Die Hüftdysplasie ist eine komplexe dreidimensionale Pathomorphologie, die das gesamte Hüftgelenk betrifft. Die mangelnde Überdachung führt zu Instabilität, Schmerzen und sekundärer Arthrose [1]. Die Reduktion des Problems auf die zu geringe laterale Pfannenüberdachung, die sich radiologisch durch den lateralen („center edge“) Winkel messen lässt, ist nicht ausreichend. Das Verständnis der Biomechanik mit all ihren Einflussfaktoren – Pfanne, proximales Femur, chondrolabraler Komplex, Kapsel und Muskulatur – ist Voraussetzung für die zielführende Diagnostik und Therapie. Anamnese, klinische Untersuchung mit spezifischen Tests, standardisierte Röntgenaufnahmen in verschiedenen Ebenen und deren Vermessung sowie die Magnetresonanztomographie (MRT) mit radiärer Rekonstruktion und ggf. Arthrographie ermöglichen heute die differenzierte Analyse des dysplastischen Hüftgelenks. Insbesondere die Therapieplanung der sog. Borderline-Hüftdysplasie ist auf eine detaillierte Abklärung angewiesen.

Inzidenz

Die Angaben zur Inzidenz der Hüftdysplasie sind sehr variabel. Dies liegt zum einen an deutlichen Unterschieden zwischen geografischen Regionen und ethnischen Gruppen, zum anderen an der nicht einheitlichen Definition der Hüftdysplasie und der Art der Diagnose. Ein generelles Screening-Programm mit Hüftultraschall deckt bereits kurz nach der Geburt auch klinisch stumme Dysplasien auf. Alternativ gibt es selektive Ultraschallscreening-Programme für Neugeborene mit Risikofaktoren und/oder auffälliger klinischer Untersuchung. In unseren Breiten ist die Hüftsonographie nach Graf der Goldstandard, es werden jedoch auch andere statische und dynamische Techniken angewendet. In Ländern, in denen nur die klinische Untersuchung der Neugeborenen oder gar keine systematischen Untersuchungen erfolgen, werden nur symptomatische Dysplasien bzw. dislozierte Hüften detektiert [2, 3].

Der bisher ausführlichste systematische Review zur Epidemiologie und Demographie der Hüftdysplasie wurde 2011 von Loder und Skopelja publiziert. Dabei wurden einige Schlüsselfaktoren herausgearbeitet. Die Hüftdysplasie tritt vorwiegend links (64 %) und einseitig (63,4 %) auf. Die Inzidenz variiert stark nach Region und Ethnizität. Sie liegt zwischen 0,06 pro 1000 Lebendgeburten bei Afrikanern in Afrika und 76,1 pro 1000 Lebendgeburten bei amerikanischen Ureinwohnern mit erheblichen Unterschieden innerhalb einzelner Völkergruppen. In Zentraleuropa liegt die Inzidenz zwischen 0,5 und 2 %. Die wichtigsten Prädiktoren sind die Beckenendlage, eine positive Familienanamnese und das weibliche Geschlecht. Erkrankungen mit Bindegewebsschwäche sind mit der Hüftdysplasie assoziiert. Das Pucken (spezielle Wickeltechnik, bei der Säuglinge in ein Tuch eingebunden werden) führt zu einer Häufung der Dysplasie. Der muskuläre Schiefhals und Fußfehlstellungen sind mit der Hüftdysplasie vergesellschaftet [4]. Frühdiagnose und -behandlung haben die Raten an persistierenden Hüftdysplasien deutlich gesenkt. Im deutschsprachigen Raum konnte durch zahlreiche Studien gezeigt werden, dass seit Einführung der Hüftsonographie nach Graf die Rate an offenen Repositionen und Operationen zur Verbesserung der Überdachung (Azetabuloplastiken, Beckenosteotomien) deutlich gesenkt wurde und das Screening auch kosteneffektiv ist [5,6,7]. Ähnliches wurde auch von einer Studie aus Großbritannien bestätigt [8]. Trotzdem wird die Notwendigkeit eines generellen Ultraschallscreenings international und v. a. in den USA kontroversiell diskutiert [9]. Die Hüftdysplasierate in der erwachsenen Bevölkerung ist regional sehr unterschiedlich. Die verstärkte Migration von Bevölkerungsgruppen führt ebenfalls zu Änderungen der Prävalenz. Die Angaben in der Literatur sind uneinheitlich, da auch bei der Hüftdysplasie des Erwachsenen Unterschiede in der Definition bestehen. Die übliche Definition ist rein radiologisch (CE-Winkel < 20–25°). Auch wenn diese vorhanden ist, muss sie nicht immer mit klinischen Beschwerden einhergehen. Ebenso wenig korreliert der Schweregrad der Dysplasie zwingend mit dem Ausmaß der Beschwerden. Hinzu kommen Begleitpathologien wie Torsionsfehler oder ein CAM-Impingement, die auch Grenzdysplasien früh klinisch relevant werden lassen. Eine dreidimensionale Analyse von Azetabulum und Femur ist daher notwendig und stellt die alleinige Definition der Hüftdysplasie über den CE-Winkel in Frage [1, 10, 11]. Verlässliche Angaben über die Häufigkeit der Hüftdysplasie im Erwachsenenalter sind daher nicht möglich.

