In der Forensik kommt der Mischspurenanalyse eine große Bedeutung zu, da aufgrund sensitiver Untersuchungsmethoden auch kleinste DNA-Mengen analysiert werden können. Gerade bei Hautkontaktspuren treten häufig DNA-Mischungen mehrerer Personen auf. Dies stellt eine Herausforderung für die Ableitung genetischer Einzelprofile dar. Die Auswertung und Interpretation von Mischspuren kann durch die Verwendung spezieller Software unterstützt werden. Sie leistet Hilfestellung bei der Ableitung von Merkmalsprofilen beteiligter Personen und kann zur Berechnung der Verursacherwahrscheinlichkeit herangezogen werden.

Einleitung

Spuren, die mehr als 2 Allele in mindestens 2 DNA-Systemen zeigen, werden als Mischspur bezeichnet [9]. Diese entstehen v. a. durch Vermischung kernhaltigen Zellmaterials wie z. B. Schleimhaut- und Spermienzellen nach einem sexuellen Missbrauch. Der Nachweis von max. 4 Allelen/System lässt im Elektropherogramm (EPG) auf mindestens 2 unterschiedliche Spurengebende schließen, beim Nachweis von max. 6 Allelen sind es mindestens 3 unterschiedliche Spurengebende. Die Bewertung von Mischprofilen im Hinblick auf die Ableitung von Einzelprofilen ist Gegenstand forensischer Untersuchungen. Dabei kann die Profilinterpretation mithilfe des EPG durch das Auftreten technisch und/oder biologisch bedingter Artefakte, die während der Amplifikation der STR-Marker entstehen, erschwert werden. Dazu gehören z. B. „Stutter“-Effekte und „Drop-out“-Ereignisse [1, 6, 13], die dazu führen, dass nicht alle einer Person eindeutig zuordenbaren Merkmale identifiziert werden und diese somit als Spurenlegende ausgeschlossen werden kann. In einer Studie von Dror und Hampikian konnte gezeigt werden, dass die Interpretation von DNA-Mischungen durch Sachverständige ein gewisses Maß an Subjektivität mit sich bringt und von individuellen Unterschieden wie Erfahrung, Persönlichkeit und Motivation abhängig sein kann [2]. Aus diesem Grund finden immer mehr softwarebasierte Lösungen Einzug in die Routine der Spurenuntersuchung, wodurch Objektivität gewährleistet wird und eine Berücksichtigung biologischer Parameter bei der Auswertung Unterstützung bieten soll.

Genoproof® Mixture 4

Genoproof® Mixture 4 (GPM4) der Fa. Qualitype GmbH (Dresden, Deutschland) ist eine Software zur Auswertung von STR-Analysen komplexer Mischspuren. Dabei stehen probabilistische und nichtprobabilistische Rechenmodelle zur Verfügung, die für die Interpretation von Mischspuren eingesetzt werden können [4, 7]. Die Software GPM4 bietet die Möglichkeit zur Dekonvolution von Mischspuren, bei der die genetischen Profile der an der Mischung beteiligten Personen rechnerisch aufgetrennt und unter Angabe der wahrscheinlichsten Genotypkonstellationen (GTK) ermittelt werden. Die softwarebasierte Dekonvolution kann dafür genutzt werden, subjektiv durch Begutachtende aus Mischspurenmustern abgeleitete Merkmalsprofile sowie darüber hinausgehende Ableitungen von Merkmalsprofilen aus komplexen Mischmustern ohne oder mit Einbeziehen von Vergleichspersonen zu bestätigen.

Im Rahmen dieser Studie wurde eine wissenschaftliche Validierung von Genoproof® Mixture 4 unter Verwendung künstlich hergestellter 2‑ und 3‑Personen-Mischungen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Hinblick auf die Dekonvolution ausgewertet, wobei die Grenzen und Möglichkeiten der Software in Bezug auf die korrekte Zuweisung der GTK der Spurenverursachenden analysiert wurden. Aus den Erkenntnissen der Studie soll die Anwendbarkeit von GPM4 als unterstützendes Analyse-Tool in der Auswertung von Mischspuren hinsichtlich einer potenziellen Nutzung durch Sachverständige in realen Spurenfällen beurteilt werden.

