OSG-Instabilität – was muss man wissen?

Die Instabilität des oberen Sprunggelenks (OSG) ist eine häufige Pathologie, welche oft konservativ behandelt werden kann. Eine ausbleibende Besserung der Beschwerden trotz adäquater Therapie kann jedoch eine operative Stabilisierung nötig machen [1, 2]. Die objektive Feststellung einer Instabilität im Bereich des OSG ist schwierig, da es nur wenige geeignete Testmethoden gibt. Zudem ist nicht jedes klinisch instabile Sprunggelenk behandlungsbedürftig. Als Beispiel sei der vermehrte Talusvorschub bei hypermobilen Patienten genannt, bei dem nicht zwingend eine operative Stabilisierung erforderlich ist. Eine detaillierte Anamnese zusammen mit einer Kombination mehrerer Untersuchungsmethoden ist deshalb zur Diagnosesicherung nötig. Anamnestisch werden häufig eine oder mehrere stattgehabte Distorsionen angegeben, zudem wird oft eine subjektive Instabilität erwähnt. Die subjektive Wahrnehmung ist neben objektivierbaren Testmethoden somit ein essenzieller Bestandteil, der in die Beurteilung einfließt. Zusätzlich sollten Patienten in Bezug auf eine Hypermobilität befragt und untersucht werden (z. B. via Erhebung des Beighton-Scores; [3]). Da Supinationstraumata bei Distorsionen des Sprunggelenks häufig sind, ist der laterale Bandapparat besonders oft von pathologischen Veränderungen betroffen (Abb. 1; [1, 4]).

Abb. 1
figure 1

Intraoperative Darstellung des lateralen Bandapparats. a 38-jährige Patientin mit multiplen Distorsionen sowie einer Hypermobilität (Beighton-Score ≥ 5). Die lateralen Bandstrukturen sind ausgedünnt, lassen sich aber regelrecht darstellen (Asterisk anteriores tibiofibulares Ligament, ATFL; doppelter Asterisk kalkaneofibulares Ligament, CFL; Pfeil Talus, welcher nach Entfernung der Gelenkkapsel sichtbar wird). b 35-jährige Patientin mit multiplen Distorsionen, jedoch ohne Hypermobilität – vernarbter lateraler Bandapparat ohne Abgrenzbarkeit der einzelnen Bandanteile

Zur Diagnosesicherung ist eine Kombination mehrerer Untersuchungsmethoden nötig

Bei langandauernden Instabilitäten kann additiv eine mediale Instabilität auftreten, was in der Kombination als Rotationsinstabilität des oberen Sprunggelenks bezeichnet wird [2, 4]. Alternativ kann bei einem Pronations‑/Außenrotationstrauma auch eine isolierte mediale Instabilität oder eine kombinierte Instabilität der Syndesmose und des medialen Bandapparats entstehen [5, 6]. Eine zusätzliche Fraktur der proximalen Fibula (Maisonneuve-Fraktur) sollte bei Auftreten eines solchen Verletzungsmusters klinisch detektiert und mittels Bildgebung ausgeschlossen werden [5, 6]. Im Langzeitverlauf sind bei chronischen Instabilitäten degenerative Veränderung bis hin zur Arthrose im Bereich des OSG möglich [7]. Eine gezielte Behandlung ist somit wichtig, um Langzeitschäden zu vermeiden. Zur Diagnosesicherung ist eine Kombination mehrerer Untersuchungsmethoden nötig. Die aktuelle Übersichtsarbeit fasst klinische Untersuchungsmöglichkeiten, Verfahren der Bildgebung und operative Optionen zur Sicherung einer Sprunggelenkinstabilität zusammen.

Klinische Untersuchung und funktionelle Testmethoden – wie beurteilen?

Die klinische Untersuchung ist ein wichtiger Bestandteil bei der Beurteilung einer Instabilität des Sprunggelenks und schließt sich einer detaillierten Anamnese an. Dabei sollte sie einem definierten Ablauf folgen (Abb. 2).

Abb. 2
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Die klinische Untersuchung sollte einem definierten Ablauf folgen. a Beurteilung der Rückfußachse einer Patientin im Stehen. b Testen der Sprunggelenkbeweglichkeit. Die Bewegung der peritalaren Gelenke wird durch die Varisierung des Subtalargelenks limitiert. c Der Talusvorschub kann mittels Anterior-Drawer-Test in leichter Plantarflexion des Sprunggelenks und im Seitenvergleich beurteilt werden. d Die Kraft der Peroneus-brevis-Sehen sollte ebenfalls in leichter Plantarflexion und im Seitenvergleich getestet werden

Nach der Inspektion und Palpation können verschiedene spezifische Tests zur Beurteilung durchgeführt werden. Dabei spielt der Seitenvergleich, sofern eine Seite keine subjektive Instabilität aufweist, eine zentrale Rolle.

