Die körperliche Misshandlung von Schutzbefohlenen hinterlässt nicht selten äußerlich sichtbare Spuren auf der Haut. Die Beurteilung von Hautläsionen gehört daher zum Tätigkeitsprofil jedes klinisch-forensisch tätigen Rechtsmediziners. Da jedoch die Abgrenzung von Misshandlungsfolgen zu dermatologischen Erkrankungen nicht immer sofort eindeutig ist, ist es notwendig, sich mit möglichen Differenzialdiagnosen vertraut zu machen. Oft ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich.

Hintergrund

Absichtlich zugefügte Verbrennungen mit Zigaretten finden sich bei Kindern und Jugendlichen meist gruppiert an Händen und Körperstamm. Sie stellen bei Aufpressen einen Negativabdruck der Zigarettenspitze, also eine rundliche oder kegelförmige, gleichmäßig ausgestanzt wirkende Hautläsion von etwa 0,8–1 cm Größe, dar [5]. Auch wenn bei Kleinkindern die Haut noch deutlich dünner ist als bei Erwachsenen [7], reicht laut Faller Marquardt et al. [2] ein versehentliches Herunterfallen von Zigarettenasche auf den Arm eines Kindes oder ein Stoßen gegen die Zigarette für solche Läsionen nicht aus. Stattdessen ist eine Kontaktzeit von über 1 s notwendig, was deutlich über der Reflexdauer zum Wegziehen des betroffenen Körperteils liegt. Man kann folglich bei derartigen Verletzungen eine gewisse Absicht unterstellen, sei es ausgehend von der verletzten Person selbst (z. B. bei Selbstverletzungen psychiatrischer Patienten, „Mutproben“ oder zum Vortäuschen einer Straftat) oder von weiteren Beteiligten. Das Hinzuziehen der Rechtsmedizin bei Verdacht auf Kindesmisshandlung kann in einem solchen Fall weitreichende Konsequenzen für die Familie und das betroffene Kind haben. Die Beurteilung solcher Verletzungen sollte dementsprechend sorgfältig und naturgemäß unter Einbeziehung möglicher Differenzialdiagnosen geschehen.

Falldarstellung

Vorgeschichte

Eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin bat im vorliegenden Fall um eine rechtsmedizinische Mitbeurteilung eines 10 Monate alten Jungen. Das Kind war wegen eines fraglichen Hautausschlags mit nichtjuckenden, jedoch geformt wirkenden Läsionen von der Hausärztin zu ihr überwiesen worden. Ferner wurde von einer Betreuerin der Heimeinrichtung, in welcher der Junge zu diesem Zeitpunkt mit seiner Mutter lebte, mitgeteilt, dass es dort zuvor gehäuft zu „Vorfällen mit Zigaretten“ gekommen sei, wodurch sich der Verdacht auf eine möglicherweise stattgehabte Kindesmisshandlung mittels glühender Zigarettenspitzen ergab.

Untersuchungsbefund

Auf Fotografien vom Tag der Vorstellung in der Kinderarztpraxis ließen sich im linken oberen Rückenbereich mehrere rundliche, überwiegend eher asymmetrisch geformt wirkende, teils scharf, teils unscharf begrenzte Erytheme mit nahezu vollständigem Verlust der Oberhaut sowie einzelnen braun-schwärzlichen Verkrustungen erkennen. Diese zunächst verbrennungsverdächtigen Hautläsionen wiesen verschiedene Durchmesser von 0,5 bis 2,5 cm auf (Abb. 1a). Einen Tag später wurden bei der kinderärztlichen Wiedervorstellung erneut Fotografien angefertigt, welche zwar einen grundsätzlich ähnlichen Aspekt, nun jedoch mit beginnender bräunlicher Krustenbildung zeigten (Abb. 1b). Einen weiteren Tag später, im Rahmen der zwischenzeitlich angeforderten rechtsmedizinischen körperlichen Untersuchung, waren die Läsionen nunmehr nahezu vollständig mit einer goldgelb-braunen Kruste bedeckt, welche stellenweise bereits aufbrach und sich schuppenartig von der Haut ablöste (Abb. 1c). Die Kenntnis der Läsionsentwicklung sowie der charakteristische Endbefund ermöglichten schließlich die sichere Diagnose einer Impetigo contagiosa. Die daraufhin eingeleitete antibiotische Therapie unter dermatologischer bzw. kinderärztlicher Betreuung führte zur vollständigen Remission.

Abb. 1
figure 1

Entwicklung verbrennungsverdächtiger Hautläsionen über die Zeit. a Tag 1: mehrere rundliche, asymmetrische, scharf und unscharf begrenzte Erytheme mit Verlust der Oberhaut (Reste von Blasenbildungen) von 0,5 bis 2,5 cm im Durchmesser im linken oberen Rückenbereich; b Tag 2: dieselben Läsionen mit beginnenden bräunlichen Krustenbildungen; c Tag 3: Die Läsionen sind nun mit deutlich erkennbaren, schuppenartigen, goldgelb-braunen Krustenbildungen bedeckt

Diskussion

Im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung sollte beurteilt werden, ob es sich bei den beschriebenen Hautveränderungen um einen Fall von Kindesmisshandlung in Form von Verbrennungen mit Zigaretten handelt.