Methodik

Probenmaterial

Es wurden etwa 15 ml Vollblut von insgesamt 9 freiwilligen Probanden und Probandinnen (Bezeichnungen A bis I) mit bekanntem genetischen Profil entnommen. In Kooperation mit dem Institut für Transfusionsmedizin (Universitätsklinikum Leipzig AöR) wurden kernhaltige Bestandteile des Bluts (CD4+-Lymphozyten) isoliert und für die Erstellung definierter Zellmischungen eingesetzt.

Für die Entnahme und Verwendung des Probenmaterials wurde vor Beginn der Studie ein positives Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig (Nummer 45320-ek) eingeholt. Die Teilnehmenden wurden über den Ablauf der Studie informiert, eine schriftliche Einverständniserklärung zur genetischen Untersuchung liegt vor.

Erstellung der Mischspuren

Aus den CD4+-Zelllösungen der Teilnehmenden wurden anhand der Zellzahlen unterschiedliche 2‑ und 3‑Personen-Mischspuren mit verschiedenen Mischungsverhältnissen erstellt. Für die 2‑Personen-Spuren wurden die Zellen der Personen AB, AC, BC sowie DE, DF, EF in jeweils 12 Mischungsverhältnissen miteinander kombiniert (n = 72). Die 3‑Personen-Mischungen setzten sich aus den Zellen der Personen ABC, DEF und GHI zusammen und lagen in 6 Mischungsverhältnissen vor (n = 18) (Tab. 1). Die Mischungsverhältnisse wurden so gewählt, dass jeweils die DNA einer Person als Hauptkomponente in der Mischung vorliegt, die DNA der weiteren Person/Personen als Nebenkomponente. Bei der Zusammenstellung der Mischmuster anhand der bekannten genetischen Profile der Probanden und Probandinnen wurden vorzugsweise Konstellationen gewählt, bei denen sich Mischprofile mit sowohl überwiegend heterozygoten als auch überwiegend homozygoten Allelkombinationen ergaben.

Tab. 1 Mischverhältnisse für 2‑ und 3‑Personen-Mischungen (in Prozent)

STR-Analyse der Mischspuren

Die Extraktion der in den Mischspuren enthaltenen genomischen DNA erfolgte mit dem Nucleospin® Tissue Kit der Fa. Macherey-Nagel (Düren, Deutschland). In einer qRT-PCR wurde die Konzentration der extrahierten DNA-Proben bestimmt. Hierfür wurde das PowerQuant®-System der Fa. Promega (Madison, WI, USA) verwendet. Die simultane Amplifikation der 16 untersuchten STR-Systeme und des geschlechtsbestimmenden Markers Amelogenin wurde in einer Doppelbestimmung mittels Multiplex-PCR unter Verwendung der Kits PowerPlex® ESI 17 Pro System und PowerPlex® ESX 17 Pro System der Fa. Promega durchgeführt. In der PCR wurde eine DNA-Menge von 0,5 ng eingesetzt, um stochastische Effekte bewusst zu vermeiden. Basierend auf Validierungsstudien der verwendeten PCR-Kits [10, 11] wurden keine Drop-outs bei einer eingesetzten DNA-Menge von 100 pg, was dem geringsten Anteil von 20 % einer Komponente in den 2‑ und 3‑Personen-Mischungen entspricht, beobachtet.

Anschließend erfolgte eine Fragmentanalyse mittels Kapillarelektrophorese (3130 Genetic Analyzer, Fa. Applied Biosystems, Waltham, RI, USA), bei der die den Kits (ESI/ESX) entsprechenden Allelleitern mitgeführt wurden. Die Auswertung der Rohdaten aus der Fragmentanalyse der Mischspuren wurde mit der Software GeneMapper® ID‑X Version 1.5 (Applied Biosystems) sowie der EasyRead-Technologie von Genoproof® Mixture 4 durchgeführt. Dabei werden bei beiden Softwares unter Einbeziehung der probeninternen Größenstandards Parameter wie Fragmentlänge, Peakhöhe und -fläche der in der Mischspur enthaltenen Allele erhoben und in Form eines EPG dargestellt. Die Detektionsgrenze für die Peakerkennung betrug in allen 4 Farbkanälen 50 RFU. Zudem wurden einige Einstellungen in Bezug auf die Artefakterkennung des „Allele-calling“-Algorithmus in GPM4 abweichend von der Herstellerempfehlung modifiziert, wodurch Artefakte wie Stutter-Peaks als solche im EPG gekennzeichnet wurden und keine Allelzuweisung erhielten.

