Einführung

Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist weit verbreitet, wobei sich genaue Fallzahlen aufgrund einer vermutlich hohen Dunkelziffer nicht benennen lassen. So gaben in einer repräsentativen Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Jahr 2004 13 % der befragten Frauen an, sexualisierte Gewalt (im engeren Sinne) erfahren zu haben [1]. Betroffen von sexualisierter Gewalt sind zumeist Frauen (96 %), während die Täter überwiegend männlich sind (99 %) und häufig aus dem Nahfeld der Frauen stammen [2].

Neben der je nach Verletzungsgrad indizierten klinischen Versorgung und psychosozialen Unterstützung kommt der forensischen Dokumentation und Spurensicherung beim Verdacht auf sexualisierte Gewalt eine besondere Bedeutung zu. So werden mögliche Verletzungen (foto-)dokumentiert und im Rahmen der Spurensicherung je nach anamnestischen Angaben Abstriche sowohl bei den Betroffenen als auch (wenn möglich) bei Tatverdächtigen gefertigt. Aus diesem Spurenmaterial kann die DNA extrahiert und ein DNA-Profil erstellt werden, welches je nach Herkunft der Spur auf Übereinstimmung mit dem Vergleichsprofil des/der Tatverdächtigen bzw. der Verletzten geprüft wird. Je nach Fragestellung sowie zum sicheren Nachweis eines sexuellen Übergriffs kann eine erweiterte Spurenanalyse zur Differenzierung der gesicherten Sekrete (Blut, Vaginalschleimhaut, Speichel, Nasenschleimhaut Menstruationsblut, Sperma) – die sog. mRNA-Expressionsmusteranalyse – von großer Bedeutung sein [3,4,5,6,7].

mRNA-Analyse

In den vergangenen Jahren wurden verstärkt RNA-basierte Verfahren zur Differenzierung von Geweben und Körperflüssigkeiten im forensischen Kontext erforscht [4,5,6,7,8,9,10]. Die morphologischen und funktionellen Eigenschaften einer jeden Zelle werden dadurch festgelegt, dass nur Teilabschnitte der für diesen Zelltyp relevanten Gene abgelesen und in Proteine umgewandelt werden. Als Botenmolekül für die Synthese von Proteinen dient die sog. mRNA („messenger“ RNA). Jede genspezifische mRNA enthält die Information zur Synthese eines spezifischen Proteins. Zellen unterschiedlichen Typs haben somit auch unterschiedliche Expressionsmuster [10]. Eine Analyse dieses Musters erlaubt somit Rückschlüsse über den oder die vorliegenden Zelltypen. Im nachfolgenden Fallbeispiel wird verdeutlicht, dass diese zusätzliche Information wesentlich zur Rekonstruktion eines Tatgeschehens beitragen kann.

Falldarstellung

An Karneval wurde eine 21-jährige Frau in den frühen Morgenstunden mit stark geschwollenem und blutverschmiertem Gesicht in einer Grünanlage aufgefunden. Sie gab an, von einem Mann mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Zudem sei er mit dem Finger in ihre Scheide eingedrungen und habe sie zu oralem Geschlechtsverkehr gezwungen. Es war ihr möglich, eine dezidierte Beschreibung des Täters abzugeben, zumal dieser karnevalsbedingt ein auffälliges Kuhkostüm getragen habe (Abb. 1a). Zufälligerweise war zuvor ein auf die Beschreibung passender Mann mit Kuhkostüm von der Polizei kontrolliert und seine Personalien waren erfasst worden. Da er kurz nach der Tat an seinem Wohnort angetroffen werden konnte, war eine sehr zeitnahe Spurensicherung möglich. Er stritt ab, etwas mit der Tat zu tun zu haben.

Abb. 1
figure 1

Kostüm mit Blutspuren (a) und rechte Hand (b) des Beschuldigten

Morphologische Untersuchungen

Im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung konnten bei der Verletzten (VL) flächenhafte Unterblutungen der Gesichtshaut festgestellt werden. Die Gesichtsweichteile sowie die Lippen waren deutlich geschwollen, zudem wies die Oberlippe eine Quetsch-Riss-Wunde auf, die chirurgisch genäht werden musste. Klinischerseits wurden eine Nasenbeinfraktur sowie eine Fraktur des linken Unterkiefergelenkfortsatzes diagnostiziert.