Der Anteil von nichtakzidentellen, thermischen Verletzungen, infolge von absichtlich zugefügten Läsionen oder Vernachlässigung, an Fällen von Kindesmisshandlung beträgt 9,7 % [8]. Jungen sind dabei häufiger betroffen als Mädchen [15]. Bis zu 25 % aller Kinder, die mit solchen thermischen Verletzungen behandelt werden, sollen Opfer einer Misshandlung sein [9]. Der Altersgipfel liegt in Deutschland im Kleinkindalter zwischen 2 und 4 Jahren [7]. Als Risikofaktoren für thermische Verletzungen werden u. a. ein niedriger sozioökonomischer Status, ein niedrigeres Bildungsniveau der Aufsichtsperson und psychosozialer Stress im häuslichen Umfeld genannt [7].

Die häufigsten misshandlungsbedingten thermischen Verletzungen bei Kindern entstehen durch Verbrühungen, gefolgt von Kontaktverbrennungen (z. B. durch Aufpressen von Zigaretten oder Bügeleisen) [12, 15]. Laut Herrmann et al. in ihrem Buch Kindesmisshandlung [5] stellen Rücken, Schultern, Unterarme, Handrücken und Gesäß dabei die am häufigsten betroffenen Körperregionen dar. Üblicherweise ergibt sich durch das Aufpressen ein sehr spezifischer Abdruck des verwendeten Gegenstandes. Im Fall von glühenden Zigarettenspitzen sind dies rundliche oder im Fall von selbstgedrehten Zigaretten kegelförmige, gleichmäßig tiefe und wie ausgestanzt wirkende Läsionen von etwa 0,8–1 cm im Durchmesser. Heilt die Verbrennungswunde ab, bleibt eine kreisförmige Narbe mit initial bräunlichem Randsaum bestehen [2, 5]. Unvollständige, unregelmäßige und oberflächliche Läsionen können zum einen unfallbedingt entstehen, zum anderen treten diese auf, wenn das Opfer vor dem Aufpressen des heißen Gegenstands ausweichen kann. Die Läsion zeigt dann eine Art „Wischspur“ [5].

Im vorliegenden Fall wiesen die Hautläsionen zunächst durchaus Kriterien auf, die an misshandlungsbedingte Verbrennungen denken ließen:

  • Lokalisation im Rückenbereich,

  • runde, teils scharf begrenzte Läsionen,

  • gruppiertes Auftreten.

Auch die Hinweise der Betreuerin und der niedrige sozioökonomische Status der Familie waren Faktoren, die den Verdacht zunächst zusätzlich bekräftigten. Allerdings fanden sich auch Eigenschaften, die eher nicht mit dem typischen Bild von thermischen Verletzungen durch Zigaretten entsprachen:

  • Durchmesser der Läsionen bis 2,5 cm,

  • Begrenzung der Verletzungstiefe auf die Oberhaut,

  • teilweise asymmetrische Form.

Bei der rechtsmedizinischen Begutachtung zeigten sich schließlich bereits zusätzliche eindeutige Befunde in Form von gold-gelben Krusten, die in Zusammenschau mit den restlichen Untersuchungsergebnissen (typischer Verlauf der Impetigo contagiosa, die teilweise asymmetrische Form der Läsionen, der Durchmesser bis 2,5 cm und die Begrenzung auf die Oberhaut), die Schlussfolgerung zuließen, dass es sich bei den Verletzungen nicht um Misshandlungsfolgen, sondern um Hauterscheinungen im Rahmen einer Impetigo contagiosa und damit um einen Befund aus innerer krankhafter Ursache heraus handelt. Auch der weitere Verlauf mit narbenlosem Abheilen der Läsionen nach antibiotischer Behandlung bestätigte diese Diagnose.

In der Literatur finden sich ebenfalls vereinzelt Fallberichte über Kinder und Jugendliche, bei denen eine Impetigo contagiosa als Differenzialdiagnose zu nichtakzidentellen thermischen Verletzungen beschrieben wird [11, 16].

Mullen et al. [11] berichteten über ein 2 Jahre altes Mädchen, das mit einer 4 × 4,5 cm großen, verkrusteten Hautläsion am rechten Oberarm von ihrer Mutter in die Klinik gebracht wurde. Die Eltern hatten sich kurz zuvor getrennt, und das Kind war vor Auftreten der Hautläsion allein bei seinem Vater gewesen. Zunächst wurde ebenfalls eine thermische Verletzung vermutet. Da der Vater jedoch auf Befragen des behandelnden Arztes angab, dass die Hautveränderung 2 Tage zuvor lediglich etwa 2 cm maß, wurde ein dermatologisches Konsil veranlasst und dabei eine Impetigo contagiosa bestätigt. Der ausschlaggebende Hinweis war hierbei die Aussage des Vaters, da sich Verbrennungen mit Zigaretten im Gegensatz zu der bakteriellen Infektion bei Impetigo contagiosa im Verlauf nicht weiter ausbreiten.

