Die Obduktion nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Medizin ein. Sie dient nicht nur der Aufklärung der Todesart und -ursache eines Verstorbenen, sondern liefert ebenso wertvolle Erkenntnisse zu wissenschaftlichen Fragestellungen. Zudem trägt sie zum Verständnis pathophysiologischer Prozesse bei. Aktuelle Normgewichte der Organe können bei der richtigen Einschätzung der im Rahmen der Obduktion erhobenen Organgewichte helfen.

Hintergrund

Im Rahmen pathologischer Prozesse kann es zu Veränderungen der Organgewichte kommen. Ludwig und Elveback beobachteten ein tendenziell höheres mittleres Parenchymgewicht der Leber in Fällen mit primären oder sekundären Lebertumoren, verglichen mit Kontrollfällen [26]. Interindividuelle Unterschiede im Lungengewicht sahen la Grandmaison et al. z. T. im Schweregrad eines terminalen Lungenödems begründet [24]. Hepatische, hämatologische oder infektiöse Erkrankungen gehen in vielen Fällen mit einer Splenomegalie einher [34]. Zu einer Atrophie der Niere, einhergehend mit einer Abnahme deren Parenchymgewichtes, kommt es beispielsweise bei chronischen Glomerulonephritiden [31].

Da Organgewichte mit dem Alter und verschiedenen Körpermaßen korrelieren [24, 29, 30, 37], sollten aufgrund der Zunahme von Body-Mass-Index (BMI) und Körpergröße innerhalb der Gesellschaft im Rahmen des säkularen Trends [7, 8, 10, 36, 43] nur aktuelle Normtabellen bei der Auswertung von Obduktionsbefunden herangezogen werden. In der Literatur wurde zudem gefordert, zur Erhebung von Normwerten für Organgewichte ausschließlich nichtnatürliche Todesfälle heranzuziehen [35].

Im ersten Teil dieser Studie wurden Gehirn und Herz untersucht [16]. Ziel des zweiten Teils dieser Studie ist die Erhebung von aktuellen Normwerten für das Gewicht von Leber, Lunge, Milz und Nieren unter Berücksichtigung der Korrelationen mit Alter und Körpermaßen. Ebenso werden von der Todesart abhängige Unterschiede der Organgewichte untersucht. Des Weiteren werden Organindizes entwickelt, die eine Berechnung erlauben, ob ein Organgewicht, Körpermaßen bzw. Alter entsprechend, im Normbereich liegt.

Material und Methoden [16]

Untersuchungsmaterial

Die von 2011 bis 2013 im Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik der Goethe-Universität in Frankfurt am Main durchgeführten Obduktionen wurden anhand der in einer Datenbank („Forensik“) sowie papierbasiert erfassten Obduktionsprotokolle retrospektiv ausgewertet.

Untersuchungsmethoden

Allen Obduktionen lag eine standardisierte Sektionstechnik zugrunde. Die Lunge wurde nach Eröffnen von Bronchien und Blutgefäßen auf in regelmäßigen Abständen geeichten und kalibrierten Waagen gewogen. Leber, Milz und Nieren wurden vor dem Einschneiden gewogen, wobei Letztere davor aus der Capsula adiposa gelöst wurden. Die Organgewichte wurden mit einer Genauigkeit von 5 g angegeben. Wegen der Geläufigkeit in der rechtsmedizinischen Praxis und Literatur [2] wird hier vom Organgewicht gesprochen, obgleich es sich beim Gramm per definitionem um die physikalische Einheit der Masse handelt.

Alter, Geschlecht, Körpergröße, Körpergewicht, Todesart und Organgewichte wurden in einer „Excel“-Tabelle dokumentiert. In die Studienpopulation eingeschlossen wurden männliche und weibliche Verstorbene ab 18 Jahren. Ausgeschlossen wurden Minderjährige sowie Fälle mit fehlender Dokumentation der Körpermaße oder mit Vorliegen von Faktoren mit evtl. Auswirkung auf Körpermaße bzw. Organgewichte (Amputation von Gliedmaßen, Deformierung der Wirbelsäule, Weichteilödeme, Aszites, Drogenabusus, Schwangerschaft, Krankenhausaufenthalte von mehr als 3 Tagen unmittelbar ante mortem, Fäulnis, Brandeinwirkung, unvollständiger Erhaltungszustand des Leichnams, Zustand nach Vorsektion sowie Konservierung des Leichnams). Wurden pathologische Befunde eines Organs festgestellt, ohne dass obige Ausschlusskriterien erfüllt waren, wurde nur das betroffene Organ von der Studie ausgeschlossen.

Die überwiegenden Ausschlussgründe bei der Untersuchung der Leber waren Steatosis hepatis, Leberzirrhose und Stauungszeichen, bei der Lunge Lungenödem und -emphysem, bei der Milz Stauungszeichen und Traumata und bei den Nieren hypertonieassoziierte Befunde, Nierenzysten sowie -infarkte.

Der BMI wurde wie folgt berechnet [1]:

$$\text{BMI} [text{kg}/text{m}^2]=\text{K\"{o}rpergewicht} [\text{kg}]/ \text{K\"{o}rpergr\"{o}{\ss}e} [\text{m}]^2$$

Die Körperoberfläche („body surface area“, BSA) wurde nach Boyd ermittelt [3]:

$$\text{BSA} [\text{m}^2] = 0,0003207 \cdot (\text{Koerpergroesse [cm]})^{0,3} \cdot \text{Koerpergewicht [g]}^{(0,7285-0,0188\cdot \log(\text{Koerpergewicht [g]}))}$$

Die statistische Auswertung erfolgte mittels des Programmes „BiAS. für Windows“ (epsilon-Verlag GbR, Hochheim-Darmstadt, Deutschland).

