Die Rehabilitation nach Eingriffen an der Schulter stellt nicht nur für die Patienten, sondern für alle beteiligten Personen eine Herausforderung dar. Einerseits liegt das am glenohumeralen Gelenk mit seinem riesigen Mobilitätsanspruch und andererseits an der Skapula, welche die Aufgabe hat, zugleich mobil und stabil zu sein. Das Zusammenspiel dieser zwei Komponenten stellt auch im postoperativen physiotherapeutischen Setting eine Herausforderung dar. Die Schwerpunkte wechseln im Laufe der Reha von anfänglich Mobilität und Koordination hin zu Belastungsaufbau und Trainingstherapie.

Die Fortschritte, bezogen auf Schmerzreduktion wie auch Funktionsverbesserung, entwickeln sich dabei je nach Eingriff unterschiedlich schnell. Beispielweise erholen sich Patienten mit Totalprothese deutlich schneller als solche mit Rekonstruktion der Rotatorenmanschette [10].

Die spezialisierte physiotherapeutische Behandlung von Patienten nach Schulteroperationen führt unweigerlich dazu, wiederkehrende Bewegungsmuster zu erkennen und zu beschreiben. Auch im aktiven Trainingsaufbau zeigen sich typische Muster in der Belastungstoleranz. Die Auswahl der physiotherapeutischen Maßnahmen orientiert sich dann entsprechend an diesen Mustern unter Berücksichtigung der Vorgaben des Operateurs. Nachfolgend werden die postoperativen Bewegungsmuster der Schulter sowie typische Muster der Belastbarkeitslimitierung vorgestellt. Die Einteilung hilft die physiotherapeutischen Maßnahmen sowie deren Dosierung in der Rehabilitation zu bestimmen.

Jede Rehabilitation nach Operation an der Schulter beginnt mit der postoperativen Schmerzkontrolle

Jede Rehabilitation nach Operation an der Schulter beginnt mit der postoperativen Schmerzkontrolle. Ein tiefes initiales Schmerzlevel postoperativ korreliert mit einer hohen langfristigen Patientenzufriedenheit [3]. Physiotherapeutisch liegt der Schwerpunkt dabei auf Instruktionen zu Lagerungsmöglichkeiten, den geltenden Restriktionen sowie der korrekten Anpassung und dem Handling des Hilfsmittels. In den ersten Tagen nach dem Eingriff ist die Entzündung im Vordergrund, und es bewährt sich fast ausnahmslos ein Vorgehen nach dem Motto „weniger ist mehr“. Die Heimübungen beinhalten Bewegungen im schmerzfreien (bzw. den Schmerz nicht verstärkenden) Bereich und sollten in tiefen Wiederholungszahlen, dafür mehrmals täglich durchgeführt werden. Ein Programm mit folgenden 4 Übungen wird erfahrungsgemäß von der überwiegenden Mehrheit der Patienten toleriert und deshalb auch durchgeführt:

  1. 1.

    Handpumpe,

  2. 2.

    Ellenbogenflexion/-extension,

  3. 3.

    assistierte Rotationsmobilisation (ggf. mit Kleiderbügel),

  4. 4.

    Pendelposition (statisch).

Die ambulante Rehabilitation startet in der Phase, in der die Entzündungszeichen deutlich rückläufig sind, was in der Regel in der zweiten postoperativen Woche der Fall ist.

Schwerpunkte der Rehabilitation

Mobilität und Koordination

Sobald vom Operateur freigegeben, sollte das Bewegungsausmaß in alle Richtungen und im Seitenvergleich genauer analysiert werden. Fast ausnahmslos alle Patienten nach Schulteroperation zeigen Einschränkungen der Mobilität. Dabei können je nach Ort und Ausmaß der Bewegungseinschränkung verschiedene Bewegungsmuster beobachtet werden. Eine Übersicht der wichtigsten postoperativen Bewegungsmuster zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Typische Bewegungsmuster postoperativer Patienten. (Adaptiert von Dyer in [8], mit freundl. Genehmigung, © C. Weber, alle Rechte vorbehalten)

Im Laufe der postoperativen Rehabilitation kann sich dieses Bewegungsmuster verändern. Nachfolgend werden die einzelnen Muster vorgestellt.

