Zusammenfassung
„Black esophagus“ oder „akute Ösophagusnekrose“ (AÖN) ist eine seltene Erkrankung, die sich makroskopisch durch eine zirkumferente Schwarzverfärbung der Ösophagusmukosa mit abruptem Ende am gastroösophagealen Übergang auszeichnet. Die genaue Pathogenese ist unbekannt; es werden multifaktorielle Einflüsse wie z. B. Säurereflux, Ischämie und verringerte Schutzmechanismen der Mukosa als mögliche Ursachen diskutiert.
Vorgestellt werden 2 Obduktionsfälle, die typische Befunde einer AÖN aufwiesen. Zusätzlich hatten Fall 1 eine Candida-Infektion und Fall 2 eine Appendizitis, sodass eine infektiöse Genese in beiden Fällen eine Rolle gespielt haben könnte.
Abstract
Black esophagus, also known as acute esophageal necrosis, is a rare disease characterized by a circumferential black discoloration of the esophageal mucosa with an abrupt stop at the gastroesophageal junction. The exact pathogenesis is unknown, but multifactorial influences, such as acid reflux, ischemia and reduced protective mechanisms of the mucosa are discussed as possible causes.
Two autopsy cases are presented with typical signs of a black esophagus. The first case showed an infection with Candida albicans, the second one died of appendicitis, so in both cases an infectious genesis might have played a role.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Hintergrund
„Black esophagus“ oder „akute Ösophagusnekrose“ (AÖN) bezeichnet eine seltene Erkrankung, bei der es zu einer zirkumferenten, nichtwegwischbaren, schwarzen Pigmentierung der Ösophagusschleimhaut kommt. Besonderes Kennzeichen hierbei ist das abrupte Ende der Schwarzverfärbung am gastroösophagealen Übergang [1]. Histopathologisch sind Nekrosen der Mukosa und Submukosa mit braun pigmentierten Zelltrümmern sowie Entzündungszellen bis in tiefere Schichten [2] nachweisbar, wobei es sich v. a. um neutrophile Granulozyten handelt [3]. Die Inzidenzen variieren in der Literatur bei endoskopisch geführten Untersuchungen in einem Bereich von 0,008–0,28 % [2, 4]. In Obduktionsfällen findet sich eine ähnliche Inzidenz mit einer Ausnahme von 10,3 % bei Jacobsen et al. aus dem Jahre 2003 [5]. Etwa ein Drittel der Erkrankten verstirbt im Zusammenhang mit einem „black esophagus“, der Großteil allerdings an den Folgen der Grunderkrankung [1]. Nur etwa 6 % der Erkrankten versterben unmittelbar an Komplikationen des Black esophagus [1]. Am häufigsten sind multimorbide Männer in der 6. Lebensdekade betroffen [6]. In einer Übersicht von 88 Fällen fasste Gurvits folgende Komorbiditäten als am häufigsten zusammen: Diabetes mellitus (24 %), Malignome (20 %), arterielle Hypertonie (20 %), Alkoholabusus (10 %) und koronare Herzkrankheit (9 %) [1]. Die Symptome einer AÖN entsprechen denen einer oberen gastrointestinalen Blutung: Kaffeesatzerbrechen, Bluterbrechen, Teerstuhl und Bauchschmerzen [2]. Die Ätiologie ist bis heute nicht richtig bekannt. In der Literatur wurde ein Zusammenspiel von Ischämie, Reflux und verringerten Schutzmechanismen der Ösophagusmukosa diskutiert [6]. In den letzten Jahren rückten sowohl die diabetische [6] als auch die alkoholische [3] Ketoacidose als wichtige Faktoren aufgrund der vasokonstriktorischen Wirkung von Ketonkörpern [3] in den Vordergrund.