Der Seitenvergleich ist in der klinischen Untersuchung essenziell

Generell ist die objektive Beurteilung der Stabilität durch klinische Tests schwierig. Zu Beginn einer Untersuchung sollte u. a. eine Beurteilung der Rückfußachse erfolgen (Abb. 3). Hier ist bei einer lateralen Instabilität auf eine varische Rückfußachse zu achten, welche die Instabilität begünstigen kann. Weitere Funktionstest können ebenfalls sitzend mit freihängenden Unterschenkeln durchgeführt werden (z. B. auf einer Untersuchungsliege). Bei der Beurteilung der Beweglichkeit des OSG sollte die Bewegung der peritalaren Gelenken limitiert werden, was mit einer Varisierung des Subtalargelenks erreicht wird. Bei der forcierten Bewegungsprüfung kann unter Umständen ein Schmerz durch impingierende Strukturen provoziert werden. Zusätzlich kann das Bewegungsausmaß bei intraartikulären Vernarbungen limitiert sein. Der Anterior-Drawer-Test und Talar-Tilt-Test sind wichtige Untersuchungen, die – wie bereits erwähnt – im Seitenvergleich beurteilt werden sollten. Wichtig ist, dass die Orientierung des Fußes bei der klinischen Untersuchung so gewählt wird, dass Zug auf die zu beurteilenden Bandstrukturen ausgeübt werden kann. Der Dorsalextensions-Außenrotations-Test kann zur Beurteilung der Stabilität der Syndesmose dienen [8]. Auch dieser Test sollte mit anderen klinischen Untersuchungen kombiniert werden und eignet sich primär für akute oder subakute Verletzungen [8]. Ebenfalls wichtig ist die Beurteilung der Integrität und Kraft periartikulärer Sehnen (Peroneus-longus/brevis- und Tibialis-posterior-Sehne). Zusätzliche Läsionen, z. B. der Peroneus-brevis-Sehne, sind bei chronischen OSG-Instabilitäten keine Seltenheit. Dies ist ferner von Bedeutung, da eine Peronealsehnenverletzung ebenfalls zur subjektiven Wahrnehmung einer Instabilität führen kann. Bei jeder fußorthopädischen Untersuchung sollten zudem die Fußpulse und periphere Sensibilität dokumentiert werden.

Abb. 3
figure 3

Bildgebung bei einem Patienten mit lateral betonter Instabilität sowie subtilem Pes cavovarus. a Röntgenaufnahme a.-p. des oberen Sprunggelenks (OSG) stehend mit sichtbaren ossären Avulsion an der distalen Fibula nach multiplen Distorsionen. Der Rückfuß projiziert sich medial der Längsachse der Tibia. b Die Röntgenaufnahme des Fußes lateral stehend zeigt einen hohen kalkanearen Anstiegswinkel. Der posteriore Anteil der Fibula projiziert sich hinter der tibialen Gelenkfläche und das Kuboid zeigt eine ballförmige Morphologie, was typischerweise beim Pes cavovarus vorkommt. c In der Magnetresonanztomographie (MRT) werden die Avulsionen der distalen Fibula besser sichtbar. Zudem besteht am medialen Malleolus eine Signalalteration. d Rekonstruktion nach belasteter Computertomographie (CT). Die Kalkaneusachse zeigt im Verhältnis zur Längsachse der Tibia eine subtile Deviation nach medial, was einer subtilen Varusdeformität entspricht

Die instrumentierte biomechanische Diagnostik kann unterstützend in der quantitativen Beurteilung einer Sprunggelenkinstabilität eingesetzt werden [9]. Wie erwähnt, ist die Kraftfähigkeit der Sprunggelenkevertoren von bedeutender klinischer Relevanz. Die Maximalkraft, aber auch das Verhältnis der Kraftwerte von Evertoren zu Invertoren kann zuverlässig mittels isokinetischer Maximalkraftmessung ermittelt werden und zur Beurteilung der Symmetrie und spezifischer Kraftverhältnisse dienen [10]. Aktuelle Studien zeigen ferner, dass Patienten mit funktioneller Instabilität eine signifikant reduzierte posturale Kontrolle auf der betroffenen Seite aufweisen [11]. Die Identifikation von Defiziten in der Haltungskontrolle kann durch spezifische Messverfahren quantifiziert werden, wobei sich Testvarianten des „time to stabilize“ mit den höchsten Effektstärken etabliert haben [12]. Die Diagnostik erfolgt hierbei im einbeinigen Stand auf standardisierten Messgeräten, die Auslenkungen in mediolateraler und anterior-posteriorer Dimension quantifizieren können [13]. Interpretiert werden zeitliche Parameter bei dynamischen Time-to-stabilize-Verfahren nach Auslenkung, Perturbation oder bei einbeinigen Landungen: je länger die benötigte Zeit, bis die stabile Haltungskontrolle erreicht ist, desto auffälliger die Pathobiomechanik [12]. Je nach Patientengut kann die subjektive Beurteilung der Rückfußachse durch kinematische 2D- oder 3D-Analysen in der Gang- oder Laufanalyse oder auch bei Landungen nach verschiedenen Sprungvarianten ergänzt werden, um so Extrema in der Segmentstellung des Fußes in Relation zum Unterschenkel oder zur Unterfläche zu beurteilen [14].

