In vorliegender Untersuchung wurden sämtliche Todesbescheinigungen der Stadt Münster für den Jahrgang 2017 ausgewertet. Hierbei zeigte sich, dass über die Hälfte (58,6 %) aller ärztlichen Leichenschauen von Krankenhausärzten durchgeführt worden waren. Todesfälle außerhalb des Krankenhauses waren in etwa gleichen Anteilen von niedergelassenen Ärzten (42,8 %) und Palliativmedizinern des ambulanten palliativmedizinischen Konsiliardienstes (40,7 %) untersucht worden. Bei etwa jedem 10. ambulanten Sterbefall hatte ein Notarzt, bei jedem 20. ein Rechtsmediziner den Tod attestiert.
Die Studiendaten bestätigen damit Ergebnisse der Münchener Forschungsgruppe von Gleich et al., die mit einem ähnlichen Methodenansatz für die in der Stadt München Verstorbenen der Jahrgänge 2012–2015 belegen konnten, dass 61,0 % der dokumentierten Leichenschauen von Krankenhausärzten und 39,0 % von Nichtklinikärzten durchgeführt worden waren [5, 6]. Analysen von 5210 Todesbescheinigungen der 28. bis 48. Kalenderwoche (2016) ergaben zudem Informationen zur ärztlichen Fachrichtung Leichenschauender. So ließ sich zeigen, dass mit 80,3 % im Krankenhaus überwiegend Internisten, gefolgt von Chirurgen (4,9 %), Geriatern (3,3 %), Neurologen (3,3 %), Anästhesisten (1,6 %), Palliativmedizinern/SAPV (1,6 %) und Pädiatern (1,6 %) die Leichenschau durchgeführt hatten. Außerdem betrafen Bescheinigungen von niedergelassenen Ärzten mehrheitlich Allgemeinmediziner (57,6 %), gefolgt von Internisten (24,2 %) und praktischen Ärzten (15,2 %); Bescheinigungen vom Leichendienst zu 90,0 % Internisten und zu 10,0 % praktische Ärzte [6]. Zack et al. werteten 10.000 Todesbescheinigungen verstorbener Personen aus Mecklenburg-Vorpommern aus, bei denen eine 2. ärztliche Leichenschau vor einer Feuerbestattung durchgeführt worden war [14]. Für diese selektierte Personengruppe ergab sich ein höherer Anteil von niedergelassenen Ärzten (45,2 %), jedoch hatten auch in dieser Erhebung Ärzte im Krankenhaus vergleichend zu den anderen ärztlichen Leichenschauern mit 48,7 % am häufigsten den Tod eines Patienten festgestellt.
Es überrascht nicht, dass Leichenschauen häufig in Krankenhäusern durchgeführt werden. Laut Statistischem Bundesamt verstarben im Jahr 2019 insgesamt 427.199 Patienten in einem Krankenhaus, was einem Anteil von 45,5 % der bundesweiten Sterbefälle entspricht [12]. Dasch et al. konnten in einer umfangreichen deutschen Sterbeortstudie zeigen, dass das Krankenhaus mit Abstand den häufigsten Sterbeort darstellt. Hier ereignet sich annähernd jeder 2. Sterbefall [1].
In vorliegender Untersuchung rangierten niedergelassene Ärzte mit 17,7 % aller durchgeführten Leichenschauen an 2. Stelle der Rangordnung leichenschauender Ärzte. Leider ließ sich aus methodischen Gründen im Einzelfall nicht weiter differenzieren, ob der behandelnde Hausarzt, ein Arzt des kassenärztlichen Notdienstes oder ein sonstiger Arzt im ambulanten Setting die Leichenschau durchgeführt hatte. Vermutlich dürfte in den meisten Fällen der Hausarzt diese Aufgabe übernommen haben, stellt er doch für hinterbliebene Angehörige den primären Ansprechpartner zur Frage der Todesfeststellung eines verstorbenen Familienmitglieds dar.