Da der Kolmogorow-Smirnow-Lilliefors-Test zeigte, dass nicht alle Daten eine Gauß-Verteilung aufwiesen, wurden nichtparametrische Testverfahren herangezogen. Mittels Spearman-Korrelation wurde die Korrelation des Gewichts der eingeschlossenen Organe mit dem Alter bzw. den Körpermaßen (Körpergewicht, -größe, BMI, BSA) bestimmt. Die Effektstärke wurde folgendermaßen bewertet: Korrelationskoeffizient rho (ρ) <0,2: sehr schwach, 0,2–0,4: schwach, 0,4–0,6: moderat, 0,6–0,8: stark, >0,8: optimal [9].

Den nichtparametrischen Toleranzbereich zugrunde legend wurden aktuelle Normbereiche der Organgewichte bestimmt. Diese wurden sowohl für die jeweilige Gesamtstichprobe der eingeschlossenen Organe als auch für nach Körpermaßen getrennte Subgruppen erhoben, wobei lediglich Subgruppen mit einer Fallzahl von mindestens 5 aufgenommen wurden. Mittels des Kruskal-Wallis-Tests wurde berechnet, ob von der Todesart abhängige Unterschiede der Organgewichte vorlagen. Die Effektstärke wurde wie folgt bewertet: eta2 (η2) = 0,01: geringer Effekt, 0,06: mittlerer Effekt, 0,14: großer Effekt [11]. In Rahmen des Kruskal-Wallis-Tests erfolgte auch ein paarweiser Vergleich der Gruppen mittels Conover-Iman-Test mit Bonferroni-Holm-Korrektur. Da in den Gruppen mit ungeklärter bzw. kombinierter Todesart (d. h. Fällen mit konkurrierenden Todesursachen mit natürlicher Todesart auf der einen und nichtnatürlicher Todesart auf der anderen Seite) die Fallzahl sehr gering war, wurden nur die Gruppen mit natürlichem und nichtnatürlichem Tod berücksichtigt.

Organindizes, entsprechend dem Abstand eines zu prüfenden Wertes von dem Regressionsmodell in Einheiten der Standardabweichung (SD), wurden folgendermaßen aufgestellt: Getrennt nach Geschlechtern und Organen wurde jeweils eine multiple Regression mit Abbaumodell durchgeführt (Organgewicht = Zielgröße „y“, Körpermaße bzw. das Alter als Einflussgrößen „x1“ bis „xn“), wobei als Einflussgrößen nur die Größen herangezogen wurden, für die eine signifikante Korrelation (p ≤ 0,1) mit dem Organgewicht bestand. Die Modellgleichung lautete y=f(x)=const+b ⋅ x, sofern das abgebaute Modell nur eine Einflussgröße hatte. Hatte es hingegen mehrere Einflussgrößen:

$$\mathbf{y}=\mathbf{f}(\mathbf{x1, x2, ..., xn})=\textbf{const}+\mathbf{b1}\cdot \mathbf{x1} + \mathbf{b2} \cdot \mathbf{x2}\ ... + \mathbf{bn}\cdot \mathbf{xn}$$

Die Berechnung der multiplen Regressionen und die anschließende Ermittlung der Toleranzbereiche der Residuen für die Organindizes setzen eine Normalverteilung der Residuen voraus. Dazu wurden der Kolmogorow-Smirnow-Lilliefors-Test auf Normalverteilung bzw. der Grubbs-Test auf Ausreißer herangezogen. Bei signifikanten Abweichungen von den Voraussetzungen wurden die Ausreißerwerte nicht berücksichtigt, um einerseits die Voraussetzung für die multiple Regression zu gewährleisten und andererseits die Voraussetzungen für die Berechnung der Organindizes zu sichern. Das war bei der Milz (♀) sowie linker (♂, ♀) und rechter Niere (♀) der Fall. Die damit etwas engeren Grenzen der Organindizes führen ggf. dazu, dass „falsch-negative“ Beurteilungen reduziert werden bzw. „auffällig große“ Werte in den Residuen eher erkannt werden.

Für die Residuen aus der multiplen Regression (die Abweichung „R“ der beobachteten Werte vom abgebauten Modell) wurden schließlich Toleranzbereiche entsprechend ±2 ⋅ SD berechnet. Das Residuum „R“ eines neuen, zu überprüfenden Wertes (x, y) = (x Einflussgröße/Einflussgrößen, y Zielgröße) kann der Anwender mit der Funktionsgleichung der Regressionsgeraden wie folgt ermitteln:

$$\mathrm{R~ }=\mathrm{y}\hbox{--}\mathrm{f}(\mathrm{x})$$

Liegt „R“ im Toleranzbereich, so ist der Betrag von R ≤ 2 ⋅ SD (mit P = 0,95) und damit I ≤ 2. Der Organindex „I“ berechnet sich folgendermaßen:

$$\mathrm{I~ }=\mathrm{R}/\mathrm{SD}$$

Bewertung

  • −2<I<2: Organgewicht y, gemessen an der/den Einflussgröße/Einflussgrößen x, im Normbereich.

  • I<−2: Organgewicht y, gemessen an der/den Einflussgröße/Einflussgrößen x, zu niedrig.

  • I>2: Organgewicht y, gemessen an der/den Einflussgröße/Einflussgrößen x, zu hoch.

