Einleitung

Am 11.03.2020 erklärte die World Health Organization (WHO) den Ausbruch des „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS-CoV-2) zu einer weltweiten Pandemie [1]. Seitdem existieren in der Literatur mehrere Untersuchungen und Fallberichte zu SARS-CoV-2-Infektionen und assoziierten Todesfällen [2,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23]. Die unterschiedlichen Autoren betonen wiederholt die Wichtigkeit der Sektionen, um das neuartige Coronavirus, seine Wirkungsweise und seine Manifestationen an den Organen zu verstehen und um ggf. neue Therapieansätze für infizierte Personen zu finden. Obduktionen von mit und an „coronavirus disease 2019“ (COVID-19) Verstorbenen sind nicht nur von wissenschaftlicher Relevanz, sondern auch für die korrekte statistische Erfassung von Sterbefällen von erheblicher Bedeutung, für gesundheitspolitische Entscheidungen und eine sachgemäße Todesursachenstatistik [4]. Gemäß größerer, internationaler Studien waren Personen, die mit oder an einer SARS-CoV-2-Infektion verstarben, zwischen 52 und 96 Jahre alt, mit einer leichten Dominanz des männlichen Geschlechts [4, 10, 16, 22, 24]. Zu SARS-CoV-2-assoziierten Todesfällen von Verstorbenen unter 50 Jahren liegen Einzelfallberichte, aber keine systematischen Übersichten vor. Barton et al. berichteten den Fall eines 42-jährigen verstorbenen Mannes mit SARS-CoV-2-Nachweis und einer myotonen Muskeldystrophie [2]. Xu et al. beschrieben einen SARS-CoV-2-assoziierten Todesfall eines 50-jährigen Mannes, ohne Angaben zu Komorbiditäten [20]. Größere Studien, die sich explizit auf jüngere Verstorbene mit SARS-CoV-2-Nachweis beziehen, existieren aktuell in der deutsch- und englischsprachigen wissenschaftlichen Literatur unseres Wissens nach nicht. Ein hohes Lebensalter wurde als ein wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung schwerer Pneumonien, die Hospitalisierungsrate und Mortalität bei SARS-CoV-2-Nachweis berichtet [9, 18, 22]. Frühere Studien an Makaken, die mit SARS-CoV infiziert wurden, ergaben, dass ältere Tiere eine stärkere Wirtsreaktion auf die Virusinfektion zeigten als jüngere [25]. Neben einem erhöhten Lebensalter existieren weitere Risikofaktoren, die mit COVID-19-assoziierten Todesfällen im Zusammenhang stehen. Hierbei handelt es sich v. a. um Komorbiditäten wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, koronare Herzerkrankung (KHK), chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sowie chronische Nieren- und Lebererkrankungen [3, 14, 22, 26, 27]. Andere Untersuchungen haben Übergewicht und Adipositas, insbesondere bei Patienten unter 60 bzw. 45 Jahren, als erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und die damit verbundene (intensivmedizinische) Krankenhausaufnahme beschrieben, ohne explizit auf Sterbefälle dieser Patientengruppe einzugehen. Eine höhere Mortalität bei übergewichtigen bzw. adipösen Patienten im Vergleich zu Normalgewichtigen konnte hingegen nicht festgestellt werden [12, 18, 19].

Ziel dieser vorliegenden Auswertung war die Darstellung der Häufigkeit der SARS-CoV-2-assoziierten Todesfälle bei erwachsenen Personen in jüngerem Lebensalter (≤50 Jahre) unter Beleuchtung der Komorbiditäten, der Krankheitsverläufe und möglicher Spezifika aus dem Hamburger Sektionsgut.