Unsere Daten belegen, dass Palliativmediziner des palliativmedizinischen Konsiliardienstes Münster bei 40,8 % aller ambulanten Sterbefälle die Leichenschau durchgeführt hatten. Damit rangierten Palliativmediziner mit 16,8 % aller attestierten Todesbescheinigungen nur knapp hinter den niedergelassenen Ärzten. Diese Beobachtung hängt mit der strukturellen Regelung der ambulanten Palliativversorgung in Westfalen-Lippe zusammen. Im Gegensatz zur Mehrzahl sonstiger Regionen Deutschlands wurde hier die Versorgung anderweitig geregelt, indem Strukturen der allgemeinen (AAPV) mit der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) kombiniert wurden [8]. Das Ziel war es, die ambulante Palliativversorgung unter Stärkung des Hausarztes als Koordinator möglichst breit aufzustellen. Das westfälische Model stützt sich hierbei auf die (verpflichtende) Kooperation von niedergelassenen Ärzten mit einem sog. palliativmedizinischen Konsiliardienst. Der PKD weist personelle wie fachliche Qualitätsstandards auf, zuzüglich einer 24-stündigen Erreichbarkeit, um im Bedarfsfall bis hin zur spezialisierten Vollversorgung palliativmedizinisch tätig zu werden. In Münster wurde der PKD im Jahr 2006 gegründet, welcher im Jahr 2017 weit mehr als 1000 Palliativpatienten betreute. Im Jahr 2017 hatte etwa jeder 4. in der Stadt Münster Verstorbene am Lebensende Kontakt zu einem Mitarbeiter des PKD [1]. Insofern verwundert es nicht, dass in der Stadt Münster häufig ambulant tätige Palliativmediziner der SAPV mit der Durchführung von Leichenschauen beauftragt worden waren.
Notärzte führten in 4,7 %, Rechtsmediziner in 2,2 % aller Todesfälle die ärztliche Leichenschau durch. Zumeist betraf dies Todesfälle mit ungeklärter oder nichtnatürlicher Todesart. In vielen Bundesländer – so auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) – sind Notärzte von der Verpflichtung einer vollständigen Leichenschau befreit, um die Garantenpflicht zur Versorgung weiterer Notfallpatienten nicht zu gefährden [10]. Hierbei sollte der Notarzt für einen nachfolgenden ärztlichen Leichenschauer sorgen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Hier bietet sich der Hausarzt, alternativ ein Arzt des kassenärztlichen Notdienstes, bei Patienten mit palliativer Grunderkrankung auch ein Palliativmediziner der ambulanten Palliativversorgung an. Für letztgenannte Personengruppe wurde in Münster eine Vereinbarung zwischen dem Rettungsdienst der Stadt Münster und dem PKD Münster getroffen, welche eine ärztliche Betreuungsübernahme von Palliativpatienten in einer Sterbesituation durch Ärzte des PKD während eines Rettungseinsatzes optional vorsieht.
Ein Leichenschaudienst, wie etwa im Modellprojekt der Stadt Frankfurt seit 2018 erfolgreich etabliert [11], war in der Stadt Münster nicht existent.
