Ausgeprägte glenoidale Defektsituationen stellen einen hohen Anspruch an die operative Versorgung. Die Genese ist ätiologisch vielfältig, sie reicht von anlagebedingten, degenerativen, rheumatischen, traumatischen, infektiösen Ursachen bis zum Versagen bereits einliegender Implantate [7, 8, 19]. Die Untergruppe der fehlgeschlagenen (anatomischen und inversen) Schulterendoprothesen nimmt dabei eine besondere Stellung ein, da bei weltweit zunehmenden Implantationen von Schulterendoprothesen und dem Umstand, dass das glenoidale Versagen eine der Hauptursachen für Reinterventionen darstellt, ein steigender Bedarf an suffizienten Versorgungsstrategien anzunehmen ist [2, 26, 29, 32, 42, 44,45,46].

Herkömmliche Strategien, wie exzentrisches Fräsen, Verzicht auf ein glenoidales Implantat mit lediglich Durchführung einer Hemiarthroplastik und konfektionierte augmentierte Implantate stoßen mit zunehmender Komplexität des Glenoiddefekts dabei an ihre Grenzen bzw. sind mit schlechteren Ergebnissen vergesellschaftet [16, 22, 24, 25, 27, 33, 37]. Der Aufbau komplexer Glenoiddefekte durch Knochentransplantate birgt das Risiko von Graftresorption und Implantatversagen, so dass unter Umständen ein zweizeitiges Vorgehen bei mangelnder gleichzeitiger Verankerungsmöglichkeit der Endoprothese notwendig wird [7, 13, 15, 19, 20, 21, 34, 36]. Das glenoidale Bone-Grafting ist außerdem mit erheblichen intraoperativen und technischen Anforderungen an den Operateur mit diversen Fehlermöglichkeiten verbunden.

Patientenindividuelle glenoidale Implantate stellen demgegenüber ein modernes Verfahren dar, welches potenziell erhebliche Vorteile in der Behandlung glenoidaler Knochendefektsituationen bietet.

Mit der aktuell vorhandenen Literatur ist es sowohl auf Grund der Neuheit als auch der limitierten Verfügbarkeit patientenindividueller Implantate am Glenoid kaum möglich, eine wissenschaftlich fundierte Evidenz der Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Techniken (Spanaufbauten, konfektionierte metallische Implantate) aufzuzeigen. Ziel dieser Arbeit ist es, das enorme Potenzial dieser Technologie anhand seiner Prinzipien und durch Fallbeispiele darzustellen.

Indikationsstellung

Die Indikation für patientenindividuelle glenoidale Implantate stellen ausgeprägte Knochendefekte dar, welche mit konventionellen Verfahren (Standard‑/Revisionsimplantate und/oder Knochenaufbau) im Hinblick auf eine stabile Verankerung und/oder auf das Erzielen der gewünschten Implantatpositionierung nicht adäquat adressierbar sind.

Auf Grund der Möglichkeiten des „additive manufacturing“ (3-D-Druck-Verfahren) ist diese Technologie potenziell in der Lage, durch eine individuell angepasste und optimierte Gestaltung des Implantatdesigns dem zwingenden Anspruch einer primär stabilen knöchernen Verankerung gerecht zu werden. Gleichzeitig besteht das Potenzial, die präoperativ geplante Positionierung der Glenoidkomponente präzise operativ umzusetzen und trotz Defektsituation in Hinblick auf Inklination, Version und Restoration der Gelenklinie eine korrekte Implantatlage zu erreichen. Glenoidale Fehlpositionierungen sind mit verminderter Beweglichkeit, verstärktem inferioren Notching, einem erhöhten Instabilitäts- und Komplikationsrisiko bzw. einem Risiko für glenoidale Lockerung assoziiert [5, 10, 11, 15, 17, 23, 28, 39].

Im Gegensatz dazu sind Knochenaufbauplastiken als wesentliches Alternativverfahren zur Behandlung ausgeprägter Glenoiddefekte neben einer gesteigerten operativen Schwierigkeit mit einer potenziell schlechteren Präzision der Implantatpositionierung, Entnahmemorbidität bei autologem Graft und unter Umständen einer mangelnden Primärstabilität, welche ein zweizeitiges Vorgehen notwendig macht, assoziiert.

