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Gerichtsärztliche Prüfung der Haft-, Termin- und Arbeitsfähigkeit

Empirische Analyse des Hamburger Datenmaterials aus über 3 Jahrzehnten

Medico-legal assessment of the ability to undergo imprisonment, to participate in legal proceedings and to work

Empirical analysis of data from Hamburg over more than 3 decades

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Zusammenfassung

Im Rahmen der klinischen Rechtsmedizin als forensisch-medizinischer Erhebung eines gesundheitlichen Zustands lebender Probanden stellt die Prüfung der Haft-, Termin- sowie Arbeitsfähigkeit einen Kernbestandteil der modernen gerichtsärztlichen Tätigkeit dar. Dennoch findet dieses Arbeitsfeld neben forensischer Traumatologie und Viktimologie wenig Beachtung. Meist an Gesundheitsämtern dezentral durchgeführt, sind größere empirisch-statistische Erfassungen und Auswertungen eine Rarität. An dieser Stelle wird einerseits in einer historischen Hinführung die Bedeutung dieser gutachtlichen Tätigkeit für die moderne Rechtspflege herausgestellt. Andererseits wird überblickend eine Studie vorgestellt, die eine gerichtsärztliche Besonderheit in der Freien und Hansestadt Hamburg nutzt, wo derartige Untersuchungen seit über einem Jahrhundert zentral durchgeführt und erfasst werden. Es wird dabei auf Grundlage einer Vorgängerstudie, die die Situation Ende der 1960er bzw. Anfang der 1970er Jahre erfasst hatte, zum einen die zahlenmäßige Entwicklung der gutachtlichen Vorgänge in Hamburg von 1975–2011 skizziert. Weiterhin werden exemplarisch Ergebnisse einer detaillierten Auswertung von 641 Vorgängen aus dem Zeitraum von 1995–2004 präsentiert. Es ergeben sich Schlussfolgerungen auf Veränderungen im soziokulturellen Bereich sowie in der Rechtspflege und Strafausübung neben praxisrelevanten Überlegungen zur Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Rechtsmedizin und anderen klinisch-medizinischen Disziplinen.

Abstract

The medical assessment of the ability to undergo imprisonment, to participate in legal proceedings and the ability to work are fundamental components of modern medico-legal practice in the field of clinical forensic medicine. However, this area of forensic competence does not attract the same amount of attention compared to forensic traumatology and victimology. As this kind of medical assessment is administered decentralized by local health authorities, relevant statistical data or reports on this issue are rare in Germany. Starting from a historical approach, this article underlines the importance of this kind of medical expert assessment for the modern administration of justice. Additionally, the results of a regional analysis of this special category of medical assessment in the city of Hamburg, Germany, are presented. The study took advantage of the fact that these assessments have been performed and filed exclusively by a centralized medico-legal service in Hamburg for more than a century. Building on an earlier analysis from the late 1960s and early 1970s the development of assessment activities in the period from 1975 up to 2011 was evaluated. Furthermore, exemplary results from a detailed analysis of  641 medico- legal expert opinions from the period 1995 to 2004 are presented. Conclusions are drawn with respect to socio-cultural aspects and effects on the administration of justice and the penal system. A close cooperation between forensic medicine and clinical disciplines is required.

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Notes

  1. Auskunft der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg durch Frau Martina Haase (Justizbehörde Hamburg Abteilung A1 – Zentrale Dienste) anlässlich einer Anfrage der Autoren vom 20.04.2007.

  2. Der Rest zur Gesamtzahl von 458 verteilt sich auf 5 Fälle, in denen die Probanden unauffindbar verschwunden waren, sowie 8 Fälle, in denen aufgrund der Archivierungssituation die getroffenen Beurteilungen nicht mehr nachzuvollziehen waren ([4], S 397).

  3. GerNot steht als Abkürzung für Gerichtsmedizinischer Notarztdienst; sämtliche Mitarbeiter weisen die Fachkunde Notfallmedizin bzw. die Zusatzbezeichnung Rettungs- und Notfallmedizin sowie forensisch-medizinische Erfahrung auf. Es besteht das Angebot für Gerichte, ausgewiesene Notfallmediziner präventiv an Gerichtsstelle zu positionieren, in deren absichernder Gegenwart eine Verhandlung auch mit gesundheitlich vorbelasteten Prozessteilnehmern stattfinden kann.

  4. Persönliche Auskunft durch Herrn Dr. med. Thorsten Münch von GerNot, Hamburg.

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Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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F. Schulz und H. Lach haben in gleicher Weise Anteil am Zustandekommen dieses Beitrags, sodass ihnen die Erstautorenschaft gemeinsam zukommt.

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Schulz, F., Lach, H., Gehl, A. et al. Gerichtsärztliche Prüfung der Haft-, Termin- und Arbeitsfähigkeit. Rechtsmedizin 22, 441–450 (2012). https://doi.org/10.1007/s00194-012-0857-2

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