Biomechanik

Das Hüftgelenk ist nicht vollkommen kongruent. Der Hüftkopf ist mit der knorpeligen Facies lunata des Azetabulums in Kontakt. Der Hüftkopf hat einen etwas größeren Radius als die Facies lunata. Die Kraftübertragung verteilt sich über deren Pol und Flanken; die Fossa acetabuli, die mit Bindegewebe ausgekleidet ist, trägt kaum zur Kraftübertragung bei. Der kraniale Anteil der Facies lunata ist die Hauptkontaktfläche für die Kraftübertragung, die radiologisch der sog. Tragfläche bzw. der „sourcil“ nach Pauwels (subchondrale Sklerosezone) entspricht [12,13,14]. Diese ist beim gesunden Hüftgelenk nahezu horizontal ausgerichtet. Beim dysplastischen Hüftgelenk hingegen zeigt sie einen aufsteigenden Verlauf, die „sourcil“ ist dreieckig und verbreitert (Abb. 1). Durch die Verknöcherungsstörung im Erkerbereich kommt es zur Ausbildung einer Dysplasierinne, die einer schiefen Ebene entspricht. Der Hüftkopf bewegt sich im Sinne einer Translationsbewegung entlang dieser nach anterolateral und erzeugt Druckspitzen im Erkerbereich. Der Kapsel-Labrum-Komplex, der an den knöchernen Erker anschließt, wird hier stark beansprucht und reagiert mit pathologischen Veränderungen wie Labrumrissen, Ganglienbildung und Knorpelschäden am chondrolabralen Übergang (Abb. 2). Diese Veränderungen gehen mit entsprechenden Schmerzen einher. Auf dem Boden dieser Schäden entsteht in weiterer Folge die Dysplasiearthrose.

Abb. 1
figure 1

Beckenübersichtsröntgenaufnahme. Die Tragfläche (nach Tschauner) bzw. der „sourcil“ (nach Pauwels) entspricht der subchondralen Sklerosezone [12,13,14]. Beim dysplastischen Hüftgelenk hingegen, zeigt sie einen aufsteigenden Verlauf, die „sourcil“ ist dreieckig und verbreitert. Der LCE-Winkel („lateral center edge angle“) ist pathologisch klein (7,6°), der Tragflächenwinkel pathologisch groß (19,9°). Bemerkung: Die Patientin wurde auf der rechten Seite im Kindesalter mit einer Acetabuloplastik und Femurkorrekturosteotomie versorgt. Idealerweise hätte das Röntgen ohne Gonadenschutz durchgeführt werden sollen

Abb. 2
figure 2

Magnetresonanz-Arthrographie mit Traktion desselben Hüftgelenks wie in Abb. 1. Als typisches Zeichen der Dysplasie zeigt sich ein großes Labrum. Es zeigen sich sekundäre Schäden durch die Überlastung der Erkerregion. Das Labrum ist am chondrolabralen Übergang gerissen, der Knorpel degenerativ verändert

Beim dysplastischen Hüftgelenk sind Veränderungen jedoch nicht nur im Azetabulumbereich, sondern auch am proximalen Femur vorhanden [15]. Typisch ist eine elliptische Form, eine verminderte Epiphysenhöhe, ein verminderter Schenkelhalsoffset und eine Coxa valga [16]. Bei Korrekturoperationen wie der periazetabulären Osteotomie (PAO) muss häufig der Schenkelhals-Offset simultan korrigiert werden, um einem sekundären Impingement zu vorzubeugen. Die Beurteilung der Kongruenz eines dysplastischen Gelenks ist wichtig für die Korrekturplanung. Sphärisch-kongruente Gelenke (kurze Facies lunata, schräge Tragfläche, sphärischer Kopf) und Gelenke mit pathologischer Kongruenz (schräge verbreiterte Tragfläche, elliptischer Kopf, Krümmungsradien von Kopf und Pfanne ident) eignen sich gut für reorientierende Eingriffe, während inkongruente oder dezentrierende Gelenke dafür nicht mehr geeignet sind [12].