Auch der Beschuldigte im Strafverfahren (BS) wurde rechtsmedizinisch untersucht. Zum Zeitpunkt der Untersuchung zeigten sich die Grundgelenke 3–5 der rechten Hand deutlich geschwollen, ebenso waren hier frische Hautabschürfungen festzustellen, die durch wuchtige Schläge plausibel zu erklären waren (Abb. 1b).

Molekulargenetische Untersuchungen

Material und Methoden

Proben/Asservate

Es wurden Vergleichsproben des Beschuldigten (BS) und der Verletzten (VL), Abstriche des Penis (BS), gynäkologische Abstriche (VL), Abriebe der Handflächen und Finger, Fingernagelabschnitte und das getragene Kostüm (BS; Abb. 1a) als Asservate zugesandt.

DNA-Analyse

Zunächst wurde an den gynäkologischen Abstrichen eine Y‑chromosomale STR-Typisierung mithilfe des AmpFℓSTR® Y‑Filer PCR Kit (Fa. Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA) durchgeführt. Hierbei konnte ein Y‑STR-Profil erstellt werden, das mit dem BS vollständig übereinstimmte. An der Bekleidung wurden neben sichtbaren Blutspuren (Abb. 1a) unter Verwendung einer speziellen Lichtquelle (Blue Crime-lite®, Fa. Foster & Freeman Ltd, Evesham, UK) Sekretantragungen lokalisiert. Nach positiven Vortests auf Speichel und Spermasekret (RSID™-Saliva bzw. RSID™-Semen, Fa. Galantos Genetics GmbH, Mainz, Deutschland) konnten in einer komplexen Mischspur aus mindestens 3 Spurenlegern die Merkmale der Verletzten und des Beschuldigten vollständig nachgewiesen werden (AmpFℓSTR® NGM SElect™ Kit, Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA).

Zusätzlich wurden aus den Abrieben der Handflächen/Finger sowie der Fingernagelabschnitte des BS mithilfe eines Koextraktionsverfahrens sowohl DNA als auch RNA extrahiert [5]. Aus der DNA konnten neben den Merkmalen des BS auch STR-Teil- und -Vollprofile der VL festgestellt werden. Zur Differenzierung der Art des Sekrets weiblicher Herkunft wurde eine mRNA-Expressionsmuster-Analyse durchgeführt.

mRNA-Expressionsmuster-Analyse

Proben.

Alle Asservate des BS, bei denen die DNA-Merkmale der VL möglichst vollständig nachgewiesen werden konnten, wurden der mRNA-Analyse unterzogen. Dies waren Abriebe des linken und rechten Zeigefingers sowie des rechten Mittelfingers des BS und der Fingernagel des linken Mittelfingers.

Verfahren.

Die DNA/RNA-Koextraktion wurde nach Lindenberg et al. durchgeführt [5]. Es handelt sich hierbei um eine Kombination des QIAmp DNA Mini Kit (Fa. Qiagen, Hilden, Deutschland) mit dem mirVANA miRNA Isolation Kit (Fa. Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA). Es wurde stets die komplette Probe (Abriebe bzw. Fingernagelabschnitte) in die Extraktion eingesetzt und die RNA abschließend in 60 µl ddH2O eluiert. Anschließend wurde ein DNAse-Verdau mit dem TURBO-DNA free™ Kit (Fa. Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA) nach Herstellerangaben durchgeführt. Revers transkribiert wurde die aufgereinigte RNA mit dem RETROscript® Kit (Fa. Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA) mit Anpassungen nach van den Berge (2017) [11]. Hierbei wurde für eine gezielte sequenzspezifische Amplifikation des Markers XIST (Tab. 1) dem Reaktionsansatz, bestehend aus 1,875 µl Random Primer und 10 µl RNA-Extrakt (Negativkontrolle [NTC]: 1,875 µl Random Primer, 2 µl RNA-Extrakt, 8 µl ddH2O), 0,125 µl eines unmodifizierten, reversen Primer von XIST zugefügt, um die spezifische Ausbeute dieses Amplikons zu verbessern. Nach der darauffolgenden Denaturierung für 3 min bei 85 °C und direktem Abkühlen auf 4 °C wurden die Proben mit 8 µl eines Mastermix, bestehend aus 2 µl RT Puffer, 4 µl dNTP Mix (2,5 mM), 1 µl RNase-Inhibitor (10 U/µl) und 1 µl MMLV-RT (100 U/µl), versetzt (Mastermix der NTC besaß statt der MMLV-RT ddH2O). In einem 2720 Thermocycler (Fa. Thermo Fisher Scientific, Waltham, MA, USA) wurde der Reaktionsansatz wie folgt inkubiert: 1 h bei 44 °C, 10 min bei 92 °C, Abkühlen und Halten bei 4 °C.