Wenngleich grundsätzlich die Möglichkeit existiert, patientenspezifische glenoidale Implantate mit einer anatomischen Endoprothese zu verwenden [9, 38], so besteht auf Grund eines anzunehmenden gestörten Weichteilbalancings bzw. einer unzureichenden Rotatorenmanschettenfunktionalität bei ausgeprägten glenoidalen Defektsituationen die Notwendigkeit einer inversen Versorgung. Auch anhand der Literatur ist im Hinblick auf die Langlebigkeit des Implantats und die Stabilität der Endoprothese bei vorhandenen glenoidalen Knochendefekten eine inverse Endoprothese zu favorisieren [22, 37, 41].

Obwohl verschiedene Klassifikationssysteme für Glenoiddefekte existieren, sind aktuell daraus weder Handlungsempfehlungen noch prognostische Schlüsse für die Verwendung patientenindividueller Implantate abzuleiten [1, 3, 12, 14, 19, 35, 40, 43].

Im eigenen Vorgehen werden patientenspezifische glenoidale Implantate daher immer dann in Betracht gezogen, wenn neben den radiologischen Voraussetzungen eines Glenoiddefekts die beiden o. g. Faktoren (unsichere Primärstabilität und/oder mangelnde Reproduzierbarkeit einer adäquaten Positionierung in Verbindung mit alternativen Verfahren) fraglich sind.

Kontraindikationen

Bezüglich der Kontraindikationen gelten grundsätzlich die für die Schulterendoprothetik allgemeinen Prinzipien. Andere Aspekte, wie beispielsweise die Einschätzung des Aufwand-Nutzen-Risiko-Verhältnisses (z. B. Incompliance der Patienten, Palliativsituationen) sollten individuell, an die Situation der Patienten angepasst, betrachtet werden.

Grundsätzlich ist in Bezug auf das Verwenden patientenspezifischer Implantate eine individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der vorhandenen Pathologie und aller Begleitumstände zu empfehlen.

Präoperatives Management

Der gesamte Prozess der Planung und Anfertigung eines patientenindividuellen Implantats basiert zunächst auf der Durchführung einer nativen Computertomographie (CT) der betreffenden Schulter (Abb. 1). Einstellungsparameter und qualitative Mindestanforderungen dafür sind den jeweiligen Anbietern zu entnehmen und exemplarisch in Tab. 1 zusammengefasst. Hervorzuheben ist, dass grundsätzlich eine geringe Schichtdicke – im eigenen Vorgehen stets unter 1 mm – zu empfehlen ist. Nach Segmentierung der CT-Daten wird computergestützt ein Implantatdesign errechnet, welches der vorhandenen knöchernen Oberfläche bzw. dem verbliebenen Knochen angepasst ist (Abb. 2). Ungenauigkeiten oder Ungewissheiten der Knochenstruktur stellen diesbezüglich einen Risikofaktor dar, welcher schlimmstenfalls zur mangelnden Passgenauigkeit des Implantats führen kann. Beispielhaft sei hier weniger röntgendichter Kallus bei Frakturheilung oder eine fragliche Anheilung bzw. Resorption eines knöchernen Grafts genannt.

Abb. 1
figure 1

a Patient 1: Röntgenaufnahme eines 71-jährigeren Patienten, 20 Jahre nach Implantation einer anatomischen Schulterendoprothese mit gelockerter Polyethylenpfanne und zum großen Teil osteolytischer Destruktion des Glenoids. b Axiale und koronale Rekonstruktionen in der Computertomographie (CT) zeigen das genaue Ausmaß der Osteolysen

Tab. 1 Computertomographie-Protokoll ProMade für Schulter (LimaCorporate, San Daniele, Italien)
Abb. 2
figure 2

a Design des für Patient 1 geplanten custom-made Implantats. Die blaue Fläche repräsentiert eine trabekuläre Oberfläche (Titan) und trägt maßgeblich zur knöchernen Einheilung bei. Neben einer möglichst großen Dimensionierung dieser Fläche ist eine zusätzliche Erhöhung der Stabilität durch eine Fixierung an der Spina scapulae geplant. b–e Dreidimensionale Darstellung der virtuell implantierten glenoidalen Komponente aus verschiedenen Perspektiven. Im Rahmen der computergestützten Planung ist eine Visualisierung der Verhältnisse aus jeglichen Blickwinkeln möglich. (LimaCorporate, San Daniele, Italien)