Bewegungsmuster Frozen Shoulder

In der ersten Rehabilitationsphase nach Operationen an der Schulter ist die Mobilität im glenohumeralen Gelenk häufig in alle Richtungen eingeschränkt. Daraus resultiert ein Bewegungsmuster, welches bei Patienten mit Frozen Shoulder beschrieben wurde [18, 22]. Die geringe Bewegung glenohumeral wird kompensatorisch skapulothorakal verstärkt durchgeführt, um damit eine größere Armfunktion zu ermöglichen. Auch wenn diese Kompensation der Skapula als Dyskinesie beschrieben werden könnte, hat deren Zulassen keinen negativen Einfluss auf die Fortschritte in der Rehabilitation [4]. Eine Untersuchung an postoperativen Patienten hat gezeigt, dass eine glenohumerale Abduktion von 83° und eine glenohumerale Außenrotation von 50 % nötig ist, um dieses Kompensationsmuster zu verlieren und den Arm über 120° bewegen zu können [6].

Für eine Überkopfbewegung > 120° ist eine glenohumerale Abduktion > 83° nötig

Die typische Schonhaltung der Schulter in der schmerzhaften Phase beinhaltet oft eine erhöhte Spannung in der Adduktions- und Innenrotationsmuskulatur mit entsprechend verminderter Verlängerbarkeit derselben. Für die Behandlung der postoperativen glenohumeralen Steifigkeit eignet sich eine Kombination von manueller Mobilisation des glenohumeralen Gelenks, Weichteiltechniken in vorgedehnter Stellung sowie Instruktion von Eigendehnungen um im Laufe der Reha die glenohumerale Mobilität wiederherzustellen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Maßnahmen nach Bewegungsmuster. (Mit freundl. Genehmigung, © C. Weber, alle Rechte vorbehalten)

Mit zunehmender glenohumeraler Mobilität entwickelt sich das Bewegungsmuster von demjenigen der Frozen Shoulder entweder zuerst in eine partiell eingeschränkte Schulter oder direkt in eine normal bewegliche Schulter.

Bewegungsmuster „partiell eingeschränkte Schulter“

Beim Muster der partiell eingeschränkten Schulter ist im glenohumeralen Gelenk noch in eine oder wenige Bewegungsrichtungen eine Einschränkung auffindbar. Betrifft das die Außenrotation, so berichten die Patienten eher über eine störende Reststeifigkeit. Ist die Innenrotation betroffen, so kann es bei Überkopfbewegungen zu einer subakromialen Reizung kommen. Die glenohumerale Gelenkmechanik ist bei einem Innenrotationsdefizit dahingehend verändert, dass sich das Rotationszentrum des Humeruskopfes bei einer Flexionsbewegung vermehrt nach anterosuperior verschiebt und eine anteriore subakromiale Reizung provozieren kann [11]. Bei einer Abduktion/Außenrotationsbewegung verlagert es sich verstärkt nach posterosuperior und kann so eine posterosuperiore subakromiale Reizung auslösen [1].

Diese initial im Zusammenhang mit kapsulären Anpassungen der Werferschulter beschriebenen Mechanismen können auch muskulär bedingt vorliegen mit den gleichen biomechanischen Auswirkungen [13].

Bei allen Patienten mit subakromial lokalisierten Beschwerden sollte deshalb eine symmetrische glenohumerale Innenrotation im Seitenvergleich angestrebt werden, bevor Bewegungen über 90° repetitiv oder mit Gewicht ausgeübt werden. Ausgenommen sind dabei nur Wurf- oder Schlagsportler, welche eine gleichermaßen vermehrte Außenrotation zeigen. Neben der manuellen Mobilisation der posterioren Strukturen können auch Eigenübungen eingesetzt werden (Abb. 2).

Bewegungsmuster „leicht eingeschränkte Schulter“

Ist die glenohumerale Mobilität postoperativ symmetrisch wiederhergestellt und es zeigt sich jedoch noch eine minimale Einschränkung der globalen Armhebung im Seitenvergleich, liegt das Bewegungsmuster der leicht eingeschränkten Schulter vor. Dieses ist durch eine skapulothorakale Beweglichkeitseinschränkung charakterisiert und wird mittels Beurteilung der Skapulastellung in der passiven Flexionsendposition ermittelt [2, 21]. Der meist laterale Punkt der Skapula sollte auf dem Lot der dorsalen Achselhaargrenze zu liegen kommen (Abb. 1). Das Bewegungsmuster der leicht eingeschränkten Schulter ist teilweise im Zusammenhang mit subakromialen Beschwerden und häufig bei rezidivierender Schulterinstabilität auffindbar. Stoppt die Skapulabewegung in der globalen Flexionsbewegung des Arms verfrüht, so wird die Bewegung exzessiv auf glenohumeral übertragen. Als Konsequenz daraus resultiert eine vermehrte Kompression auf die superioren Strukturen und Zugbelastung auf die inferioren Gelenksanteile. Die Insuffizienz der passiven inferioren Stabilität ist sowohl bei der anteroinferioren als auch posteroinferioren Instabilität Teil des Problems [12].

