Anamnese

Eine 47-jährige notmalgewichtige Patientin wurde nach einem Fahrradsturz und einem Außenrotation-Valgusstress-Distorsion-Trauma des linken Kniegelenks notfallmäßig unserer Klinik zugewiesen. Es bestanden immobilisierende Schmerzen mit Belastungsintoleranz, Bewegungseinschränkung und einem Instabilitätsgefühl.

Befund

Der Lokalbefund des linken Knies zeigte einen intraartikulären Erguss, zudem eine Druckdolenz über der femoralen Insertion des medialen Kollateralbands, jedoch nicht über dem medialen oder lateralen Gelenkspalt. Der Bewegungsumfang wurde mit Extension/Flexion 0°/0°/90° mit endgradiger Schmerzangabe dokumentiert. Der Straight-Leg-Raise-Test war problemlos demonstrierbar. Die Meniskuszeichen nach Steinmann I und II waren negativ. Das vordere Kreuzband (VKB) wurde in der initialen Untersuchung nach Lachman als stabil beurteilt. Die Kollateralbänder waren in Extension und Strecknähe (30° Flexion) symmetrisch stabil. Die periphere Sensomotorik und Durchblutung waren intakt. Die restliche körperliche Untersuchung nach ABCDE-Schema („airway, breathing, circulation, disability, exposure“) zeigte sich grobkursorisch unauffällig.

Diagnose

Bildgebung

Konventionell radiologisch (Röntgenaufnahme Knie links: a.-p. liegend, lateral und Patella tangential) konnten frische ossäre Läsionen ausgeschlossen werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Initiale Röntgenaufnahme des linken Kniegelenks, a anterior-posterior liegend, b lateral. Keine Zeichen frischer ossärer Läsionen. Es zeigt sich ein Gelenkerguss

Therapie und Verlauf

Die initiale Therapie bis zur Verlaufskontrolle erfolgte durch Ruhigstellung in einer Streckschiene mit erlaubter Belastung nach Maßgabe der Beschwerden an 2 Unterarmgehstöcken. Drei Tage nach o. g. Trauma erfolgte die Verlaufskontrolle in der orthopädischen Sprechstunde. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich das linke Knie mit deutlichem Gelenkerguss und Kontusionsmarken mit subkutanem Hämatom medial sowie lateral. Es bestand eine Druckdolenz femoral am Ursprung des medialen Kollateralbands sowie ein eingeschränkter Bewegungsumfang mit Extension/Flexion 0°/0°/80° und endgradigem Hyperextensionsschmerz. Klinisch zeigten sich die Kollateralbänder in Streckung und 30° Flexion ohne vermehrte Aufklappbarkeit und mit festem Anschlag. Das VKB zeigte sich nun im Lachman-Test mit verlängerter a.-p.-Translation ohne festen Anschlag. Die Meniskuszeichen waren nicht konklusiv beurteilbar.

In der daraufhin angefertigten Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte sich die komplexe Kombinationsverletzung mit disloziertem medialem und lateralem Meniskuskorbhenkelriss sowie die bereits vermutete vordere Kreuzbandruptur.

Pathognomonisch für eine kombinierte dislozierte mediale und laterale Meniskuskorbhenkelläsion mit vorderer Kreuzbandruptur ließ sich in der MRT das Quadrupel- oder Vierfach-Zeichen erkennen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Magnetresonanztomographie (MRT) Knie links koronar: Quadrupel-Zeichen. Gelber Kreis hinteres Kreuzband, roter Kreis dislozierter medialer Meniskuskorbhenkelriss, grüner Kreis vordere Kreuzbandruptur, blauer Kreis dislozierter lateraler Meniskuskorbhenkelriss

Außerdem ließ sich die Totalruptur des VKB sowie in den sagittalen Rekonstruktionen der dislozierte mediale Meniskuskorbhenkelriss mit typischem doppeltem hinterem Kreuzband(HKB)-Zeichen erkennen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Magnetresonanztomographie (MRT) Knie links sagittal. a Totalruptur des vorderen Kreuzbands. b Doppeltes hinteres Kreuzbandzeichen mit disloziertem medialem Meniskuskorbhenkelriss im Interkondylikum und hinteren Kreuzband

Die operative Versorgung erfolgte mittels arthroskopischer medialer und lateraler Meniskusnaht sowie VKB-Rekonstruktion. Der Eingriff erfolgte in Rückenlage und Teilnarkose sowie additiv mit einem elektrischen Beinhalter zur variablen Einstellung der Flexion. Die Testung in Narkose bestätigte die anteroposteriore Knieinstabilität.