Kasuistiken
Fall 1: Black esophagus mit Kandidose
Ein 53-jähriger Mann wurde leblos in der eigenen Wohnung aufgefunden. In den letzten 14 Tagen habe er über Magen-Darm-Probleme und einen Gewichtsverlust geklagt. Als Vorerkrankung sei ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bekannt gewesen. Der Verstorbene war äußerlich in einem reduzierten Pflege- und Ernährungszustand. Bei der Sektion zeigten sich in der unteren Speiseröhrenhälfte ringsum homogen schwarze, nichtabwischbare Verfärbungen. Distal endeten diese abrupt am gastroösophagealen Übergang (Abb. 1), proximal liefen diese in punktförmige, schwarze Verfärbungen aus (Abb. 2). Schwärzliche Flüssigkeit fand sich in den Atemwegen, der Speiseröhre, im Magen mit einer Menge von 500 ml und im Dünndarm bis auf Höhe der Ileozäkalklappe. In der Duodenalmukosa wiesen die Schleimhautfaltenspitzen schwärzliche Verfärbungen auf. Nebenbefundlich fanden sich ein Lungenödem, Zeichen einer chronischen Anämie, eine Fettleber, eine koronare Herzkrankheit (KHK) sowie eine Arteriosklerose. Die Untersuchungen auf Alkohol verliefen negativ in Urin und Oberschenkelvenenblut.
Histopathologisch dominierte in der Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung das Bild ausgeprägter, entzündlicher, v. a. aus neutrophilen Granulozyten bestehender Infiltrationen der Mukosa und Submukosa, nekrotischer Zelltrümmer und dunkler Pigmentablagerungen (Abb. 3) mit vollständigem Verlust der Epithelschicht. Am gastroösophagealen Übergang fand die Nekrose ein Ende, und es schloss sich, soweit bei ausgeprägt autolytischer Alteration beurteilbar, entzündungsfreies Magenschleimhautepithel an (Abb. 4). In der Periodsäure-Schiff(PAS)-Reaktion fiel in mehreren Abschnitten der nekrotischen Schleimhaut eine Vielzahl von Candida-typischen Pilzhyphen auf (Abb. 5).
(Fall 1) Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung: Histopathologisches Bild der akuten Ösophagusnekrose (AÖN): Nekrose der Ösophagusschleimhaut mit Infiltration von hauptsächlich neutrophilen Granulozyten. Dunkle Pigmentablagerungen in den oberflächlichen Schichten. Ein mehrschichtig unverhorntes Plattenepithel ist nicht mehr abzugrenzen
Als Todesursache wurden innere Blutungen bei Entzündung der Speiseröhre und des Zwölffingerdarms attestiert.
Fall 2: Black esophagus bei einer Appendizitis
Ein 60 Jahre alt gewordener Mann wurde leblos in der eigenen Wohnung aufgefunden. Zuvor habe er über Bauchschmerzen geklagt. Aus der Vorgeschichte seien ein Nikotinabusus und eine Behandlung mit einem Statin bekannt. In der Sektion zeigte sich im Bauchraum eine perforierte Appendizitis mit Vierquadrantenperitonitis. In der Nase, dem Mund und den Atemwegen grün-bräunlicher Inhalt. Die Ösophagusschleimhaut zeigte schwärzlich-grünliche, eher heterogen verfärbte, nichtabwischbare, zirkumferent verlaufende Schleimhautdefekte mit abruptem Ende am gastroösophagealen Übergang (Abb. 6). Im Magen fanden sich strichförmig konfluierende, schwärzliche Schleimhautdefekte im Fundusbereich und 1,5 l eines grün-bräunlichen Inhalts. Die Leber geringgradig verfettet. Nebenbefundlich konnten Zeichen einer Anämie, eine hochgradige Arteriosklerose und eine koronare Herzkrankheit festgestellt werden. Die Untersuchungen auf Alkohol ergaben eine Blutalkoholkonzentration von 0,0 ‰.
(Fall 2) Bildausschnitt mit proximalem Anteil des Ösophagus (unten rechts) und distalem Anteil, übergehend in den Magen (oben links). Scharfe Begrenzung der schwarzen Verfärbung des Ösophagus auf Höhe der Z‑Linie und punktförmige Ausläufer der Nekrose nach proximal, zudem erosive Veränderungen der Magenschleimhaut
Histopathologisch zeigte sich eine granulozytäre Entzündung der Mukosa und Submukosa mit nekrotisch verändertem Gewebe und dunklen Pigmentablagerungen (Abb. 7), die in ein autolytisch verändertes, entzündungsfreies Magenschleimhautepithel mündete. Im Gegensatz zu Fall 1 konnte jedoch kein Befall mit einem Candida-Pilz nachgewiesen werden.