Durch die operative Stabilisierung wird diese skapulothorakale Einschränkung nicht behoben, und sie stellt einen möglichen beitragenden Faktor für die Entwicklung einer Rezidivinstabilität in der Langzeitentwicklung dar [16, 23]. Patienten mit Schulterinstabilität zeigen häufig neben dieser passiven Einschränkung auch in der aktiven Armhebung eine verminderte Aufwärtsrotation sowie Posteriorkippung der Skapula [15, 19]. Die Skapula scheint bewegungsfaul.

Nach Stabilisierungsoperation kann das skapulothorakale Gleitlager bereits früh mobilisiert werden

Nach einer operativen glenohumeralen Stabilisierung kann daher bereits früh in der Rehabilitation das skapulothorakale Gleitlager mobilisiert werden. Um die neue Bewegungsfreiheit umzusetzen sollte zudem die aktive Ansteuerung der Skapulaaufwärtsrotatoren (d. h. Trapezius und Serratus anterior) trainiert werden (Abb. 2).

Normales Bewegungsmuster der Schulter

Ist die Schulter sowohl im glenohumeralen Gelenk als auch skapulothorakal frei mobil, so können wir das als normal bewegliche Schulter bezeichnen. Die Armbewegung endet bei 155–165° im Vergleich zur Thoraxlängsachse und die Skapulabewegung endet mit dem lateralsten Punkt im Lot der dorsalen Achselhaargrenze (Abb. 1; [21]). „Frei mobil“ bedeutet für das Glenohumeralgelenk zudem in erster Linie die symmetrische Beweglichkeit im Seitenvergleich. Kann die Gegenseite nicht als Referenz verwendet werden, so bleibt der Vergleich mit der Norm (Tab. 1). Koordinativ bedeutet ein normales Bewegungsmuster auch, dass bei der Armhebung die Skapula von Anfang an dem Humerus folgt und sich mit einer Aufwärtsrotation und Posteriorkippung dynamisch an der Bewegung beteiligt. Ein normales Bewegungsmuster der Schulter bietet optimale Voraussetzungen, um die Schulter postoperativ progressiv zu belasten.

Tab. 1 Normwerte passiver Beweglichkeit isoliert im Glenohumeralgelenk. (Nach [8])

Belastungsaufbau und Krafttraining

In der postoperativen Rehabilitation überschneiden sich die mobilisierenden Maßnahmen zeitlich mit dem Start des aktiven Trainings. Schulterübungen im Bereich oberhalb 90° Armhebung setzen jedoch eine zumindest nahezu freie glenohumerale Beweglichkeit voraus [1, 6].

Muster der Belastbarkeitslimitierung

Die Übungszusammenstellung für den Belastungsaufbau orientiert sich an verschiedenen Kriterien. Einerseits kann eine Erhebung der maximalen Kraft mittels Handheld Dynamometer die spezifischen Defizite aufzeigen und so die Übungsauswahl bestimmen. Dafür muss aber die Belastbarkeit für eine maximale Kraftausübung bereits vorhanden sein. Andererseits sind typische Muster der Belastbarkeitslimitierung zu beobachten, welche in der Regel durch die Strukturen in Wundheilung limitiert werden. Es ist hilfreich, Übungen, welche geringe Belastung für die Strukturen in Wundheilung bedeuten, von solchen mit hoher Belastung zu unterscheiden. In Tab. 2 sind einige Übungsbeispiele zu gängigen Operationen aufgelistet. Praktisch bedeutet das beispielsweise, dass Übungen mit hoher Belastung auf die Strukturen mit geringer Intensität und im rein koordinativen Bereich begonnen werden. Gleichzeitig können jedoch Übungen mit geringer Belastung auf die Strukturen bereits mit hoher Intensität im Kraftausdauer- oder Hypertrophiebereich stattfinden.

Tab. 2 Übungseinteilung nach Belastung auf Struktur in Wundheilung (Beispiele)

Die Dosierung der Trainingsübungen variiert je nach Belastbarkeitsmuster

Ein Trainingsprotokoll, welches eine Alltagsbelastbarkeit adressiert, sollte mindestens die Grundfunktionen wie Ziehen, Stoßen, Runterziehen, Hochstoßen und Stützen beinhalten. Für spezifische Anforderungen in Sport oder Hobby sollte eine Transferübung bestimmt werden, welche die Zielfunktion möglichst gut imitiert. Diese wird dann progressiv belastend aufgebaut. Erfordert die Funktion Beschleunigung, wird diese in folgender Reihenfolge im Training aufgebaut:

  1. 1.

    konzentrisch beschleunigend,

  2. 2.

    schnell exzentrisch bremsend,

  3. 3.

    schneller Wechsel exzentrisch – konzentrisch (Dehnungverkürzungszyklus).

