Hintergrund

Spielzeugwaffen lassen sich in vielen Kinderzimmern finden. Spielfiguren werden häufig mit Miniaturwaffen ausgerüstet, Pistolen mit Zündplättchen sind oft Bestandteil eines Cowboy- oder Polizeikostüms, und mit Wasserpistolen lassen sich in den Sommermonaten im Freien Freunde erschrecken. Wenn sich mit dem Spielzeug ein Projektil, Pfeil oder Bolzen verschießen lässt, spricht man von einem Geschossspielzeug. Typische Geschosse sind Pfeile mit Saugnapf, Schaumstoffdarts mit einer elastischen Spitze oder Schaumstoffbälle. Die notwendige Energie wird in der Regel durch eine gespannte Feder oder ein gedehntes Gummiseil gespeichert und nach Betätigung eines Abzugs, z. B. durch Luftdruck, auf das Geschoss übertragen. Um trotz der vergleichsweisen geringen Energie eine hohe Geschwindigkeit der Geschosse zu ermöglichen, sind diese i. Allg. sehr leicht gehalten. Besonders beliebt sind Spielzeugpistolen der Marke Nerf (Fa. Hasbro, USA). Der Begriff „Nerf Blaster“ gilt in der Fangemeinde als Synonym für Schaumstoffdarts und -bälle verschießende Spielzeuge unterschiedlicher Hersteller [1]. Durch stetige Weiterentwicklung der Waffen werden immer schnellere Geschosse mit höherer Reichweite erzielt. Das neueste Nerf-Modell soll nach Angaben des Herstellers Softdarts mit einer Geschwindigkeit von 120 „feet per second“ (etwa 132 km/h) schießen, weshalb die amerikanische Verbraucherschutzorganisation W.A.T.C.H. (World Against Toys Causing Harm Inc.) 2019 das Modell „Nerf Ultra One“ in ihre Liste mit dem Titel „10 worst toys“ aufnahm. Als Begründung wird auf die von den Nerf-Pfeilen ausgehenden Gefahren für das Auge hingewiesen [2].

In der Vergangenheit sind insbesondere sog. Softair-Pistolen mit Verletzungen am Auge in Verbindung gebracht worden. Dabei handelt es sich um Luftdruckwaffen, die Kunststoffkugeln mit einem Durchmesser von 6 mm und einem Gewicht zwischen 0,12 und 0,2 g verschießen. Modelle bis zu einer Geschossenergie von 0,5 J können in Deutschland ab 14 Jahren gekauft werden, da sie zwar über dem Energiegrenzwert der Spielzeugrichtlinie liegen, aber unterhalb dem des Waffenrechts [3, 4]. Kasuistisch wird von Einblutungen in die vordere Augenkammer (Hyphäma), Kratzern und Ödemen auf der Hornhaut sowie Schädigungen der Netzhaut berichtet [5,6,7].

Doch auch Geschossspielzeuge der Marke Nerf wurden in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Augenverletzungen erwähnt. Dabei muss bedacht werden, dass sich diese Spielzeuge an eine noch jüngere Zielgruppe richten als Softair-Pistolen. Neben Hyphämata wird u. a. auch von Entzündungen und Ödemen der Cornea und schwerwiegenden Schädigungen der Retina berichtet [8,9,10]. In den bisherigen Publikationen über Verletzungen durch Geschossspielzeuge wird nur in einem Fall explizit das involvierte Modell als „Nerf N‑Strike Elite Rampage Blaster“ angegeben [9]. Die Beschreibung der Geschosse lässt in allen Fällen jedoch auf Schaumstoffdarts und Schaumstoffbälle wie jene, die von Nerf Pistolen verschossen werden, schließen. Weiterhin wurde berichtet, dass, laut Angabe von Eltern, Softdarts von Drittherstellern bei Treffern auf der Haut mehr schmerzen als jene, die dem Spielzeug beiliegen [8].

