Anamnese

Eine 20-jährige Polizeianwärterin musste im Rahmen ihrer Vorbereitung auf eine Sportprüfung von einem ca. 2,5 m hohen Turm auf den Boden springen. Bei der Landung erlitt sie ein Hyperflexionsvarustrauma des linken Kniegelenks.

Bei deutlicher Schwellung erfolgte zunächst die Vorstellung im nahegelegenen Krankenhaus am Tag des Unfalls. Die Nativ-Röntgendiagnostik zeigte keine knöchernen Traumafolgen, daher wurde die Empfehlung zur relativen Ruhigstellung gegeben. Im Verlauf besserte sich die Symptomatik kontinuierlich. Bei noch diskreten belastungsabhängigen Schmerzen erfolgte jedoch die MRT-Diagnostik 2 Wochen später, welche eine Verletzung der posterioren Innenmeniskuswurzel zur Darstellung brachte (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Koronare Ebenen der Magnetresonanztomographie (MRT) des rechten Kniegelenks nach stattgehabtem Trauma. Die Pfeile markieren eine wurzelnahe Spaltbildung mit Signalanreicherung und begleitendem „bone bruise“ in der T2-Wichtung bei fehlender Extrusion des Meniskus

Klinischer Befund

Inspektorisch fand sich ein unauffälliges Kniegelenk und eine gerade Beinachse. Klinisch und sonographisch konnte kein Gelenkerguss festgestellt werden, und es zeigte sich eine freie Beweglichkeit von Extension/Flexion 0‑0-140°. Der Haut- und Weichteilmantel waren intakt, es bestanden keine Prellmarken. Die Patientin gab einen diskreten Druckschmerz am dorsomedialen Gelenkspalt an. Die Meniskuszeichen Steinmann I und Payr waren negativ.

Radiologischer Befund

Die MRT-Aufnahmen des Kniegelenks zeigten ein ausgeprägtes „bone bruise“ mit stärkster Ausprägung tibialseitig an der Area intercondylaris posterior (Abb. 1). Es fehlten typische Zeichen einer länger bestehenden Meniskuswurzelverletzung, wie z. B. ein fehlendes Meniskushinterhorn in der sagittalen Schicht („ghost sign“), eine angedeutete vertikale Defektlinie („truncation sign“) oder eine Extrusion des Meniskus. Jedoch bestand in der koronaren Schicht eine hyperintense, vertikale Kontinuitätsunterbrechung des Meniskushinterhorns [3]. Des Weiteren zeigten sich keine ligamentären oder osteochondralen Begleitverletzungen.

Therapie

Es wurde die Indikation zur operativen Refixation des Innenmeniskushinterhorns gestellt. Sechs Wochen nach Trauma konnte der Eingriff in Rückenlage in Allgemeinanästhesie erfolgen. Bei der diagnostischen Arthroskopie zeigte sich ein vollständiger Meniskuswurzelabriss Typ IIb nach LaPrade, ansonsten bestand keine weitere Pathologie im Gelenk. In der Tasthakenuntersuchung war die Meniskuswurzel vollständig instabil, und es gelang eine Luxation des Hinterhorns nach intraartikulär (Lift-off-Test positiv; Abb. 2a). Nun erfolgte zunächst die Anfrischung der Insertionsfläche der posteromedialen Meniskuswurzel mittels Shaver und Kürette. Sodann wurde mittels Zielinstrumentarium (Root repair Set, Fa. Smith and Nephew, London, UK) ein Zieldraht im Bereich der posterioren Meniskusinsertion platziert und mit einem 4,5-mm-Bohrer überbohrt. Mittels Ösendraht gelang dann das Einbringen eines Shuttelfadens PDS Stärke 0 (Fa. Ethicon, Somerville, NJ, USA; Abb. 2b). Im nächsten Schritt wurde mit Hilfe eines Scorpion-Fadendurchziehers ein FiberWire®-Loop (Fa. Arthrex, Naples, FL, USA) der Stärke 2‑0 durch die Meniskuswurzel gestochen (Abb. 2c). Über diesen Transportloop wurde dann ein weiterer Ultratape®-Loop (Fa. Smith Nephew, London, UK) geshuttelt. Mit Hilfe einer Fadenrückholzange wurden die freien Fadenenden durch den Loop gezogen und damit die Hinterhornwurzel in Luggage-tag-Technik sicher gefasst. Im Anschluss erfolgte eine weitere Naht in analoger Technik, jedoch mit einem FiberWire®-Faden der Stärke 2 (Abb. 2d). In der Folge wurden alle 4 freien Fadenenden mit dem zuvor eingebrachten Shuttlefaden durch den Bohrkanal auf die anteromediale Tibia ausgeleitet (Abb. 2e) und nach einer 2 cm langen Inzision unter leichtem Zug mittels PushLock®-Fadenanker (Fa. Arthrex, Naples, FL, USA) fixiert (Abb. 2f).