Training bei subakromial reduzierter Belastbarkeit

Das Training bei Patienten/Patientinnen mit subakromialen Beschwerden erfordert spezielle Aufmerksamkeit. Auch in Situationen, in denen präoperativ eine subakromiale Reizsituation bestand, sollte postoperativ nach dem gleichen Prinzip vorgegangen werden. Darunter fallen beispielsweise Rotatorenmanschettenrekonstruktionen, Akromioplastik sowie Akromioklavikulargelenkresektionen. Die Weichteilstrukturen im subakromialen Raum sind in diesen Fällen pathologisch verändert. Als Folge davon reagieren sie auf eine Trainingsbelastung mit forcierten Armhebeübungen mit einer zusätzlichen Volumenzunahme in den Stunden danach [14]. Dies verstärkt den subakromialen Druck und führt im Falle bereits enger Platzverhältnisse zu Schmerzen. Schulterschmerz führt zu Inhibition der Außenrotationsmuskulatur, welche für die Zentrierung des Humeruskopfes von entscheidender Bedeutung ist [5, 20]. Der Deltoideus überpowert beim Armheben die Rotatorenmanschette, und die subakromiale Kompression verstärkt sich. Dieser Teufelskreis wird möglicherweise zusätzlich unterhalten durch eine glenohumerale Innenrotationseinschränkung (siehe Bewegungsmuster „partiell eingeschränkte Schulter“) und/oder eine ungenügende Aufwärtsrotation der Skapula (siehe Bewegungsmuster „leicht eingeschränkte Schulter“). Aktive Übungen können helfen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, wenn sie folgende Punkte erfüllen:

  • geringe bis mittlere subakromiale Generierung von Stress (Tab. 3),

  • Stimulation subakromial liegender Sehnen,

  • Abbau der Inhibition der Außenrotatoren,

  • Aktivierung der Skapulaaufwärtsrotatoren.

Tab. 3 Subakromialer Stress bei gängigen Schulterübungen

Ein Übungsset, welches alle diese Punkte gleichzeitig adressiert, sind die vorgeneigten Buchstabenübungen (Abb. 3). Durch die Oberkörpervorlage (mindestens 60°) wird der mittlere Deltaanteil (welcher kranialisierend wirkt) nur wenig aktiviert. Durch die Außenrotationsposition ist das Tuberculum majus nach dorsal weggedreht. Deshalb generieren sie nur leichten bis mittleren subakromialen Stress. Zudem zeigen Studien, dass sie hohe Aktivität im Supraspinatus, Infraspinatus sowie im mittleren und unteren Trapezius erzeugen [7, 17]. In der Durchführung soll auf eine dynamische Mitbeteiligung der Skapula geachtet werden. Das „A“ und „W“ eignen sich gut als Einstiegsübungen und das „T“ und „L“ als Steigerungen. Die Übungen werden mit geringen Gewichten und hoher Anzahl durchgeführt. Die Zielmuskulatur sind Stabilisatoren, welche bei Patienten mit subakromialen Beschwerden eine reduzierte Kraftausdauer aufweisen [9]. Der Ausstieg aus dem oben beschriebenen Teufelskreis gelingt nur, wenn die Belastungen so dosiert werden, dass sie keine anhaltenden Schmerzen provozieren.

Abb. 3
figure 3

Endstellungen der Übungen Bent over a „A“, b „W“, c „L“ und d „T“. (Mit freundl. Genehmigung, © C. Weber, alle Rechte vorbehalten)

Eine Einteilung von weiteren Übungen nach subakromialem Stresslevel zeigt Tab. 3. Sie kann behilflich sein in der Auswahl von Einsteigeübungen sowie bei zunehmender Progression.

Fazit für die Praxis

  • Die vollständige Untersuchung der aktiven globalen Armbeweglichkeit sowie der passiv isoliert glenohumeralen Beweglichkeit in alle Richtungen ist nötig, um das vorliegende Bewegungsmuster zu bestimmen.

  • Das vorliegende Bewegungsmuster gibt die nötigen Maßnahmen vor.

  • Die aktiven Übungen im Training werden dem Muster der Belastbarkeitslimitierung angepasst und können sehr unterschiedlich dosiert werden.

  • Die vorgeneigten Buchstabenübungen eignen sich gut, um den Teufelskreis bei subakromial reduzierter Belastbarkeit zu durchbrechen.