Hintergrund

„Black esophagus“ oder „akute Ösophagusnekrose“ (AÖN) bezeichnet eine seltene Erkrankung, bei der es zu einer zirkumferenten, nichtwegwischbaren, schwarzen Pigmentierung der Ösophagusschleimhaut kommt. Besonderes Kennzeichen hierbei ist das abrupte Ende der Schwarzverfärbung am gastroösophagealen Übergang [1]. Histopathologisch sind Nekrosen der Mukosa und Submukosa mit braun pigmentierten Zelltrümmern sowie Entzündungszellen bis in tiefere Schichten [2] nachweisbar, wobei es sich v. a. um neutrophile Granulozyten handelt [3]. Die Inzidenzen variieren in der Literatur bei endoskopisch geführten Untersuchungen in einem Bereich von 0,008–0,28 % [2, 4]. In Obduktionsfällen findet sich eine ähnliche Inzidenz mit einer Ausnahme von 10,3 % bei Jacobsen et al. aus dem Jahre 2003 [5]. Etwa ein Drittel der Erkrankten verstirbt im Zusammenhang mit einem „black esophagus“, der Großteil allerdings an den Folgen der Grunderkrankung [1]. Nur etwa 6 % der Erkrankten versterben unmittelbar an Komplikationen des Black esophagus [1]. Am häufigsten sind multimorbide Männer in der 6. Lebensdekade betroffen [6]. In einer Übersicht von 88 Fällen fasste Gurvits folgende Komorbiditäten als am häufigsten zusammen: Diabetes mellitus (24 %), Malignome (20 %), arterielle Hypertonie (20 %), Alkoholabusus (10 %) und koronare Herzkrankheit (9 %) [1]. Die Symptome einer AÖN entsprechen denen einer oberen gastrointestinalen Blutung: Kaffeesatzerbrechen, Bluterbrechen, Teerstuhl und Bauchschmerzen [2]. Die Ätiologie ist bis heute nicht richtig bekannt. In der Literatur wurde ein Zusammenspiel von Ischämie, Reflux und verringerten Schutzmechanismen der Ösophagusmukosa diskutiert [6]. In den letzten Jahren rückten sowohl die diabetische [6] als auch die alkoholische [3] Ketoacidose als wichtige Faktoren aufgrund der vasokonstriktorischen Wirkung von Ketonkörpern [3] in den Vordergrund.

Kasuistiken

Fall 1: Black esophagus mit Kandidose

Ein 53-jähriger Mann wurde leblos in der eigenen Wohnung aufgefunden. In den letzten 14 Tagen habe er über Magen-Darm-Probleme und einen Gewichtsverlust geklagt. Als Vorerkrankung sei ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bekannt gewesen. Der Verstorbene war äußerlich in einem reduzierten Pflege- und Ernährungszustand. Bei der Sektion zeigten sich in der unteren Speiseröhrenhälfte ringsum homogen schwarze, nichtabwischbare Verfärbungen. Distal endeten diese abrupt am gastroösophagealen Übergang (Abb. 1), proximal liefen diese in punktförmige, schwarze Verfärbungen aus (Abb. 2). Schwärzliche Flüssigkeit fand sich in den Atemwegen, der Speiseröhre, im Magen mit einer Menge von 500 ml und im Dünndarm bis auf Höhe der Ileozäkalklappe. In der Duodenalmukosa wiesen die Schleimhautfaltenspitzen schwärzliche Verfärbungen auf. Nebenbefundlich fanden sich ein Lungenödem, Zeichen einer chronischen Anämie, eine Fettleber, eine koronare Herzkrankheit (KHK) sowie eine Arteriosklerose. Die Untersuchungen auf Alkohol verliefen negativ in Urin und Oberschenkelvenenblut.