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Meniskuswurzel während des Lift-off-Tests. Die Wurzel lässt sich mittels Tasthaken anheben und nach intraartikulär luxieren. Es sind punktförmige Blutungen an der Meniskuswurzel zu erkennen (a). Es wird ein Shuttlefaden durch den Bohrkanal eingebracht (b), welcher nach Durchstechen der Wurzel (c) und zweifacher Naht in Luggage-tag-Technik (d) mittels Loop an das anteromediale Ende der Tibia ausgeleitet wird (e). Es zeigt sich eine vollständig reponierte Meniskuswurzel nach Fixierung der Ausziehnaht transtibial (f)

Die Nachbehandlung beinhaltete die Teilbelastung an Unterarmgehstützen für insgesamt 6 Wochen: Zunächst erfolgte die Ruhigstellung für 1 Woche in Streckstellung mittels Schiene, anschließend wurde eine flexible Knieorthese mit der Limitierung auf 90° Flexion für weitere 5 Wochen verordnet. Gleichzeitig fand eine funktionelle Beübung des Kniegelenks unter zuvor genannter Bewegungslimitierung statt.

Bereits im kurzzeitigen Follow-up, 4 Monate postoperativ, zeigte sich eine schmerzfreie Beweglichkeit und eine stabile Gelenkführung. Krafttraining und lockeres Joggen waren bereits wieder schmerzfrei möglich. In der Return-to-sports-Testung zeigten sich keine Defizite beim Y‑Balance-Test im Vergleich zur Gegenseite bei noch bestehendem diskretem Kraftdefizit im vertikalen Einbeinsprung („single leg vertical hop“, 12 cm vs. 16 cm, 84 % LSI [Leg Symmetry Index]). Eine Kontroll-MRT-Untersuchung zeigte eine regelhaft zur Darstellung kommende Meniskuswurzel ohne Materialdislokation (Abb. 3a–c).

Abb. 3
figure 3

Sagittale und koronare Ebene sowie 3‑D-Rekonstruktion der postoperativen Bildgebung nach Operation. Die Pfeile markieren den transtibialen Bohrkanal (a, c). Es ist angedeutet die angeschlungene Meniskuswurzel ohne Dislokation zu erkennen (b)

