Die Verankerung des Transplantats im Knochen stellt bei der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands (VKB) einen wesentlichen Faktor dar. Bei der extrakortikalen gelenkfernen Fixation kann es zu Tunnelaufweitungen kommen. Bei der gelenknahen Fixation mit Implantaten, beispielsweise Interferenzschrauben, kann es durch die Implantate zur mechanischen Schädigung des Transplantats kommen, und die Kontaktfläche zwischen Transplantat und Knochen ist reduziert. In beiden Fällen kann die Einheilung des Transplantats im Knochen gestört sein.

Aus diesem Grund wurde mit der Press-Fit-Hybrid®-Technik eine Fixationsmethode etabliert, welche die Vorteile der extrakortikalen Technik mittels femoraler Buttonfixation und tibialer Fixation durch Ankerschrauben mit denen der gelenknahen Technik kombiniert, indem die gelenknahe Fixation durch Knochenzylinder erfolgt, welche mittels Diamant-Hohlfräsen (AlphaLock® Turbo Cutter, BIOMEDIX®, Heusenstamm, Deutschland) im Rahmen der Tunnelanlage gewonnen werden, ohne dass es hierbei zu Knochennekrosen kommt.

Hintergrund

Das Ziel der VKB-Rekonstruktion ist die Reintegration des Patienten in den sportlichen Alltag, vergleichbar dem prätraumatischen Level, und die Reduktion des Risikos degenerativer, posttraumatischer Gelenkveränderungen [1]. Die richtige Indikationsstellung und die chirurgische Technik sind entscheidend für den postoperativen Erfolg und die Kniegelenkstabilität [2]. Die Wiederherstellung der ursprünglichen Kinematik des Kniegelenks reduziert deutlich das Risiko folgender Meniskusverletzungen und verbessert die Heilungschancen nach Meniskusrefixation [3, 4]. Bis heute gibt es keinen Konsensus über die beste Methode der VKB-Rekonstruktion. Am populärsten ist die Interferenzschrauben(IF)-Technik, obwohl Risiken intraoperativer Transplantatschäden durch Schraubenfehllage beschrieben worden sind [5], und die extrakortikale Fixation, obwohl hier insbesondere bei transtibialer Bohrung Tunnelaufweitungen aufgrund des Bungee- und Scheibenwischer-Effekts beobachtet wurden [6].

Zur Absicherung der Belastbarkeit erfolgt zusätzlich eine extrakortikale Hybridfixation

Eine Alternative ist die vorwiegend ohne Fremdmaterial auskommende Press-Fit-Fixation [1, 5,6,7,8,9,10,11,12,13]. Bei den bisher publizierten Techniken zur Press-Fit-Fixation, welche die Entnahmestellenmorbidität und Arthroserate reduzierten, aber hohe Rerupturraten aufwiesen [6, 9, 13], werden biomechanische Zusammenhänge nicht berücksichtigt. Die hier vorgestellte Press-Fit-Hybrid®-Technik hingegen berücksichtigt diese Zusammenhänge, ermöglicht geringere Rerupturraten [14] und ist eine eigenständige, zur Fixierung von Ligamenten etablierte Technologie. Bei der Press-Fit-Hybrid®-Technik erfolgt die simultane Herstellung des Tunnels und Knochenzylinders (femoral und tibial) unter Verwendung von Diamant-Hohlfräsen und Zielgeräten mit integrierter Anschlagtechnik, zur Sicherstellung präziser Bohrtiefen. Auf Grund des strukturviskosen Verhaltens der reinen Sehnentransplantate ist die Zugbelastung der Press-Fit-Fixierung begrenzt. Hier muss zur Absicherung der Belastbarkeit zusätzlich eine extrakortikale Hybridfixation erfolgen. Bei der Press-Fit-Hybrid®-Methode nimmt der Zylinder zum Zeitpunkt der Operation nur ca. 20 % der Zugbelastung auf, die restlichen 80 % werden von der extrakortikalen Hybridfixation getragen. Zum Operationszeitpunkt ist der autologe Zylinder für die gelenknahe Fixierung verantwortlich und induziert die schnelle Integration in den angrenzenden Knochen. Nach der Integration übernimmt diese Verbindung den Halt der Fixierung. Die bei der Press-Fit-Hybrid®-Technik vorhandenen Kontaktflächen sind im Implantatlager deutlich größer im Vergleich zu Interferenzschrauben, so dass die ossäre Integration auf größerer Fläche abläuft.

In einer retrospektiven Kohortenstudie wurden die Rerupturrate und die sekundären Meniskusverletzungen zwischen dem Press-Fit-Hybrid®-Verfahren und der Interferenzschraubentechnik verglichen.