Abb. 1
figure 1

(Fall 1) Ausschnitt des proximalen Teils des Ösophagus. Proximal ist im Bild oben, distal ist unten. Die Schwarzverfärbung endet proximal in punktförmigen Ausläufern. Das distale Ende schließt sich dem Ösophagus aus Abb. 1 unmittelbar an

Abb. 2
figure 2

(Fall 1) Ausschnitt des distalen Teils des Ösophagus mit gastroösophagealen Übergang. Im oberen Bildbereich sieht man die Schwarzverfärbung des Ösophagus, die in normal erscheinendes, autolytisch verändertes Magenepithel übergeht

Histopathologisch dominierte in der Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung das Bild ausgeprägter, entzündlicher, v. a. aus neutrophilen Granulozyten bestehender Infiltrationen der Mukosa und Submukosa, nekrotischer Zelltrümmer und dunkler Pigmentablagerungen (Abb. 3) mit vollständigem Verlust der Epithelschicht. Am gastroösophagealen Übergang fand die Nekrose ein Ende, und es schloss sich, soweit bei ausgeprägt autolytischer Alteration beurteilbar, entzündungsfreies Magenschleimhautepithel an (Abb. 4). In der Periodsäure-Schiff(PAS)-Reaktion fiel in mehreren Abschnitten der nekrotischen Schleimhaut eine Vielzahl von Candida-typischen Pilzhyphen auf (Abb. 5).

Abb. 3
figure 3

(Fall 1) Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung: Histopathologisches Bild der akuten Ösophagusnekrose (AÖN): Nekrose der Ösophagusschleimhaut mit Infiltration von hauptsächlich neutrophilen Granulozyten. Dunkle Pigmentablagerungen in den oberflächlichen Schichten. Ein mehrschichtig unverhorntes Plattenepithel ist nicht mehr abzugrenzen

Abb. 4
figure 4

(Fall 1) HE-Färbung: Ausschnitt des gastroösophagealen Übergangs: Rechts im Bild sind Ansammlungen nekrotischen Materials erkennbar, die Richtung distal (nach links) auslaufen und sich nicht entzündlichem Magenepithel anschließen

Abb. 5
figure 5

(Fall 1) Periodsäure-Schiff(PAS)-Reaktion: Ösophagusschleimhaut mit PAS-positivem Pilzbefall, wahrscheinlich Candida albicans (a Übersicht), sowohl in oberflächlichen Lagen (b) als auch in tiefen Gewebsschichten (c)

Als Todesursache wurden innere Blutungen bei Entzündung der Speiseröhre und des Zwölffingerdarms attestiert.

Fall 2: Black esophagus bei einer Appendizitis

Ein 60 Jahre alt gewordener Mann wurde leblos in der eigenen Wohnung aufgefunden. Zuvor habe er über Bauchschmerzen geklagt. Aus der Vorgeschichte seien ein Nikotinabusus und eine Behandlung mit einem Statin bekannt. In der Sektion zeigte sich im Bauchraum eine perforierte Appendizitis mit Vierquadrantenperitonitis. In der Nase, dem Mund und den Atemwegen grün-bräunlicher Inhalt. Die Ösophagusschleimhaut zeigte schwärzlich-grünliche, eher heterogen verfärbte, nichtabwischbare, zirkumferent verlaufende Schleimhautdefekte mit abruptem Ende am gastroösophagealen Übergang (Abb. 6). Im Magen fanden sich strichförmig konfluierende, schwärzliche Schleimhautdefekte im Fundusbereich und 1,5 l eines grün-bräunlichen Inhalts. Die Leber geringgradig verfettet. Nebenbefundlich konnten Zeichen einer Anämie, eine hochgradige Arteriosklerose und eine koronare Herzkrankheit festgestellt werden. Die Untersuchungen auf Alkohol ergaben eine Blutalkoholkonzentration von 0,0 ‰.

Abb. 6
figure 6

(Fall 2) Bildausschnitt mit proximalem Anteil des Ösophagus (unten rechts) und distalem Anteil, übergehend in den Magen (oben links). Scharfe Begrenzung der schwarzen Verfärbung des Ösophagus auf Höhe der Z‑Linie und punktförmige Ausläufer der Nekrose nach proximal, zudem erosive Veränderungen der Magenschleimhaut

Histopathologisch zeigte sich eine granulozytäre Entzündung der Mukosa und Submukosa mit nekrotisch verändertem Gewebe und dunklen Pigmentablagerungen (Abb. 7), die in ein autolytisch verändertes, entzündungsfreies Magenschleimhautepithel mündete. Im Gegensatz zu Fall 1 konnte jedoch kein Befall mit einem Candida-Pilz nachgewiesen werden.