Diskussion

Akute, traumatische Verletzungen der Innenmeniskuswurzel sind selten und treten gehäuft mit ligamentären Begleitverletzungen auf. Bei isolierten Kreuzbandverletzungen geben Kim et al. eine Inzidenz von 2,74 % an, Matheny et al. 3,29 % [12]. Bei multiligamentären Verletzungen scheint das Auftreten etwa doppelt so hoch zu sein [8]. Isolierte Meniskuswurzelverletzungen hingegen sind eine Rarität und eine Inzidenz ist der aktuellen Literatur nicht zu entnehmen. Typischerweise sind Wurzelverletzungen des Innenmeniskus degenerativen Ursprungs und bei Patienten über 50 Jahren mit bestimmten Risikofaktoren, wie Adipositas, einer varischen Beinachse oder arthrotischen Veränderungen des Kniegelenks assoziiert [2]. Wenngleich eine operative Refixation bei solchen Patienten vor dem Hintergrund bestimmter negativer prognostischer Prädiktoren (Varusdeformität > 3°, fortgeschrittene Knorpelschäden, Gonarthrose) kritisch hinterfragt werden sollte, ist die Indikation zur Refixation bei traumatischen Verletzungen des jungen Patienten großzügig zu stellen. Eine strikte Altersgrenze existiert dabei nicht, und der postoperative Heilungserfolg ist auch von der Gewebequalität sowie dem Gesamtzustand des Gelenks abhängig. Eine Refixation kann das rasche Voranschreiten einer frühzeitigen Arthrose verhindern [6]. Dies wird insbesondere durch das Wiederherstellen der Ringspannung des Meniskus erzielt, welche die axial einwirkenden Kräfte und Scherbewegungen gleichmäßig auf das Tibiaplateau verteilt [2]. Die transtibiale Auszugsnaht ist eine etablierte und weit verbreitete Technik, welche gute Ergebnisse liefert und mittlerweile eine Vielzahl an Variationen durch unterschiedliche Nahttechniken und Materialien erfahren hat [9]. Sie scheint eine zufriedenstellende und langfristige Wiederherstellung der Ringspannung zu gewährleisten. So konnten Kim et al. in einer Serie von Second-look-Arthroskopien mit o. g. Technik auch nach 2 Jahren noch eine ausreichende Festigkeit der verletzten Meniskuswurzel (72 %), bei nur geringen Raten an Lockerungen feststellen (14 %; [6]). Es existiert eine Reihe von biomechanischen Studien zu Techniken und Fadenmaterialien der transtibialen Auszugsnaht. Grundsätzlich scheint eine operative Refixierung die Reißkraft einer gesunden Meniskuswurzel nur zu einem Teil wiederherzustellen (35 %; [7]), wobei komplexere Nahttechniken (z. B. Mason-Allen-Naht) unter Laborbedingungen höheren mechanischen Kräften standhalten. Unserer Erfahrung nach gewährleistet die hier vorgestellte Technik eine ausreichende Stabilität und exakte Nahtplatzierung, allerdings muss auf eine sorgfältige Anlage des Loop geachtet werden, da ansonsten die Gefahr der Lockerung besteht [4]. Das Fadenmaterial (FiberWire + Ultratape) bietet eine hohe biomechanische Reißkraft [5]. Die tibiale Fixation der Ausziehnaht mittels PushLock-Anker hat den Vorteil eines Versenkens des Fadenmaterials am anteromedialen Kortex, welches einer späteren Irritation in diesem Bereich entgegenwirkt. Der Verzicht auf eine extrakortikale Fixation durch eine All-inside-Technik mittels Fadenanker am intraartikulären Bohrkanalende ist eine Alternative hierzu [1].

Die empfohlenen Nachbehandlungsschemata ähneln sich sehr und beinhalten eine Periode der Teilbelastung mit Limitierung der Beugung zwischen 60 und 90° („safe zone“). In selteneren Fällen wird ein Beugungsverbot unter Last für einige Monate beschrieben [13]. Eine große Gefahr in der Nachbehandlung ist das Nahtversagen, welches in der Literatur mit bis zu 20 % angegeben wird, dies trifft allerdings nicht ausschließlich für Wurzelverletzungen zu und ist ebenfalls von Begleitverletzungen, wie etwa einer Kreuzbandruptur, beeinflusst [10]. Unserer Kenntnis nach existieren keine Studien bzgl. Return-to-sport-Raten bei Meniskuswurzelverletzungen. Eine Untersuchung von Logan et al. [11] untersuchte hierzu 45 Athleten, die eine Meniskusnaht (jedoch keine Fixation der Wurzel) erhielten. 81 % kehrten auf ein vergleichbares Level ihrer sportlichen Aktivität zurück. 11 % mussten einer erneuten Arthroskopie unterzogen werden. Es ist anzumerken, dass ein hoher Anteil der eingeschlossenen Patienten eine gleichzeitige Verletzung des vorderen Kreuzbands erlitt (83 %). Eine vergleichbare oder höhere Rate zurück auf das präoperative Leistungsniveau bei isolierten Wurzelverletzungen ist anzunehmen.

Fazit für die Praxis

  • Traumatische Wurzelverletzungen des Innenmeniskus sind selten und nicht immer mit klinisch wegweisenden Symptomen assoziiert.

  • Insbesondere bei ligamentären Verletzungen treten sie gehäuft auf und sollten nicht übersehen werden.

  • Isolierte Meniskuswurzelverletzungen bieten ideale Voraussetzungen für eine arthroskopische Refixation mit der Möglichkeit einer zügigen Wiederaufnahme der sportlichen Belastung.

  • Die transtibiale Auszugsnaht ist ein etabliertes Verfahren. Dabei bietet die hier beschriebene Refixierung durch einen doppelten Loop mit entsprechend biomechanisch belastbarem Nahtmaterial eine vielversprechende Kombination.

  • Bei der Gefahr des Nahtversagens sollte eine regelmäßige Anbindung, z. B. im Rahmen eines Return-to-sport-Programms gewährleistet sein.