Hinsichtlich des Vorliegens eines säkularen Trends erschien ein Vergleich der Daten aus den Jahren 2011–2013 mit denen aus dem Zeitraum von 1991–1993 interessant. Die Obduktionsprotokolle der 1990er-Jahre waren jedoch weniger ausführlich, sodass prozentual deutlich weniger Sektionen den Ausschlusskriterien unterlagen als in den Jahren 2011–2013. Wegen eines möglichen Selektionsbias erfolgte deshalb statt einer statistischen Analyse lediglich ein exemplarischer Vergleich.

Ergebnisse

Studienpopulation

Von den insgesamt im Zeitraum von 2011 bis 2013 im Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main durchgeführten 1591 Obduktionen aller Altersklassen (♂ = 1040, ♀ = 550, 1 Fetus unklaren Geschlechts) wurden 772 (♂ = 467, ♀ = 305) in die Studie eingeschlossen.

Organgewichte: Korrelationen und Normwerte

In Tab. 1 werden Mittelwert, Standardabweichung sowie Minimal- und Maximalwert der Organgewichte von Leber, Lungen, Milz und Nieren der Untersuchungskohorte dargestellt.

Tab. 1 Organgewichte [g] in der Untersuchungskohorte

Die Korrelationen der Organgewichte mit den Körpermaßen sowie dem Alter zeigt Tab. 2. Bei beiden Geschlechtern bestand bei allen untersuchten Organen mit Ausnahme der linken Lunge eine signifikante Korrelation mit BMI, BSA und Körpergewicht. Eine signifikante Korrelation mit dem Alter lag interessanterweise nur beim Gewicht der Leber (♀) und der Milz (♂, ♀) vor.

Tab. 2 Korrelation der Organgewichte mit Körpermaßen und Alter. Korrelationskoeffizient (ρ) und Signifikanz (p)

Die ermittelten Normgewichte der Organe gehen aus Tab. 3 hervor. Die nach Subgruppen für BMI, BSA und Körpergewicht dargestellten Normwerte der Organgewichte zeigen die Tab. 45 und 6.

Tab. 3 Nichtparametrischer Toleranzbereich als Normbereich der Organgewichte [g]
Tab. 4 Nichtparametrischer Toleranzbereich als Normbereich der Organgewichte der vorliegenden Studienpopulation in Abhängigkeit vom Body-Mass-Index (BMI)
Tab. 5 Nichtparametrischer Toleranzbereich als Normbereich der Organgewichte der vorliegenden Studienpopulation in Abhängigkeit von der Körperoberfläche („body surface area“, BSA)
Tab. 6 Nichtparametrischer Toleranzbereich als Normbereich der Organgewichte der vorliegenden Studienpopulation in Abhängigkeit vom Körpergewicht

Organgewichte und Todesart

Von insgesamt 467 Männern lag bei 173 eine natürliche, bei 253 eine nichtnatürliche, bei 18 eine kombinierte und bei 23 eine ungeklärte Todesart vor. Von insgesamt 305 Frauen waren 130 eines natürlichen Todes und 129 eines nichtnatürlichen Todes verstorben. Bei 28 Frauen lag eine kombinierte Todesart vor; bei 18 war die Todesart ungeklärt.

Die Verteilung der Todesarten je nach untersuchtem Organ zeigt, nach Geschlechtern getrennt, Tab. 7.

Tab. 7 Organgewichte und Todesart

Zudem geht aus Tab. 7 der Unterschied der Organgewichte in Abhängigkeit von der Todesart hervor.

Bei den Männern lag beim Milzgewicht ein geringer, beim Nierengewicht beidseits jeweils ein großer signifikanter Unterschied zwischen natürlicher und nichtnatürlicher Todesart vor. Nicht signifikant unterschied sich das Organgewicht zwischen den Gruppen „natürlicher Tod“ und „nichtnatürlicher Tod“ bei beiden Lungen und der Leber.

Bei den Frauen lag bei keinem der untersuchten Organe ein signifikanter Gewichtsunterschied zwischen den Gruppen „natürlicher Tod“ und „nichtnatürlicher Tod“ vor.

Organindizes

Im Folgenden werden die Modellgleichungen der multiplen Regression dargestellt; Toleranzbereiche und Standardabweichung für die Residuen aus der multiplen Regression zeigt Tab. 8. Die weitere Vorgehensweise und Bewertung wurde im Abschnitt „Methodik“ erläutert.

Tab. 8 Toleranzbereich und Standardabweichung (SD) der Residuen der multiplen Regression

Bei der Milz (♀) wurden vorab 8, bei der linken Niere jeweils ein (♂, ♀) und bei der rechten Niere (♀) 3 Ausreißer entfernt, um die Voraussetzungen für die multiple Regression und die Ermittlung der Toleranzbereiche der Residuen zu erfüllen.

Bei der Frau wurde für das Gewicht der linken Lunge kein Organindex bestimmt, da mit keiner der untersuchten Einflussgrößen eine signifikante Korrelation mit p ≤ 0,1 bestand.

