Hintergrund und Fragestellung

Die n‑Propanol-Konzentration stellt einen wichtigen Parameter bei der Analyse auf Begleitstoffe und deren Bewertung dar, insbesondere hinsichtlich der Plausibilitätsprüfung von Nachtrunkangaben. Seit geraumer Zeit wird diskutiert, ob n‑Propanol einen endogenen Ursprung hat [3]. Aktuelle Forschungsergebnisse unterstützen diese These [1]. Mechanismus und Ort der Entstehung sind bisher unbekannt. Diskutiert wird als ein möglicher Ort vor allem der Darm [5]. Grundsätzlich wäre auch eine Bildung in der Leber möglich. Zur Überprüfung einer möglichen endogenen Bildung von n‑Propanol im Gastrointestinaltrakt erfolgte die i.v.-Gabe von Ethanol unter Umgehung der Magen-Darm-Passage.

Studiendesign und Untersuchungsmethode

Materialien

  • Alkoholkonzentrat, 95 %ig (Fa. B. Braun, Melsungen, Deutschland),

  • Infusion mit 0,9 %iger Kochsalzlösung (500 ml Beutel) (Fa. Fresenius, Bad Homburg, Deutschland),

  • Octenisept (Fa. Schülke, Norderstedt, Deutschland),

  • Qualitätskontrollen Ethanol 0,1g/l; 0,2 g/l; 0,5 g/l; 1,1 g/l; 3,0 g/l (Fa. ACQ Science GmbH, Rottenburg-Hailfingen, Deutschland),

  • wässrige Ethanolstandardlösungen 0,1 g/l; 0,2 g/l; 0,5 g/l; 1,0 g/l; 2,0 g/l; 3,0 g/l; 4,0 g/l (Fa. Medichem, Steinenbronn, Deutschland),

  • Leerserum Medidrug® Basis-line S (Fa. Medichem, Steinenbronn, Deutschland),

  • Qualitätskontrolle Medidrug® BGS Level 5, BGS Level 4 (Fa. Medichem, Steinenbronn, Deutschland),

  • tertiär Butanol, Aceton, Butanon (Ethylmethylketon), Isopropanol, n‑Propanol, 1‑Butanol, 2‑Butanol, Isobutanol und 3‑Methyl-1-Butanol (zur Analyse) (Fa. Merck, Darmstadt, Deutschland),

  • Natriumsulfat (Na2SO4) (wasserfrei) (Fa. Merck, Darmstadt, Deutschland),

  • 2‑Methyl-1-Butanol (zur Synthese) (Fa. Merck, Darmstadt, Deutschland),

  • Acetaldehyd (wasserfrei) (zur Analyse) (Fa. Sigma-Aldrich, Darmstadt, Deutschland),

  • Intrafix SafeSet (Fa. B. Braun, Melsungen, Deutschland),

  • Braunüle (rosa 20 G) (Fa. B. Braun, Melsungen, Deutschland),

  • Spritze (Fa. BD Becton Dickinson, Heidelberg, Deutschland),

  • Microlance (0,8 × 40 mm) (Fa. BD Becton Dickinson, Heidelberg, Deutschland),

  • Monovette 9 ml und Adapter (Fa. Sarstedt, Nümbrecht, Deutschland),

  • Verschlusskappen (Fa. B. Braun, Melsungen, Deutschland),

  • Röhrchen 13 ml (95 × 16,8 mm) und Eindrückstopfen (Fa. Sarstedt, Nümbrecht, Deutschland),

  • Heraeus Megafuge 40 Centrifuge (Fa. ThermoFisher Scientific, Langenselbold, Deutschland),

  • Atemalkoholmessgerät Dräger 6510, Drägerwerk AG Co, Lübeck, Deutschland

  • AutoSystem (DB‑1 Kapillarsäule (Länge 30 m, ID 0,32 mm, Filmdicke 5 μm), Flammenionisationsdetektor (FID), Probengeber HS 40 (Blutalkoholanalyse) (Fa. Perkin-Elmer, Rodgau, Deutschland)),

  • Clarus 500 Trap (ZB-624 Kapillarsäule (Länge 60 m, ID 0,32 mm, Filmdicke 1,8 μm), FID, Probengeber TurboMatrix 110 Trap (Begleitstoffanalyse) (Fa. Perkin-Elmer, Rodgau, Deutschland))

Studiendesign

An dem hier beschriebenen Pilotversuch nahm eine 54-jährige männliche Versuchsperson (Körpergewicht 83 kg, Körperlänge 178 cm, Body Mass Index (BMI) 26) mit mittlerer Alkoholgewöhnung (Alkoholkonsum an Wochenenden) teil.

