Die angeschriebenen Studios befanden sich ausschließlich in Europa (Tab. 3). Von den 120 angeschriebenen Studios antworteten 58 (48,3 %).
Tab. 3 Ursprungsländer der angeschriebenen Studios Von 58 Studios lehnten 49 (84,5 %) Eyeball tattoos kategorisch ab. Sieben von den 58 Studios, die geantwortet hatten und selbst keine Augapfeltätowierungen anboten, gaben jedoch Empfehlungen, welches Studio oder welcher Tattoo-Artist zur Realisierung kontaktiert werden könnte. Zwei der Angebote wurden ins private Umfeld adressiert. Dieser Tipp bezog sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auf einen Anbieter aus dem nichteuropäischen Ausland. Konkret wurde 4‑mal die Auskunft gegeben, dass ein Gasttätowierer aus Australien periodisch auf „Tournee“ ginge und dabei u. a. Augapfeltätowierungen auch in verschiedenen Städten Europas anböte. Eine nachrangige Kontaktaufnahme mit diesen Studios oder mit Gasttätowierern erfolgte nicht.
Von den 9 Studios, die eine Augapfeltätowierung anboten, befanden sich je 2 in der Schweiz, Ungarn und in England, je ein Studio in Belgien, Deutschland und in Frankreich. Eine exakte Erfassung der Häufigkeit wurde in keinem der Studios durchgeführt. Zwei Studios schätzten die Zahl auf ca. 5 bis 10 Prozeduren/Jahr, 2 auf etwa 2 Sitzungen/Monat, der Rest gab Augapfeltätowierungen als seltenen bis sporadischen Kundenwunsch an. Die Studios mit geschätzten 10 bis 20 Prozeduren/Jahr böten episklerale Tätowierungen seit 5 resp. 7 Jahren an. Auch wenn somit die genaue Anzahl durchgeführter Augapfeltätowierungen unklar bleibt, nehmen sie bei allein in Deutschland über 2 Mio. Tätowierungen jährlich offenkundig nach wie vor nur einen extrem geringen Anteil ein.
Nachdem via E‑Mail ein eigenes Interesse der Adressaten an einer Augapfeltätowierung signalisiert wurde, meldeten sich 6 Studios (einmal Deutschland, einmal Frankreich, 2‑mal Ungarn, einmal Schweiz, einmal England) zusätzlich zur allgemeinen Auskunft auch direkt per E‑Mail und in einem Fall zusätzlich telefonisch, um weitere Details zu erörtern. In allen Fällen erfolgte spontan eine umfangreichere Aufklärung über die potenziellen gesundheitlichen Risiken. Die Tätowierer aus 5 dieser 6 Studios gaben an, niemals schwerere Komplikationen im Sinne eines Augen- oder Visusverlustes an ihren eigenen Kunden beobachtet zu haben. Von den 6 antwortenden Studios berichteten alle über sporadisch beobachtete unerwünschte Nebenwirkungen geringfügiger Art. Nur ein Studio räumte die Erfahrung einer ernsten Komplikation mit lang anhaltender Entzündung ein, die beinahe zu einem vollständigen Visusverlust geführt habe, betonte jedoch gleichermaßen, dass sich die Sehleistung über die Zeit wieder stabilisiert habe. Als häufigste Nebenwirkung wurde eine über Wochen persistierende Lichtempfindlichkeit angegeben. Ein Studio gab die grobe Schätzung ab, in ca. jedem 10. Fall eine Pigmentwanderung in die periorbitalen Gewebeschichten zu beobachten, und äußerte zudem die Vermutung, dass diese Komplikation in anderen Studios u. U. häufiger sei. Nur 3 Studios wollten Auskunft über die verwendeten Tattoo-Farben geben und berichteten, dass eine unzureichende Verdünnung mit NaCl die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Pigmentwanderungen deutlich erhöhen würde. In einem Fall wurde die Prozedur wegen schmerzhaften Brennens abgebrochen, das laut Auskunft des Betroffenen trotz abschwellender Augentropfen ca. eine Woche anhielt (Abb. 3).