Bezüglich des Vorhandenseins von Fremdmaterialien im Schultergelenk ist zum einen die Anfälligkeit für CT-Artefakte, zum anderen die Explantierbarkeit zu hinterfragen. Große metallische und artefaktreiche Implantate im Glenoid sollten vor dem CT-Scan entfernt werden [8]. Vollständig gelockerte Polyethylen(PE)-Glenoide einer einliegenden Schulterendoprothese konnten im eigenen Vorgehen regelhaft belassen werden, da sie keine größeren Artefakte verursachen, welche eine sichere Planung verhindern würden, so dass nach hinreichend sicherem Infektausschluss einzeitige Wechseloperationen möglich sind (Abb. 3). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Explantation eines subtotal gelockerten glenoidalen Implantats ggf. iatrogene Veränderungen der Knochenstruktur zur Folge haben kann, mit ihrerseits Auswirkungen auf die Implantation der patientenspezifischen Komponente. Humeralseitig, v. a. bei metallischen Komponenten, werden ebenfalls CT-Artefakte verursacht, welche eine potenzielle Fehlerquelle für Ungenauigkeiten des Implantatdesigns darstellen. Wenngleich sie in der eigenen Praxis bisher stets belassen werden konnten und eine hinreichend sichere Beurteilbarkeit des Glenoids zugelassen haben, so ist im Zweifelsfall zunächst die Explantation artefaktverursachender Materialien vor Durchführung der Planungs-CT zu empfehlen. Gegebenenfalls kann durch Lagerungsmaßnahmen bei der CT die Artefaktbelastung zusätzlich reduziert werden [8].

Abb. 3
figure 3

a,b Postoperative Röntgenkontrolle (Patient 1) mit exakter Umsetzung der präoperativen Planung. Es erfolgte ein einzeitiger Wechsel bei hinreichender präoperativer Computertomographie(CT)-Qualität (Abb. 1) und CT-Operations-Zeit von ca. 2,5 Monaten. c Dezidierte Analyse der Positionierung mittels postoperativer CT-Kontrolle in axialer Rekonstruktion. Zentraler Zapfen liegt intraossär. Gutes Resultat im Hinblick auf Version und Rekonstruktion der Gelenklinie

Es gilt weiterhin zu bedenken, dass prozessbedingt zwischen der Schnittbildgebung, welche zur Planung des individuellen Implantats notwendig ist, und der eigentlichen Operation ein zeitlicher Abstand besteht. Jegliche Form des knöchernen Um‑/Abbaus ist potenziell dazu in der Lage, die Passgenauigkeit des maßgefertigten Implantats herabzusetzen. Das Glenoid penetrierende, abradierende Ursachen und osteolytische Prozesse (z. B. Implantatlockerung) sollten daher auch im Hinblick auf die Passgenauigkeit zeitlich möglichst kurzgehalten werden. Gleiches gilt grundsätzlich auch für Situationen ohne einliegende Fremdkörper mit potenziell verstärktem knöchernen Remodeling, z. B. bei inflammatorischen Prozessen im Rahmen von Autoimmunerkrankungen.

Der zeitliche Abstand zwischen CT und Operation sollte so gering wie möglich gehalten werden

Die Abwägung der primär durchzuführenden Maßnahmen muss daher unter Beachtung der vorliegenden Pathologie sowie unter Berücksichtigung der anzunehmenden CT-Operations-Zeit stets individuell erfolgen.

Planung

Eine intensive und detaillierte präoperative Planung, im Englischen als „surgery before the surgery“ bezeichnet, nimmt in der Behandlung ausgeprägter Glenoiddefekte mit patientenindividuellen Implantaten eine besondere Stellung mit immensem Wert ein. Die präoperativ durchgeführte Planungs-CT bietet die Grundlage dafür. Informationen über die vorhandene Pathologie bzw. die Begleitumstände der Patienten und, soweit vorhanden, grobe Designvorstellungen des Operateurs helfen zunächst dabei, zusammen mit einem Planungsingenieur des Herstellers einen vorläufigen Designvorschlag computergestützt zu generieren (Abb. 4). Eine im Rahmen einer Fallanalyse umfassende Darstellung aller relevanten Aspekte der Operation generieren einen Informationsgewinn für den Operateur bzw. bilden die Grundlage für Optimierungspotenzial und weiterführende Überlegungen. Folgende Punkte sollten präoperativ thematisiert werden:

