Einleitung

Koronarvaskulitiden im Kindesalter sind selten und schwer zu diagnostizieren [1]. Sie kommen u. a. im Rahmen des Kawasaki-Syndroms vor [1] und gehen dann häufig mit Symptomen wie einer schmerzhaften Lymphknotenschwellung, Haut‑/Schleimhautveränderungen sowie Fieber einher, weshalb es auch als mukokutanes Lymphknotensyndrom bezeichnet wird [8, 9]. Obwohl die Erkrankung in Europa mit einer Inzidenz von 5/10.000 selten vorkommt [12], gilt die autoimmune Vaskulitis der Koronararterien mit Ausbildung von Aneurysmen als schwerwiegende und gefürchtete Komplikation [3,4,5, 7, 11, 13, 16] und zählt zu den führenden Ursachen erworbener Herzerkrankungen im Kindesalter [11]. Die Morbidität und Mortalität der Erkrankung werden hierbei maßgeblich durch das Auftreten koronararterieller Veränderungen beeinflusst [3,4,5, 11]. Prinzipiell kann die Prävalenz dieser tödlichen Komplikationen bei zeitnaher Diagnosestellung und Therapie deutlich gesenkt werden [5]. Erstere erfolgt anhand definierter Kriterien (Tab. 1), wobei Fieber, welches im Kindesalter jedoch ein häufiges und unspezifisches Symptom bildet, als Leitsymptom gilt [3,4,5, 7, 11, 13]. Sowohl das unspezifische klinische Erscheinungsbild als auch die von vielen Autoren als zu spezifisch angemahnten Diagnosekriterien [3, 5, 15] führen in der Praxis häufig zu einer verzögerten Diagnosestellung und Therapie mit nicht selten tödlichem Ausgang.

Tab. 1 Klinische Diagnosekriterien des Kawasaki-Syndroms. Diagnosestellung auch bei Vorliegen von weniger als 4 Hauptsymptomen bei echo-/angiographischem Nachweis typischer koronararterieller Veränderungen möglich, dann sog. inkomplettes Kawasaki-Syndrom. (Modifiziert nach [3,4,5, 11])

Besondere Aktualität verleiht dieser an sich sehr seltenen Erkrankung, dass im Zuge der weltweiten Ausbreitung des SARS-CoV‑2 bis Ende April 2020 insbesondere in Europa rund 100 Fälle von Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 17 Jahren mit einem dem Kawasaki-Syndrom ähnlichen Erkrankungsbild im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung berichtet wurden; bis Anfang Mai 2020 verliefen dabei insgesamt 4 Fälle tödlich [12].

Dieser Bericht eines (allerdings nicht mit COVID-19 assoziierten bzw. aus der Prä-COVID19-Ära) Falles soll verdeutlichen, wann im Rahmen einer rechtsmedizinischen Obduktion an ein Kawasaki-Syndrom gedacht werden sollte.

Fallbericht

Vorgeschichte

Ein knapp 2‑jähriges, bisher laut Angaben der Eltern gesundes Mädchen litt seit 6 Tagen an Fieber, welches sich unter nicht näher bekannter antipyretischer Therapie zunächst besserte; eine ärztliche Vorstellung erfolgte deshalb nicht. Am Tag des Todes kam es jedoch zu einer akuten Verschlechterung des Allgemeinzustandes, und das Kind verstarb trotz notfallmedizinischer Maßnahmen.

Makroskopische Obduktionsbefunde

Bei der Obduktion zeigte der Leichnam einen altersentsprechenden Entwicklungs- und Ernährungszustand (Körpergewicht 13 kg, Köpergröße 93 cm). Bei altersgemäßem Herzgewicht (90 g) und regelhaftem Vier-Kammer-Aufbau des Herzens fielen epikardial kleinfleckige Einblutungen und ein seröser Perikarderguss von 40 ml auf. Die Hauptstämme beider Koronararterien wiesen zudem jeweils abgangsnah etwa 3 cm lange, aneurysmatische Ausweitungen von bis zu 1,5 cm Umfang auf (Abb. 1a, b); die Gefäßlumina waren hier jeweils durch scheinbar festsitzende, dennoch frisch imponierende Thromben weitgehend verlegt (Abb. 1a, b), wobei im Bereich der kräftig aufgerauten Intima fleckförmige Einblutungen auffielen. In der linken Herzseiten- und Hinterwand war eine bis zu 5 cm durchmessende Infarktabblassung abgrenzbar (Abb. 1c). Darüber hinaus ließen sich ein massives Hirnödem und ausschließlich flüssiges Leichenblut feststellen. Trachea, Bronchien und Milz wiesen allenfalls gering entzündliche Veränderungen auf. Ferner zeigten sich, neben subpleuralen Einblutungen und beidseitigen Pleuraergüssen, blutreiche und luftarme Lungen.