Um die Beanspruchung des gesunden und dysplastischen Hüftgelenks zu analysieren, wird das Hebelmodell nach Pauwels herangezogen [14]. Obwohl es sich um ein zweidimensionales Modell und damit eine vereinfachte Darstellung handelt, hat es weiterhin Gültigkeit. Das Hüftgelenk ist kein reines Kugelgelenk. Die Kraftübertragung hängt auch von der Steifigkeit der Gelenkpartner ab. So findet diese über die Facies lunata statt, und die Fossa acetabuli bleibt ausgespart. Das Hüftgelenk kann als Achsiallager verstanden werden, in dem die Kraftübertragung in eine bestimmte Richtung stattfindet und eine seitliche Abstützung vorhanden ist [12]. Im Hebelmodell nach Pauwels ist die Resultierende R die Summe aller auf das Gelenk einwirkenden Kräfte. Im Zweibeinstand trifft die Kraft vertikal auf die horizontal stehenden Tragflächen. Im Einbeinstand muss das Becken muskulär durch die Abduktoren stabilisiert werden. Die Muskelkraft M muss das Körpergewicht K kompensieren. Dabei ist der Lastarm länger als der Kraftarm. Die Muskelkraft muss etwa dreimal so groß sein wie das Körpergewicht. R ist die vektorielle Summe aus M und K. Die Richtung von R wird durch die Hebelverhältnisse bestimmt. Diese werden durch die Schenkelhalslänge und -ausrichtung, die Lokalisation des Trochanter major und die Kraft und Zugrichtung der Abduktoren beeinflusst. (Abb. 3) R bzw. R1 (Gegenresultierende) kann wiederum in vertikale und horizontale Komponenten zerlegt werden. Die vertikale Komponente ist die bedeutendere, da sie auf das Pfannendach wirkt. Tschauner definiert zusätzlich die Kraft P als jene, die auf die Tragfläche wirkt. Bei einer horizontalen Tragfläche ist P vertikal ausgerichtet. Bei einer dysplastischen Pfanne mit schräger Tragfläche ist P schräg ausgerichtet. P besteht aus einer Normalkomponente N und einer Tangentialkomponente S, die Scherkräften entspricht (Abb. 4). Je steiler die Pfanne, desto größer ist die Komponente S, die destabilisierende Wirkung auf den Hüftkopf ausübt und zu Überbeanspruchung des Erkers mit den bereits erwähnten Sekundärschäden an Knorpel und Labrum einhergeht [12,13,14].

Abb. 3
figure 3

Im Hebelmodell nach Pauwels ist die Resultierende R die Summe aller auf das Gelenk einwirkenden Kräfte. Im Einbeinstand muss das Becken muskulär durch die Abduktoren stabilisiert werden. Die Muskelkraft M muss das Körpergewicht K kompensieren. Dabei ist der Lastarm (b) länger als der Kraftarm (a). Die Muskelkraft muss etwa dreimal so groß sein wie das Körpergewicht. R ist die vektorielle Summe aus M und K. Die Richtung von R wird durch die Hebelverhältnisse bestimmt. Diese werden durch die Schenkelhalslänge und -ausrichtung, die Lokalisation des Trochanter major und die Kraft und Zugrichtung der Abduktoren beeinflusst [12,13,14]

Abb. 4
figure 4

Schräge Tragfläche: Kraft P wirkt auf die Tragfläche. Bei einer dysplastischen Pfanne mit schräger Tragfläche ist P schräg ausgerichtet. P besteht aus einer Normalkomponente N und einer Tangentialkomponente S, die Scherkräften entspricht. (Nach [12,13,14])

Entsprechend diesen Gesetzmäßigkeiten wird klar, dass Labrumschäden, die durch die Erkerüberlastung bedingt durch die schräge Tragfläche und Scherkräfte entstehen, nicht alleine durch arthroskopische Labrumnähte zu behandeln sind. Eine Verbesserung der Kraftübertragung kann durch eine Horizontalisierung der Tragfläche erreicht werden. Pfannenreorientierende Osteotomien wie die periazetabuläre Beckenosteotomie nach Ganz oder die Tripleosteotomie nach Tönnis korrigieren die Pfannenorientierung (Abb. 5, [17, 18]). Die Kraftverteilung kann auch durch Umstellungsosteotomien auf der femoralen Seite verbessert werden. Eine Coxa valga erzeugt ebenfalls Belastungsspitzen im Erkerbereich, hier führt eine varisierende Osteotomie zu einer Reduktion der vertikalen Komponenten und einer homogeneren Druckverteilung im Azetabulum. Torsionsfehler müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Eine hohe Antetorsion des Schenkelhalses, die häufig im Rahmen der Hüftdysplasie vorkommt, erhöht den Druck im anterioren Pfannenbereich [11]. Derotationsosteotomien sind hier das Mittel der Wahl, um die Druckverteilung zu optimieren und den Kapsel-Labrum-Komplex zu entlasten.