Auch Wheeler und Hobbs [16] beschreiben in ihrem Artikel 18 Kinder mit thermischen Verletzungen aus Familien mit niedrigen sozioökonomischen Verhältnissen und weiteren Risikofaktoren für bzw. mit bereits bekanntem Kindesmissbrauch. Die Autoren nennen in ihrer Studie als häufigste Fehldiagnose die Verwechslung von Zigarettenverbrennung mit Impetigo contagiosa. Als Unterscheidungsmerkmale bei den untersuchten Patienten nennen sie die unregelmäßige Form der Hautläsionen bei Impetigo contagiosa und das oberflächliche Auftreten auch an Armen und Beinen sowie im Gesicht der Kinder. In einem Fall heilten die Hautveränderungen bei einem Geschwisterkind nach der Gabe von Antibiotika folgenlos ab.

Eine Differenzierung zwischen den beiden Entitäten wird zusätzlich dadurch erschwert, dass diese auch zusammen als bakterielle Superinfektion der initialen Brandwunde vorkommen können [10]. So trat gemäß Aikins et al. [1] bei 7 % der Kinder, die aufgrund einer Brandwunde eine Hauttransplantation erhielten, eine Impetigo auf. Über die Anzahl solcher Infektionen im häuslichen Umfeld, z. B. durch den Versuch, eine solche Wunde durch einen fehlenden Arztbesuch zu verschleiern, liegen bislang keine verlässlichen Daten vor.

In Deutschland beträgt der Anteil der erfassten, nichtakzidentellen thermischen Verletzungen an allen thermischen Verletzungen lediglich 0,5 %. Im internationalen Vergleich finden sich jedoch deutlich höhere Anteile von 3,8–24 %. Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz ist eine hohe Dunkelziffer, die wiederum aus der schwierigen Unterscheidbarkeit, einem gewissen blinden Vertrauen gegenüber den Aussagen der Aufsichtsperson(en) oder schlicht der fehlenden oder nichtausreichenden Kenntnis von Risikofaktoren und Verletzungsmustern resultiert [7].

Im Gegensatz dazu ist die Impetigo contagiosa mit einer Inzidenz von 20 Fällen/1000 Einwohner eine der häufigsten bakteriellen Hautinfektionen im Kindesalter [13, 14]. Unterschieden wird dabei zwischen der häufigeren Impetigo vulgaris, einer kleinblasigen Form, ausgelöst durch β‑hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, und der Impetigo bullosa, einer großblasigen Form infolge einer Infektion mit Staphylococcus aureus. Infektionsquellen sind bakterielle Nasen- oder Racheninfektionen bei anderen Patienten oder Impetigoherde bei Kontaktpersonen, v. a. Geschwister, Kindergarten- oder Schulkameraden. Sie beginnt, entgegen der im Fall beschriebenen Lokalisation am Rücken, in der Regel im Mund-Nasen-Bereich oder an den Händen mit einem umschriebenen Erythem und kleinen Bläschen und breitet sich über Schmierinfektionen weiter aus. Neben der bereits geschilderten groß- und kleinblasigen Verlaufsform kann es bei einer Infektion mit Exfoliatin-bildenden Staphylokokken auch zur Ausbildung eines staphylogenen Lyell-Syndroms kommen. Die Impetigo contagiosa heilt im Gegensatz zu Brandwunden ohne Narbenbildung. Diagnostiziert wird eine Impetigo überwiegend klinisch. Haut‑, Nasen- oder Rachenabstriche können dabei richtungweisend sein, unterscheiden aber oft nicht zwischen einer Infektion und einer Kolonisierung [3, 4, 6].

Fazit für die Praxis

  • Um frühzeitig einen falschen Verdacht auf Kindesmisshandlung zu vermeiden, sollten bei Vorliegen suspekter Hautbefunde eine genaue und sorgfältige Anamnese der Beteiligten und eine Untersuchung der Hautbefunde mit Analyse der Wundmorphologie erfolgen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung gelingt dabei durch die charakteristische Wundmorphologie und den Verlauf. Gegebenenfalls sollte in Zweifelsfällen zeitnah, sofern möglich, ein zweiter und, falls erforderlich, auch ein dritter Termin zur Begutachtung erfolgen.

  • Aufgrund der Häufigkeit der Impetigo contagiosa und der Ähnlichkeit zu Zigarettenverbrennungen stellt sie eine wichtige Differenzialdiagnose dar.

  • Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit kann bei schwierigen Fällen unerlässlich sein.