Abb. 1
figure 1

Makroskopische Befunde. a Aneurysmatische Ausweitung des Lumens und Einblutungen in die Intima der A. coronaria dextra. b Verlegung des R. interventricularis anterior der A. coronaria sinistra durch einen Thrombus (Pinzettenspitze). c Großes Herzinfarktareal in Folge der Koronarthrombosen

Mikroskopie und weitere Zusatzuntersuchungen

Mikroskopisch fand sich eine autoimmunvaskulitistypische segmentale lymphohistiozytäre Entzündung der Gefäßwände der Koronararterien mit teils fibrinoiden Nekrosen der Media sowie luminal frischen fibrinreichen Thrombusanteilen (Abb. 2a–d). Mikroskopisch zeigte sich keine Organisation des Thrombus, sodass die makroskopisch beschriebene, vermeintliche Wandhaftung der schweren Endothelschädigung zuzuschreiben ist. Immunhistochemisch zeigte sich ein Entzündungsinfiltrat aus Histiozyten (CD68), gemischt CD4+ und CD8+ T-Lymphozyten mit partieller Koexpression von TIA (keine Vermehrung von Granzym B oder Perforin) sowie sehr wenigen B‑Zellen und Plasmazellen (CD20, CD138). Zudem ließ sich mikroskopisch eine geringe lymphozytäre Aortitis nachweisen, wobei keine Granulome, keine eitrige Entzündung, Pilzbesiedlung oder Aortensklerose vorlagen (Abb. 2e, f).

Abb. 2
figure 2

Mikroskopische Befunde. a,b Querschnitt durch eines der dilatierten und thrombosierten Koronargefäße (Abb. 1a, b) mit entzündlich veränderter Arterienwand mit teilweiser Muskelwandnekrose (Pfeile in b1) und luminal frischem Thrombus (Pfeil in b2). Daneben Herzmuskulatur (Pfeil in b3) und epikardiales Fettgewebe (Pfeil in b4; Vergr. 40:1, HE (Hämatoxylin-Eosin-Färbung) und EvG (Elastica-van-Gieson)). c Ein benachbarter Koronararterienast mit segmentaler Vaskulitis (Vergr. 40:1, HE). d Die höhere Vergrößerung zeigt das lymphohistiozytäre Infiltrat (Vergrößerung aus dem markierten Bereich aus a, Vergr. 400:1, HE). e,f Aorta mit einzelnen winzigen Aggregaten aus kleinen Lymphozyten ohne Nekrose, eitrige Entzündung oder Granulome, passend zu einer geringen Mitreaktion (Vergr. 40:1 in e, in f Vergr. aus dem markierten Bereich aus e 400:1, HE)

Virale Infektionen ließen sich nicht nachweisen (Influenza A und B, Adeno‑, Metapneumo‑, Picorna‑, Rhino- und Enterovirus).

Die chemisch-toxikologische Analyse von Herzblut und Mageninhalt auf gängige Arznei- und Betäubungsmittel verlief negativ.

Obduktionsdiagnose

Als Todesursache konnte eine Autoimmunvaskulitis beider Koronararterien mit aneurysmatischen Aussackungen, vereinbar mit einem Kawasaki-Syndrom, und Ausbildung eines akuten Herzinfarktes auf dem Boden einer thrombotischen Verlegung der Koronararterien festgestellt werden.