Dekonvolution

Die Auftrennung der Genotypen der an der Spur beteiligten Personen sowie die Wichtung der wahrscheinlichsten Genotypkonstellationen wird durch die Modellierung der Peakhöhen der GTK, basierend auf der Berücksichtigung zahlreicher Parameter, erzielt. Dazu gehören die DNA-Menge, die DNA-Degradation, die Fragmentlänge, die Amplifikationseffizenz und das Verhältnis von Homo- und Heterozygotie der an der untersuchten Spur beteiligten Personen. Basierend auf dem Markov-Chain-Monte-Carlo-Verfahren [3] werden die Parameter durch einen stochastischen Zufallsprozess geschätzt. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass die erwarteten Peakhöhen möglichst gut mit den beobachteten Peakhöhen für eine zufällige Parameterkombination und eine zufällige GTK übereinstimmen [7]. Ein Wichtungswert von 90 % dient als Orientierungswert für die Wahrscheinlichkeit, dass die berechnete GTK mit der tatsächlichen GTK übereinstimmt. Nach Empfehlung der Spurenkommission (GEDNAP) wurde bei den Berechnungen die europäische Standardpopulation als Referenzpopulation angegeben [12].

In GPM4 wird nach jeder Berechnung eine Konvergenzanalyse bereitgestellt, die Informationen zu den in der Mischspur vorliegenden komponentenbezogenen DNA-Mengen beinhaltet. Diese DNA-Mengen entsprechen dem von GPM4 angenommenen Mischungsverhältnis dieser Spur. Als Hauptkomponente wird die bei der Konvergenzanalyse mit der höchsten DNA-Menge in der Mischung vorliegende Komponente bezeichnet, die weitere/weiteren Komponente/Komponenten der Mischspur als Nebenkomponente/Nebenkomponenten.

Die Wichtungen der GTK der 2‑ und 3‑Personen-Mischspuren wurden jeweils 5‑mal mittels GPM4 unter Verwendung von 4 Markov-Ketten berechnet und aus den errechneten Wichtungen der Mittelwert gebildet. Des Weiteren wurden die bei jedem Durchlauf ermittelten Genotypen mit den tatsächlichen Genotypen der beteiligten Personen hinsichtlich auftretender Diskrepanzen in den Allelzuweisungen analysiert.

Dekonvolution mit Vergleichsmaterial

Beim sog. Vergleichsmaterial (VM) handelt es sich um DNA-Material einer beispielsweise tatverdächtigen Person, das zum Beweis einer Spurenlegerschaft im Rahmen eines Kriminalfalls untersucht wird. Um zu überprüfen, inwiefern der Einsatz von VM einen Einfluss auf die Ermittlung der Einzelprofile der in den Mischspuren beteiligten Personen mittels GPM4 hat, wurden jeweils die genetischen Profile der Komponenten mit 30 %-Anteil der 3 Mischspuren A30B20C50, D30E20F50 und G50H20I30 als bekannte Verursachende in die Berechnung der Dekonvolution mit einbezogen. Die Rechnung wurde einmal durchgeführt und die ermittelten GTK mit dem tatsächlichen Personenprofil abgeglichen.

Ergebnisse

2-Personen-Mischspuren

Das genetische Profil der Person A besteht überwiegend aus heterozygoten Allelkombinationen, während Person B in 6 STR-Systemen eine homozygote Ausprägung aufweist (Tab. 2). Der jeweilige Probenname beinhaltet die an der Mischung beteiligten Personen und deren Anteil innerhalb der Mischung (Beispiel: A80B20; Person A: 80 %, Person B: 20 %). Die Bewertung der Allelzuweisung in Bezug auf ihre Richtigkeit erfolgte unter Annahme der theoretischen Mischungsverhältnisse, die bei der Erstellung der 2‑ und 3‑Personen-Mischspuren angestrebt wurden (Tab. 1).