Tab. 1 Zusammensetzung der untersuchten Gene zum Nachweis der jeweiligen Körperflüssigkeiten. STATH ist sowohl für Speichel als auch für Nasenschleimhaut spezifisch

Da RNA nur insgesamt quantifiziert werden kann und die erhaltenen Daten nur bedingt Rückschlüsse auf die Qualität, die Zusammensetzung und die relativen Anteile in Bezug auf die gesuchten Transkripte zulassen, wurden die Proben nach der „x=n/2“-Regel von Lindenbergh et al. analysiert, mit deren Hilfe eine einheitliche Bewertungsgrundlage geschaffen wird [12]. Hierfür wird zunächst eine Reihe von Test-PCR (Polymerase-Kettenreaktion) mit unterschiedlichen Input-Volumina an cDNA (0,5 µl, 1 µl, 3 µl) durchgeführt, um herauszufinden, mit welchem Volumen die besten Ergebnisse erzielt werden. Die cDNA wird dabei stets mit 2,5 µl eines spezifischen Primer-Mix versetzt, welcher fluoreszenzfarbstoffmarkierte Primer für alle Gene enthält, die spezifisch für die zu untersuchenden Körperflüssigkeiten sind (Tab. 1). Zusätzlich enthält der Primer-Mix 2 Gene, die Hinweise auf das zugrunde liegende Geschlecht geben können, und 2 „Housekeeping-Gene“, die als Kontrollen für das Vorliegen von intakter mRNA fungieren. Nach der Testreihe werden 4 identische PCR mit jenem Volumen an cDNA angesetzt, das die besten Ergebnisse erzielt hat. Die Ergebnisse aller 4 Analysen führen dann zur abschließenden Bewertung. Auf der Grundlage der durchgeführten Validierungsstudien mit Proben bekannter Zusammensetzung werden bei der Auswertung nur Signale > 150 RFU (relative fluorescence units) als positiv bewertet. Hierbei wird das Vorliegen eines Gewebe- bzw. Zelltyps nur als nachgewiesen deklariert, wenn 50 % oder mehr aller Einzelergebnisse für ein Gewebe positiv sind (Abb. 2). Liegen nur einzelne Ergebnisse vor (< 50 %), so wird die Körperflüssigkeit als „sporadisch beobachtet“ eingestuft; bei fehlendem Signal dementsprechend als „nicht beobachtet“.

Abb. 2
figure 2

Auswertung der mRNA-Expressionsmuster der Sekretspur vom rechten Mittelfinger des Beschuldigten. Das PCR-Amplifikat 2 (Amp2) ist in Abb. 3 dargestellt