Methodik

Nach Umstellung der Operationstechnik wurden die letzten 100 mit der Interferenzschraubentechnik (IF-Gruppe) versorgten Patienten mit den ersten 100 mittels Press-Fit-Hybrid®-Technik (PFH-Gruppe) operierten Patienten verglichen.

Ausschlusskriterien waren ein Alter < 18 Jahre, zwei oder mehr Rekonstruktionen des VKB, Seitenbandverletzungen und die Verwendung eines isolierten Semitendinosus- oder Quadrizepssehnentransplantats.

Für die rein deskriptive Datenanalyse wurde ein Log-Rank-Test, für die Signifikanzbestimmung die Überlebenszeitkurve angewandt. Die Statistik erfolgte mit OriginPro, Version 2021 (Origin-Lab Corporation, Northampton, MA, USA). Ein p-Wert von < 0,05 wurde als signifikant definiert.

Operationstechnik

Die Semitendinosus- und Grazilissehne werden in üblicher Technik gewonnen und jeweils 3fach über einer Ultrabutton-Schlinge gefaltet zu einem 6fach-Transplantat gelegt. Proximal wird das Transplantat über ca. 25 mm mit einem 1er-Vicrylfaden vernäht, distal mit einer HiFi-Fadenschlinge und mit einem Ethibondfaden über eine Strecke von ca. 40 mm armiert, proximal mit einem Vicrylfaden. Zur Anlage des femoralen Tunnels wird das Bein während der Fräsung ca. 130° flektiert. Mit einer Diamanthohlfräse (AlphaLock® Turbo Cutter, BIOMEDIX®, Heusenstamm, Deutschland) wird femoral ein Bohrkanal gefräst und zeitgleich ein Knochenzylinder generiert (Abb. 1a, b). Der Knochenzylinder wird mit einem Extraktor geborgen (Abb. 1c, d). Es resultiert ein Bohrkanal femoral mit einem definierten Durchmesser von 8,24 mm sowie ein spongiöser Knochenzylinder mit einem Durchmesser von 7,16 mm und einer Länge von 25 mm (Abb. 1e), die keinerlei Nekrosen zeigen.

Abb. 1
figure 1

Anlegen des femoralen Bohrkanals. a Diamant AlphaLock® Turbo Cutter, Insert: Diamantspitze. b Nach dem Bohren. c Extraktor für den Knochenzylinder. d Extrahierte Knochenzylinder. e Bohrkanal ohne jegliche Nekrose

Abhängig vom Transplantatdurchmesser wird der femorale Tunnel asymmetrisch dilatiert (Tab. 1), so dass das Transplantatbett und das Lager für den Knochenzylinder vorbereitet werden. Die Gegenkortikalis wird abschließend über einen 2,3-mm-Bohrdraht mit einem 4,5-mm-Endobutton-Bohrer eröffnet. Ein Durchzugfaden wird eingezogen und geparkt, dann erfolgt die arthroskopische Überprüfung der korrekten Tunnelposition (Abb. 3). Tibial wird der Zielhaken des tibialen Zielgeräts im Bereich des VKB-Stumpfs auf Höhe des Außenmeniskusvorderhorns eingesetzt (Abb. 2a, b). Auch hier wird über das Zielgerät mit der Diamanthohlfräse ein Tunnel mit einem Durchmesser von 8,24 mm gefräst und ein zweiter Spongiosazylinder mit einem Durchmesser von 7,16 mm und einer Länge von ca. 30–40 mm generiert. Asymmetrische Dilatation des Bohrkanals (Abb. 2c, d). Ausleiten des Durchzugsfadens, Anhängen und transtibiales Einziehen des Transplantats bis in den femoralen Tunnel. Der Ultrabutton wird hierbei nach proximal ausgeleitet und extrakortikal geflippt. Anschließend wird durch Anspannen der Ultrabuttonfäden das Transplantat vollends nach proximal eingezogen. Sodann erfolgt 30-mal ein repetitives Flexions‑/Extensionsmanöver unter maximalem Zug am Transplantat nach distal. Um das Transplantat tibial (i. S. einer Hybridfixation) zu fixieren, wird zunächst die extrakortikale Fixation durchgeführt. In 20° Flexion des Kniegelenks werden jeweils das HiFi- und Ethibond-Fadenpaar fest um den Hals einer Ankerschraube (Abb. 3e) verknotet. Das Transplantat wird mit einem konischen Dilatator im Kanal asymmetrisch positioniert und so das Lager für den Knochenzylinder vorbereitet. Danach wird der tibiale Knochenzylinder mit dem Liston halbiert und angeschrägt und anschließend in zwei Schritten mit einem Applikator nacheinander in den tibialen Bohrkanal eingebracht. Femoral wird nun der auf 7,16 × 17 mm gekürzte und angeschrägte Knochenzylinder dezentriert eingebracht und impaktiert, sodass ergänzend zur extrakortikalen Fixation mittels Ultrabutton eine Press-Fit-Fixation gelenknah erzielt wird. Die Spongiosazylinder füllen den Kanal vollständig aus und schließen bündig intraartikulär ab. Femoral aligniert sich das Transplantat anatomisch zur dorsokaudalen Kante der lateralen Notch (Abb. 4a, b). In Abb. 4c, d sind die Knochenblöcke, Button und Schraube 2 Tage postoperativ dargestellt.