Abb. 5
figure 5

Zustand nach periazetabulärer Beckenosteotomie (links) des Hüftgelenks (aus Abb. 1). Die Tragfläche ist nun horizontal eingestellt (Tragflächenwinkel 0,8°), der LCE-Winkel („lateral center edge angle“) ist auf 25,6° korrigiert

Diagnostik

Besonders in der Diagnostik des Bewegungsapparats hat sich der klassische Untersuchungsgang Anamnese – Inspektion – Palpation – Klinische Untersuchung bewährt. Gerade in Zeiten der zunehmenden apparativen Medizin und Digitalisierung darf der Wert der Anamneseführung und klinischen Untersuchung als Teil der ärztlichen Kunst nicht unterschätzt werden in unserem Bemühen, eine korrekte Diagnose zu stellen. Die folgende Aufstellung ist keineswegs vollständig, sondern auf die wichtigsten Aspekte hinsichtlich der Dysplasiehüfte eingeschränkt.

Anamnese

Bei der Anamnese kann bereits die Familienanamnese Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von Dysplasien geben. Die Frage nach etwaiger Behandlung (breit wickeln, Pavlik-Bandage, Spreizhose) ist zu stellen, eventuell auch, falls vorhanden, der Mutter-Kind-Pass zu beachten (die Hüftsonographie des Neugeborenen wurde als Screening in Österreich 1992, in Deutschland 1996 und in der Schweiz 1997 eingeführt; [19]). Ebenso ist die Sportanamnese und berufliche Anamnese zu erheben. In der allgemeinen Anamnese sind insbesondere der chronologische Verlauf, etwaige Traumata sowie eine genaue Schmerzanamnese bzgl. Auftreten, Ausstrahlung, Schmerzqualität, auslösender Faktoren und funktioneller Beeinträchtigungen zu erfragen.

Inspektion

Der Beurteilung des Gangbilds kommt eine besondere Wichtigkeit zu, auf ein Trendelenburg-Hinken bzw. Rotationsfehlstellungen ist zu achten. Im Stand ist die Beckenkippung in der Frontal- und Sagittalebene zu beurteilen, Haltungsanomalien der Lendenwirbelsäule, Beckenasymmetrien, Beinlängendifferenzen und die Position der Spinae iliacae posteriores superiores sind zu beachten.

Palpation

Das Hüftgelenk ist durch Palpation nur eingeschränkt beurteilbar, praktisch bei schlankeren Patienten vorrangig in seinem ventralen Abschnitt der Palpation zugänglich. Die Palpation ist aber durchaus zur Unterscheidung extraartikulärer Pathologien sehr hilfreich. Bei Dysplasien sind hier manchmal die durch die anteriore Instabilität mechanisch überlasteten muskulären und Kapselstrukturen schmerzhaft bzw. ein Hypertonus des M. iliopsoas oder M. rectus palpierbar. Im Rahmen eines subspinalen Impingements, z. B. bei Coxa valga et antetorta, können auch die Spina iliaca anterior inferior bzw. der Rektusursprung schmerzhaft bei der Palpation sein.

Klinische Untersuchung

Untersuchung im Stehen

Bei der Untersuchung im Stehen (am entkleideten Patienten) ist auch die Wirbelsäule zu untersuchen, Skoliosen, Blockaden des Iliosakralgelenks (ISG) und der Bewegungsumfang (ROM) der Lendenwirbelsäule (LWS) kann dann mituntersucht werden; hier können manualmedizinische Untersuchungstechniken hilfreich sein. Die Schmerzlokalisation wird durch den Patienten mit dem Zeigefinger demonstriert. Oft wird auch das sog. „C-sign“ gezeigt, wobei sich der Patient, mit Daumen und Zeigefinger ein „C“ bildend, seitlich an der Hüfte anfasst. Die Beinlänge ist im Stehen zu messen, nach Korrektur einer etwaigen Beckenverwringung, die teilweise deutliche virtuelle Beinlängendifferenzen vortäuschen kann. Wird eine Beinlängendifferenz festgestellt, ist zwischen einer strukturellen und einer funktionellen (z. B. durch Flexionskontraktur der Hüfte oder des Knies) Beinlängendifferenz zu unterscheiden.