Leichenschauzeit
Die Studienauswertung ergab, dass Ärzte im Krankenhaus die Leichenschau relativ unabhängig von der Tages- und Nachtzeit durchführten. Dies erscheint plausibel, da bei Klinikärzten im Vergleich zu niedergelassenen Ärzten das Aufsuchen der Leiche außerhalb der Dienstörtlichkeit entfällt. Zusätzlich bietet sich die Option, die Leichenschau außerhalb der regulären werktägigen Arbeitszeit an eine(n) diensthabende(n) Ärztin/Arzt zu delegieren. Ambulant tätige Ärzte bevorzugten den Vormittag sowie die Mittagszeit zu Durchführung der Leichenschau. So zeigte sich, dass niedergelassene Ärzte schwerpunktmäßig an Werktagen zwischen 12:00 bis 15:59 Uhr die Untersuchung durchführten. Demnach kann spekuliert werden, dass sie die Mittagsstunden zwischen den Praxisöffnungszeiten nutzten, um einen Hausbesuch zu tätigen. Hingegen bevorzugten Ärzte des PKD Münster die Vormittagsstunden. Dies könnte auch damit im Zusammenhang stehen, dass Ärzte des PKD – welche nicht an starre Praxisöffnungszeiten gebunden sind – die Durchführung der Leichenschau mit Angehörigen der verstorbenen Person oder mit Mitarbeitern von Pflegeheimen bzw. Hospizen zeitlich abgesprochen hatten, um möglicherweise nicht zwingend nötige nächtliche Einsätze zu vermeiden. Der Tod von Sterbefällen im ambulanten Bereich wurde werktägig mit 46,5 % primär von niedergelassenen Ärzten und an Wochenenden sowie Feiertagen mit 54,6 % vorzugweise von Palliativmedizinern attestiert. Eigene berufliche Erfahrungen des Autors aus dem SAPV-Bereich zeigen, dass es unter Hausärzten durchaus gängige Berufspraxis ist, die Todesfeststellung von einem in die SAPV eingeschriebenen und an einem Wochenende oder Feiertag verstorbenen Palliativpatienten durch einen Arzt der SAPV durchführen zu lassen, da dieser an jenem Wochenende/Feiertag diensthabend tätig ist.
Ort der Leichenschau
Gemäß der ermittelten Sterbeortrangfolge war das Krankenhaus der Ort, an dem die meisten ärztlichen Leichenschauen durchgeführt wurden, gefolgt von stationären Pflegeeinrichtungen, häuslichem Umfeld, Hospiz und sonstigen Orten.
In stationären Pflegeeinrichtungen wurde die Untersuchung primär niedergelassenen Ärzten (65,0 %), im Hospiz vorrangig Ärzten des PKD Münster (90,4 %) anvertraut. Dies deutet auf gewachsene Versorgungsstrukturen hin, wobei Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen wohl primär den Hausarzt und Hospizmitarbeiter vorrangig den Palliativmediziner als ärztlichen Ansprechpartner betrachteten. Gleich et al. ermittelten bei verstorbenen Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen der Stadt München einen Anteil niedergelassener Ärzte von 72,3 %. In lediglich 0,4 % der Fälle hatten Ärzte der SAPV verstorbene Altenheimbewohner untersucht [7]. In vorliegender Untersuchung zeigte sich, dass Leichenschauen im häuslichen Umfeld zu etwa gleichen Anteilen von Palliativmedizinern (32,4 %) und niedergelassenen Ärzten (31,5 %) durchgeführt worden waren.
Vierunddreißig Todesfälle hatten sich an öffentlichen Orten ereignet, deren Todesart fast ausnahmslos als nichtnatürlich oder ungeklärt deklariert worden war. Hier war die Leichenschau vorwiegend von Rechtsmedizinern und Notärzten durchgeführt worden. Im häuslichen Umfeld war jeder 4. Todesfall von einem Notarzt und jeder 10. von einem Rechtsmediziner untersucht worden.
Limitationen
Die Studie basierte auf Analysen sämtlicher Todesbescheinigungen für Personen, die in der Stadt Münster 2017 verstorben waren. Daher kann die Untersuchung nicht als repräsentativ gelten. Es wurde viel Mühe darauf verwendet, ärztliche Leichenschauer gewissenhaft zu identifizieren. Jedoch war dieses Vorgehen methodischen Grenzen ausgesetzt. Daher war es uns nicht möglich, die Gruppe niedergelassener Ärzte weiter zu unterteilen (z. B. in Hausärzte, Ärzte des kassenärztlichen Notdienstes etc.). Auch leiteten wir den Ort der Leichenschau indirekt aus den ärztlichen Angaben zum Sterbeort ab.