Standardisierungsorganisationen wie die US-amerikanische Standardisierungsorganisation ASTM International oder das Deutsche Institut für Normung (DIN) legen in Normen Sicherheitsanforderungen für Spielzeug fest. So dürfen laut DIN EN 71‑1 harte Geschosse eine maximale kinetische Energie von 0,08 J aufweisen [3]. „Erbsenpistolen“ lassen sich so etwa dieser Kategorie zuordnen. Stärkere Geschosse müssen einen vorderen Teil aus einem elastischen Material aufweisen. Bis 2018 galt dabei eine kinetische Energie von 0,5 J als Grenzwert für solche Projektile. Die aktuelle Fassung der DIN-Norm sieht als neue Messgröße die kinetische Energiedichte vor [11]. Demnach dürfen Geschosse einen Grenzwert von 2500 J/m2 nicht überschreiten. Die kinetische Energiedichte wird in der Literatur als wesentliche Größe mit dem Ausmaß von Schussverletzungen in Verbindung gebracht [12]. Das für die Ermittlung der kinetischen Energiedichte notwendige Messen der Trefferfläche stellt für Prüfeinrichtungen derzeit ein Problem dar, da die in der DIN-Norm beschriebenen Verfahren als nichtreproduzierbar angesehen werden.

Stumpfe Bulbustraumata finden sich hauptsächlich nach Sportunfällen oder körperlichen Auseinandersetzungen [13, 14]. Neben den Sofortkomplikationen, die oft eine Beeinträchtigung des Sehvermögens und Schmerzen bedeuten, sind auch Spätfolgen möglich, wie die Ausbildung eines Sekundärglaukoms, einer Katarakt oder einer Retinaablösung [15, 16]. Komplikationen dieser Art können auch nach jahrelanger Latenzzeit nach dem erfolgten Bulbustrauma auftreten und bis zur Erblindung führen. Eine medikamentöse Therapie ist insbesondere bei erhöhtem Augeninnendruck notwendig [17]. Das Ausmaß eines stumpfen Bulbustraumas wird wesentlich durch die Fläche bestimmt, mit der eine Kraft auf das Auge wirkt [18].

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine aktuelle Auswahl von Geschossspielzeugen unterschiedlicher Hersteller und Ausführungen auf ihr Gefahrenpotenzial hin zu untersuchen. Um dies zu ermöglichen, sollte durch geeignete Maßnahmen insbesondere die Fläche der Geschosse zum Zeitpunkt des Auftreffens bestimmt werden, um eine Übersicht über die Energiedichten der verschiedenen Projektile zu ermitteln.

Material und Methoden

Gegenstand der Untersuchung waren 8 Geschossspielzeuge (Abb. 1). Als Projektile fanden dabei Schaumstoffdarts mit elastischem vorderem Teil, Schaumstoffbälle, Saugnapfpfeile und Kunststoffgeschosse Verwendung. Die Mini-Armbrust, auf deren Gefahren bereits hingewiesen wurde [19], verschießt Zahnstocherbolzen und weist als einzige Waffe keine Munition mit einem vorderen Teil aus elastischem Material auf. Eine Übersicht über die Projektile im Detail gibt Abb. 2.

Abb. 1
figure 1

Ausgewählte Geschossspielzeuge: Nerf Rival Kronos (Fa. Hasbro, USA), X‑Shot Chaos Orbit (Fa. Zuru, Neuseeland), Nerf Elite Disruptor (Fa. Hasbro, USA), 2‑in-1-Gel-Blaster (Fa. Zhenduo Toys, China), Kings Sport Crossbow (Fa. Kings Sport, China), Gapola Armbrust (Fa. Gapola, Deutschland), Black Series Pistole (Fa. Black Series, China), Mini Armbrust (unbekannter Hersteller, neutraler Versand); von links oben nach rechts unten