Trendelenburg-Zeichen

Das Trendelenburg-Zeichen sollte bei Dysplasieverdacht immer getestet werden, da die Biomechanik der Dysplasie oft zu einer relativen Schwäche der Hüftabduktoren führt, die jedoch essenzielle Hüftstabilisatoren sind. Der Untersucher sitzt hinter dem Patienten, die Hände auf den Cristae iliacae, der Patient geht in den Einbeinstand, bei positivem Test beobachtet man ein Absinken des Beckens zur kontralateralen Seite [20]. Der Test ist zumindest 30 s zu beobachten, um auch eine leichte Muskelschwäche zu detektieren.

„Single leg squat“

Eine wichtige Untersuchung der Funktion der Hüftstabilisatoren ist auch die Einbeinkniebeuge im Seitenvergleich, die v. a. bei Abweichung nach medial Hinweise auf eine Schwäche der Hüftstabilsatoren geben kann [21]. Die Tiefe der Hüftflexion ist im Seitenvergleich zu messen.

Untersuchung im Liegen

Das Hüftgelenk ist allgemein in seinem Bewegungsumfang nach der Neutral-Null-Methode zu untersuchen, ein positives Kapselmuster (vorrangig Einschränkung der Innenrotation) kann auf eine Gelenkpathologie hinweisen. Insbesondere bei der häufigen Kombination der Dysplasie mit einer Coxa antetorta ist allerdings eine vermehrte Innenrotationsfähigkeit auf Kosten der Außenrotationsfähigkeit zu bemerken [22]; „inwardly pointing knees“ können ebenfalls einen Hinweis darauf geben. An dieser Stelle kann der Craig’s Test (Femoral-Anteversion-Test) durchgeführt werden: In Bauchlage bei 90° flektiertem Knie wird der Trochanter maior getastet. Wenn er am prominentesten tastbar ist, wird der Winkel zwischen Unterschenkel und der Senkrechten notiert. Hierbei kann auch gleich die Rotation in Extension gemessen werden, die typischerweise aufgrund der höheren Bandspannung in Extension ca. 10° mehr Innenrotation und ca. 10° weniger Außenrotation als in 90° Flexion erlaubt [23]. Klinisch kann allerdings nur grob auf die Rotation geschlossen werden, hier ist die Bildgebung mittels Rotations-Computertomografie oder -MRT der Goldstandard.

Bei ausstrahlenden Schmerzen ist auch eine grob neurologische Untersuchung durchzuführen. Beugekontrakturen, die im Liegen durch Hyperlordosierung der LWS kompensiert werden, können durch den Thomas-Handgriff demaskiert werden. Hierbei führt der Patient das kontralaterale Knie zur Brust um die LWS zu entlordosieren. Die Distanz, die sich die Kniekehle bei einer Hüftbeugekontraktur von der Unterlage hebt, kann dann im Seitenvergleich beurteilt werden.

Spezielle Tests

Grundsätzlich sind beschriebene Tests am Hüftgelenk hinweisend, aber nicht beweisend für spezifische Pathologien der Hüfte.

Log-Roll-Test.

Der Log-Roll-Test kann gleich an die o. g. Untersuchungen angeschlossen werden. Hierbei wird das Bein des Patienten von der Außen- in die Innenrotation hin und her bewegt und auf Schmerzangaben oder Unregelmäßigkeiten bei der Bewegung geachtet.

FADIR.

Der Flexion-Adduction-Internal-Rotation-Test (FADIR) wird in 90° Flexion, Innenrotation und Adduktion durchgeführt – der klassische Impingement-Test oder auch Anterior-Labral-Tear-Test (Abb. 6). Die Sensitivität dieses Tests (allerdings für das femoroazetabuläre Impingement, FAI) liegt in der Literatur zwischen 0,83 und 0,96. Die Spezifität erreicht diese Werte allerdings nicht, da verschiedenste Reizzustände der Hüfte bei diesem Test Schmerzen generieren [24]. Bei der Dysplasie ist dieser Test oft schmerzhaft, obwohl die Innenrotationsfähigkeit oft kaum eingeschränkt ist.

Abb. 6
figure 6

Der Flexion-Adduction-Internal-Rotation-Test wird in 90° Flexion, Innenrotation und Adduktion durchgeführt – der klassische Impingement-Test oder auch Anterior-Labral-Tear-Test. Wird weiters axialer Druck auf das Knie ausgeübt, nennt man die Untersuchung FADIR-Test

FABER.