Tab. 2 Übersicht der Homo‑/Heterozygotiea

In den AB-Mischspuren mit eindeutiger Haupt- und Nebenkomponente (A80B20, A75B25; A20B80, A25B75, A30B70) stimmten die von GPM4 ermittelten Genotypen bis auf einzelne Allele mit den tatsächlichen Genotypen der Person A und B überein. Dabei wurden die zugeordneten Genotypen der jeweiligen Hauptkomponente im Großteil der STR-Systeme mit > 90 % gewichtet, während die abgeleiteten GTK der Nebenkomponente öfter eine Wichtung < 90 % in einigen Systemen aufwiesen. Es wurde eine Abnahme der Wichtungswerte hin zu den anteilsähnlicheren Mischungen beobachtet, in denen die GTK bei beiden Personen mit Werten < 90 % gewichtet wurden. Es konnte festgestellt werden, dass eine Wichtung < 90 % nicht zwingend bedeutet, dass die abgeleitete GTK nicht dem tatsächlich vorliegenden Genotyp entspricht. Im Gegenzug kann eine über > 90 % gewichtete Allelableitung dem tatsächlichen Genotyp widersprechen.

In Abb. 1 sind die Ergebnisse der Dekonvolution mittels GPM4 hinsichtlich der richtigen Zuordnung der in den AB-Mischspuren (n = 12) enthaltenen Allele zu den Einzelprofilen der Spurenbeteiligten A und B dargestellt. Es wird die Richtigkeit der Allelzuordnungen in den 16 autosomalen STR-Systemen sowie im gonosomalen System AMEL aufgezeigt. Eine korrekte Zuordnung der Allele (grüne Balken) in allen Systemen wurde für Person A in den Mischungen A80B20 und A75B25 sowie für Person B in der Mischung A20B80 beobachtet. Eine inkorrekte Genotypisierung einiger STR-Systeme, also die Ableitung von einem (gelbe Balken) oder 2 (rote Balken) der Person nicht zugehörigen Allele, war v. a. in den anteilsähnlicheren Mischspuren zu beobachten. Grundlegend konnte festgestellt werden, dass eine inkorrekte Genotypisierung einer Person der Mischung oftmals dazu führt, dass in den gleichen Systemen die Allele der anderen Person ebenfalls nicht mit dem tatsächlichen Genotyp übereinstimmen. Die Bedeutung der Peakhöhendifferenz, basierend auf dem Mischungsverhältnis (80:20 vs. 55:45), bei der Ableitung der GTK für die Beteiligten A und B im Marker D2S441 verdeutlicht Abb. 1b. Eine geringere Differenz zwischen den Allelpeaks begünstigte eine fehlerhafte Ableitung von Allelen.

Abb. 1
figure 1

Ableitung der Genotypkonstellationen (GTK) in den Mischspuren mit Personen A (oben) und B (unten) als Hauptkomponente. a Anteile der korrekt/inkorrekt zugeordneten STR-Systeme/Amelogenin; grün = beide Allele korrekt zugeordnet, gelb = ein Allel korrekt zugeordnet, rot = beide Allele falsch zugeordnet. b EPG-Ausschnitt des STR-Markers D2S441 der Mischspuren A80B20 und A55B45. Die Allelpeaks 10, 11 und 14 zeigen in beiden Mischspuren unterschiedliche Fluoreszenzintensitäten, abhängig vom jeweiligen Anteil der Komponenten A und B. ST „stutter“, GPM 4 „Genoproof Mixture 4“

Im Zuge der Mischspurenanalyse aufgetretene Stutter-Produkte wurden von der Software anhand der EasyRead-Technologie erfolgreich als solche identifiziert, im EPG entsprechend gekennzeichnet und nicht als Allele gewertet (Abb. 1b). Somit zeigte das Auftreten von Stutter-Produkten keinen Einfluss auf die Ableitung der wahrscheinlichsten GTK mittels GPM4. Mischspuren, in denen technisch bedingte Drop-out-Ereignisse auftraten, wurden einer wiederholten STR-Analyse unterzogen, sodass der Einfluss von „allelic drop-outs“ hinsichtlich der Zuweisung der Genotypen im Rahmen dieser Studie nicht weiter untersucht wurde. Durch den Ausfall eines Allels oder mehrerer Allele an den untersuchten Loci ist jedoch mit einer höheren Fehlerquote in Bezug auf die GTK-Ableitung der Spurengebenden zu rechnen.