Abb. 2
figure 2

Projektile der Geschossspielzeuge. Horizontale Linien im Abstand von 2 cm: Kings-Sport-Saugnapfpfeil (oben), Mini-Armbrust-Zahnstocherbolzen, Gapola-Saugnapfpfeil, Black-Series-Projektil, 2‑in-1-Saugnapf-Softdart, Nerf-Elite-Softdart, X‑Shot-Chaos-Schaumstoffball, Nerf-Rival-Schaumstoffball (von links nach rechts)

Um die für die Berechnung der Energie notwendige Geschwindigkeit der Geschosse zu ermitteln, durchliefen diese ein Lichtschrankensystem. Die erste der beiden, in einem Abstand von 25 cm zueinander entfernten Lichtschranken wurde von dem Geschoss durchquert, sobald dieses mit seinem hinteren Teil den Lauf der jeweiligen Waffe verlassen hatte. Über die Zeit, welche die Projektile für die Strecke benötigten, wurde deren Geschwindigkeit errechnet, und der Maximalwert aus 10 Messungen gewählt. Das Gewicht der Geschosse wurde mit einer digitalen Feinwaage (Fabrikat: AE 166; Fa. Mettler) bestimmt. Um weitere außenballistische Vorgänge der Geschosse, wie deren Eigenbewegungen um die Längs- oder Querachse erkennen zu können, wurde eine Hochgeschwindigkeitskamera (Fabrikat: M3; Fa. Motion Scope) mit einer Bildfrequenz bis zu 500 Bildern/s verwendet.

Für die Bestimmung der Trefferfläche wurde auf eine in der DIN EN 71‑1 vorgeschlagene Methode zurückgegriffen. Die Geschosse wurden mit handelsüblicher Stempelfarbe eingefärbt und anschließend wurde aus einer Entfernung von 30 cm auf Millimeterpapier, welches auf einer ebenen Oberfläche befestigt war, geschossen. Im Anschluss wurden die einzelnen eingefärbten Quadrate aufsummiert oder Felder mit einer geometrischen Figur bekannter Fläche in Deckung gebracht. Weiterhin wurde druckempfindliche Folie (Fabrikat: Prescale; Fa. Fujifilm) eingesetzt, um die beim Auftreffen wirkenden Druckverhältnisse als unterschiedlich kräftige, rote Spuren sichtbar zu machen. Die Auswertung erfolgte durch ein ebenfalls von Fujifilm hierfür bereitgestelltes System, bestehend aus einem speziellen Scanner und einer entsprechenden Software (FPD-8010).

Ergebnisse

Außenballistische Eigenschaften der Geschosse

Auffallend war zunächst, dass sich die unterschiedlichen Geschosstypen stark in ihren Flugbahnen und Reichweiten unterschieden. Die Projektile der Kings Sport Armbrust und des 2‑in-1-Blasters verloren bei horizontalem Abschuss selbst nach 1 m bereits beträchtlich an Flughöhe. Mit den Pistolen von Nerf, dem X‑Shot Blaster und der Gapola Armbrust war, aufgrund der geraden Flugbahn der Geschosse, ein Zielen durch die beiden Lichtschranken gut möglich. Die leichtesten Geschosse stellten die Zahnstocherbolzen der Mini-Armbrust mit 0,15 g dar. Die größte Masse hatten die Pfeile der Kings Sport Armbrust. Die übrigen Projektile wiesen eine Masse zwischen 1 und 3 g auf. Die höchsten Geschwindigkeiten erreichten im Test die Spielzeugwaffen mit Schaumstoffbällen als Munition (Tab. 1).