Leber

  • ♂: f(y) = −18,8545 + 878,5914 ⋅ BSA [m2]

  • ♀: f(y) = −1207,4411 + (−3,2227) ⋅ Alter [Jahre] + (−31,3990) ⋅ Körpergewicht [kg] + 2791,2167 ⋅ BSA [m2]

Lunge, links

  • ♂: f(y) = (−118,8427) + 3,6250 ⋅ Körpergröße [cm]

  • ♀: −

Lunge, rechts

  • ♂: f(y) = 97,3420 + 261,9567 ⋅ BSA [m2]

  • ♀: f(y) = 254,4208 + 138,1886 ⋅ BSA [m2]

Milz

  • ♂: f(y) = 71,2904 + (−0,4723) ⋅ Alter [Jahre] + 1,3029 ⋅ Körpergewicht [kg]

  • ♀: f(y) = 593,7522 + (−0,3614) ⋅ Alter [Jahre] + (−3,1646) ⋅ Körpergröße [cm] + 5,8601 ⋅ Körpergewicht [kg] + (−13,1238) ⋅ BMI [kg/m2]

Niere, links

  • ♂: f(y) = 168,9838 + 1,7880 ⋅ Körpergewicht [kg] + (−72,9870) ⋅ BSA [m2]

  • ♀: f(y) = −198,2514 + 1,7795 ⋅ Körpergröße [cm] + 1,4610 ⋅ BMI [kg/m2]

Niere, rechts

  • ♂: f(y) = −332,1713 + 0,3363 ⋅ Alter [Jahre] + 2,8730 ⋅ Körpergröße [cm] + 8,0451 ⋅ BMI [kg/m2] + (−120,1943) ⋅ BSA [m2]

  • ♀: f(y) = −99,5816 + 0,9301 ⋅ Körpergröße [cm] + 39,7219 ⋅ BSA [m2]

Diskussion

Organgewichte

Lebergewicht

Beim Vergleich mit anderen Publikationen fallen in der vorliegenden Studie die tendenziell höheren oberen Grenzwerte des Normgewichts der Leber (♂ = 1047,0–2740,0 g, ♀ = 749,0–2182,0 g) auf, während die unteren Grenzwerte oft niedriger waren. La Grandmaison et al. erhoben zwischen 1987 und 1991 in Frankreich Normwerte des Lebergewichts von 1677 g ± 296 g (♂) bzw. 1475g ± 362 g (♀) [24]. Mathuramon et al. nannten anhand von Obduktionen aus dem Zeitraum von 2005 bis 2007 in Thailand Normwerte von 1390,76 g ± 283,20 g (♂) bzw. 1211,31 g ± 269,62 g (♀) [27]. Sheikhazadi et al. ermittelten auf Grundlage von zwischen 2007 und 2008 im Iran durchgeführten Obduktionen Normwerte von 1501,6 g ± 298,2 g (♂) bzw. 1372,2 g ± 297,6 g (♀) [37]. Die Normwerte der eben genannten 3 Autoren entsprechen, wie auch im Folgenden bei den übrigen Organen, jeweils dem Durchschnittswert ±SD [24, 27, 37]. Molina und DiMaio erhoben im Zeitraum zwischen 2005 und 2011 in den USA für Männer einen Normbereich des Lebergewichtes von 968–1860 g, für Frauen zwischen 2004 und 2014 von 603–1767 g. Die Durchschnittswerte lagen bei 1561 g (SD ± 317 g) (♂) bzw. 1288 g (SD ± 330 g) (♀) [29, 30].

Mit 191 männlichen und 115 weiblichen Lebern ist die vorliegende Studienpopulation kleiner als die von Sheikhazadi et al. (♂ = 914, ♀ = 308) und la Grandmaison et al. (♂ = 355, ♀ = 329) [24, 37]. Mathuramon et al. schlossen zwar mit 460 Fällen mehr männliche Lebern ein, die weibliche Gruppe war mit 99 Fällen jedoch kleiner [27]. Dies war auch bei Molina und DiMaio der Fall (♂ = 225, ♀ = 99) [29, 30].

Bei der Interpretation von Obduktionsbefunden ist zu beachten, dass Organgewichte von zahlreichen Faktoren beeinflusst werden. Hier sind nicht nur interindividuelle, geschlechts- und populationsspezifische Unterschiede zu nennen, sondern auch Unterschiede zwischen den Organgewichten von Lebenden und Verstorbenen sowie eine Abhängigkeit von der Obduktionstechnik [12, 15, 16, 25, 29, 30, 37]. Bei la Grandmaison et al. und Sheikhazadi et al. wurde die Leber vor dem Einschneiden gewogen [24, 37], wie auch in der vorliegenden Studie. Bei Molina und DiMaio wurde das Lebergewicht zusammen mit der Gallenblase bestimmt [29, 30]. Keine näheren Angaben zur Obduktionstechnik liegen bei Mathuramon et al. vor [27].

Das Studiendesign in der Literatur unterschied sich insofern, dass Mathuramon et al. und Sheikhazadi et al. Verstorbene von 15 Jahren bis ins Greisenalter aufnahmen [27, 37]. Bei Molina und DiMaio lag die Altersspanne hingegen bei 18 bis 35 Jahren [29, 30]. Die Unterschiede der Normwerte in den verschiedenen Publikationen sind somit vermutlich durch ein Zusammenspiel aus Abweichungen der durchschnittlichen Körpermaße bzw. des Alters der einzelnen Studienpopulationen, der Obduktionstechnik, des Studiendesigns (Ein- und Ausschlusskriterien, statistische Methoden), der geografischen Faktoren und möglicherweise weiteren, hier nicht untersuchten Aspekten mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung zu begründen.

Der exemplarische Vergleich mit den zwischen 1991 und 1993 in Frankfurt erhobenen Werten zeigt dort beim Mann mit 1792,1 g (SD ± 422,6 g, n = 592) und insbesondere bei der Frau mit 1527,1 g (SD ± 372,5 g, n = 285) höhere Durchschnittswerte des Lebergewichtes.