(Fall 2) HE-Färbung: Typische nekrotisch-entzündliche Veränderungen im Bereich der Ösophagusschleimhaut (rechtsseitig, rote Pfeile) bei erhaltener Magenschleimhaut (linksseitig, blaue Pfeile) in der Übersicht des gastroösophagealen Übergangs (a) sowie im Detail (b Magenschleimhaut, c Ösophagusschleimhaut)
Als Todesursache wurde eine Peritonitis nach perforierter Appendizitis festgestellt.
Diskussion
Die vorliegenden Fälle wiesen mindestens eine der am häufigsten assoziierten Vorerkrankungen [1] auf und passten von Alter und Geschlecht in das Risikoprofil der AÖN.
Einfluss infektiöser Erreger
Der Verstorbene aus Fall 1 wies zusätzlich eine Kandidose auf. Infektionen wurden bereits mehrfach im Zusammenhang mit der AÖN beschrieben. Dabei handelte es sich um Viren wie das Herpes-simplex-Virus [2] oder das Zytomegalie-Virus [7], Bakterien wie Klebsiella pneumoniae [8] oder Lactobacillus acidophilus [9] und Pilze [10] wie Penicillium chrysogenum [11]. Ein Zusammenhang mit einer Kandidose wurde bislang in der englischsprachigen Literatur nur in wenigen Fällen genannt [2, 12,13,14], obwohl die Candida-Infektion des Magen-Darm-Trakts keine Rarität ist.
Die Person im 2. Fall verstarb an einer Peritonitis als Folge einer gedeckt perforierten Appendizitis. Bislang wurden nur 2 Fälle mit Peritonitis beschrieben [1], eine Appendizitis nach bisherigem Kenntnisstand jedoch nicht. Gurvits et al. analysierten 2007 in einer Übersichtsarbeit mit 88 Fällen die häufigsten Todesursachen. Systemische Infektionen und Sepsis waren mit 30 % die häufigste Todesursache im Zusammenhang mit einer AÖN [1].
Da in beiden vorliegenden Fällen Infektionen aufgetreten sind, unterstreicht dieser Fallbericht die Einordnung der Infektion als einen möglichen, relevanten Faktor für die Ausbildung einer AÖN.
Nekrosen in Magen und Duodenum
Fall 1 zeigte beginnende Schwarzverfärbungen an den Faltenspitzen des Duodenums und Fall 2 in der Magenschleimhaut, die makroskopisch als erosive Veränderungen imponierten. Duodenalulzera sind eine häufige Begleiterscheinung der AÖN [1]. Auch Erosionen der Magenschleimhaut wie im 2. Fall (Abb. 6) sind in früheren Fallserien – wenn auch insgesamt seltener – zusammen mit einer AÖN aufgetreten [3].
Eine mögliche Erklärung für diese Koinzidenzen wäre die gemeinsame arterielle Versorgung von distalem Ösophagus, Magen und dem proximalen Duodenum aus Ästen des Truncus coeliacus [15]. Eine Kasuistik von Ota et al., bei der ein „black duodenum“ zusammen mit einer AÖN auftrat und ein Aneurysma des Truncus coeliacus enthielt [16], bestärkt diese Annahme.
In der Regel ist der Magen jedoch – wie im Fall 1 – von Erosionen ausgespart [10]. Man vermutet, dass der Reflux von Mageninhalt in die Speiseröhre und in das Duodenum auf bereits ischämische Mukosa das gleichzeitige Auftreten von Ulzerationen in beiden Hohlorganen erklärt [2]. Der Magen kann sich jedoch im Gegensatz zum Ösophagus mithilfe schnellerer Reparaturmechanismen besser regenerieren [6]. Zusätzlich gibt es die Theorie, dass der Reflux in die Speiseröhre eine Hypoperfusion der Mukosa verursacht [17].