Der FABER (Flexion-Abduction-External-Rotation-Test) oder Patrick-Test (Vierer-Zeichen) wird in 45° Flexion der Hüfte, maximaler Außenrotation und Abduktion durchgeführt, der Außenknöchel des Patienten wird über sein kontralaterales Knie gelegt (Abb. 7). Der Abstand des Knies zur Unterlage wird im Seitenvergleich gemessen. Durch den Druck des Kopfes in die vordere Subluxationsrichtung wird dort z. B. bei Labrumpathologien aber auch bei Kapsulitiden Schmerz in der Leiste erzeugt. Bei dorsaler Schmerzangabe des Patienten kann er hinweisend auf ISG-, LWS- oder posteriore Hüftpathologien sein. Die Sensitivität liegt bei 0,82 [25].

Abb. 7
figure 7

Der FABER-Test (Flexion-Abduction-External-Rotation-Test) wird in 45° Flexion der Hüfte, maximaler Außenrotation und Abduktion durchgeführt, der Außenknöchel des Patienten über sein kontralaterales Knie gelegt

O’Donnell-Test.

Durch die bei Hüftdysplasie oft auftretenden Hypermobilität/Instabilität der Hüfte kann auch das Lig. capitis femoris Schaden nehmen und Schmerzen generieren. Der Ligamentum-teres-Test (O’Donnell-Test) hat eine hohe Sensitivität von 90 % und Spezifität von 88 %. Dabei wird das Hüftgelenk jeweils in ca. 30 und 70° Flexion und fast vollständiger Abduktion gehalten und maximal innen- und außenrotiert; Schmerzangabe in der Leiste bedeutet einen positiven Test [26].

Beighton-Score.

Eine lokale oder generalisierte Hypermobilität sollte ebenfalls abgegrenzt werden. Insbesondere bei auffällig guter Beweglichkeit macht es Sinn, den Beighton-Score zu erheben, auch wenn dieser vorrangig die obere Extremität beurteilt. Die dorsale Überstreckbarkeit des Kleinfingers > 90°, Hyperextension des Daumens an den ventralen Unterarm, Hyperextension des Ellbogens > 10°, Hyperextension des Kniegelenks > 10° und Erreichen der des Bodens beim Vorbeugen mit der Handfläche gibt jeweils 1 Punkt (max. 9; [27]).

Röntgendiagnostik

Nach erfolgter klinischer Untersuchung ist die native Röntgendiagnostik nach wie vor der Goldstandard für die Diagnosestellung einer Dysplasie.

Beckenübersicht a.-p.

Die wichtigste Aufnahme in der radiologischen Dysplasieabklärung ist die Beckenübersichtsröntgenaufnahme im anteroposterioren Strahlengang; nur in dieser Aufnahme kann die azetabuläre Überdachung suffizient beurteilt werden. Eine einseitige Röntgenaufnahme der Hüfte a.-p. liefert aufgrund der veränderten Projektion durch den auf die Hüfte zentrierten Zentralstrahl sowie der ungenauen Einschätzung der Beckenausrichtung keine korrekten Winkel. Die Beckenübersichtsaufnahme ist standardisiert in Rückenlage mit 15° innenrotierten Beinen und einem Film-Fokus-Abstand von 120 cm durchzuführen. Der Zentralstrahl wird auf den Schnittpunkt einer Verbindungslinie der Spinae iliacae anterior superior mit einer Vertikalen durch die Symphyse zentriert (tiefzentrierte Aufnahmen wie zur Planung einer Hüfttotalendoprothese sind nicht geeignet, da die azetabuläre Anteversion dabei zunimmt). Ein Gonadenschutz insbesondere bei weiblichen Patienten sollte für die korrekte Überprüfbarkeit des Röntgenbilds nicht verwendet werden. Die Beckenübersichtaufnahme kann ebenso im Stehen angefertigt werden, sämtliche Winkel sind allerdings nur für die liegende Aufnahme validiert. Der LCE-Winkel („lateral center edge angle“) ändert sich dabei kaum, allerdings kann die Darstellung der Pfannenversion deutlich unterschiedlich sein, daher sollte unbedingt vorher eine Überprüfung der korrekten Einstellung des Röntgenbilds erfolgen: Die Foramina obturatoria sollen symmetrisch sein, das Os coccygis über der Symphyse zentriert sein, wobei der Abstand zwischen Oberrand der Symphyse und Mitte des sacrococcygealen Gelenks bei Männern ca. 3,2 cm und bei Frauen 4,7 cm beträgt [28]. An der korrekt eingestellten und überprüften Beckenübersichtsröntgenaufnahme können dann die coxometrischen Messungen durchgeführt werden.

Horizontale Überdachung

LCE-Winkel.

Der LCE-Winkel nach Wiberg ist sicherlich der wichtigste Parameter in der Beurteilung der Röntgenaufnahme des Beckens hinsichtlich der Dysplasieabklärung (Abb. 1 und 5). Er wird gebildet durch eine Vertikallinie durch den Hüftkopfmittelpunkt und eine Linie vom Hüftkopfmittelpunkt zur lateralen Kante der „sourcil“. Normalwerte liegen bei ca. 25–40°.