Untersuchungen im Institut für Rechtsmedizin in Hamburg

Am 16.03.2020 wurde der erste SARS-CoV-2-assoziierte Todesfall in Hamburg obduziert [7, 16, 17]. Ab diesem Zeitpunkt wurden im Jahr 2020 alle Hamburger SARS-CoV-2-assoziierten Todesfälle im Auftrag der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) der Freien und Hansestadt Hamburg durch das Institut für Rechtsmedizin in Hamburg anhand der ärztlichen Unterlagen (Arztbriefe, Laborbefunde), der postmortalen Computertomographie (PMCT), der ultraschallgestützten minimal-invasiven Autopsie (MIA) und der konventionellen Sektion mit histopathologischen Folgeaufträgen evaluiert. Grundlage für die Untersuchungen und Obduktionen waren ganz überwiegend die jeweilige Beauftragung oder Anordnung der zuständigen Hamburger Gesundheitsämter nach § 25 (4) des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) sowie die Zustimmung der nächsten Angehörigen zu den postmortalen Untersuchungen. Die Auswahl und Durchführung der jeweiligen Untersuchungsmethoden erfolgten je nach Zustimmung der Angehörigen – teilweise wurden mehrere Untersuchungsmethoden pro Fall kombiniert. Darüber hinaus wurden einige SARS-CoV-2-Sterbefälle auch als gerichtliche Sektionen im Auftrag von Staatsanwaltschaften durchgeführt. Nach den Untersuchungsergebnissen wurden die Sterbefälle jeweils in eine der 3 Kategorien eingestuft und an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet (Tab. 1).

Tab. 1 Einteilung der COVID-19-Sterbefälle in 3 Kategorien zur Meldung an die Gesundheitsbehörde (basierend auf Edler et al. [4])

Material und Methoden

Vom 16.03.2020 an wurden bis über den Jahreswechsel alle aus dem Kalenderjahr 2020 bekannt gewordenen Sterbefälle mit Hamburger Meldeadresse und positivem prä- und/oder postmortalen SARS-CoV-2-Nachweis untersucht. Bis zum April 2020 erfolgten stichprobenartige PCR-Tests auf SARS-CoV‑2 der in das Institut für Rechtsmedizin eingelieferten Verstorbenen. Ab April 2020 wurden alle Verstorbenen routinemäßig auf SARS-CoV‑2 getestet (auch die Verstorbenen, die zu Lebzeiten bereits positiv getestet wurden).

Insgesamt wurden 735 SARS-CoV-2-assoziierte Todesfälle mit Hamburger Meldeadresse und einem Altersmedian von 83 Jahren im Institut für Rechtsmedizin in Hamburg evaluiert. 262 Todesfälle wurden lediglich anhand ärztlicher Unterlagen, 411 anhand postmortaler Computertomographie, 41 anhand ultraschallgestützter minimal-invasiver Autopsie und 283 anhand der konventionellen Sektion evaluiert. In allen Todesfällen wurden, wenn möglich und sofern vorhanden, Krankenunterlagen hinzugezogen und ausgewertet. Im Rahmen der minimal-invasiven Untersuchungen und der konventionellen Sektionen wurden Gewebestanzen bzw. Gewebeproben für nachfolgende histopathologische Untersuchungen asserviert und aufgearbeitet; über die Ergebnisse wird gesondert berichtet. Eine Beurteilung/Klassifikation aller untersuchten Sterbefälle erfolgte anhand eines von Edler et al. [4] modifizierten Schemas (Tab. 1). 344 der 735 (46,8 %) Verstorbenen waren weiblich und 391 (53,2 %) männlich. Alle Sterbefälle mit einem Alter ≤50 Jahre (n = 9) wurden nach folgenden Kriterien aufgearbeitet: Sterbedatum, Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), Sterbeort (kategorial), Todesursache, Krankheitsverlauf, erster SARS-CoV-2-Nachweis, Vorerkrankungen (nach Organsystemen), Überlebenszeit (nach Infektionsnachweis). Darüber hinaus sind 3 weitere SARS-CoV-2-assoziierte Sterbefälle von Personen in einem Alter ≤50 Jahre mit einer externen Meldeadresse und Sterbeort Hamburg aus dem Hamburger Sektionsgut im Jahr 2020 bekannt. Diese wurden als gerichtliche bzw. private Sektionen in Auftrag gegeben. Eine detaillierte Übersicht der 12 Todesfälle findet sich in Tab. 2. Weiterhin ist in Hamburg aus 2020 der Sterbefall eines 7‑jährigen Kindes mit externer Meldeadresse bekannt. Da es sich um ein Kind handelt, wurde dieser Fall bewusst nicht in die vorliegende Auswertung inkludiert. Aufgrund fehlender Zustimmung durch die Angehörigen konnte keine Obduktion erfolgen.