Tab. 1 Geschwindigkeit, Masse und kinetische Energie der Geschosse

Ferner zeigt Tab. 1 die aus den Geschossmassen und Geschwindigkeiten errechnete kinetische Energie. Es fällt auf, dass Geschosse der Modelle X‑Shot Chaos Orbit und Nerf Rival Kronos kinetische Energien aufweisen, die über dem alten Grenzwert der Spielzeugrichtlinie von 0,5 J liegen. Mit über 1 J weisen die Geschosse der X‑Shot Chaos Orbit eine etwa 20-mal stärkere Energie auf als die des 2‑in-1-Blasters oder der Mini-Armbrust. Die meisten Modelle schießen Geschosse mit Energien zwischen 0,2 J und 0,5 J.

Trefferfläche und kinetische Energiedichte

Das Einfärben der Geschosse und anschließende Schießen auf ein Blatt Millimeterpapier vor einem festen Untergrund erwies sich als hinreichend praktikabel, um die Kontaktfläche der Geschosse zum Zeitpunkt des Auftreffens zu ermitteln. Beim Einfärben war darauf zu achten, die Farbe gleichmäßig und nicht zu dick aufzutragen, um ein Spritzen der Farbe beim Aufprall weitestgehend zu vermeiden. Es wurde bei Trefferbildern, wie jenem in Abb. 3, davon ausgegangen, dass auch der Bereich, der sich geschossstrukturbedingt nicht abzeichnete, zu der Kontaktfläche zählt. Im Versuch zeigte sich, dass die Geschosse der Army Combat Pistole oft quer auf die Trefferplatte aufschlugen und die Kontaktfläche sich in diesen Fällen neben der des vorderen Teils aus der Seitenfläche der Kunststoffhülle zusammensetzte (Abb. 4). Ein Querschläger hatte aber etwa dieselbe Fläche wie ein Treffer mit der gesamten Fläche des elastischen vorderen Teils. Insbesondere Geschosse mit einem Saugnapf berührten nicht die gesamte Fläche mit diesem (Abb. 5). In diesen Fällen werden die großen Flächen ohne Kontakt nicht mitgezählt. In Tab. 2 sind die Kontaktflächen, die sich aus dem arithmetischen Mittel von 10 Trefferbildern für jedes Geschoss errechneten, sowie die kinetische Energiedichte als der Quotient aus der kinetischen Energie und der Fläche aufgetragen. Für die Kontaktfläche der Zahnstocherbolzen wurde deren Querschnittsfläche gewählt, da diese über keinen vorderen Teil aus einem elastischen Material verfügen. Diese wiesen trotz ihrer sehr geringen kinetischen Energie von 0,042 J mit über 12.000 J/m2 die größte Energiedichte auf. Die Geschosse der Army Combat Pistole wiesen mit 4667 J/m2 ebenfalls eine Energiedichte auf, die über dem neuen Grenzwert von 2500 J/m2 lag. Dies ist insofern auffällig, als dass diese mit einer kinetischen Energie von 0,333 J unter dem alten Grenzwert der DIN-Norm waren. Die übrigen Projektile lagen unterhalb der Grenze von 2500 J/m2.

Abb. 3
figure 3

Kontaktfläche eines Schaumstoffballs, verschossen mit der X‑Shot Chaos Orbit Pistole

Abb. 4
figure 4

Unterschiedliche Trefferbilder der Kunststoffgeschosse der Army Combat Pistole

Abb. 5
figure 5

Kontaktfläche der Saugnapfpfeile der Gapola Armbrust. Nichteingefärbte Bereiche sowie offensichtliche Farbspritzer gehen nicht in die Kontaktfläche ein

Tab. 2 Trefferfläche und kinetische Energiedichte der Geschosse

Bei der Auswertung der druckempfindlichen Folien mit der entsprechenden Software zeigt sich, wie der Druck, der beim Auftreffen der Geschosse auf die Folie entsteht, verteilt ist. Dass auch mit dieser Methode die golfballartige Struktur der Schaumstoffbälle zu erkennen ist, zeigen Abb. 6 und 7. Druckmaxima lassen sich an den strukturgebenden Linien erkennen. Bemerkenswert ist, dass bei den Querschlägern der Geschosse der Army Combat Pistole der meiste Druck dort wirkte, wo die Kunststoffhülle die Folie traf (Abb. 8).