Tab. 1 Standardisiertes Dilatationsschema
Abb. 2
figure 2

Anlegen des tibialen Bohrkanals und Dilatation des Bohrkanals. a Tibiales Zielgerät Insert: Spitze liegt direkt auf dem Stumpf des vorderen Kreuzbands (VKB). b Nach Bohren des tibialen Kanals. c Dilatatoren. d Dilatatoren im Bohrkanal

Abb. 3
figure 3

Einziehen des Transplantats und Einbringen der Knochenzylinder. ab Einziehen des Transplantats. c Knochenzylinder. df Knochenzylinder schließen exakt ab

Abb. 4
figure 4

Röntgenaufnahmen lateral und a.-p. ab Übersichtszeichnung der Press-Fit-Hybrid®-Fixation in seitlicher (a) und a.-p.-Projektion (b). cd Zwei Tage postoperativ seitlich (c) und a.-p. (d): Weiße Pfeile und schwarze Kreise zeigen die Knochenzylinder, durchsichtige Pfeile zeigen den Button und die Ankerschraube

Ergebnisse

Die Gruppenverteilung war homogen hinsichtlich des Alters, der Geschlechtsverteilung, Seitenverteilung, Unfallursache, Begleitverletzungen, Body-Mass-Index (BMI) und Zeit bis zur operativen Versorgung (Tab. 2). Patienten in der IF-Gruppe, die mehr als 6 Monate nach VKB-Ruptur operiert wurden, hatten eine signifikant höhere Rate medialer Meniskusläsionen zum Zeitpunkt der Operation (p = 0,013; Tab. 2).

Tab. 2 Demografische und präoperative Daten

Zu Beginn der Nutzung der PFH-Methode betrug die Operationszeit 52 min, nach entsprechender Lernkurve (20 Monaten) noch 48 min. Die IF-Schraube war 6 Monate postoperativ ossär noch nicht integriert (Abb. 5a, b), während der Knochenblock in der PFH-Gruppe 2 Wochen postoperativ ossär integriert war und sich femoral weiterhin die sichelförmige Konfiguration des Tunnels zeigt (Abb. 5c–h). Sechs Monate nach der Rekonstruktion ist der Knochenzylinder vollständig in den umliegenden Knochen integriert.

Abb. 5
figure 5

Magnetresonanztomographie (MRT) postoperativ. ab Interferenzschraube 2 Jahre nach der Operation. ce Press-Fit-Hybrid®-Technik 2 Wochen nach der Operation. fg Sechs Monate nach Rekonstruktion mit Press-Fit-Hybrid®-Technik. Die Integration des Knochenzylinders in den Empfängerknochen ist abgeschlossen. h Keine Nekrose des Bohrkanals oder des Zylinders

Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug 5,3 Jahre in der IF-Gruppe und 4,2 Jahre in der PFH-Gruppe (Tab. 3). Rerupturen des rekonstruierten VKB wurden bei 9 Patienten (9 %) in der IF-Gruppe und 4 Patienten (4 %) in der PFH-Gruppe beobachtet. Ein adäquates Trauma konnte bei 7 Patienten in der IF-Gruppe und bei 3 Patienten in der PFH-Gruppe bestimmt werden. Die meisten Rerupturen traten nach primärer VKB-Rekonstruktion auf, jeweils eine Reruptur nach Revisionseingriff in beiden Gruppen. Die Kaplan-Meier-Überlebenszeitanalyse zeigte, dass die Proportion des revisionsfreien Intervalls in der PFH-Gruppe höher war (Abb. 6a) und dass das kumulierte Risiko der Rerupturrate in der PFH-Gruppe während des Nachbeobachtungszeitraums (p = 0,156) geringer ausfiel (Abb. 6b). Hervorzuheben ist außerdem, dass alle Patienten, die in der PFH-Gruppe eine Reruptur erlitten, jünger als 24 Jahre waren, wohingegen in der IF-Gruppe Rerupturen gleichmäßig verteilt in allen Altersgruppen auftraten (Abb. 6c).