Abb. 7
figure 7

(Fall 2) HE-Färbung: Typische nekrotisch-entzündliche Veränderungen im Bereich der Ösophagusschleimhaut (rechtsseitig, rote Pfeile) bei erhaltener Magenschleimhaut (linksseitig, blaue Pfeile) in der Übersicht des gastroösophagealen Übergangs (a) sowie im Detail (b Magenschleimhaut, c Ösophagusschleimhaut)

Als Todesursache wurde eine Peritonitis nach perforierter Appendizitis festgestellt.

Diskussion

Die vorliegenden Fälle wiesen mindestens eine der am häufigsten assoziierten Vorerkrankungen [1] auf und passten von Alter und Geschlecht in das Risikoprofil der AÖN.

Einfluss infektiöser Erreger

Der Verstorbene aus Fall 1 wies zusätzlich eine Kandidose auf. Infektionen wurden bereits mehrfach im Zusammenhang mit der AÖN beschrieben. Dabei handelte es sich um Viren wie das Herpes-simplex-Virus [2] oder das Zytomegalie-Virus [7], Bakterien wie Klebsiella pneumoniae [8] oder Lactobacillus acidophilus [9] und Pilze [10] wie Penicillium chrysogenum [11]. Ein Zusammenhang mit einer Kandidose wurde bislang in der englischsprachigen Literatur nur in wenigen Fällen genannt [2, 12,13,14], obwohl die Candida-Infektion des Magen-Darm-Trakts keine Rarität ist.

Die Person im 2. Fall verstarb an einer Peritonitis als Folge einer gedeckt perforierten Appendizitis. Bislang wurden nur 2 Fälle mit Peritonitis beschrieben [1], eine Appendizitis nach bisherigem Kenntnisstand jedoch nicht. Gurvits et al. analysierten 2007 in einer Übersichtsarbeit mit 88 Fällen die häufigsten Todesursachen. Systemische Infektionen und Sepsis waren mit 30 % die häufigste Todesursache im Zusammenhang mit einer AÖN [1].

Da in beiden vorliegenden Fällen Infektionen aufgetreten sind, unterstreicht dieser Fallbericht die Einordnung der Infektion als einen möglichen, relevanten Faktor für die Ausbildung einer AÖN.

Nekrosen in Magen und Duodenum

Fall 1 zeigte beginnende Schwarzverfärbungen an den Faltenspitzen des Duodenums und Fall 2 in der Magenschleimhaut, die makroskopisch als erosive Veränderungen imponierten. Duodenalulzera sind eine häufige Begleiterscheinung der AÖN [1]. Auch Erosionen der Magenschleimhaut wie im 2. Fall (Abb. 6) sind in früheren Fallserien – wenn auch insgesamt seltener – zusammen mit einer AÖN aufgetreten [3].

Eine mögliche Erklärung für diese Koinzidenzen wäre die gemeinsame arterielle Versorgung von distalem Ösophagus, Magen und dem proximalen Duodenum aus Ästen des Truncus coeliacus [15]. Eine Kasuistik von Ota et al., bei der ein „black duodenum“ zusammen mit einer AÖN auftrat und ein Aneurysma des Truncus coeliacus enthielt [16], bestärkt diese Annahme.

In der Regel ist der Magen jedoch – wie im Fall 1 – von Erosionen ausgespart [10]. Man vermutet, dass der Reflux von Mageninhalt in die Speiseröhre und in das Duodenum auf bereits ischämische Mukosa das gleichzeitige Auftreten von Ulzerationen in beiden Hohlorganen erklärt [2]. Der Magen kann sich jedoch im Gegensatz zum Ösophagus mithilfe schnellerer Reparaturmechanismen besser regenerieren [6]. Zusätzlich gibt es die Theorie, dass der Reflux in die Speiseröhre eine Hypoperfusion der Mukosa verursacht [17].

Fazit für die Praxis

  • „Black esophagus“ ist ein seltenes Phänomen. Es wird jedoch vermutet, dass es häufiger auftritt als angenommen. Bei dunkler Pigmentierung der Speiseröhre bis an den Rand der Z‑Linie ist an eine mögliche akute Ösophagusnekrose (AÖN) zu denken.

  • Die Ätiologie der AÖN ist nach wie vor nicht richtig verstanden. Die beiden vorgestellten Fälle geben deutliche Hinweise auf die Beteiligung einer Infektion am Pathomechanismus einer AÖN.