Abb. 6
figure 6

Trefferfläche des X‑Shot-Chaos-Orbit-Schaumstoffballs. Der Druck nimmt von grün über rot bis gelb zu. (Aufgenommen mit Prescale LLLW Folie, Fa. Fujifilm)

Abb. 7
figure 7

Druckverteilung entlang der in Abb. 6 festgelegten Linie. Der so zu ermittelnde Durchmesser entspricht dem aus Abb. 3. x‑Achse Abstand [mm], y‑Achse Druck [MPa]

Abb. 8
figure 8

3D-Darstellung der Druckverteilung eines quer aufgeschlagenen Kunststoffgeschosses. Die Höhe steht dabei für den wirkenden Druck. Dieser nimmt von grün über rot bis gelb zu. Der meiste Druck wirkt dort, wo die Kunststoffhülle auftrifft. (Aufgenommen mit Prescale LLW Folie, Fa. Fujifilm)

Sonstiges

Die Armbrust des Herstellers Kings Sport ist mit einer Ziellaservorrichtung ausgestattet, wobei ein Punktlaser eingesetzt ist. Dessen Leistung beträgt 3,8 mW, was bedeutet, dass der Laser der Klasse 3R entspricht und er potenziell gefährlich für die Retina ist. Weiterhin sind Vorrichtungen dieser Art laut Waffengesetz in Deutschland nicht zulässig [4]. In 2 Fällen kam es bei dem schiefen Auftreffen von Projektilen auf festen Untergrund zu einem Aufplatzen von Geschossen, bei dem scharfkantige Splitter aus festem Kunststoff entstanden (Abb. 9 und 10). Dies spricht für den enormen Druck, der wirkt, wenn das Geschoss mit einer Kante aufschlägt. Ein Schießen des defekten Projektils war weiterhin möglich. Auch ließen sich Geschosse dieses Typs mit dem unelastischen hinteren Teil voran in das Magazin einführen und schießen.

Abb. 9
figure 9

Aufplatzendes Kunststoffgeschoss im Flug (Ausschnitt aus Aufnahme einer Hochgeschwindigkeitskamera)

Abb. 10
figure 10

Zerbrochenes Projektil und Kunststoffsplitter

Diskussion

Die untersuchten Geschosse weisen Energiedichten auf, die unter dem in der Literatur zu findenden Grenzwert für das Eindringen von Geschossen in menschliche Haut von 0,1 J/mm2 (100.000 J/m2) liegen [12]. Zu beachten ist jedoch, dass spitze Geschosse, wie die Zahnstocherbolzen der Miniarmbrust oder Kunststoffsplitter, punktuell eine sehr hohe Energiedichte haben können und es durch die sog. Kerbwirkung zu einem Eindringen in Haut kommen kann.

Das Auge gilt als elementares Sinnesorgan des Menschen, da ein Großteil der Umweltinformationen von diesem erfasst wird, und es mit vielen anderen Hirnfunktionen verknüpft ist [20]. Die Grenzenergiedichte für perforierende Augenverletzungen ist hier etwa um einen Faktor 10 geringer als die für Haut [12]. Ein Eindringen von mit der Mini-Armbrust verschossenen Zahnstocherbolzen in den Glaskörper ist bei Nahtreffern sehr wahrscheinlich, wie durch vorherige Arbeiten bereits gezeigt werden konnte [19].