Die mediale und laterale Meniskusnaht erfolgten mittels medial: 2‑mal All-inside- (Truespan™ 24° DePuy Synthes®, Zuchwil, Switzerland) und 2‑mal Outside-in- (Ethicon™ PDS 0 Johnson & Johnson®, Zuchwil Switzerland) sowie lateral mittels 3‑mal All-inside- (Truespan 24° DePuySynthes®) und 2‑mal Outside-in-Technik (Ethicon™ PDS 0 Johnson & Johnson®). Die VKB-Rekonstruktion erfolgte die All-inside-Technik mit autologer Semitendinosussehne mit TightRope®-RT-Fixation (Arthrex®, Naples, FL, USA) femoral und tibial.

Arthroskopisch imponierte im lateralen Kompartiment ein typischer dislozierter Längsriss in der rot-roten Zone des Meniskushinterhorns bis in den Korpus, welcher ins Interkondylikum disloziert war. Dieser Meniskusanteil wurde primär mit dem stumpfen Trokar unter leichtem Varusstress reponiert. Die Rissflächen wurden mit dem Diamant-Raspatorium angefrischt. Anschließend erfolgte die Fixierung mit 2 Outside-in-Nähten (PDS 0) im Bereich vom Korpus lateral des Hiatus und der Popliteussehne. Zentral des Hiatus wurde der Meniskus mit 3 All-inside-Nähten (Truespan 24°) fixiert. In der Tasthakenprobe zeigten sich stabile Verhältnisse (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Kniearthroskopie links intraoperativ. a–f Dislozierter medialer und lateraler Korbhenkelriss/Meniskusnaht lateral mit 3‑mal All-Inside- (Truespan) und 2‑mal Outside-in-Technik (PDS 0)

Der mediale Meniskus zeigte ebenfalls einen Längsriss in der rot-roten Zone mit disloziertem Korbhenkelrissanteil. Hier wurde analog vorgegangen mit einer Reposition durch Valgusmanöver. Es wurden 2 Outside-in-Nähte (PDS 0) horizontal und vertikal gelegt. Zusätzlich wurden 2 All-inside-Nähte (Truespan 24°) horizontal gesetzt (Abb. 5). Nach der Probe mit dem Tasthaken zeigen sich ebenfalls stabile Verhältnisse (Abb. 6 und 7).

Abb. 5
figure 5

Kniearthroskopie links medial intraoperative. a,b Outside-in (PDS 0). c All-inside (Truespan 24)

Nach Versorgung der Menisken erfolgte dann die Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands mit autologer ipsilateraler 4‑facher Semitendinosussehnen-All-inside-Technik mit Tight-Rope®-RT-Fixation femoral sowie tibial.

Abb. 6
figure 6

Kniearthroskopie links intraoperativ: rupturierte Fasern des vorderen Kreuzbands

Abb. 7
figure 7

Kniearthroskopie links intraoperativ. a,b Eingezogenes Transplantat und Tasthakenprobe

Das postoperative Regime beschränkte die Mobilisation auf 90° Flexion bei einer erlaubten Teilbelastung bis 15 kg für 6 Wochen. Ergänzend zur ambulanten Physiotherapie erfolgte die Eigentherapie mittels passiver Bewegungsschienen.

In den Verlaufskontrollen zeigten sich reizlose Wund- und Weichteilverhältnisse bei klinisch stabilem VKB-Transplantat. Vier Monate postoperativ wurde eine ergänzende Untersuchung mittels MRT aufgrund einer physiotherapeutisch refraktären Flexionseinschränkung bis maximal 110° verordnet. Die MRT-Untersuchung zeigte narbige Zügel peripatellär sowie infrapatellär entlang des Hoffa-Fettkörpers sowie narbige Veränderung anterior des VKB.

