägenschnitte stellten sich morphologisch sehr ähnlich dar. Dabei zeigten sich bei allen 6 Schnitten mit der Kettensäge jeweils eine hauptsächlich glatt begrenzte Wundrandseite und eine fetzige, zerrissene Seite. Jeweils liegen den Schnitten mit der Kettensäge im Schnittgebiet und unmittelbarer Wundumgebung kleine, subkutane, weißliche Fetzen auf. Wundwinkelbeginn und -ende der jeweiligen Schnitte unterschieden sich untereinander nur geringfügig, je nach Druckaufbau und Stellung der Säge. Zum größten Teil zeigte sich eine am Wundwinkelbeginn auftretende Abschürfung der Epidermis, die sich teils bis zu 2 cm entlang der Schnittführung zog und entsprechend auslief. Das Wundwinkelende zeigte zumeist einen senkrecht in die Tiefe ragenden Wunddefekt und imponierte durch eine fetzige, stumpf zulaufende Form. Die Schnitte stellten sich ohne Gewebsbrücken dar und reichten deutlich bis in die darunter liegende Muskulatur ohne, dass dafür vermehrter Druck aufgewandt werden musste.

Die Wundränder der Verletzungen mit Messer und Glasscherbe waren beidseits scharf begrenzt und glattrandig. Die Morphologie zeigte sich frei von Gewebsbrücken, und die Verletzungen waren nicht adaptierbar. Die Wundwinkel liefen beidseits spitz zu. Der Wundwinkelbeginn war auf die Subkutis begrenzt und verlief nach ca. 2 cm im Bereich der Wundmitte in die Tiefe, bis in die Muskulatur. Die muskuläre Schicht war auf einer Länge von 4 cm sichtbar, anschließend wurde der Schnitt wieder oberflächlicher und trat über die Subkutis zu Dermis und Epidermis. In der Wundumgebung waren keine Schürfungen abgrenzbar. Fetzige Teilstücke oder subkutanes, abgelöstes umliegendes Gewebe waren nicht ersichtlich.

Bei dem mit der Glasscherbe herbeigeführten 7 cm langen Schnitt musste ein deutlich höherer Druck, im Gegensatz zum Messer und zur Säge, ausgeübt werden, um die Schichten der Schweinehaut zu durchdringen. Die Schnitttiefe begrenzte sich größtenteils auf die Cutis.

Diskussion

Einschalten der Kettensäge

Das Experiment zeigt, dass es keineswegs ein Problem darstellt, die Gasknöpfe der Kettensäge mit einer Hand gleichzeitig zu betätigen, um die Säge zu aktivieren. Es ist nachvollziehbar und möglich, bei festem einhändigem Zupacken des Bedienungsgriffs, beide Knöpfe gleichzeitig zu aktivieren. Demnach kann in Bezug zum Unfallhergang gesagt werden, dass durch z. B. Stolpern und reflexhaftes Zugreifen mit der Hand, wie im aktuellen Fall, die Kettensäge in Gang gesetzt werden hätte können (Abb. 5).

Da eine einmalige Bedienung des Sperrknopfes ausreichend ist und keine kontinuierliche Betätigung benötigt wird, kann die Säge auch anschließend nur durch den Schalthebel weiter am Laufen gehalten werden [12].

Wundmorphologie

Kettensägenverletzungen unterscheiden sich grundsätzlich von Verletzungen mit scharfen Werkzeugen, wie Glasscherben oder Messer. Dies ist auf die unterschiedliche Beschaffenheit des Schneidewerkzeugs zurückzuführen. Während sowohl die Glasscherbe als auch das Messer eine scharfkantige Komponente aufweisen, ist bei der Kette der Säge von sog. halbscharfer Gewalt auszugehen. Die Verletzungsentstehung basiert hier auf einer Kombination von starker Tangentialkraft durch das rotierende Sägeblatt, schürfender bzw. ritzender Gewalteinwirkung durch die Schneidezähne und manuellem Druck. Die einzelnen Schneidezähne sind abwechselnd rechts und links angeordnet, ragen von der Basis senkrecht nach oben und knicken dann rechtwinklig nach innen ab. Somit liegen die Zähne parallel dem Sägegut auf und sind nicht, wie bei Messer und Glasscherbe, senkrecht dagegen gerichtet, was die unterschiedliche Wundmorphologie erklärt [4]. Man unterscheidet unterschiedliche Sägezahnformen (Flach‑, Wechsel‑, Hohl‑, Trapez‑, Dach- und einseitiger Spitzzahn), die eine prinzipiell vergleichende Wundmorphologie mit fetzigen, geschürften Wundrändern entstehen lassen [13].