Im Rahmen der Versuchsdurchführung wurde eine Ethanolmenge verabreicht, welche eine theoretische Blutalkoholkonzentration von etwa 1,0 ‰ zur Folge haben sollte. Dafür wurden je 26,6 ml des Alkoholkonzentrats in einen 500 ml fassenden Infusionsbeutel mit 0,9 %iger Kochsalzlösung überführt. Nach der Entnahme einer Nullprobe erfolgte die ethanolhaltige Infusion innerhalb 1 h über die linke Armvene, während über eine Verweilkanüle in der rechten Armvene die Blutproben entnommen wurden. Die Zeiten des jeweiligen Wechsels der Infusionsbeutel sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Grafische Darstellung der Konzentrationsverläufe von Ethanol, Methanol und n‑Propanol über die Zeit

Die erste Blutprobennahme erfolgte 10 min nach Beginn der Infusion. Aufgrund von abweichenden Durchflussgeschwindigkeiten der Infusionslösung wurden die Probennahmezeiten während der Dauer der Infusion auf etwa 20 min angepasst. Nach Beendigung der Infusion wurden die Proben wieder in einem Abstand von etwa 10 min genommen. Zur Abschätzung der erreichten BAK wurde gegen Ende der Infusion die Atemalkoholkonzentration mit dem Messgerät Dräger 6510 bestimmt. Eine weitere Messung erfolgte 4 min nach der ersten Atemalkoholmessung sowie nach Beendigung der Infusion in etwa parallel zu jeder Blutentnahme. Nach Beendigung des Versuchs wurden die Blutproben zentrifugiert und der Serumüberstand abgenommen. Die Serumproben wurden bis zur Analyse bei −20 °C gelagert. In allen im Rahmen des Versuchs erhaltenen Proben wurde jeweils die Ethanol- und die Begleitstoffkonzentration bestimmt.

Analysenmethode

Die Begleitstoffanalyse erfolgte auf einem Gaschromatographen Clarus 500 Trap mit einem FID unter Anwendung des folgenden Temperaturgradienten: 50 °C Plateau über 10 min, anschließend mit 5 °C/min bis 100 °C heizen, 100 °C Plateau über 4 min, mit 20 °C/min bis 200 °C heizen, 200 °C Plateau über 4 min, 2 min Abkühlphase und Äquilibrierungszeit.

Präparation der Serumproben: 200 μl Serumprobe wurden mit 50 μl tertiärem Butanol (5 mg/l, interner Standard) und 0,2 g Na2SO4 in ein Head-Space-Röhrchen gegeben und mit einem Septum und einer Aluminiumkappe gasdicht verschlossen. Eine Leerprobe (100 μl Aqua dest.) und die Qualitätskontrollproben wurden in analoger Weise vorbereitet.

Für die Kalibration wurden 7 Konzentrationslevel aus einer Stammlösung (Aceton und Methanol 2000 mg/l, Isopropanol 400 mg/l, 2‑Butanon, n‑Propanol, 2‑Butanol, 1‑Butanol, Isobutanol, 2‑Methyl-1-Butanol, 3‑Methyl-1-Butanol und Acetaldehyd, jeweils 200 mg/l) hergestellt. Die unteren Nachweis- und Bestimmungsgrenzen dieser Methode wurden entsprechend den Richtlinien der GTFCh unter Verwendung des Programms Valistat ermittelt und liegen für n‑Propanol bei 0,025 mg/l bzw. 0,05 mg/l.

Die Bestimmungen der Blutalkoholkonzentration (BAK) wurden auf einem Gaschromatographen AutoSystem, ausgerüstet mit einem FID, entsprechend dem akkreditierten Standardverfahren durchgeführt (untere Nachweisgrenze 0,05 ‰, untere Bestimmungsgrenze 0,10 ‰).