In den Jahren 2011–2013 lagen bei beiden Geschlechtern höhere Durchschnittswerte von Körpergröße, -gewicht, BMI und BSA vor, während das Durchschnittsalter ähnlich bis geringfügig höher (♂) bzw. niedriger (♀) war. Da das durchschnittliche Organgewicht der Leber aber bei gleicher Sektionstechnik ähnlich bis geringgradig niedriger war als in den 1990er-Jahren, werden Organgewichte vermutlich von einem weiteren, von den Körpermaßen unabhängigen Faktor beeinflusst. Dies könnte Gegenstand nachfolgender Untersuchungen werden. Zudem wird die im Abschnitt „Organgewichte als Indikator vorherrschender Gesellschaftsbedingungen“ erläuterte Annahme eines nichtlinearen Verlaufs des säkularen Trends mit der Beobachtung von Stagnationen und teils sogar rückläufigen Tendenzen gestützt. Da im ersten Teil der Studie bei Gehirn und Herz eine Tendenz zu höheren Organgewichten in den Jahren 2011–2013 erkennbar war [16], ist außerdem zu vermuten, dass der säkulare Trend nicht bei allen Organen den gleichen Verlauf zeigt. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit einer statistischen Auswertung, bedingt durch die geringere Informationsfülle der Obduktionsprotokolle der 1990er-Jahre, ist eine Verzerrung dieser Beobachtungen durch den evtl. Einschluss pathologisch veränderter Organe jedoch nicht auszuschließen.

Lungengewicht

Das Gewicht der Lunge wird in der Literatur nicht einheitlich dargestellt. Während manche Autoren das Gewicht für linke und rechte Lunge getrennt angaben, nannten andere das Gesamtgewicht.

Des Weiteren ist in der gängigen Literatur eine große Spannbreite des als physiologisch eingestuften Lungengewichtes zu finden. Das Organgewicht kann jedoch nicht per se auf pathologische Veränderungen schließen lassen [37].

Den Normwerten der vorliegenden Studie (linke Lunge ♂ = 230,0–840,0 g, ♀ = 186,8–891,3 g; rechte Lunge ♂ = 249,3–1005,8 g, ♀ = 215,3–907,5 g) am ähnlichsten waren die von la Grandmaison et al. Diese lagen bei der linken Lunge bei 583 g ± 216 g (♂) bzw. 467 g ± 174 g (♀) und bei der rechten Lunge bei 663 g ± 239 g (♂) bzw. 546 g ± 207 g (♀) [24]. Die von Sheikhazadi et al. vorgeschlagenen Normwerte betrugen 533,8 g ± 197,7 g (♂) bzw. 417,3 g ± 106,9 g (♀) für die linke Lunge und 567,8 g ± 175,7 g (♂) bzw. 442,1 g ± 118,8 g (♀) für die rechte Lunge [37] und ähnelten somit den Ergebnissen der vorliegenden Studie. Niedriger waren mit 112–675 g (linke Lunge) bzw. 155–720 g (rechte Lunge) die Normbereiche des Lungengewichts für Männer von Molina und DiMaio. Ebenso waren die Durchschnittswerte von 395 g (SD ± 147 g) bei der linken und 445 g (SD ± 159 g) bei der rechten Lunge niedriger [29]. Ähnlich verhielt es sich mit Molinas und DiMaios Normbereichen des Lungengewichts für Frauen. Diese betrugen für die linke Lunge 105–515 g (Durchschnitt 299 g, SD ± 117g), und für die rechte Lunge 101–589 g (Durchschnitt 340 g, SD ± 123 g) [30]. Bei beiden Geschlechtern bestand ein signifikanter Unterschied zwischen dem Gewicht der linken und der rechten Lunge [29, 30]. Älter als die oben genannte Literatur, aber ebenfalls niedriger als die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind die ab 1957 von Whimster und Macfarlane an einer Studienpopulation in England erhobenen Werte für das Lungengesamtgewicht mit 857 g ± 168 g (♂) bzw. 748 g ± 174 g (♀) [40]. Mathuramon et al. gaben Normwerte von 831,19 g ± 277,45 g (♂) bzw. 659,30 g ± 241,04 g (♀) an [27]. Unklar ist jedoch, ob es sich hierbei um das Gesamtgewicht oder das Gewicht der einzelnen Lungenflügel handelt [27].

Die Fallzahl der vorliegenden Studie ist mit 119 linken und 116 rechten Lungen beim Mann sowie 97 linken und 100 rechten Lungen bei der Frau niedriger als die von la Grandmaison et al. (♂ = 355, ♀ = 329) und Sheizhazadi et al. (♂ = 914, ♀ = 308) [24, 37]. Whimster und Macfarlane schlossen 71 männliche und 141 weibliche Lungen ein [40]. Bei Mathuramon et al. lag mit 460 Fällen zwar eine höhere Fallzahl bei Männern, jedoch mit 100 Fällen eine sehr ähnliche bei Frauen vor [27]. Auch Molina und DiMaio hatten mit 230 linken und 229 rechten Lungen bei Männern eine höhere Fallzahl, die von Frauen war jedoch mit jeweils 102 linken und rechten Lungen mit der vorliegenden Studienkohorte vergleichbar [29, 30].

Ein Grund für das vergleichsweise hohe Lungengewicht bei la Grandmaison et al. und Sheikhazadi et al. ist vermutlich u. a. in deren Sektionstechnik zu suchen, da diese die Lungen bereits vor dem Eröffnen von Bronchien und Blutgefäßen gewogen hatten [24, 37]. Wird die Lunge direkt nach dem Absetzen vom Hauptbronchus gewogen, sind bekanntermaßen höhere Werte zu erwarten als bei Fällen, in denen das Gewicht erst nach dem Eröffnen der Bronchien und Blutgefäße und somit nach Abfluss von Schleim und Blut bestimmt wurde. Bei Mathuramon et al. sowie Molina und DiMaio wurde auf die konkrete Sektionstechnik nicht näher eingegangen [27, 29, 30]. Whimster und Macfarlane konnten nicht zuverlässig emphysematöse Lungen von gesunden trennen, weshalb das Organgewicht hier möglicherweise durch den Einschluss pathologisch veränderter Lungen beeinflusst wurde [40].