3-Personen-Mischspuren

Die Ergebnisse der Dekonvolution von künstlich erzeugten 3‑Personen-Mischspuren sind in Abb. 2 dargestellt. Dabei wurde bei den unterschiedlichen Personenkonstellationen (ABC, DEF und GHI) in Bezug auf die Performance der GTK-Ableitung mittels GPM4 eine Abhängigkeit von Homo‑/Heterozygotie sowie der Mischkomposition beobachtet.

Abb. 2
figure 2

Ableitung der GTK in den 3‑Personen-Mischspuren. a Spurenbeteiligung von Personen A, B und C. b Spurenbeteiligung von Personen D, E, F. c Spurenbeteiligung von Personen G, H, I

Im Vergleich zu den 2‑Personen-Mischspuren wiesen die von der Software abgeleiteten GTK für die beteiligten Personen der 3‑Personen-Mischspuren meist eine Wichtung < 90 % auf. Vor allem in der Probe A20B30C50 wurden die Genotypen der Nebenkomponenten A und B mit Wahrscheinlichkeiten < 30 % gewichtet. In der Spur D30E50F20 wurden die Allelkombinationen der Hauptkomponente E in einigen STR-Systemen mit > 90 % gewichtet und kongruierten mit dem tatsächlich vorliegenden Genotyp. Die genetischen Einzelprofile der Nebenkomponenten D und F dagegen wurden von der Software in fast allen Markern nicht korrekt abgeleitet (Abb. 2b, D30E50F20). Die von GPM4 zugewiesenen GTK der Hauptkomponente H aus Spur G30H50I20 wurden in 11 von 17 Systemen mit einem Wert > 90 % gewichtet. Darunter befanden sich 7 GTK, für die ein Wichtungswert von 99 % berechnet wurde und eine Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Profil der Person H in den entsprechenden STR-Systemen vorlag. Die Nebenkomponenten G und I zeigten insgesamt geringere Wichtungen und einige Fehlableitungen von Allelen auf.

Die Anteile der richtig abgeleiteten STR-Systeme fielen im Vergleich zu den 2‑Personen-Mischspuren deutlich geringer aus. Es ließ sich beobachten, dass die Anteile der STR-Marker mit dem richtigen Genotyp (grüne Balken) in fast allen Mischspuren bei der jeweiligen Hauptkomponente höher waren als bei den Nebenkomponenten, für die des Öfteren die Ableitung 2 nichtzugehöriger Allele beobachtet wurde (rote Balken). Für Hauptkomponenten, die ein genetisches Profil mit einer höheren Zahl an homozygoten Allelpaaren besaßen (B, D), wurde von der Software in vergleichsweise mehr STR-Systemen eine GTK abgeleitet, die dem tatsächlichen Genotyp entsprach. Zu einer höheren Fehleranfälligkeit in Bezug auf die Ableitung von Allelpaaren kam es jedoch beim Vorliegen einer Mischspur mit einem höheren Anteil an homozygoter Allelausprägung (DEF). Die Anzahl der Marker, in denen eine Fehlableitung beider Allele detektiert wurde (rote Balken), war in den GHI-Mischspuren gegenüber den ABC- und DEF-Mischspuren sichtbar geringer (Abb. 2c).