Tab. 3 Postoperatives Outcome
Abb. 6
figure 6

Kaplan-Meier-Kurven und Altersverteilung der Rerupturen. a Anteil revisionsfreie Überlebensrate. b Kumulatives Risiko der Reruptur. c Darstellung der Altersverteilung von Patienten mit und ohne Reruptur in der Interferenzschrauben-Gruppe und in der Press-Fit-Hybrid®-Technik-Gruppe

Sekundäre Meniskusverletzungen postoperativ waren 30 % seltener nach PFH-Versorgung (6 Patienten in der PFH-Gruppe vs. 9 Patienten in IF-Gruppe).

Die Kniestabilität war in beiden Gruppen während des postoperativen Verlaufs vergleichbar. Der Rolimeter-Test war im Vergleich zu den präoperativen Werten postoperativ nahe 0 (Tab. 4). Ebenso waren postoperativ der Lachmann- und Pivot-shift-Test in beiden Gruppen negativ (Tab. 4). Bei der Beweglichkeit waren die Flexionswerte 6 Monate postoperativ in der PFH-Gruppe signifikant besser im Vergleich zur IF-Gruppe. Bei 2 Patienten in der IF-Gruppe fand sich ein Streckdefizit von 10° beim letzten Follow-up. In der PFH-Gruppe zeigte sich zu diesem Zeitpunkt bei keinem Patienten ein Streckdefizit von 10°.

Tab. 4 Postoperative Kniestabilität

Diskussion

Die Press-Fit-Hybrid®-Technik führt zu einer hohen primären Transplantatstabilität, einer im Vergleich zur Interferenzschraubentechnik deutlich größeren Kontaktfläche zwischen Transplantat und vitalem Knochen und dadurch zu einer geringeren Rerupturrate. Die geringere Rate sekundärer Meniskusläsionen postoperativ deutet auf eine höhere kinematische Gelenkstabilität hin. In dieser Arbeit konnte bestätigt werden, dass junges Alter ein Risikofaktor für Rerupturen darstellt, wie auch von Webster et al. beschrieben [15]. Eine höhere Compliance der jungen Patienten und ein besseres Training der betreffenden Muskulatur vor Wiederaufnahme von Risikosportarten könnten die erzielte geringe Rerupturrate weiter verringern. Die Press-Fit-Hybrid®-Technik sowohl für die femorale als auch die tibiale Verankerung ist bislang wenig beschrieben [16]. Hamstringsehnentransplantate sind mit einer geringeren Entnahmemorbidität, dafür aber mit einer höheren Versagensrate assoziiert [7, 17].

Die extrakortikale Hybridfixation sichert die Primärstabilität

Die beschriebene Press-Fit-Hybrid®-Technik nutzt zeitgleich im Rahmen der Tunnelanlage gewonnene autologe spongiöse Knochenzylinder zur Transplantatverankerung. Hierdurch wird die Kontaktfläche zwischen Transplantat und vitalem Knochen vergrößert. Die extrakortikale Hybridfixation sichert die Primärstabilität. Die Press-Fit-Hybrid®-Technik kann auch mit rein tendinösen Quadrizepssehnentransplantaten angewendet werden. Diese Technik vereinfacht Revisionseingriffe, da eine mühevolle Entfernung von Fremdmaterial und ggf. die Bohrkanalauffüllung mit spongiösen Knochen entfällt, womit eine einzeitige Revision möglich wird [18].

Zusammenfassend stellt die Press-Fit-Hybrid®-Technik bei der VKB-Rekonstruktion eine sichere, standardisierte und biologische Fixationstechnik dar, die gute Ergebnisse mit einer geringen Rate sekundärer Meniskusläsionen liefert und eine geringe Rerupturrate aufweist.

Fazit für die Praxis

  • Die Press-Fit-Hybrid®-Technik erlaubt die möglichst anatomische Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands (VKB) bei gleichzeitiger Auffüllung der Bohrkanäle mit autologen Knochenzylindern.

  • Hierbei erfolgen eine simultane Tunnelanlage und die Gewinnung von spongiösen Knochenzylindern mittels Diamanthohlfräsen.

  • Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine standardisierte und sichere Technik, die eine hohe Primärstabilität aufgrund der Hybridfixation aufweist.

  • Es besteht eine große Kontaktfläche zwischen Transplantat und Knochen – keine Implantate im Bereich der Bohrtunnel.

  • Im mittelfristigen postoperativen Verlauf zeigt sich eine geringe Rerupturrate sowie eine niedrige Rate sekundärer Meniskusläsionen.

  • Durch den geringen Knochenverlust ist eine einzeitige Revisionsoperation möglich.