Es wird angemerkt, dass sich sowohl in der vorliegenden als auch in den oben genannten Studien [24, 27, 29, 30, 37, 40] das Normgewicht auf die durchblutete Lunge bezieht. Das reine Parenchymgewicht ist entsprechend niedriger einzuschätzen.

Während die Durchschnittswerte des Lungengewichtes in den 1990er-Jahren in Frankfurt beim Mann mit 559,3 g (SD ± 171,7 g, n = 551) bei der linken Lunge und 667,2 g (SD ± 205,0 g, n = 534) bei der rechten Lunge höher waren als in den aktuellen Daten, ähnelten sich die Werte bei der Frau mit 421,9 g (SD ± 132,9 g, n = 351) bei der linken Lunge bzw. 505,7 g (SD ± 149,4 g, n = 351) bei der rechten Lunge.

Milzgewicht

Das Milzgewicht weist laut Krumbhaar und Lippincott die weiteste Spanne der Normalgewichte der Organe auf, wobei Werte zwischen 50 g und 400 g als physiologisch erachtet wurden [23]. McCormick und Kashgarian fanden bei einer Literaturrecherche ebenfalls einen sehr breiten Normbereich des Milzgewichtes von 80–300 g [28]. Diese Ergebnisse spiegeln die in der vorliegenden Publikation ermittelten Normwerte (♂ = 55,0–373,2 g, ♀ = 50,0–355,0 g) wider.

La Grandmaison et al. ermittelten Normwerte des Milzgewichtes von 156 g ± 87 g (♂) bzw. 140 g ± 78 g (♀) [24]. Bei Sheikhazadi et al. betrugen die Normwerte des Milzgewichts 172,1 g ± 69,1 g (♂) bzw. 166,5 g ± 68,0 g (♀) [37]. Molina und DiMaio errechneten für Männer einen Normbereich von 28–226 g; für Frauen wurden Werte unter 230 g als normal beschrieben. Die Durchschnittswerte waren mit 139 g (SD ± 58 g) (♂) bzw. 115 g (SD ± 51 g) (♀) nur geringfügig niedriger als in der vorliegenden Studie [29, 30]. Myers und Segal ermittelten anhand von Sektionen in den USA für hellhäutige Männer einen Normbereich des Milzgewichtes von 75–245 g (Durchschnitt 145 g), für hellhäutige Frauen von 55–190 g (Durchschnitt 115 g). Für dunkelhäutige Männer betrug der Normbereich 40–200 g (Durschschnitt 105 g), für dunkelhäutige Frauen 35–190 g (Durchschnitt 95 g) [32]. Deutlich niedriger als die Normwerte der vorliegenden Studie waren die von Mathuramon et al., welche bei Männern 96,47 g ± 36,74 g und bei Frauen 81,93 g ± 36,17 g betrugen [27].

Mit 306 männlichen und 204 weiblichen Fällen ist die vorliegende Studienpopulation kleiner als die von la Grandmaison et al. (♂ = 355, ♀ = 329) und Sheikhazadi et al. (♂ = 914, ♀ = 308) [24, 37]. Niedriger waren die Fallzahlen von Molina und DiMaio mit 227 Männern und 101 Frauen sowie die von Myers und Segal mit 166 dunkelhäutigen und 116 hellhäutigen Männern und jeweils 42 dunkel- bzw. hellhäutigen Frauen [29, 30, 32]. Bei Mathuramon et al. lag zwar mit 453 Fällen eine größere männliche Studienpopulation vor, die weibliche war hingegen mit 98 Fällen kleiner [27].

Bezüglich der Obduktionstechnik ist anzumerken, dass la Grandmaison et al. und Sheikhazadi et al. die Milz vor dem Einschneiden wogen, bei Mathuramon et al., Molina und DiMaio und Myers und Segal hingegen wurden keine konkreten Angaben zur Sektionstechnik gemacht [24, 27, 29, 30, 32, 37].

Beim exemplarischen Vergleich mit den Frankfurter Obduktionsdaten zwischen 1991 und 1993 zeigten sich ähnliche Durchschnittswerte des Milzgewichtes mit 165,3 g (SD ± 80,6 g, n = 950) beim Mann bzw. 133,4 g (SD ± 63,6 g, n = 531) bei der Frau.

Nierengewicht

Den Normwerten des Nierengewichts der vorliegenden Studie (linke Niere ♂ = 110,0–255,0 g, ♀ = 71,8–215,0 g¸ rechte Niere ♂ = 100,0–270,0 g, ♀ = 75,0–212,1 g) am ähnlichsten waren zum einen die von la Grandmaison et al. erhobenen Werte, welche für die linke Niere 160 g ± 41 g (♂) bzw. 136 g ± 37 g (♀) und für die rechte Niere 162 g ± 39 g (♂) bzw. 135 g ± 39 g (♀) betrugen. Vergleichbar waren auch deren Durchschnittswerte mit 160 g (SD ± 41 g) (♂) bzw. 136 g (SD ± 37 g) (♀) bei der linken Niere und 162 g (SD ± 39 g) (♂) bzw. 135 g (SD ± 39 g) (♀) bei der rechten Niere [24]. Auch die Normwerte von Sheikhazadi et al. ähnelten mit 150,3 g ± 52,1 g (♂) bzw. 135,3 g ± 26,2 g (♀) für die linke Niere und 147,9 g ± 48,8 g (♂) bzw. 130,9 g ± 25,5 g (♀) für die rechte Niere den Ergebnissen der vorliegenden Studie [37]. Molina und DiMaio hingegen publizierten für Männer einen Normbereich der linken Niere von 83–176 g und der rechten Niere von 81–160 g [29]. Die gleichen Autoren ermittelten für Frauen einen Normbereich des Gewichts der linken Niere von 35–192 g und der rechten Niere von 38–174 g [30]. Die Durchschnittswerte der linken Niere betrugen 137 g (SD ± 28 g) (♂) bzw. 116 g (SD ± 32 g) (♀), der rechten Niere 129 g (SD ± 26 g) (♂) bzw. 108 g (SD ± 27 g) (♀). Beim Mann bestand zudem ein signifikanter Unterschied zwischen dem Gewicht der linken und rechten Niere [29, 30]. Höher als die Normwerte der vorliegenden Studie waren die von Mathuramon et al. mit 252,93 g ± 53,56 g (♂) bzw. 222,32 g ± 44,35 g (♀). Unklar ist allerdings, ob es sich dabei um das Gesamtgewicht beider Nieren oder das Gewicht pro Niere handelt [27].