Bezüglich der Meniskusnähte zeigte sich radiologisch ein fristgerechtes postoperatives Ergebnis ohne Hinweis auf Nahtinsuffizienz oder erneute Dislokation (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Magnetresonanztomographie (MRT) Knie links 5 Monate postoperativ mit narbigen Zügeln peripatellär und infrapatellär. a Sagittal: Status nach vorderer Kreuzbandplastik. b Axial: Status nach vorderer Kreuzbandplastik und bikompartimenteller Meniskusnaht. Reponierte Meniskuskorbhenkelläsionen ohne Anzeichen auf eine Dislokation medial sowie lateral

Aufgrund des Korrelats in der MRT mit Plica und narbigen Zügel sowie der anhaltenden eingeschränkten Flexion von 110° erfolgte die Indikationsstellung zur Arthrolyse, Plicaresektion und Narbendébridement sowie Mobilisation in Narkose.

Intraoperativ zeigten sich der mediale sowie auch laterale Meniskus in der Tasthakenprobe stabil und unauffällig.

Sechs Wochen nach erfolgter Arthrolyse erreichte die Patientin eine aktive Flexion bis 130° und eine vollständige Streckung, Schmerzen bestanden keine mehr.

Diskussion

Die isolierte vordere Kreuzbandruptur ist eine der häufigsten Bandverletzungen. Die VKB-Ruptur mit bikompartimentellem Meniskuskorbhenkelriss stellt dagegen eine sehr seltene Kombinationsverletzung dar. Erfahrungen sind bis jetzt nur in geringer Anzahl in Fallberichten publiziert [1,2,3,4,5]. Aufgrund der Seltenheit dieser Kombinationsverletzung wurde in der Literatur noch kein Behandlungsalgorithmus definiert.

Richtungsweisend sollte bereits die klinische Untersuchung/Anamnese mit Blockadephänomen, subjektivem Instabilitätsgefühl und Belastungsintoleranz sein. Bereits beschrieben wurde jedoch auch ein Ausbleiben der subjektiven Instabilität sowie eine unauffällige klinische Untersuchung, die auf den blockierten und damit eher stabilen Zustand durch den medialen und lateralen Korbhenkelriss zurückgeführt wurde [6].

Anhand der aktuellen Literatur bleibt der Zeitpunkt der operativen Versorgung zu diskutieren. Bei isolierter VKB-Ruptur liegt der empfohlene Zeitpunkt innerhalb von 60 h posttraumatisch bis alternativ nach 4 bis 6 Wochen bei frei beweglichem, reizfreiem Kniegelenk [7]. Bei disloziertem Meniskuskorbhenkelriss ist jedoch von einem orthopädischen Notfall auszugehen und eine spontane Verbesserung des präoperativen Bewegungsumfangs nicht zu erwarten.

Der Konsens 2019 der Europäischen Gesellschaft für Sporttraumatologie, Kniechirurgie und Arthroskopie (European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery and Arthroscopy, ESSKA) zur Behandlung von traumatischen nicht-/dislozierten Meniskusläsionen/Rupturen empfiehlt die frühestmögliche operative Versorgung.

Bei der Kombinationsverletzung einer VKB-Ruptur mit disloziertem Meniskuskorbhenkelriss lautet der Konsens der Gesellschaft ebenso und empfiehlt wenn möglich die einzeitige operative Rekonstruktion/Naht der VKB-Ruptur und des Meniskuskorbhenkelrisses innerhalb eines Zeitfensters von 60 h nach Trauma. Im Vergleich zu einer späteren operativen Versorgung nach 60 h zeigte sich hier eine geringere postoperative Arthrofibroserate [8].

Die Operationstechnik sollte anhand der klinischen und radiologischen Befunde sowie der chirurgischen Expertise festgelegt werden.