Schwerwiegende Verletzungen am Auge können auch ohne Perforation des Corpus vitreum auftreten. Kennedy et al. ermittelten aus Forschungsergebnissen von über 40 Jahren Wahrscheinlichkeitsfunktionen für das Auftreten von Hyphämata, Verletzungen der Linse oder der Retina. Aus einer Grafik von Kennedy et al., die das Verletzungsrisiko des Auges gegen die Energiedichte eines Projektils darstellt, lässt sich etwa für den Grenzwert von Geschossspielzeugen von 2500 J/m2 eine Wahrscheinlichkeit von 5 % für das Entstehen eines Hyphämas abschätzen [18]. Linsen- oder Netzhautschäden sind bei dieser Energiedichte laut den Ergebnissen zwar unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Die individuelle Verletzung lässt sich aber im Einzelfall nur schwer vorhersagen. Bei Versuchen an postmortal entnommenen Schweineaugen konnten Duma et al. zeigen, dass Schaumstoffteile, die beim Sprengen eines Airbag-Moduls im Auto entstehen, bereits bei geringen Energiedichten zu Hornhautkratzern führten [21]. Anzumerken bei Versuchen dieser Art ist immer, dass die Übertragbarkeit von an postmortalen Tierversuchen gewonnenen Ergebnissen auf den Menschen kritisch hinterfragt werden muss. So entspricht der postmortale Augeninnendruck nicht dem am lebenden Organ, wenn er nicht durch aufwendige Eingriffe künstlich aufrechterhalten wird. Einblutungen können ebenso nicht mehr oder nur stark abgeschwächt auftreten. Auch Langzeitfolgen oder Auswirkungen auf die Sehleistung können mit diesen Methoden nicht bestimmt werden. In allen bisher veröffentlichten Fällen von Augenverletzungen durch Nerf-Geschosse wurde von Hyphämata berichtet. Ein Hyphäma kann mit einer Änderung des Kammerwinkels einhergehen, was zur Ausbildung eines Sekundärglaukoms führen kann [16, 22]. Eine Erblindung als Spätfolge eines Hyphämas ist somit nicht auszuschließen.

Die Aufnahmen mit der Prescale-Folie zeigen, dass der Druck, der beim Auftreffen eines Projektils wirkt, sehr ungleichmäßig verteilt ist. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass auch die kinetische Energiedichte punktuell wesentlich höhere Werte erreichen kann, als im Mittel über die gesamte Trefferfläche bestimmt. Auch ist es wahrscheinlich, dass Projektile nicht gerade auf das Auge auftreffen und sich so die Energie auf eine kleinere Fläche verteilt.

Die gerade Flugbahn der Geschosse stellt für Nutzer von Nerf-Blastern ein Qualitätsmerkmal dar. Damit gehen eine hohe Reichweite und gute Zielgenauigkeit einher. Neben der Geometrie und den verwendeten Materialien greifen Hersteller auch Methoden auf, die bei Druckluftwaffen und Feuerwaffen Verwendung finden, um dies zu erreichen. Die neuen Schaumstoffbälle stoßen vor Verlassen des Laufs an eine Gumminase, wodurch diese in eine Drehung um die Querachse geraten und so, durch unterschiedlich schnelle Luftströmungen, im Flug einen Auftrieb entgegen der Schwerkraft erfahren. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Drehungen bei Treffern am Auge das Entstehen von Hornhautkratzern begünstigen. Für die Geschosse des Modells X‑Shot Chaos Orbit ließ sich auf den ersten 25 cm eine Geschwindigkeit von 33,5 m/s feststellen. Vergleicht man dies mit der Herstellerangabe von 30 m/s, so ergibt sich eine fast 25 % höhere kinetische Energie. Weiterhin ist anzumerken, dass in Deutschland laut Waffengesetz zum Spiel bestimmte Waffen bis 0,5 J nicht von diesem erfasst werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Spielzeugpistolen über 0,5 J dem Waffengesetz unterliegen und somit deren Umgang grundsätzlich Personen vorbehalten ist, die das 18. Lebensjahr vollendet haben [4]. Sowohl im Internet als auch in der Literatur finden sich Videos und bebilderte Anleitungen, um Geschossspielzeuge zu modifizieren [1]. Tuningsets mit stärkeren Federn lassen sich über einschlägige Handelsplattformen beziehen und mit handelsüblichem Werkzeug und ein wenig Geschick verbauen. Es ist also davon auszugehen, dass ungeprüfte Modelle im Umlauf sind, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Energiegrenzwerte der Spielzeugrichtlinie übersteigen und eine besondere Gefahr für die Augen darstellen.