Tab. 2 Übersicht über die SARS-CoV-2-assoziierten Todesfälle bei erwachsenen Personen bis 50 Jahre

Ergebnisse

Demografie

Unter den 735 dokumentierten SARS-CoV-2-assoziierten Todesfällen mit Hamburger Meldeadresse und den untersuchten Sterbefällen mit Nicht-Hamburger Meldeadresse waren insgesamt 12 Verstorbene ≤50 Jahre, mit einem durchschnittlichen Alter von 39,8 Jahren (Range: 21 bis 50 Jahre, Median: 46,5 Jahre). Das Verhältnis Männer zu Frauen betrug 7:5. Der durchschnittliche Body-Mass-Index (BMI) der 12 Verstorbenen lag bei 32,1 kg/m2; drei der Verstorbenen zeigten eine morbide Adipositas (BMI >40 kg/m2 nach WHO), einer eine Adipositas Grad I. Drei der Verstorbenen waren normalgewichtig und 4 präadipös. Bei einem Verstorbenen konnte postmortal kein BMI bestimmt werden, da zu Lebzeiten die Beine ab mittlerer Höhe der Oberschenkel amputiert wurden.

Rechtsmedizinische Untersuchung und Todesursachen

In 11 Fällen wurde eine rechtsmedizinische Sektion, inklusive Asservierung von Gewebeproben zur mikroskopischen Untersuchung, durchgeführt; in 6 Fällen erfolgte ergänzend eine postmortale Computertomographie. Ein Fall wurde, bei fehlender Zustimmung zur Obduktion durch die Angehörigen, anhand der umfangreichen Krankenunterlagen nach intensivmedizinischer Behandlung evaluiert.

Todesursachen: In 7 Fällen war die autoptisch festgestellte Todesursache eine COVID-19-Pneumonie. Bei 2 weiteren Fällen war eine medizinische Komplikation bei intensivmedizinischem Behandlungsbedarf einer COVID-19-Pneumonie mittodesursächlich (intrazerebrale Blutung bei extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO), Blutung bei Anlage eines Tracheostoma). Fall 6 (Tab. 1) wurde lediglich anhand der ausführlichen ärztlichen Krankenunterlagen ausgewertet. Klinisch verstarb die Frau an einer in der klinischen Computertomographie nachgewiesenen intrazerebralen Blutung nach ECMO-Anlage bei schwerem „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS). Zwei der 11 obduzierten Todesfälle zeigten mit Sektionsbefunden einer dekompensierten Herzinsuffizienz bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung ohne Nachweis eines diffusen Alveolarschadens oder einer Pneumonie und einer Hyperglykämie mit oberer gastrointestinaler BlutungFootnote 1 eine SARS-CoV-2-unabhängige Todesursache. In diesen beiden Fällen war der Virusnachweis erst postmortal erfolgt; typische Symptome der Viruserkrankung hatten anamnestisch zu Lebzeiten nicht vorgelegen.

Insgesamt konnten 10 der 12 Todesfälle als COVID-19-Todesfälle kategorisiert werden. In 5 der 10 COVID-19-Todesfälle wurden autoptisch thrombembolische Ereignisse nachgewiesen (tiefe Beinvenenthrombosen 3/10 (30 %), Thrombosen des Plexus prostaticus 3/6 (50,0 %), periphere bzw. zentrale Lungenarterienembolien 4/10 (40,0 %)).

Sterbeorte und Zeitraum zwischen erstem positiven SARS-CoV-2-Nachweis und Versterben

Sterbeorte waren in 3 Fällen die Wohnanschrift der verstorbenen Personen und in 9 Fällen die Intensivstation. Bei 2 der in der Häuslichkeit verstorbenen Personen war eine SARS-CoV-2-Infektion zu Lebzeiten nicht bekannt. Diese wurden erst im Institut für Rechtsmedizin durch routinemäßig durchgeführte postmortale nasopharyngeale Abstriche bei Leicheneinlieferung mittels PCR-Tests positiv auf SARS-CoV‑2 getestet. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der 9 hospitalisierten Personen in der Klinik betrug insgesamt 27,3 Tage (Range: 2 bis 66 Tage), wobei die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation im Durchschnitt 17,3 Tage betrug (Range: 2 bis 27 Tage). Die erste positive Testung auf SARS-CoV‑2 fand im Durchschnitt 20,2 Tage vor dem Versterben statt (Range: 2 bis 34 Tage prämortal).