Diskussion

Das Kawasaki-Syndrom bezeichnet eine in der Regel im Kindesalter auftretende, selbstlimitierende, generalisierte Vaskulitis der kleinen und mittleren Gefäße mit Prädilektionsstelle im Bereich der Koronararterien [3,4,5, 11]. Wenngleich die genaue Ursache bislang nicht hinreichend geklärt ist, scheint die Aktivierung des Immunsystems durch einen noch unbekannten Stimulus eine zentrale Rolle zu spielen [11]. In der Folge kommt es zu einer durch T‑Zellen (insbesondere CD8-positive zytotoxische T‑Zellen) und Makrophagen vermittelten Vaskulitis sowie einer vermehrten vaskulären Permeabilität mit Thrombozytenaggregation und Sekretion proinflammatorischer Zytokine [4]. Die für das Kawasaki-Syndrom typischen klinischen Zeichen mit Fieber, Haut‑/Schleimhautveränderungen und Lymphadenopathie dürften dabei einer systemischen Mitreaktion entsprechen [4]. Die Morbidität und Mortalität der Erkrankung werden maßgeblich durch das Auftreten von Koronararterienschädigungen in der akuten Krankheitsphase beeinflusst [3,4,5, 11]. Bei etwa 8 % der Patienten kommt es zur Ausbildung koronararterieller Aneurysmen [11], und bei etwa 0,5–2 % aller Patienten verlaufen die Komplikationen tödlich [3]. Darüber hinaus können auch Jahre später noch Komplikationen auftreten, wobei etwa 5 % der akuten Koronarsyndrome bei Erwachsenen unter 40 Jahren auf Kawasaki-Syndrom-assoziierte koronare Aneurysmen zurückzuführen sind [11]. Die Aneurysmabildung erklärt sich dadurch, dass es im Rahmen der Gefäßentzündung zu einer myofibroblastären Proliferation mit Verdickung der Intima und gleichzeitig zu einer Ausdünnung und Fibrose der Media kommt [3, 4, 11]. Die Abgrenzung zu anderen Ursachen für einen plötzlichen Herztod ist schwierig und bedarf meist der histologischen Aufarbeitung [6, 10]. Eine klare Differenzierung zur infantilen Polyarteriitis ist dabei nicht möglich [1, 2, 14]. Vielmehr weisen beide Krankheitsbilder sowohl klinisch als auch makro- und mikroskopisch nahezu gleichartige Charakteristika auf, welche zumindest teilweise auch im vorgestellten Fallbeispiel vorzufinden waren (Tab. 2).

Tab. 2 Gegenüberstellung des Kawasaki-Syndroms, der infantilen Polyarteriitis und des vorgestellten Falles. (Modifiziert nach [1])

Bei frühzeitiger Diagnosestellung eines Kawasaki Syndroms innerhalb der ersten 10 Tage nach Fieberbeginn und Therapie mit i.v.-Gabe von Immunglobulinen kann die Prävalenz von Koronararterienaneurysmata und anderen Komplikationen auf etwa 4 % gesenkt werden [5]. Eine rasche Diagnosestellung ist somit ausschlaggebend für den Therapieerfolg und die Verbesserung der kurz- und langfristigen Prognose [3,4,5, 11]. Problematisch sind dabei das v. a. in Europa seltene Auftreten der Erkrankung, die weitgehend unspezifische klinische Präsentation und die Vielzahl an Differenzialdiagnosen. Die Diagnosestellung erfolgt nach definierten klinischen Kriterien (Tab. 1), wobei in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt von verschiedenen Autoren aufgezeigt wurde, dass die Kriterien zu restriktiv sind und hieraus eine verzögerte Diagnosestellung und Therapieeinleitung resultieren [3, 5, 11]. In dem hier vorgestellten Fallbeispiel bestand als einziges Symptom wenige Tage lang anhaltendes Fieber, sodass die klinischen Diagnosekriterien bei Fehlen der in Tab. 1 aufgeführten Hauptsymptome nicht hinreichend erfüllt sind. Dennoch zeigten sich postmortal Veränderungen der Koronararterien, welche im gegenständlichen Fall zum raschen Todeseintritt geführt haben und in erster Linie typisch für das Kawasaki-Syndrom sind, wobei aufgrund der Überschneidungen auch eine infantile Polyarteriitis zu diskutieren ist. Es drängt sich die Frage auf, ob eine frühzeitige Therapieeinleitung den Krankheitsverlauf hätte verändern können. Da dies aus rechtsmedizinischer Sicht nicht mit der geforderten Sicherheit beweisbar sein wird, muss von einem schicksalhaften Verlauf einer endogenen Grunderkrankung ausgegangen werden.

Zusammenfassend ist somit der Leitbefund, der bei einer Obduktion an infantile Polyarteriitis und/oder ein Kawasaki-Syndrom denken lassen muss, das Vorliegen von Aneurysmata der Koronararterien, insbesondere bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen im Sinne von Spätkomplikationen. Eine Mikroskopie belegt die lymphohistiozytäre Vaskulitis. Anamnestische Angaben, wie etwa das Vorliegen von Fieber, sind im Rahmen einer rechtsmedizinischen Obduktion keine validen Indikatoren für das Vorliegen einer Autoimmunvaskulitis.

Fazit für die Praxis

  • Das Kawasaki-Syndrom ist i. Allg. selten und tritt eher bei Kindern und jungen Erwachsenen als primär-endogene Autoimmunvaskulitis auf.

  • Bei der Obduktion sind Aneurysmata der Koronararterien der zentrale makroskopische Leitbefund, der für ein Kawasaki-Syndrom sprechen kann.

  • Die Mikroskopie beweist die lymphohistiozytäre Vaskulitis und kann helfen, andere Differenzialdiagnosen auszuschließen.