Arthroskopisch-assistierte Mini-open-Techniken, mit Reposition und Naht der Menisken sowie Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands, stellen den Goldstandard dar. Ein zweizeitiges Vorgehen mit Behandlung der Meniskusverletzungen im ersten Schritt und Ersatz des VKB im zweiten Schritt vermindert die Heilungschancen der Meniskusverletzungen bzw. erhöht die Rerupturrate bei fortbestehender Knie-Instabilität [1].

Mit unserer Kasuistik soll zum einen eine extrem seltene, komplexe Kombinationsverletzung des Knies beschrieben werden, und zum anderen sollen die möglichen Therapieoptionen aufgezeigt werden. Meniskuskorbhenkelrisse machen 10 % aller Meniskusläsionen aus. Davon treten mediale Meniskuskorbhenkelrisse bis zu 3‑mal häufiger auf als die lateralen. Die meisten dieser medialen Risse treten in Verbindung mit einer VKB-Instabilität auf (akut auf chronisch). Die lateralen Meniskuskorbhenkelrisse hingegen treten vermehrt mit akuten VKB-Rupturen auf [4].

Darauf basierend bleibt in unserem Fall zu diskutieren, ob von einer chronischen medialen Meniskusläsion auszugehen war, die sich bis zur akuten VKB-Ruptur asymptomatisch zeigte. Bei dem lateralen Meniskusriss lässt sich von einem akuten Korbhenkelriss in Verbindung mit der VKB-Ruptur ausgehen.

In unserem Fall qualifizierten sich beide, der mediale sowie laterale Meniskuskorbhenkelriss aufgrund der Lage (rot-rote Zone) und der Meniskusqualität für eine Meniskusnaht.

Diskutabel bleibt der optimale Zeitpunkt der Operation. Aufgrund der dislozierten Korbhenkelrisse sollte ein frühestmöglicher Operationszeitpunkt gewählt werden, um weitere Schäden am luxierten Meniskusgewebe zu verhindern und die Heilungschancen der Meniskusnähte zu verbessern. Meist fällt der Operationszeitpunkt in ein Zeitfenster, welches weiterhin mit einem erhöhten Risiko einer postoperativen Arthrofibrose vergesellschaftet ist [9,10,11].

Die Studienlage diesbezüglich zeigt nach 1–2 Jahren Follow-up keine signifikanten Unterschiede und bewertet das Risiko einer postoperativen Arthrofibrose nach bikompartimenteller Meniskusnaht und VKB-Rekonstruktion mit 1–2,1 % [10].

Abschließend bleibt zu evaluieren, ob der Umfang (mediale, laterale Meniskusnaht und VKB-Rekonstruktion; [2]) und der Zeitpunkt einen Einfluss auf die aufgetretene postoperative Bewegungseinschränkung hatten. Das Intervall zwischen dem Trauma und der Operation ist wahrscheinlich ebenfalls ein Faktor, welcher eine Arthrofibrose begünstigt hat.

Diese Kasuistik zeigt, dass eine operative Versorgung dieser seltenen Kombinationsverletzung mittels arthroskopischer medialer und lateraler Meniskusnaht sowie VKB-Rekonstruktion mit autologer Semitendinosussehne technisch gut durchführbar ist und zu guten klinischen Resultaten führt.

Fazit für die Praxis

  • Der kombinierte dislozierte mediale und laterale Meniskuskorbhenkelriss mit vorderer Kreuzbandruptur stellt eine extrem seltene und schwerwiegende Kombinationsverletzung des Kniegelenks dar.

  • Die Therapie der Wahl besteht in einer operativen Versorgung.

  • Erfolgreich beschriebene Techniken sind u. a. die arthroskopische mediale und laterale Meniskusnaht sowie VKB-Rekonstruktion als auch die arthroskopische Teilmeniskektomie mit VKB-Rekonstruktion.

  • Die arthroskopische mediale und laterale Meniskusnaht sowie VKB-Rekonstruktion sind technisch gut durchführbare Operationsmethoden mit klinisch gutem Ergebnis.

  • Der frühestmögliche Operationszeitpunkt nach Diagnosestellung birgt das Risiko für eine Arthrofibrose mit relevanter Bewegungseinschränkung; diese gilt es daher in der präoperativen Aufklärung des Patienten besonders hervorzuheben.