Die Auswertung der Resultate erfolgte mittels der Software TotalChrom (Perkin Elmer, Rodgau, Deutschland). Alle bestimmten Konzentrationen wurden auf 2 relevante Nachkommastellen abgeschnitten.

Ergebnisse

Über die gesamte Dauer des Versuchs war eine ansteigende Konzentration an n‑Propanol im Blut der Versuchsperson zu beobachten (Tab. 1; Abb. 1). In der initialen Nullprobe waren weder Ethanol noch n‑Propanol nachweisbar. Bereits 10 min nach dem Beginn der i.v.-Ethanol-Gabe lag eine n‑Propanol-Konzentration von 0,05 mg/l vor. Im Verlauf des Versuchs zeigte sich eine Erhöhung der Konzentration bis auf einen Wert von 0,24 mg/l n‑Propanol. Die Blutalkoholkonzentration stieg auf einen maximalen Wert von 1,10 ‰ an und fiel dann bis zum Ende des Versuchs auf einen Wert von 0,82 ‰ ab. Die Methanolkonzentration in der initialen Blutprobe betrug 0,74 mg/l. Die Methanolkonzentration erhöhte sich während des Versuchs auf einen maximalen Wert von 1,23 mg/l in der letzten Blutprobe.

Tab. 1 Messwerte der Blutproben von Ethanol, Methanol und n‑Propanol

Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,23 ‰, entsprechend der Hälfte des Volumens des ersten Infusionsbeutels, wurde die Versuchsperson redselig. Nach etwa 1 h (BAK = 0,65 ‰) beschrieb der Proband eine deutlich spürbare Alkoholisierung. Bei Vorliegen der maximalen bestimmten BAK von 1,10 ‰ wies die Versuchsperson zudem einen leicht schwankenden Gang auf.

Tab. 2 Atemalkoholmessergebnisse

In der 83. Minute nach Beginn der Ethanolgabe wurde mit dem Vortestgerät eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,83 ‰ gemessen. In den folgenden 4 min wurde der maximale Wert von 1,23 ‰ erreicht. Im anschließenden Zeitintervall bis zur nächsten Messung (14 min) fiel die Konzentration auf einen Wert von 0,84 ‰ ab. Im weiteren Verlauf wurde bis zum Versuchsende eine AAK von 0,73 ‰ gemessen (Tab. 2).

Diskussion

Die Konzeption der Versuchsdurchführung erfolgte, insbesondere hinsichtlich der Applikation von Ethanol, angelehnt an das Vorgehen bei einer Methanolvergiftung. Bei derartigen Vergiftungen wird von Hantson et al. [2] eine Ethanolgabe per Infusion von 0,6 g/kg KG empfohlen. Da die Testperson unter diesen Bedingungen nach Widmark [8] lediglich eine theoretische Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,85 ‰ aufbauen könnte, wurde aufgrund einer besseren Vergleichbarkeit mit vorangegangenen Versuchen eine Ethanolmenge verabreicht, welche eine theoretische Blutalkoholkonzentration von etwa 1,0 ‰ zur Folge haben sollte. Nach Hantson et al. [2] kann eine 5 %ige Glucoselösung als Trägersubstanz für das Ethanol Verwendung finden. Da aufgrund des kurzen Versuchszeitraums im hier angewendeten Versuchsdesign keine Hypoglykämie zu erwarten war, wurde anstatt der Glucose eine 0,9 %ige NaCl-Lösung verwendet (Jones et al. [4]).

Bei der oralen Aufnahme großer Mengen – insbesondere hochprozentigen – Alkohols in sehr kurzer Zeit (sog. Sturztrunk) wurde das Phänomen eines Diffusionssturzes beschrieben. Dabei reichert sich der Alkohol kurzzeitig im Blut an, bevor dieser dann schnell in die umliegenden Gewebe verteilt wird [6]. Im durchgeführten Versuch bildete sich ein derartiger Diffusionssturz offenbar auch im Verlauf der BAK nach ausschließlicher i.v.-Ethanol-Aufnahme aus, da es nach dem Erreichen der maximalen BAK von 1,10 ‰ innerhalb von nur 13 min zu einem Sinken der BAK um 0,19 ‰ kam (Abb. 1). Hier ist zu berücksichtigen, dass die Geschwindigkeit der in der linken Armvene anliegenden Infusion zunächst zum Erreichen der Ziel-BAK nicht ausreichte. Daher wurde bei der Applikation des letzten Infusionsbeutels die Geschwindigkeit der Durchflussmenge deutlich auf 500 ml/17 min erhöht, was der Grund für den Diffusionssturz, aber auch für eine gesteigerte Trunkenheitssymptomatik (leicht schwankender Gang) infolge der stärkeren Anflutung sein dürfte.