Bildgebung – was ist wichtig?

Verschiedene Verfahren der Bildgebung stehen zur Beurteilung des Sprunggelenks zur Verfügung. Grob kann zwischen statischer Bildgebung (z. B. Röntgenaufnahme) und Stressaufnahmen (z. B. unter einem C‑Bogen) unterschieden werden. Obwohl eine Instabilität bei belasteten Röntgenbildern nicht direkt dargestellt werden kann, ist das Erkennen von sekundären Instabilitätszeichen und die Beurteilung der Achsenverhältnissen möglich [5, 15,16,17,18]. Als Beispiel können neue wie auch ältere ossäre Avulsionen diagnostiziert werden [17]. Zudem tendieren Patienten mit einer pathologischen Rückfußachse eher zu Distorsionen. Die konventionelle Röntgenuntersuchung sollte mindestens aus 2 Bildern (OSG a.-p. und Fuß lateral) bestehen, welche im Akutfall oft ohne Belastung, jedoch bei chronischen Instabilitäten typischerweise stehend durchgeführt werden (Abb. 3). Weitere Röntgenuntersuchungen können je nach Fragestellung ergänzend erfolgen. Die Bildgebung des Rückfußes (z. B. Saltzman-Aufnahme) verliert aufgrund der geringen Reliabilität zur Beurteilung der Achsenverhältnisse zunehmend an Bedeutung [19]. Prä- oder intraoperativ können zudem Stressaufnahmen durchgeführt werden (Abb. 4; [5]). Im Gegensatz zu konventionellen Röntgenbildern können mittels Magnetresonanztomographie (MRT) die Ligamente wie auch Sehnen direkt dargestellt werden. Die klinische Relevanz ist aufgrund der fehlenden Belastung insbesondere bei chronischen Instabilitäten jedoch umstritten. Auch im Akutfall ist die Relevanz einer in der MRT diagnostizierten Bandläsion unklar. Allerdings ermöglicht die MRT eine genaue Beurteilung von peri- und intraartikulären Strukturen, was insbesondere bei einem langwierigen und unbefriedigenden Verlauf Vorteile bieten kann. Die Relevanz der CT hat vor allem mit dem Aufkommen von belasteten CT-Untersuchungen deutlich zugenommen. Insbesondere ist die akkurate Achsenanalysen mittels automatischer 3D-Rekonstruktion und Berechnung von Vorteil [20]. Ohne Belastung können mittels CT im Akutfall zudem Frakturen diagnostiziert und beurteilt werden. Weitere bildgebende Varianten wie die Single-Photon-Emissions-Computertomographie (SPECT-CT) spielen in der Diagnostik der OSG-Instabilität eine eher untergeordnete Rolle.

Abb. 4
figure 4

Intraoperative Aufnahmen unter Durchleuchtung zeigen vor (a) und nach (b) Applikation von Stress ein unverhältnismäßig großes Aufklappen des Sprunggelenks im lateralen Bereich. Dieser Befund sollte jedoch erst unter Einbezug der Anamnese und des klinischen Befunds als behandlungsbedürftige Instabilität betrachtet werden. Dasselbe gilt für die anteriore Translation vor (c) und nach (d) Applikation von Stress. e,f Mediale Instabilität bei Maisonneuve-Fraktur

Arthroskopie – der Schlüssel zum Erfolg?

Die Arthroskopie nimmt bei der Diagnose und Behandlung von Erkrankungen des Sprunggelenks eine Schlüsselrolle ein. Bei einer OSG-Instabilität erlaubt die ventrale Arthroskopie, die Instabilität zu quantifizieren und Begleitverletzungen zu erkennen. Die tibiotalare Instabilität wird dabei durch das Sondieren des Gelenkspalts mit stumpfen Instrumenten quantifiziert (Abb. 5; [2]). Kann dabei der Gelenkspalt lediglich mit Instrumenten < 5 mm Durchmesser (z. B. Tasthaken) sondiert werden, wird das Gelenk als stabil eingestuft. Lassen sich Instrumente mit 5 mm Durchmesser (z. B. Mandrin) einbringen, liegt eine moderate Instabilität vor [2, 21].