Das Durchschneiden eines Schweinekadavers mittels einer Kettensäge ist problemlos möglich, wobei ein initial leichter Druck benötigt wird, um die Haut zu durchtrennen [3, 14]. Dieser Druck bestätigt sich bei unseren Versuchen. Die Motorsäge kann aber, im Gegensatz zum Messer und zur Glasscherbe, ohne starken Kraftaufwand die Haut der Schweinekeule durchtrennen.

Wie bei Reuhl et al. [3] zusammengefasst, ist eine Kettensägenverletzung morphologisch so charakteristisch, dass sie klar von Verletzungen anderer Werkzeuge abgegrenzt werden kann. Es werden parallele Hautwunden beschrieben, die eine Bildung von spitzen Hautlappen im Bereich des Wundwinkeleingangs aufweisen. Gleichzeitig wird eine Verunreinigung mit Fremdmaterial aufgeführt. Bei leichtem Druck rutscht die Säge über die Haut und verursacht oberflächliche Verletzungen; bei stärkerem Druck dringt sie ins Gewebe ein. Dies wurde auch in den vorliegenden Versuchsreihen sichtbar.

Bei den Versuchen mit der Kettensäge zeigen sich die charakteristischen, wundmorphologischen Gegebenheiten, die mit der Fallkonstellation übereinstimmen. Auf der einen Seite befindet sich eine vorzugsweise glatte Begrenzung des Wundrandes, während die gegenüberliegende Seite fetzig, zerrissenen und unscharf begrenzt ist. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließende, wundverursachende Materialien waren im aktuellen Fall Glasscherben oder Messer, die zu einer, zu scharfer Gewalt passenden Wundmorphologie mit glattrandig, begrenzter Wunde und spitz zulaufendem Wundwinkelende führen würden.

Das typische Aufklaffen der Wunde, wie im Fallbeispiel beschrieben, deckt sich nicht mit den Schnitten im Versuch.

Die typischen Merkmale einer Selbstbeibringung mit scharfer Gewalt sind grundsätzlich die Zugänglichkeit der Körperregion, die Lokalisation typischerweise an der nichtdominanten Körperseite und das Vorhandensein von sog. Zauderschnitten. Da die Handhabung einer Kettensäge komplexer ist als beispielsweise ein Messer, werden bei der Beurteilung von Kettensägeverletzungen diese Merkmale nur als hinweisgebend herangezogen. Wichtiger ist hierbei die Beurteilung der Wundmorphologie im Hinblick auf die angegebene Führung des Werkzeuges und die Lokalisation der Verletzung im Zusammenhang mit der angegebenen verrichteten Tätigkeit.

Die im Fall beschriebene, horizontale Schnittführung ist je nach Haltung des Beins des Geschädigten (z. B. angewinkelt nach hinten und auf den Zehenspitzen aufgestellt) oder dem Auftreffwinkel der Kettensäge zu verursachen und spricht nicht zwingend für eine mögliche Selbstbeibringung. Auch konnte die Verletzungsmorphologie in unseren Versuchen der beschriebenen Werkzeugführung entsprechend bestätigt werden.

Einschränkungen

Limitiert durch die geringe Anzahl der Versuche sind die vorliegenden Ergebnisse nur als hinweisgebend zu werten und müssen im Zusammenhang mit vorbestehenden Versuchsreihen [14,15,16] und publizierten Kasuistiken [3, 4, 7, 10] bewertet werden.

Aufgrund einer vergleichbaren Anatomie und Beschaffenheit ist die Schweinehaut ein geeignetes Simulanz für die des Menschen [17]. Dennoch muss beachtet werden, dass es sich um avitales Gewebe handelt und das tierische Simulanz nur in Teilen die Realität widerspiegelt.

Den Fall analog zu reproduzieren, ist aus sicherheitstechnischen Gründen nur eingeschränkt möglich gewesen. Dennoch sind die Ergebnisse als Anhaltspunkte zur Einschätzung für die Wundmorphologie bei Kettensägenverletzungen anzuwenden und lassen sich im vorliegenden Fall übertragen.

Schlussfolgerung

Vorhandene Berichte über Kettensägenverletzungen beziehen sich vermehrt auf Unfälle im Gesichtsbereich, dort am häufigsten verursacht durch Kickbacks. Auch selbstverschuldete Verletzungen an den Händen treten gehäuft auf. Akzidentelle Kettensägenverletzungen im Bereich des Unterschenkels im Zusammenhang mit der speziellen Wundmorphologie und abzugrenzenden Schnittverletzungen sind bisweilen nicht beschrieben.

Im hier vorliegenden Fall sind sowohl die Wundkonstellation als auch die Bedienung der Motorsäge mit nur einer Hand mit dem geschilderten Fall in Zusammenhang zu bringen und anzunehmen. Eine Selbstbeibringung der Verletzung ist als unwahrscheinlich zu sehen. Ein Tatwerkzeug wie ein Messer oder eine Glasscherbe kann ausgeschlossen werden.