Vorerkrankungen/Komorbiditäten

Alle der 12 Verstorbenen waren vorerkrankt. Bei 6 Verstorbenen lagen weniger als 3, bei 5 Verstorbenen ≥5 und bei einem Verstorbenen 3 Komorbiditäten vor (Tab. 2; Abb. 1). In 7 Fällen bestanden kardiovaskuläre Vorerkrankungen (Herzinsuffizienz, Arteriosklerose, Koronarsklerose, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Herzhypertrophie, Lipomatosis cordis, arterielle Hypertonie). Bei 3 der Verstorbenen lag zudem eine morbide Adipositas vor. Keine der Personen war kachektisch. An weiteren Vorerkrankungen waren eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), eine Cushing-Krankheit (Hypophysenadenom), eine pulmonale Hypertonie, eine Fettleber/Leberzirrhose, ein Diabetes mellitus Typ 1, Zustand nach tiefen Beinvenenthrombosen (TVT) und Lungenarterienembolie (LAE), eine chronische Gastritis, Magenulkus mit gastrointestinaler Blutung, eine chronische Pankreatitis und eine multiple Sklerose (MS) bekannt. In 5 Fällen bestanden darüber hinaus maligne Vorerkrankungen mit Schwächung des Immunsystems (Keimzelltumor, chronisch lymphatische Leukämie (CML), akute myeloische Leukämie (AML), akute lymphatische Leukämie (ALL), B‑Zell-Lymphom).

Abb. 1
figure 1

Komorbiditäten der 12 verstorbenen Personen (mit Mehrfachnennungen). Die Zahlenangaben beziehen sich auf die jeweilige Fallzahl. COPD chronisch obstruktive Lungenerkrankung, TVT tiefe Beinvenenthrombose, LAE Lungenarterienembolie, Z.n. Zustand nach, BMI Body-Mass-Index

Weitere Falldetails werden in Tab. 2 aufgelistet.

Diskussion

In dem dargestellten Untersuchungskollektiv der SARS-CoV-2-assoziierten Sterbefälle, die in der Hamburger Rechtsmedizin untersucht wurden, fanden sich insgesamt 12 Todesfälle von erwachsenen Personen im Alter bis 50 Jahre. Alle diese 12 Verstorbenen litten zu Lebzeiten an schweren relevanten kardiovaskulären, malignen oder anderen Vorerkrankungen. Teilweise waren diese bekannt; in anderen Fällen konnten autoptisch weitere Erkrankungen festgestellt werden. Bei 8 Verstorbenen lag eine Präadipositas oder eine Adipositas vor. Da das Körpergewicht postmortal im Institut für Rechtsmedizin gemessen wurde, ist hierbei an eine mögliche Gewichtszunahme durch zuvor stattgehabte intensivmedizinische Maßnahmen (Anasarka) zu denken. Angaben zum Körpergewicht bei Krankenhausaufnahme lagen jeweils nicht vor. Zehn dieser 12 Todesfälle wurden als COVID-19-Todesfälle kategorisiert. Die Personen starben an den Folgen einer COVID-19-Pneumonie bzw. an den Komplikationen im Rahmen der notwendigen intensivmedizinischen Behandlungen. In der Hälfte der COVID-19-Sterbefälle (5/10) wurden autoptisch Thrombosen bzw. Lungenarterienembolien festgestellt. Edler et al. berichteten in 40 % thrombembolische Ereignisse in ihrem Sterbefallkollektiv [4]. In allen Fällen lagen schwere Erkrankungsverläufe mit teilweise langen Krankenhausaufenthalten vor. Bei 2 Personen war die Infektion mit SARS-CoV‑2 hingegen nicht todesursächlich; bei diesen wurde eine SARS-CoV‑2 unabhängige Todesursache festgestellt. Der Virusnachweis erfolgte in diesen beiden Fällen erst postmortal bei einem verdachtsunabhängigen Screening im Institut für Rechtsmedizin. Der durchschnittliche Klinikaufenthalt der hospitalisierten Personen bis 50 Jahre von dem ersten positiven SARS-CoV-2-Nachweis bis zum Versterben betrug 27,3 Tage, wobei die mittlere Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation 17,3 Tage betrug. Zhou et al. beschreiben mit 18,5 Tagen auf der Normal- bzw. Intensivstation einen vergleichbaren Mittelwert in ihrer Kohorte, wobei es sich hier um 54 Verstorbene in einem medianen Alter von 69 Jahren handelte. 39 dieser Patienten wurden auf der Intensivstation mit einer mittleren Aufenthaltsdauer von 4 bis 12 Tagen behandelt [22]. Auffallend ist die geringe Todeszahl der unter 50-Jährigen in der Hamburger Kohorte, obgleich vom Robert Koch-Institut (RKI) gerade für die „zweite Welle“ der Pandemie in Deutschland auch zahlreiche positive Testergebnisse in dieser Altersgruppe gelistet werden. Am 05.02.2021 meldete das RKI für Deutschland insgesamt 2.264.909 mit SARS-CoV‑2 infizierte Personen, wobei der Anteil der 0- bis 59-Jährigen 73,6 % (1.667.846) ausmacht. Die Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen ist mit 51,2 % am häufigsten betroffen. Speziell in Hamburg beträgt der prozentuale Anteil der unter 59-Jährigen bis zu diesem Zeitpunkt 78,7 % von insgesamt 47.191 infizierten Personen [28]. Gemäß Berichten des RKI sind bis zum 29.12.2020Footnote 2 in Deutschland insgesamt 30.978 Personen an COVID-19 verstorben, wobei der Anteil der über 70-Jährigen 88 % beträgt (Median 84 Jahre). 322 der Verstorbenen (1,04 %) waren zwischen 0 und 49 Jahre alt (112 weiblich, 210 männlich). Bis zu diesem Datum waren dem RKI 13 Todesfälle von unter 20-Jährigen gemeldet worden [29].