Mittels der i.v.-Ethanol-Gabe konnte die These von Iffland et al. [3] erneut bestätigt werden, dass im menschlichen Körper n‑Propanol unter Ethanolbelastung gebildet wird. Zudem konnten wichtige Hinweise bezüglich des Entstehungsortes des endogenen n‑Propanol erlangt werden. Die Ergebnisse des Versuchs deuten darauf hin, dass n‑Propanol offenbar nicht oder nicht wesentlich im Darm entsteht. Die im Rahmen dieses Pilotprojekts erlangten Resultate könnten somit im Widerspruch zu den Hypothesen von Käferstein et al. [5] und Seitz [7] stehen, wonach endogenes n‑Propanol unter Akoholbelastung im Darm gebildet wird. Theoretisch denkbar wäre jedoch auch, dass die mittels Diffusion auch im Magen-Darm-Trakt entstehende Ethanolkonzentration zu einer mikrobiellen Bildung des endogenen n‑Propanols führt, welches aufgrund der geringeren Affinität zur Alkoholdehydrogenase (ADH) unter relevanter Belastung mit Ethanol nicht abgebaut werden kann und sich daher im Blut anreichert. Zu berücksichtigen ist, dass die unter i.v.-Gabe bestimmten n‑Propanol-Konzentrationen in der gleichen Größenordnung liegen, wie sie nach oraler Gabe von begleitstofffreiem Alkohol mit gleicher Ziel-BAK gemessen wurden. Bei oraler Alkoholaufnahme muss im Magen-Darm-Trakt eine wesentlich höhere Alkoholkonzentration vorgelegen haben. Sollte die Bildung von n‑Propanol im Gastrointestinaltrakt erfolgen, so wäre diese offenbar weitgehend von der dort vorliegenden Ethanolkonzentration unabhängig, sondern nur von der BAK verursacht. Zudem wäre dann, analog zur Anreicherung des endogenen Methanols, auch eine entsprechend erhöhte n‑Propanol-Konzentration im Blut nach langen Trinkphasen zu erwarten.

Die endogene n‑Propanol-Konzentration ist insbesondere bei der Plausibilitätsbeurteilung von Nachtrunkbehauptungen mit begleitstoffarmen oder -freien Getränken (z. B. Wodka, Jägermeister) von erheblicher Bedeutung. Die Datenlage, in welchem Umfang n‑Propanol-Konzentrationen nach ausschließlicher Aufnahme derartiger Getränke zu erwarten sind, ist bisher sehr begrenzt. Neben dem von Angerer und Auwärter 2013 beschriebenem Versuch [1] wurde von der Arbeitsgruppe um Wunder aktuell eine Studie mit einer größeren Probandenzahl vorgestellt [9]. Die hier dargestellten Daten können die genannten Studien ergänzen und sind hinsichtlich der bestimmten n‑Propanol-Konzentrationen mit diesen in Einklang zu bringen.

Zur Überprüfung der im Rahmen des durchgeführten Pilotversuchs erlangten Resultate und zur weiteren Aufklärung des Ortes und des Mechanismus der endogenen n‑Propanol-Bildung sind weitere Studien mit einem deutlich größeren und variableren Probandenkollektiv erforderlich. Eine Versuchsreihe, welche diese Fragen adressiert, befindet sich in der Endphase der Planung.

Fazit für die Praxis

Die These einer endogenen n‑Propanol-Bildung unter Ethanoleinfluss konnte auch für eine i.v.-Applikation bestätigt werden. Die bestimmten n‑Propanol-Konzentrationen liegen in der gleichen Größenordnung, wie sie auch bei Versuchen mit oraler Gabe begleitstofffreier alkoholischer Getränke gefunden wurden, und können bei der Prüfung der Plausibilität von Nachtrunkbehauptungen von großem Nutzen sein.