Abb. 5
figure 5

Arthroskopie und offene Rekonstruktion bei lateraler Instabilität. a Anteriore Sicht auf das Sprunggelenk mit moderater Instabilität lateral und b stabilem Gelenk medial. c Sicht auf die Syndesmose, welche sich diskret vernarbt, aber stabil zeigt. d Darstellung des Bassett-Ligaments (inferiorer Anteil der Syndesmose), welches für ein anterolaterales Impingement verantwortlich sein kann. e Ablösen der insuffizient vernarbten lateralen Bandapparates und Einbringen von 2 Ankern (FiberTak® knotenlos, Arthrex, Naples, FL, USA) im Bereich des Ursprungs des anterioren tibiofibularen Ligaments (ATFL) und des kalkaneofibularen Ligaments (CFL). f Raffung des lateralen Bandapparats an die distale Fibula und Übernaht mit PDS 2‑0

Die Arthroskopie des Sprunggelenks erlaubt die Diagnostik und Therapie einer Instabilität

Gelenke, welche soweit distrahiert werden können, bis der posteriore Aspekt einsehbar wird, werden als deutlich instabil eingestuft. Die Instabilität kann mit dieser Technik medial und lateral beurteilt werden. Zudem können die tiefen Anteile des medialen Bandapparats und das anteriore tibiofibulare Ligament (ATFL) inspiziert und in Bezug auf die Integrität und Stabilität beurteilt werden (Abb. 6). Neben dem tibiotalaren Gelenk erlaubt die ventrale Arthroskopie zudem die Beurteilung der Syndesmose [6, 22]. Dazu werden Sonden mit verschiedenen Durchmessern in das tibiofibulare Gelenk eingebracht. Kann eine Sonde von ≥ 3 mm eingebracht werden, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Instabilität der Syndesmose vor [23].

Abb. 6
figure 6

Arthroskopie und Rekonstruktion bei Maisonneuve-Fraktur und instabilem medialem Bandapparat. a Konventionelle Röntgenaufnahme mit Darstellung der proximalen Fibulafraktur. b In der Arthroskopie zeigt sich der Bandapparat vom medialen Malleolus abgelöst. c Offene Rekonstruktion/Raffung des medialen Bandapparats. d,e Einbringen eines TightRope (Arthrex, Naples, FL, USA) zur Verbesserung der Stabilität

Neben der Beurteilung der Stabilität des Sprunggelenks erlaubt die ventrale Arthroskopie zudem die Diagnose von Begleitverletzungen (z. B. impingierende ossäre oder narbige Strukturen, freie Gelenkkörper oder osteochondrale Läsionen). Zusätzlich zur Diagnostik bietet die Arthroskopie die Möglichkeit, eine Instabilität wie auch Begleitpathologien zu therapieren. Heutige arthroskopische Techniken erlauben die Straffung oder Refixation des lateralen Bandapparats (z. B. mit der modifizierten Prozedur nach Brostroem), wie auch die Rekonstruktion mit synthetischer oder biologischer (z. B. Spendersehen) Augmentation [24,25,26]. Die arthroskopische Bandrekonstruktion ist in Bezug auf das klinische Ergebnis vergleichbar zum offenen Verfahren mit tendenziell schnellerer Rehabilitation [24, 25]. Bei einer Rotationsinstabilität kann der mediale Bandapparat ebenfalls arthroskopisch rekonstruiert werden [27].

Fazit für die Praxis

  • Die subjektive Wahrnehmung des Patienten wie auch objektive Kriterien fließen in die Diagnosestellung ein.

  • Die Stabilität des Sprunggelenks ist klinisch im Seitenvergleich zu beurteilen, z. B. sitzend mit freihängenden Unterschenkeln.

  • Die instrumentierte biomechanische Diagnostik kann in der objektiven Beurteilung der Funktion und Mechanik des OSG wichtige Hinweise liefern.

  • Bildgebende Verfahren, wenn möglich unter Belastung, sind bei der Abklärung einer Instabilität des Sprunggelenks empfohlen.

  • Verschiedene prä- oder intraoperative Stresstests unter einem C‑Bogen können zur Sicherung einer relevanten Instabilität beitragen.

  • Die ventrale Arthroskopie erlaubt die Quantifizierung der tibiotalaren Instabilität wie auch die Beurteilung der Integrität der Syndesmose.

  • Eine Instabilität des Sprunggelenks sowie Begleitpathologien können durch eine ventrale Arthroskopie therapiert werden.