Ergebnisse

Das in Abb. 3 dargestellte Elektropherogramm (EPG) zeigt eines der 4 Untersuchungsergebnisse des rechten Mittelfingers des BS. Neben den beiden Kontrollen (ACTB, 18S-rRNA) konnten Signale für Blut (HBB), Sperma/-sekret (KLK3), Menstrualsekret (MMP10) und Vaginalschleimhaut (MUC4, MYOZ1) festgestellt werden. Die Gesamtauswertung der Einzelergebnisse aus allen 4 Replikaten ist in Abb. 2 dargestellt. Das Auftreten von Doppelpeaks bei einzelnen Markern (HBB, MMP10 und 18S-rRNA) beruht darauf, dass bei der PCR nicht alle Amplifikate mit einem terminalen A verlängert wurden. Neben den sicher nachgewiesenen Expressionskontrollen konnte auch Vaginalschleimhaut am rechten Mittelfinger nachgewiesen werden. Für alle anderen Gewebetypen wurden Mitreaktionen festgestellt, welche jedoch nicht ausreichend waren, um die Körperflüssigkeit sicher nachzuweisen. Signale der Marker für die Geschlechtsbestimmung (RPS4Y1 und XIST) konnten trotz der beschriebenen methodischen Modifikation nicht beobachtet werden. Eine mögliche Erklärung liegt in den sehr stark nachgewiesenen Signalen der Expressionskontrollen, die als Konkurrenz in der PCR zu den nur schwach exprimierten Geschlechtsmarkern gewirkt haben können. Durch den Überschuss der 18S-rRNA mit 6531 RFU ist das Signal für den Marker KLK3 mit 312 RFU praktisch nicht von der Grundlinie zu unterscheiden, kann aber aufgrund des Grenzwertes > 150 RFU mit der korrekten Fragmentlänge von den Hintergrundsignalen unterschieden werden und ist als positiv einzuordnen.

Abb. 3
figure 3

mRNA-Expressionsmuster der Sekretspur vom rechten Mittelfinger des Beschuldigten. Signalstärken: HBB (7576 RFU), MUC4 (712 RFU), MYOZ1 (696 RFU), MMP10 (447 RFU), KLK3 (312 RFU), ACTB (4518 RFU) und 18S-rRNA (6531 RFU); RFU „relative fluorescence unit“

Auch bei allen anderen untersuchten Asservaten (Zeigefinger links/rechts sowie linker Mittelfingernagel) konnten Mitreaktionen der Marker für Vaginalschleimhaut festgestellt werden. Am linken Zeigefinger wurde zusätzlich Speichel und/oder Nasenschleimhaut nachgewiesen (Daten nicht dargestellt). In alle Proben wurden die Kontrollen zuverlässig nachgewiesen.

Diskussion

Da sexualisierte Gewalt bei den Betroffenen häufig schambesetzt ist, erstatten diese oftmals nicht bzw. nicht sofort eine Anzeige. Um trotzdem eine zeitnahe Dokumentation und Spurensicherung zu gewährleisten, existiert in vielen Städten in NRW das Konzept der anonymen Spurensicherung, bei dem sich Frauen in einer teilnehmenden gynäkologischen Ambulanz zeitnah und ohne polizeiliche Anzeige untersuchen lassen können. Diese Spuren werden dann pseudonymisiert bis zu 10 Jahren aufbewahrt [13]. Auch niedrigschwellige Angebote im Sinne einer Gewaltambulanz zur Verletzungsdokumentation nach sexualisierter/häuslicher Gewalt haben sich in der Praxis als hilfreich erwiesen [14].

Auch auf molekularer Ebene ist eine zeitnahe Spurensicherung von großer Relevanz. Aufgrund ihrer einzelsträngigen Struktur degragiert RNA wesentlich schneller als genomische DNA [15]. Hinzu kommt, dass RNA-abbauende Enzyme (RNAsen) fast überall in der Umwelt und auch im Körper vorkommen [16]. Aus diesem Grund sind eine möglichst schnelle Spurensicherung sowie die adäquate Lagerung (Asservat bei −20 °C; RNA-Extrakt bei −80 °C) wesentlich für eine erfolgreiche Analyse. Besonders bei dem darstellten Fall war der Analyseerfolg maßgeblich an die schnelle Spurensicherung beim Beschuldigten gebunden. Bei der Aufbewahrung ist alternativ auch eine Trocknung des Abstriches möglich, wie Lagerungsversuche von Blut‑, Speichel- und Spermaproben bei Raumtemperatur gezeigt haben [16]. Letztendlich ist es jedoch nicht möglich, einen Zeitraum anzugeben, ab dem eine mRNA-Analyse erfolglos sein wird; dies kann nur durch einen Versuch festgestellt werden.