Tönnis-Winkel.

Der Tönnis-Winkel (azetabulärer Index [AI] bzw. Tragflächenwinkel nach Tschauner [TF]) misst die Inklination der Gelenkfläche des Azetabulums (Abb. 1 und 5). Gebildet wird der Winkel durch eine Linie durch den kaudalsten Punkt der Sklerosezonen beider Acetabulae und eine Linie vom kaudalsten zum lateralsten Punkt der Sklerosezone. Normalwerte liegen zwischen 3 und 13°.

FEAR-Index.

Zur Abschätzung der Stabilität einer Borderline-Dysplasiehüfte (LCE-Winkel 20–25°) kann auch der FEAR(Femoro-Epiphyseal-Acetabular-Roof)-Index gemessen werden: Eine Linie wird entlang des mittleren Drittels der Epiphysenlinie am Femurkopf gezogen, eine zweite Linie vom medialsten zum lateralsten Punkt der Sklerose des „sourcil“. Ein Winkel mit dem Apex nach medial gilt als positiv, zeigt der Apex des Winkels nach lateral, ist der FEAR-Index neg. Ein Winkel unter 5° bedeutet mit 79 % Wahrscheinlichkeit eine stabile Hüfte [29].

Antero-posteriore Überdachung

„Cross-over sign“.

Zur initialen Beurteilung der Version des Azetabulums kann das Cross-over-Zeichen verwendet werden. Beim physiologischen Becken verläuft der vordere Pfannenrand kranial und medial des dorsalen Pfannenrands und beide verbinden sich erst im Pfannenerker. Bei einer azetabulären Retroversion können die beiden Linien vorher kreuzen, was als positives Cross-over- oder auch Propeller-Zeichen bezeichnet wird. Kreuzen sich beide Linien in den kaudalen zwei Dritteln des Gelenks, handelt es sich um eine ausgeprägte Retroversion des Azetabulums.

Anterior- und Posterior-Wall-Index.

Zur genauen Beurteilung des vorderen Pfannenrands kann der Anterior-Wall-Index verwendet werden. Bei diesem wird das Verhältnis von vorderer Hüftkopfüberdachung zum Radius des Hüftkopfes berechnet. Dieser Wert sollte ca. 40 % betragen. Eine dysplastische vordere Überdachung besteht bei einem Wert von unter 28 % und eine vermehrte Überdachung ab einem Wert von über 61 %. Zur einfacheren klinischen Beurteilung wurde die „rule of thirds“ entwickelt, bei welcher der Radius des Hüftkopfes gedrittelt wird. Verläuft der vordere Pfannenrand im mittleren Drittel, kann dieser als physiologisch beurteilt werden.

Ähnlich dem Anterior-Wall-Index kann der Posterior-Wall-Index nach dem gleichen Prinzip als Quotient aus hinterer Hüftkopfüberdachung und dem Femurkopfradius gebildet werden. Dieser gilt bei 91 % als normwertig, ab 81 % als dysplastisch und ab 115 % als vermehrt.

Ergänzende Ebene

Eine zweite Ebene in der Röntgenuntersuchung ist unbedingt durchzuführen, entweder als Hüfte axial, Cross-table- oder Lauenstein-Aufnahme. Diese dient vornehmlich zur Beurteilung der Schenkelhalskonfiguration in anterioren bzw. anteriokranialen Quadranten. Die 45° Dunn View eignet sich am besten zur Detektion der CAM Morphologie [30]. Zusätzlich kann auch eine Faux-profile-Aufnahme durchgeführt werden, um den zentralen Pfannenrand zu beurteilen und eine dorsokaudale Gelenkspaltverschmälerung besser zu erkennen.

Alpha-Winkel.

Die Messung des Alpha-Winkels beurteilt die Sphärizität des Hüftkopfes und weist so auf Verplumpungen bzw. Offset-Störungen im Sinne einer Cam-Komponente hin. Die Messung in der Dunn View liefert die verlässlichsten Ergebnisse [30]. Der Alpha-Winkel wird zwischen der Schenkelhalsachse und einer zweiten Linie, welche vom Hüftkopfzentrum durch den Punkt verläuft, an dem die Kopfkontur die Sphärizität verlässt, gemessen. In der Klinik wird ein Wert über 55° zumeist bereits als pathologisch gesehen, wobei verschiedene Querschnittsuntersuchungen einen höheren Wert von teilweise über 60° als präarthrotischen Risikofaktor identifizierten.