Um die von Geschossspielzeugen ausgehenden Verletzungen zu vermeiden, sind weitere Anforderungen an die Hersteller zu stellen. Da das Material einen großen Einfluss auf den wirkenden Druck hat, sollten Geschosse keine harten Materialien aufweisen. Die Projektile der Army Combat Pistole begannen sich durch einen ungünstig gelegenen Massenschwerpunkt früh im Flug um die Querachse zu drehen, sodass ein Auftreffen mit harten Kanten der Kunststoffhülle wahrscheinlich ist. Auch ein Schießen von Geschossen, die mit dem hinteren Teil voran geladen wurden, ist möglich. Saugnapfpfeile mit einem Kunststoffschaft können zu einem gefährlichen Geschoss werden, wenn der Saugnapf, etwa mit einem Taschenmesser, entfernt wird oder sich im Spiel von allein löst. Ein Grenzwert für die Elastizität als Materialeigenschaft der Geschosse wäre vorstellbar. Weiterhin sollten Hersteller ihren Geschossspielzeugen mindestens zwei Schutzbrillen beilegen und deren Einsatz in den Werbungen und auf Verpackungen zeigen. Um die Modifikation von Geschossspielzeugen zu erschweren, sollten Hersteller Spezialschrauben für den Zusammenbau verwenden, welche sich nicht mit handelsüblichem Werkzeug entfernen lassen. Zudem ist die Marktaufsicht aufgerufen, die Zulässigkeit von Tuningsets für Geschossspielzeuge zu überprüfen und ggf. weitere Schritte einzuleiten. Eltern und Erziehungsbeauftragte müssen selbstverständlich ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und über die Gefahren der Geschosse aufklären.

Es stellt sich die Frage, ob Geschossspielzeuge überhaupt eine Daseinsberechtigung haben. Auf der einen Seite wird argumentiert, dass Kindern mit Spielzeugwaffen ein Instrument für das soziodramatische Spielen bereitgestellt wird und ein gegenseitiges Verletzen dabei nicht im Vordergrund stehe [23]. Kämpfe und Kriegsspiele seien normal für Kinder und Teil einer ausgewogenen Entwicklung [24]. Auf der anderen Seite steigt womöglich im Umgang mit Geschossspielzeugen die Toleranz für Waffen i. Allg., was einen späteren Umgang mit Druckluft- oder Feuerwaffen begünstigen könnte. Dies ist besonders hervorzuheben, wenn man bedenkt, dass das Zielen und Schießen auf Menschen mit Nerf-Pistolen als Spiel hingenommen wird.

Ein vollständiges Verbot von Geschossspielzeugen wäre wohl zu drastisch, allerdings sind die Argumente der Befürworter von Geschossspielzeugen dank neuer Technologien auch mit Videospielen in der Simulation auflösbar oder auch durch neue Modelle mit Infrarotlasern in der Realität ohne gefährliche Geschosse umsetzbar [25, 26].

Fazit

Die von Geschossspielzeugen ausgehenden Gefahren für das Auge werden unterschätzt, und die Langzeitfolgen der möglichen Verletzungen sind aktuell noch nicht abzusehen. Es kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle Verletzungen erfasst werden und die Dunkelziffer entsprechend hoch ist. Die auf dem Markt erhältlichen Modelle übersteigen mit ihren Energien teilweise die Grenzwerte der Spielzeugrichtlinie. Auch ist die Modifikation von Nerf-Blastern einfach und beliebt, weshalb es schwierig ist, die Gefahren der sich im Umlauf befindlichen Modelle vorauszusagen.