Das Beispiel in Abb. 3 verdeutlicht die Herausforderung in Bezug auf die Ableitung der richtigen GTK beim Auftreten überlagernder Allele. Im Marker FGA der Mischspur G30H50I20 kommt das Allel 21 bei allen 3 Spurengebenden vor, wodurch dieser Peak die höchste Signalintensität aufwies und somit der stärksten Komponente 1 (Person H) als homozygote Kombination zugewiesen wurde. Das zu Person H gehörige Allel 20 stellte den Peak mit der zweithöchsten Fluoreszenzintensität des Systems dar und wurde durch GPM4 den beiden Nebenkomponenten 2 und 3 (Personen G und I) zugeschrieben. Von der Software wurde die Zuweisung des Allels 21 zum Genotyp von H mit einem Wichtungswert von 91,82 % bewertet und entsprach damit innerhalb der GHI-Mischspuren der einzigen abgeleiteten GTK, die mit einer Wichtung > 90 % nicht mit der tatsächlichen GTK übereinstimmte.

Abb. 3
figure 3

Marker FGA der Mischspur G30H50I20. Fluoreszenzintensität der Allelpeaks 20, 21, 22 und 24 und deren Zuordnung zu den Spurengebenden G, H und I

Dekonvolution mit Vergleichsmaterial

Die zuvor aufgeführten Berechnungen der Dekonvolution erfolgten unter der Annahme von 3 unbekannten Spurenverursachenden, also unter Ausschluss von Vergleichsmaterial. Die genetischen Profile der anteilig am zweithöchsten vorliegenden Komponenten (30 %) A, D und I wurden als VM in der Berechnung mitgeführt, wodurch die GTK dieser Komponenten bereits vorgegeben waren. Die Wichtungen der betreffenden Komponente wurden im Ergebnis mit 100 % wiedergegeben.

In diesem Fall konnte für alle 3 Mischspuren eine steigende Effizienz in Bezug auf die richtige Ableitung der Allelkombinationen verzeichnet werden (Abb. 4). Des Weiteren zeigte sich ein Anstieg der Wichtungswerte für die abgeleiteten GTK der einzelnen Komponenten. Bei dieser Berechnung konnten für die jeweiligen Hauptkomponenten (C, F, G) Wichtungen > 90 % für die zugewiesenen Allelpaare beobachtet werden (vorher teilweise < 50 %).

Abb. 4
figure 4

Vergleich der Ableitungen der GTK in drei 3‑Personen-Mischspuren bei 3 unbekannten Spurenlegenden (a) und mit bekanntem Vergleichsmaterial (grün schraffiertb)

Die Berücksichtigung von VM zeigte einen deutlichen Kontrast zu den Ergebnissen der Dekonvolution ohne VM. Der Anteil der Systeme mit der Zuweisung eines falschen Allels verringerte sich deutlich.

Diskussion

Die Interpretation einer Mischspur stellt im Vergleich zu einer Einzelspur eine Herausforderung dar, da durch den Nachweis mehrerer Allele in einem System keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Genotypkonstellation eines/einer Spurenverursachenden gezogen werden können. Das Auftreten stochastischer Effekte kann die Ableitung von Einzelprofilen durch Sachverständige dabei zunehmend erschweren. Bislang werden lediglich Berechnungen zur Verursacherwahrscheinlichkeit als gerichtsverwertbares Beweismittel zur Klärung einer Täterschaft zugelassen, wodurch die wissenschaftliche Validierung von Mischspurenanalyse-Softwares immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Die Herleitung der wahrscheinlichsten GTK geschieht über den Abgleich der für diese GTK erwarteten Peakhöhen mit den beobachteten Peakhöhen der in der Mischspur detektierten Allele. Die Höhe eines Allelpeaks im EPG ist ungefähr proportional zu der DNA-Menge, mit der die beteiligten Komponenten in der Mischung vertreten sind [5]. Anhand der Informationen zur Peakhöhe können die Spurenbeteiligten in eine Haupt- und eine Nebenkomponente unterschieden werden. Bei der Dekonvolution der 2‑Personen-Mischspuren zeigte sich eine Abhängigkeit einer korrekten Ableitung vom Mischungsverhältnis der Komponenten. Dabei wurden die besten Ergebnisse bei den Mischspuren erzielt, die eine deutliche Unterscheidung von Haupt- und Nebenkomponente vorwiesen. In diesen wurde eine Übereinstimmung der von der Software abgeleiteten GTK mit dem tatsächlichen Genotyp häufiger beobachtet, was auf die Peakhöhendifferenz der in der Mischspur enthaltenen Allele zurückzuführen ist. Eine Berechnung der Dekonvolution von Spuren ohne deutliche Hauptkomponente führte zur Ableitung von GTK mit 2 der Personen nichtzugehörigen Allelen in einer höheren Anzahl von Systemen für beide Personen. Mischspuren, in denen die Komponenten anhand der Konvergenzanalyse von GPM4 anteilsähnlich vorliegen, stellen demnach eine Herausforderung für die Ableitung der GTK dar, da eine eindeutige Zuordenbarkeit der Allele anhand ihrer Peakhöhen durch die ähnlichen Fluoreszenzintensitäten nicht mehr zuverlässig erfolgen kann. In diesen Fällen ist eine Berechnung der Dekonvolution nicht sinnvoll.