Internationale Studien sowie die eigene Auswertung zeigen ähnliche Ergebnisse auf. Guan et al. untersuchten Daten von 1099 Patienten, welche mit SARS-CoV‑2 infiziert waren, mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren in China. 566 der Personen waren unter 50 Jahre alt. 15 (1,4 %) Personen verstarben; konkrete Altersangaben zu diesen Sterbefällen liegen nicht vor [5]. In einer italienischen multizentrischen Beobachtungsstudie wurden bei 3894 Patienten 712 SARS-CoV-2-assoziierte Todesfälle dokumentiert, von denen 6 Personen in einem Alter zwischen 18 und 44 Jahren waren. 69 der 712 Verstorbenen waren zudem übergewichtig [3]. Ioannidis et al. untersuchten bis Ende April 2020 in 14 Ländern und 13 US-Bundesstaaten SARS-CoV-2-assoziierte Todesfälle und verglichen in ihrer Studie Personen unter 65 Jahren mit Personen über 65 Jahren. In den europäischen Ländern und in Kanada machten die unter 65-jährigen Verstorbenen einen Anteil von 4,5–11,2 %, in den US-Bundesstaaten einen Anteil von 8,3–22,7 % aller COVID-19-Todesfälle aus. Personen in einem Alter unter 40 Jahren waren in weniger als 1,3 % in den europäischen Ländern und Kanada sowie in 0,4–2,3 % in den US-Bundesstaaten verstorben. In den europäischen Ländern und Kanada hatten Menschen unter 65 Jahren insgesamt ein 30- bis 100-fach geringeres Risiko, an COVID-19 zu sterben, als Menschen über 65 Jahren; für die US-Standorte war die relative Sterblichkeitsrate etwas geringer (16- bis 52-fach) [8].

Neben höherem Lebensalter als Risikofaktor für schwere Pneumonien haben auch Komorbiditäten [9, 18, 22] einen Einfluss auf die Hospitalisierungsrate und die Letalität bei SARS-CoV‑2. Hier zeigten sich insbesondere arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und die koronare Herzerkrankung als Einflussfaktoren für eine erhöhte Letalität [14, 26]. Ein weiterer Risikofaktor für schwere COVID-19-Erkrankungsverläufe scheint, im Ergebnis der Datenlage, insbesondere bei jüngeren Personen, die morbide Adipositas zu sein. Bekannt ist, dass Adipositas generell mit einer erhöhten Sterblichkeitswahrscheinlichkeit bei infektiösen Erkrankungen, auch unabhängig von SARS-CoV‑2, assoziiert ist [30,31,32]. Übergewicht ist eine der wichtigsten chronischen Erkrankungen [33] und gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Schwere einer SARS-CoV-2-Infektion, zumal Personen mit Übergewicht in fortgeschrittenem Alter regelhaft kardiovaskuläre Komorbiditäten aufweisen [18, 34]. Das Fettgewebe selbst kommt als Reservoir für SARS-CoV‑2 und als möglicher Ort einer Virusreplikation in Betracht. Eigene hierzu laufende Laboranalysen müssten dann über Kohortenstudien mögliche statistisch relevante Effekte in COVID-19-Patienten herausarbeiten. Der Risikofaktor Übergewicht für eine schwere Erkrankung bis hin zum tödlichen Verlauf insbesondere bei jungen Personen konnte jedoch bereits in einigen Studien nachgewiesen werden [18, 30,31,32].