Die vorliegende Studienpopulation ist mit 258 linken und 266 rechten Nieren (♂) bzw. 137 linken und 140 rechten Nieren (♀) kleiner als die von la Grandmaison et al. (♂ = 355, ♀ = 329) und Sheikhazadi et al. (♂ = 914, ♀ = 308) [24, 37]. Kleiner war die Fallzahl von Molina und DiMaio mit 227 linken und 228 rechten Nieren (♂) bzw. jeweils 102 linken und rechten Nieren (♀) [29, 30]. Bei Mathuramon et al. lag mit 455 Fällen zwar eine größere männliche Studienpopulation vor, die weibliche war mit 99 Fällen jedoch kleiner [27].

Wie auch die Milz wurden die Nieren bei la Grandmaison et al. und Sheikhazadi et al. vor dem Einschneiden gewogen, bei Mathuramon et al. und Molina und DiMaio sind wiederum keine detaillierten Angaben zur Sektionstechnik zu finden [24, 27, 29, 30, 37].

Die in den 1990er-Jahren in Frankfurt erhobenen Werte ähnelten bei beiden Geschlechtern mit 178,9 g (♂, SD ± 45,6 g, n = 724) bzw. 138,8 g (♀, SD ± 31,2 g, n = 286) bei der linken Niere und 172,2 g (♂, SD ± 47,1 g, n = 719) bzw. 132,2 g (♀, SD ± 30,9 g, n = 280) bei der rechten Niere den aktuellen Daten.

Organgewichte und Todesart

Da von manchen Autoren gefordert wird, ausschließlich nichtnatürliche Todesfälle zur Erstellung von Referenzwerten für Organgewichte heranzuziehen [35], soll im Folgenden der Einfluss der Todesart auf Organgewichte betrachtet werden.

Bruce-Chwatt konnte bei Untersuchungen in Afrika keine Unterschiede des Milzgewichtes bei nichtnatürlichem Tod, verglichen mit den Gesamtfällen, feststellen [5]. Molina und DiMaio untersuchten den Einfluss von Stauung oder Blutverlust von mindestens 1 l auf Organgewichte. Bei Männern konnten die Autoren ein signifikant niedrigeres Gewicht von Leber und Milz bei Blutverlust nachweisen [29]. Bei beiden Geschlechtern kam es zu signifikanten Veränderungen des Lungengewichtes sowohl bei Stauung als auch bei Blutverlust und des Nierengewichtes bei Stauung [29, 30]. Auch Boyd beschrieb eine Tendenz zu geringeren Organgewichten bei hypovolämischem Schock [4]. Dieser Aspekt kann insofern mit der Todesart zusammenhängen, dass ein größerer Blutverlust insbesondere bei nichtnatürlichem Tod zu erwarten ist. Bei vielen natürlichen Todesfällen könnte hingegen eine mit der zum Tode führenden Erkrankung zusammenhängende Stauung in Organen vorliegen [16]. Eine Stauung kann jedoch auch bei nichtnatürlichen Todesfällen mit langen Überlebenszeiten zwischen Ereignis und Todeseintritt entstehen. So untersuchten Chen et al. die Einflüsse verschiedener Todesursachen und Überlebenszeiten auf das Lungengewicht hinsichtlich der Theorie einer im Rahmen eines hypovolämischen Schocks auftretenden Abnahme des Lungengewichts bzw. einer Zunahme bei Stauung und Ödem durch mikrovaskuläre Schädigung. Bei Tod durch scharfe oder stumpfe Gewalt ließen höhere Lungengewichte auf eine längere Überlebenszeit schließen [6].

Krumbhaar und Lippincott belegten einen signifikanten Unterschied des Milzgewichtes zwischen natürlichem und nichtnatürlichem Tod mit geringgradig höheren Werten bei Ersterem. Sie vermuteten das physiologische Gewicht zwischen den Werten der beiden Gruppen [23]. Demgegenüber stehen die Ergebnisse von Myers und Segal, welche keine Unterschiede des Milzgewichtes in Zusammenhang mit starkem Blutverlust oder der Todesursache nachweisen konnten [32].

In der vorliegenden Studie wurden bei Männern signifikante Unterschiede des Gewichtes von Milz und beiden Nieren zwischen natürlichem und nichtnatürlichem Tod gefunden, die Fallzahlen der Gruppen waren jedoch inhomogen. So war bei den Nieren die Fallzahl nichtnatürlicher Tode jeweils fast doppelt so groß wie die natürlicher Tode, weshalb die Ergebnisse kritisch zu bewerten sind. Bei Frauen lagen keine von der Todesart abhängigen Unterschiede der Organgewichte vor.