Mit zunehmender Zahl an Spurenverursachenden konnte eine Abnahme der Effizienz hinsichtlich der korrekten Ableitung von Einzelprofilen festgestellt werden. Grundlegend beeinflussten folgende Faktoren die Ableitung der GTK beteiligter Personen:

  • Homo‑/Heterozygotie im DNA-Profil der Spurenlegenden,

  • Anteile der Nebenkomponenten,

  • Qualität der Mischspuren [8, 12],

  • Allele, die bei mehreren Personen im gleichen Marker auftreten.

Mit der Angabe des bekannten Profils der mittleren Komponenten konnten GTK abgeleitet werden, die in über 50 % (teilweise bis zu 80 %) der untersuchten STR-Marker mit dem tatsächlichen Personenprofil übereinstimmten. Durch das Setzen der mittleren Komponente konnte eine richtige Zuordnung der in der Mischspur detektierten Allele anhand von Peakhöhen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erfolgen, da die Fluoreszenzintensitäten der Allelpeaks von Hauptkomponente und anteilig am niedrigsten vorliegender Komponente eine unterscheidbare Höhe aufweisen sollten.

Fazit für die Praxis

Die Dekonvolution eignet sich v. a. bei 2‑ oder 3‑Personen-Mischspuren, in denen die DNA-Profile der Spurenbeteiligten einen hohen Grad an Heterozygotie und einen geringen Grad an Allelüberlagerungen aufweisen, besonders gut. Liegt ein deutlicher DNA-Mengen-Unterschied von Haupt- und Nebenkomponente in einer 2‑Personen-Mischspur vor, ist eine Berechnung mittels Genoproof® Mixture 4 von Vorteil. Des Weiteren bietet sich eine Dekonvolution von 3‑Personen-Mischspuren an, wenn für diese Spur Vergleichsmaterial einer beispielsweise berechtigten oder tatverdächtigen Person zur Verfügung steht. Die Dekonvolution einer Mischspur mit 3 unbekannten Spurenlegenden kann nur u. U. als eine Hilfestellung bei der Ermittlung des Einzelprofils für die Hauptkomponente dieser 3‑Personen-Spur eingesetzt werden.

Die Dekonvolution mittels GPM4 ist in erster Linie abhängig von der Qualität der eingepflegten Daten und sollte als unterstützendes Tool nur in Spuren eingesetzt werden, in denen stochastische Effekte kaum eine Rolle spielen. Demnach empfiehlt es sich nicht, GPM4 bei der Untersuchung degradierten Spurenmaterials einzusetzen.

Folgende Kriterien helfen zu entscheiden, wann eine Berechnung der Dekonvolution sinnvoll ist, bzw. ob die abgeleiteten Genotypkonstellationen (GTK) als tatsächliche GTK anzunehmen sind:

  • geringe Unterschiede in den Peakhöhenverhältnissen der Allele im Doppelansatz,

  • die Anzahl der für die Komponente angenommenen Genotypen und deren jeweilige Wichtungen,

  • der Abstand zwischen dem an 1. und 2. Position gewichteten Genotyp,

  • die von GPM4 angenommenen Mischungsverhältnisse,

  • eine über > 90 % gewichtete GTK.

Die Ergebnisse der Berechnungen sollten dabei als hinweisgebend bzw. bestätigend zur subjektiv durchgeführten Merkmalsprofilableitung betrachtet werden.