Ein Tätowierer teilte seine Beobachtung nach Nutzung von grünem Tee als farbige Lösung bei 2 weiblichen Kundinnen mit, nachdem er diese Methode in Australien erstmalig gesehen hatte und Recherchen angestellt hatte. Er nahm an, dass sich die pastellfarbenen Einfärbungen der Skleren nach Injektion mit Tee mit der Zeit zurückbilden würden. Bei einer der beiden Frauen sei 2 Jahre später eine diskrete Augendruckerhöhung festgestellt worden, weshalb er diese Praxis wieder aufgegeben habe und nur noch „sichere Farben“ verwende [8, 14].
Drei Studios (D, CH, H) verlangten eine persönliche Vorstellung vorab (d. h. nicht am Tag der Prozedur) zur weiteren Beratung. Ein Studio kündigte eine umfangreiche Aufklärung am Sitzungstermin an. Ein Studio aus der Schweiz verlangte eine vorherige augenärztliche Untersuchung, um kontraindizierende Augenerkrankungen vorab auszuschließen. Das gleiche Studio forderte ferner einen Allergietest auf die konkret gewünschte Tätowierfarbe, deren Bestandteile durch den Tätowierer vorab mitgeteilt wurden. Nur 2 der 9 Studios lehnten eine beiderseitige Augentätowierung in einer Sitzung aus Sicherheitsgründen ab. Anzahlungen wurden in 2 Fällen gefordert, die angekündigten Preise lagen bei 300–700 €/Auge.
Der Onlinefragebogen wurde bis zum 25.12.2021 insgesamt 88-mal aufgerufen und 26-mal beantwortet. Dies entspricht einer Quote von 29,5 %. Aus beiden Foren wurde der Weblink zum Fragebogen nach 2 bis 4 Tagen vom Administrator der Gruppen offensichtlich entfernt. Der Zugangscode wurde insgesamt 3‑mal in die Forumgruppe eingestellt.
Von den 26 antwortenden Personen (11-mal Frauen, 14-mal Männer, einmal diverses Geschlecht) mit Augapfeltätowierungen dominierte mit 61,5 % „schwarz“ als gewählte Sklerenfarbe, gefolgt von „blau“ (23,1 %) und „grün“ (11,5 %). Über 90 % ließen sich beide Augen einfärben, bei ca. jeder vierten Prozedur wurde das zweite Auge frühestens am Folgetag tätowiert (Abb. 4).
Das Alter der Personen dieser Gruppe lag zwischen 19 und 54 Jahren (Mittelwert 31,4 Jahre). Die Frauen waren mit 27,9 Jahren durchschnittlich jünger als die Männer (34,7 Jahre); der Unterschied war signifikant, p = 0,028 (Abb. 5).
Die Prozedur wurde von 50 % der Teilnehmer als weitgehend schmerzfrei, von ca. 37,5 % als deutlich weniger schmerzhaft (im Vergleich zu Hauttätowierungen) und von 12,5 % als moderat schmerzhaft bezeichnet bzw. als vergleichbar schmerzhaft zu klassischen Hauttätowierungen erlebt.
Bei 9 Probanden (34,6 %) wurde ein Lokalanästhetikum verwendet, in insgesamt 7 Fällen (27 %) wurden im Anschluss prophylaktisch antibiotikahaltige Augentropfen empfohlen und auch genommen. Die Tropfen wurden dabei in insgesamt 7 Fällen vom Studio beschafft.
Die subjektiv erlebte Dauer der Prozedur (Kerntätigkeit der Farbinjektionen) wurde von allen als kurz (weniger als 20 min) beschrieben, in der Mehrzahl der Fälle (54 %) dauerte die Farbinjektion weniger als 10 min, in 19 % der Fälle reichten weniger als 5 min aus, um die Färbung der Skleren erfolgreich zu beenden.