In der Untersuchung von Rao et al. waren 114 von 240 an SARS-CoV‑2 erkrankten Patienten übergewichtig. In dieser Studie korrelierten höhere BMI-Werte mit schweren Krankheitsverläufen. Im Gegensatz zu den normalgewichtigen Erkrankten litten die übergewichtigen Personen vermehrt an Dyspnoe, Brustschmerz und entwickelten schneller Pneumonien. Letztendlich konnte jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen dem Outcome (Entlassung oder Versterben) bei über- oder normalgewichtigen Patienten festgestellt werden. Bezüglich des Auftretens der Krankheitssymptome und des Ansprechens auf eine medizinische Behandlung existieren jedoch signifikante Unterschiede zwischen normal- und übergewichtigen Patienten. Lediglich 2 der insgesamt 25 verstorbenen Personen waren unter 45 Jahre alt, wobei eine Person über- und eine normalgewichtig war [18].

Die hier präsentierte Studie zeigt, dass alle der in Hamburg untersuchten, mit oder an SARS-CoV‑2 verstorbenen Personen bis 50 Jahre schwer vorerkrankt waren. In 10 der 12 Todesfälle führte letztendlich die Infektion mit SARS-CoV‑2 zum Versterben. Personen im jüngeren Erwachsenenalter ohne relevante kardiovaskuläre Vorerkrankungen oder andere Komorbiditäten sind in den Hamburger Kollektiven aus dem Jahr 2020 nicht dokumentiert.

Die Hauptlimitation der Untersuchung besteht in der kleinen Fallzahl von 3 Verstorbenen mit Hamburger Meldeadresse und 3 mit externer Meldeadresse aus dem vergleichsweise großen Sterbefallkollektiv in Hamburg (bezogen auf die Sterbefälle mit Hamburger Meldeadresse: 1,2 % (9/735) aller SARS-CoV-2-assoziierten Todesfälle bzw. 1,3 % (8/618) aller COVID-19-Todesfälle). Zu vergleichbaren Ergebnissen mit einem Anteil der unter 44-Jährigen von 0,8 % aller Todesfälle waren Di Castelnuovo et al. gekommen [3]. Eine statistisch validierte Evaluation von prädiktiven Risikofaktoren für das Versterben an COVID-19 bei jungen Personen ist erst bei einer größeren Fallzahl oder perspektivisch durch Metaanalysen möglich.

Die Untersuchung der SARS-CoV-2-assoziierten Todesfälle in Hamburg und die international veröffentlichten Untersuchungen [2, 4, 6, 22, 35] machen deutlich, wie wichtig rechtsmedizinische und pathologische Obduktionen der SARS-CoV‑2 Todesfälle sind, um neue Erkenntnisse über die Krankheitsverläufe und Todesursachen zu gewinnen und damit einen wissenschaftlichen Beitrag für die Pandemiebekämpfung zu leisten.

Schlussfolgerung

  • Die mit oder an SARS-CoV‑2 verstorbenen Personen bis 50 Jahre in Hamburg waren schwer vorerkrankt.

  • 1,3 % der Hamburger COVID-19-Todesfälle betreffen Personen bis 50 Jahre. Vier der 12 Verstorbenen waren nach WHO-Kriterien adipös (Adipositas, Grade I und III); weitere 4 waren präadipös.

  • In der Hälfte der COVID-19-Sterbefälle wurden autoptisch thrombembolische Ereignisse festgestellt.

  • Auch postmortal sind (ggf. sogar verdachtsunabhängige) PCR-Screenings auf SARS-CoV‑2 zum Infektionsnachweis sinnvoll.