Abschließend wird deshalb der weitestgehende Ausschluss pathologisch veränderter Organe als Grundvoraussetzung für Studien zu Normwerten von Organgewichte gesehen. Dem Aspekt einer möglichen Stauung bei längeren Überlebenszeiten kann mit dem Ausschluss von Krankenhausaufenthalten von mehr als 3 Tagen ante mortem Rechnung getragen werden.

Die Forderung mancher Autoren, lediglich nichtnatürliche Todesfälle aufzunehmen [35], wird nicht gestützt.

Limitationen [16]

  • Trotz einer standardisierten Obduktionstechnik unterscheidet sich möglicherweise die Informationsfülle der Obduktionsprotokolle, da diese von unterschiedlichen ärztlichen Mitarbeitern des Instituts für Rechtsmedizin durchgeführt wurden.

  • Obwohl Organgewichte in den Obduktionsprotokollen standardisiert mit einer Genauigkeit von 5 g angegeben wurden, finden sich in einzelnen Fällen Werte mit einer Genauigkeit von 1 g.

  • Die entnommenen Asservate wurden nur bei konkreter Fragestellung, nicht aber routinemäßig histologisch untersucht.

  • Da im Sektionsgut des Instituts für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main der Anteil nichteuropäischer Verstorbener, grob geschätzt, unter 1 % beträgt, wurden ethnische Aspekte nicht berücksichtigt. Zudem ist der geografische Faktor des Wohnortes vermutlich von stärkerer Gewichtung, wenn eine Person bereits mehrere Jahre in Deutschland wohnhaft gewesen ist.

  • Da die Erhebung von Organindizes eine Normalverteilung voraussetzt, war bei Milz (♀) und linker (♂, ♀) und rechter Niere (♀) die vorherige Elimination von Ausreißern nötig.

Organgewichte als Indikator vorherrschender Gesellschaftsbedingungen

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurden Normtabellen für das Gewicht von Leber, Lungen, Milz und Nieren unter Berücksichtigung von Korrelationen mit verschiedenen Körpermaßen sowie Organindizes entwickelt, welche Rechtsmedizinern und Pathologen in einem vergleichbaren populationsspezifischen Raum als einfaches Orientierungsmittel bei der Bewertung von Sektionsbefunden dienen können [16]. Aufgrund der bestehenden Korrelationen zwischen Organgewichten und Körpermaßen einerseits [24, 29, 30, 37] und der vielfach beschriebenen Zunahme des durchschnittlichen BMI der Bevölkerung sowie des säkularen Trends der Körpergröße [7, 8, 10, 22, 41, 43] sind Organgewichte nur eine begrenzte Zeit gültig. Die Zunahme des durchschnittlichen BMI und der Prävalenz von Adipositas wird auf eine multifaktorielle Genese mit einem Zusammenspiel genetischer Faktoren und Umweltfaktoren, des sozioökonomischen Status und der Veränderung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten der Gesellschaft zurückgeführt [14, 18, 22, 33]. Der säkulare Trend der Körpergröße zeigt keinen linearen Verlauf. Durch das Einwirken verschiedener Umweltfaktoren, wie beispielsweise der Verschlechterung der Ernährungssituation während der Weltkriege, wurden Stagnationen oder sogar rückläufige Tendenzen beobachtet, welche mit der Verbesserung der externen Einflüsse wieder ausgeglichen werden konnten [17, 21, 39, 43]. Auch die sozioökonomische Situation eines Menschen scheint sein individuelles Größenwachstum zu beeinflussen – so sind Angehörige höherer sozialer Schichten tendenziell größer als sozial schwächer Gestellte [20]. Des Weiteren spielen das jeweilige Gesundheits- und Sozialsystem eine Rolle [19]. Eine Abflachung des säkularen Trends war gegen Ende des 20. Jh. nicht nur in Deutschland erkennbar [7, 13, 36, 38, 42]. Noch nicht abzusehen ist allerdings, ob es sich bei obiger Beobachtung um den Endpunkt des säkularen Trends oder nur um eine temporäre Erscheinung handelt [13].

Die Untersuchung der menschlichen Organgewichte im Rahmen der Obduktion wird somit auch weiterhin einen wesentlichen Stellenwert einnehmen und über die Klärung von Todesart und -ursache des einzelnen Verstorbenen hinaus auch wissenschaftlichen Fragestellungen dienlich sein (mortui vivos docent).

Fazit für die Praxis [16]

  • Bei der Erstellung von Normtabellen für Organgewichte können sowohl Fälle mit natürlichem als auch mit nichtnatürlichem Tod jeweils unter weitestgehendem Ausschluss pathologisch veränderter Organe herangezogen werden, wobei auf eine standardisierte Sektionstechnik zu achten ist.

  • Bestehende Korrelationen der Organgewichte mit Körpermaßen wie Körpergröße und -gewicht sollten in Normtabellen berücksichtigt werden.

  • Die regelmäßige Aktualisierung von Normtabellen ist unerlässlich, da Organgewichte wie Körpermaße einem säkularen Trend unterliegen.

  • Organindizes erlauben eine Beurteilung von Organgewichten, gemessen an allen relevanten Einflussgrößen.

  • Der säkulare Trend von Körpermaßen und letztendlich auch Organgewichten folgt keinem linearen Verlauf.

  • Die Zunahme der Organgewichte im Rahmen des säkularen Trends zeigt bei jedem Organ einen individuellen Verlauf.

  • Organgewichte stellen einen Indikator für die jeweiligen Gesellschaftsbedingungen dar.