Von den 26 antwortenden Probanden mit tätowierten Skleren klagte eine Person über Sehstörungen, indes niemand über eine Verschlechterung der Visusleistung. Relativ häufig wurden milde, lokale Irritationen, z. B. ein Brennen der Lidbindehäute und ein vermehrter Tränenfluss, angegeben (42,6 %), drei Personen beschrieben ein latentes Fremdkörpergefühl sowie eine weitere Person eine über Wochen anhaltende Lichtempfindlichkeit. Ein Mann (blaue Farbe) und eine Frau (schwarze Farbe) gaben eine deutlich sichtbare Pigmentwanderung in die Unterlidregion an, entsprechende Beobachtungen auf Tattoo Conventions bestätigten die sichtliche kosmetische Beeinflussung der Orbitaregion bereits aus mehreren Metern Entfernung.
Der subjektive Heilungsprozess dauerte im Mittel 8,8 ± 5,5 Tage bis max. 3 Wochen. Jeder Fünfte berichtete über länger anhaltende, migräneartige Kopfschmerzen nach dem Tätowieren der Augäpfel. Allergische Komplikationen traten in einem einzigen Fall von passagerer Dauer (2 Tage) auf.
Alle interviewten Personen besaßen mindestens eine weitere Tätowierung; auffällig häufig waren die Raten von Piercings oder „flesh tunnels“ (75 %), aber auch von Gesichtstattoos (62,5 %). Drei Personen (12,5 %), davon 2 Frauen, hatten sich zudem die Zunge spalten lassen, 6 Personen besaßen sog. Implantate (Höcker, Ringe usw.).
Eine detaillierte Aufklärung bestätigten mit Ausnahme eines Teilnehmers alle Tätowierten. In jeder 4. Aufklärung wurde jedoch das Risiko eines vollständigen Visusverlustes nicht explizit aufgeführt bzw. verschwiegen. Eine schriftliche Einverständniserklärung mussten 22 Kunden (84,6 %) unterschreiben. Nur in 3 Fällen wurde im Anschluss an die Aufklärung eine Bedenkzeit von mindestens 24 h verlangt; zwei Teilnehmer (beides Männer über 40 Jahre) berichteten, aufgefordert worden zu sein, im Vorfeld einen augenärztlichen Gesundheitscheck durchführen zu lassen. Über die möglichen medizinischen Konsequenzen fühlten sich alle Personen hinreichend aufgeklärt; sie hätten sich umfangreich über das Internet informiert. Zwei Personen hatten sich seit der Tätowierung der Skleren bei einem Augenarzt vorgestellt. Ein Augenarzt habe die Behandlung abgelehnt.
Soziale Konsequenzen habe das Einfärben der Augen für 2 Personen gebracht. Ein Mann sei vom Partner verlassen worden und habe Schwierigkeiten beim Finden einer Arbeitsstelle gehabt, im 2. Fall hätten sich die Eltern einer Frau ein ganzes Jahr lang geweigert, mir ihr zu reden, und sie aufgefordert, die schwarze Farbe entfernen zu lassen. Als sie begriffen hätten, dass dies unmöglich sei, hätten sie eingelenkt. 19 Probanden (ca. 73 %) gingen – laut eigenen Angaben – zuletzt einer geregelten Arbeit nach, wobei 4 Personen selbst in einem Tattoo-Studio beschäftigt waren. Nur 3 weitere Personen arbeiteten in Bereichen mit Publikumsverkehr; eine Person war als Krankenpfleger beschäftigt. Erfahrungen mit sozialer Ablehnung berichteten alle Träger, dabei wurde jedoch angegeben, dass sie im Vergleich sehr viel öfter positive Reaktionen erführen. Keine der 26 Personen bedauerte ihre Entscheidung, wohlwissend, dass es keine Möglichkeit gibt, die Einfärbung der Skleren rückgängig zu machen.