Durch die Einführung der DNA/RNA-Koextraktion ist es möglich, aus ein und derselben Spur zunächst ein DNA-Profil zu erstellen und ausgehend davon eine erweiterte Spurenanalyse mittels mRNA-Expressionsmuster-Analyse einzuleiten. Wie im oben genannten Fallbeispiel können so die Ergebnisse aus der Analyse des rechten Mittelfingers (DNA: Identifikation einer Mischspur, bestehend aus Opfer und Tatverdächtigen; RNA: Nachweis von Vaginalschleimhaut) kombiniert interpretiert werden.

Zusätzlich bietet die mRNA-Analyse den Vorteil, dass keine unterschiedlichen, konventionellen Vortests zur Bestimmung der gesicherten Körperflüssigkeit notwendig sind, sondern die Gewebezusammensetzung unterschiedlicher Spuren in einem einzigen Reaktionsansatz bestimmt werden kann. Zum einen kann somit wertvolles Spurenmaterial eingespart werden, und zum anderen werden so missverständliche Interpretationen konventioneller Vortests (meist in Form von Farbreaktionen) vermieden. Dabei ist jedoch die Weichenstellung bei der Untersuchung entscheidend, denn schon im ersten Schritt muss eine DNA/RNA-Koextraktion erfolgen, damit die RNA-Expressionsmuster-Analyse durchgeführt werden kann. In der Praxis bedeutet dies, dass alle potenziell sekrethaltigen Spuren mit diesem Verfahren extrahiert werden sollten und die RNA in cDNA revers transkribiert werden sollte, damit sie für spätere Analysen konserviert wird. Dann sollte zunächst die konventionelle STR-Analyse durchgeführt werden, um Spuren mit Tatrelevanz (Profil des Tatverdächtigen bei der Verletzten bei Hautabrieben oder Abstrichen aus dem Intimbereich bzw. Profil der Verletzten beim Tatverdächtigen, z. B. bei Finger- und Handabrieben oder bei Kranzfurchenabstrichen) identifizieren zu können. Werden DNA-Merkmale in ausreichender Qualität detektiert, so besteht eine gute Aussicht, auch verwertbare Befunde in der mRNA-Analyse zu erhalten.

Doch auch dieses Analyseverfahren weist Nachteile auf. So ist die Multiplexkapazität, also die Anzahl der nachweisbaren Gene in einem einzelnen PCR-Ansatz, limitiert, und es lassen sich Mischspuren von Menstrualsekret mit Blut und/oder Vaginalschleimhaut nicht sicher voneinander unterscheiden. Grund hierfür ist die Koexpression von Genen in beiden Gewebetypen. Außerdem ist das System anfällig für Artefakte, was sich in einem starken Hintergrundrauschen unspezifischer Nebenprodukte (bedingt durch Transkriptionsfehler) im Elektropherogramm bemerkbar macht. Das sog. Next Generation Sequencing (NGS) bzw. die massive Parallelsequenzierung (MPS) bietet hier einen alternativen Ansatz, da hierbei mehr als 100 unterschiedliche Marker in einem einzigen Lauf zu analysiert werden können [17]. Zusätzlich bietet das Verfahren die Möglichkeit, sog. kodierende Einzelnukleotidpolymorphismen („coding SNP“, cSNP) nachzuweisen, mit deren Hilfe ein Beschuldigter als möglicher Spurenleger einer Körperflüssigkeit in einer komplexen Mischspur ausgeschlossen werden kann. Erste Ergebnisse aus internationalen Versuchen wurden bereits publiziert [18, 19].

Fazit

  • Betroffene von sexualisierter Gewalt benötigen ein niedrigschwelliges Angebot bzw. die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung (ASS).

  • Die mRNA-Analyse gibt Aufschluss über Zell- bzw. Gewebezusammensetzung gemischter Sekretspuren (Blut, Speichel, Sperma, Vaginalschleimhaut, Nasen- und Menstrualsekret).

  • Eine zeitnahe Spurensicherung und adäquate Lagerung (kalt, trocken, dunkel) sind für eine erfolgreiche mRNA-Analyse essenziell.

  • Aus dem Ergebnis der DNA-Analyse können solche Spuren für eine erfolgreiche mRNA-Analyse herausgefiltert werden, bei denen z. B. Merkmale der Verletzten beim Beschuldigten nachgewiesen werden konnten.