Fazit für die Praxis
-
„Black esophagus“ ist ein seltenes Phänomen. Es wird jedoch vermutet, dass es häufiger auftritt als angenommen. Bei dunkler Pigmentierung der Speiseröhre bis an den Rand der Z‑Linie ist an eine mögliche akute Ösophagusnekrose (AÖN) zu denken.
-
Die Ätiologie der AÖN ist nach wie vor nicht richtig verstanden. Die beiden vorgestellten Fälle geben deutliche Hinweise auf die Beteiligung einer Infektion am Pathomechanismus einer AÖN.
Literatur
Gurvits GE, Shapsis A, Lau N et al (2007) Acute esophageal necrosis: a rare syndrome. J Gastroenterol 42:29–38
Grudell AB, Mueller PS, Viggiano TR (2006) Black esophagus: report of six cases and review of the literature, 1963–2003. Dis Esophagus 19:105–110
Möller K, Tsokos M (2018) Black Esophagus. Rechtsmedizin 28:19–24
Augusto F, Fernandes V, Cremers MI et al (2004) Acute necrotizing esophagitis: a large retrospective case series. Endoscopy 36:411–415
Jacobsen NO, Christiansen J, Kruse A (2003) Incidence of oesophageal necrosis in an autopsy material. APMIS 111:591–594
Gurvits GE (2010) Black esophagus: acute esophageal necrosis syndrome. World J Gastroenterol 16:3219–3225
Trappe R, Pohl H, Forberger A et al (2007) Acute esophageal necrosis (black esophagus) in the renal transplant recipient: manifestation of primary cytomegalovirus infection. Transpl Infect Dis 9:42–45
Liu YH, Lin YS, Chen HJ et al (2009) Klebsiella pneumoniae deep neck infection with acute necrotizing esophagitis. South Med J 102:219
Mcmanus JPA, Webb JN (1975) A yeast-like infection of the esophagus caused by lactobacillus acidophilus. Gastroenterology 68:583–586
Soussan BE, Savoye G, Hochain P et al (2002) Acute esophageal necrosis: a 1-year prospective study. Gastrointest Endosc 56:213–217
Hoffman M, Bash E, Berger SA et al (1992) Fatal necrotizing esophagitis due to Penicillium chrysogenum in a patient with acquired immunodeficiency syndrome. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 11:1158–1160
Riascos MJ, Watts-Pajaro FA, Uribe-Buritica FL et al (2021) Sudden esophageal necrosis and mediastinitis associated with invasive candidiasis: a case report. Am J Case Rep 22:e928394
Sharma V, De A, Ahuja A et al (2016) Acute esophageal necrosis caused by candidiasis in a patient with systemic lupus erythematosus. J Emerg Med 51:77–79
Warraich MS, Majeed MB, Bashar A et al (2021) S2060 Candida esophagitis causing acute esophageal necrosis: a case report. J Am Coll Gastroenterol 116:S891–S892
Martins D, Marques R, Costa P et al (2021) The dark side of the esophagus. Autops Case Rep 11:e2021284
Ota I, Ono M, Fukuda R et al (2021) A case of black esophagus with duodenal involvement. Clin J Gastroenterol 14:975–979
Bass BL, Schweitzer E, Harmon J et al (1984) H+ back diffusion interferes with intrinsic reactive regulation of esophageal mucosal blood flow. Surgery 96:404–413
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
B. Stock, S. Möckel, C. Zander, H. Heinsen, S. Bohnert und M. Bohnert geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Die Untersuchungen erfolgten unter Einhaltung der Vorgaben der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer.
Additional information
![figure qr](http://media.springernature.com/lw685/springer-static/image/art%3A10.1007%2Fs00194-022-00593-x/MediaObjects/194_2022_593_Figqr_HTML.png?s=1)
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Stock, B., Möckel, S., Zander, C. et al. „Black esophagus“ – zwei Obduktionsfälle mit infektiöser Beteiligung. Rechtsmedizin 33, 206–210 (2023). https://doi.org/10.1007/s00194-022-00593-x
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00194-022-00593-x