Anteriorer CE-Winkel nach Lequesne.

In der Faux-profile-Aufnahme kann der VCA(„verticale couverture anterieur“)-Winkel gemessen werden (Abb. 8), der entsprechend des LCE in der Beckenübersicht die anteriore Azetabulumüberdachung darstellt [31]. Normalwerte liegen bei > 25°.

Abb. 8
figure 8

In der Faux-profile-Aufnahme kann der VCA(„verticale couverture anterieure“)-Winkel bis zum Ender der Sklerosezone („sourcil“) gemessen werden, der entsprechend des LCE(„lateral center edge“)-Winkels in der Beckenübersicht die anteriore Azetabulumüberdachung darstellt. In dieser Aufnahme ist der Winkel negativ (−11,7°)

Magnetresonanztomographie

Zur weiteren Abklärung bei den meist jüngeren Dysplasiepatienten ist ein Schnittbildverfahren notwendig, hier vorrangig die Magnetresonanztomographie (MRT), da nicht nur die Knorpelsituation, sondern auch andere dysplasietypische Veränderungen v. a. am Labrum und Lig. capitis femoris detektiert werden können. Hilfreich sind hierbei die sog. radiären Sequenzen mit einer radiären Rekonstruktion um die schenkelhalshalbierende Achse in allen Ebenen. Diese können direkt gerechnet werden, was zu qualitativ extrem hochwertigen Aufnahmen führt, aber sehr abhängig von der exakten Ausrichtung der Achse und Übung des Untersuchers ist. Alternativ besteht die Möglichkeit, aus rekonstruierten Aufnahmen von sog. 3-D-Sequenzen die radiäre Schichtung zu generieren. Dies ist weniger fehleranfällig, liefert jedoch auch nicht die gleiche Bildqualität. Insgesamt sind diese Aufnahmen vor allem wertvoll zur Beurteilung der Lage der Cam-Pathologie sowie zur Identifizierung und Lokalisation von Knorpel- und Labrumschäden. Die Untersuchung sollte an 3‑Tesla-Geräten erfolgen und kann teilweise durch eine additive intraartikulärer Kontrastmittelgabe nochmals in der Bildqualität gesteigert werden [32]. In geringen Fallzahlen wird aktuell auch eine Traktions-MRT durchgeführt, um besser zwischen bzw. auf azetabuläre und femorale Knorpelschäden zu schließen. Parallel kann ein sog. Knorpelmapping erfolgen, bei dem nicht die Quantität, sondern die Qualität des vorhandenen Knorpels beurteilt wird. In schwierigen Fällen bietet sich auch eine simulierte Bewegungsanalyse aus dem Datensatz der MRT an, um z. B. ein begleitendes extraartikuläres Impingement zu identifizieren. In Verdachtsfällen femoraler Torsionsfehler sollte die MRT als Rotations-MRT unter Einbeziehen von Schichten am Knie durchgeführt werden. Eine Computertomographie (CT) ist beim eher jüngeren Patientengut der Dysplasie aufgrund der erhöhten Strahlenbelastung nur in seltenen Fällen indiziert.

Diagnostische Infiltration

Bei unklaren Fällen kann auch eine diagnostische Infiltration des Hüftgelenks, evtl. unter sonographischer oder fluoroskopischer Kontrolle, vorzugsweise mit Ropivacain [33], zur Differenzialdiagnostik extra- und intraartikulärer Pathologien erfolgen.

Fazit für die Praxis

  • Die Hüftdysplasie ist eine komplexe dreidimensionale Pathomorphologie, die nicht nur das Azetabulum, sondern auch das proximale Femur betrifft.

  • Die Angaben zur Inzidenz variieren stark. Dies ist durch Unterschiede zwischen geografischen Regionen und ethnischen Gruppen sowie unterschiedlichen Definitionen und diagnostischen Methoden begründet.

  • Durch die schräge Tragfläche entsteht eine biomechanische Instabilität des Hüftgelenks. Scherkräfte führen zu Überlastungsschäden in der Erkerregion.

  • Die Sekundärschäden an Labrum und Knorpel sind Schmerzauslöser.

  • Der natürliche Verlauf der Hüftdysplasie endet in der Sekundärarthrose.

  • Die Diagnostik beinhaltet die Anamnese, standardisierte klinische Untersuchung mit spezifischen Tests und die radiologische Abklärung.

  • Röntgenaufnahmen müssen technisch korrekt durchgeführt und vermessen werden.

  • Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist heute obligat, um Knorpelschäden, das Labrum und indirekte Instabilitätszeichen beurteilen zu können.

  • Eine Torsionsanalyse durch ein Schichtbildverfahren ist Teil der Abklärung.