  • strukturelle Ausgangssituation,

  • Knochenqualität und Qualität der CT-Daten,

  • Designüberlegungen zur Sicherstellung einer hinreichenden Festigkeit,

  • Positionierung des Implantats, ggf. zusätzliche operative Schritte (Fräsen etc.),

  • mögliches Bewegungsausmaß in Abhängigkeit unterschiedlich großer Gleitpartner (Glenosphäre/Inlay),

  • Spannungsverhältnisse und Kraftvektoren nach Reposition der humeralen Komponente,

  • Anzahl, Länge, Dicke und Positionierung von Schrauben,

  • Design verschiedener, ebenfalls patientenindividueller PSI-Guides (Abb. 5 und 6).

Abb. 4
figure 4

a Patient 2: Röntgenbild eines 60-jährigen Patienten, 1 Jahr nach Plattenosteosynthese einer Humeruskopffraktur. Penetration des Osteosynthesematerials ins Glenoid. b Röntgenbild nach umgehender Materialentfernung. Hier klare Entscheidung zum zweizeitigen Vorgehen, da die aggressive fortschreitende Zerstörung des Glenoids durch das Metall bis zur Operation die Passgenauigkeit des Implantats herabsetzen kann. c,d Die Computertomographie (3-D-Rekonstruktion, axiale Rekonstruktion) zeigt das Ausmaß des Knochendefekts, betrifft bis auf einen kleinen Bereich ventral den größten Teil der Gelenkfläche, von dorsal nach medial reichend. DICOM-Daten sind im Supplementary Material hinterlegt. e Klinischer Befund (Abduktion) präoperativ

Abb. 5
figure 5

a Design eines patientenindividuellen Implantats mit metallischer Augmentation des dorsalen Glenoiddefekts (Patient 2). b–d 3-D-Darstellung mit Blick von dorsolateral, kranial und ventral auf Implantat und Skapula. Der rote Kreis zeigt reaktive Knochenanbauten, welche die inferiore Beweglichkeit behindern. Die operative Entfernung wurde bereits im Rahmen der Fallanalyse festgelegt

Abb. 6
figure 6

a Visualisierung der biomechanischen Verhältnisse bei entsprechender Positionierung der glenoidalen Komponente (Patient 2). b Ausmaß an Lateralisierung und Distalisierung bei vorgegebener Glenosphärengröße. c Mögliche Bewegungsausmaße (Abduktion) bis zur Horizontalen nach geplanter Reposition der Schulterendoprothese in Abhängigkeit der verfügbaren Glenosphärengrößen. d Positionierung, Länge und Angulierung von 3 Schrauben. Eine geringe intraoperative Abweichung der tatsächlichen von der geplanten Schraubenlänge ist ein Indiz für eine präzise Lage des Glenoidimplantats. e PSI(„patient specific instrumentation“)-Guide für zentralen Kirschner-Draht (rote Linie). Abstützung vornehmlich am gesunden, nichtalterierten Knochen

Die Technologie der patientenindividuellen Implantate erlaubt grundsätzlich eine immense Vielfalt an Möglichkeiten der Implantatkonfiguration. Neben einer zumeist fest eingeplanten Fixierung an der Korakoidbasis sind Verankerungen an der Spina scapulae, Modifikationen eines zentralen Zapfens in Dicke, Länge und Position sowie das Vorhandensein eines Flansches verschiedene Optionen, um die Primärstabilität zu erhöhen. Diverse PSI-Guides vereinfachen die Präparation und bilden die Grundlage für eine planungsgemäße Implantation der glenoidalen Komponente. Auch hier ist grundsätzlich eine große Variabilität im Design möglich.

Die exakte Positionierung des zentralen Kirschner-Drahts ist ein wesentlicher Schritt der Operation

Von wesentlicher Bedeutung bei der Operation ist, dass ein zentraler Kirschner-Draht exakt positioniert wird, da die weiteren wesentlichen Operationsschritte und schlussendlich auch die Passgenauigkeit des definitiven Implantats hiervon abhängen. Dieser K‑Draht muss zwingend mittels individueller Schablone eingebracht werden. Bereits bei der Planung ist daher darauf zu achten, dass dieser PSI-Guide verlässlich platziert werden kann. Neben den zu planenden Auflagepunkten (am gesunden oder alterieren Knochen) ist zu bedenken, dass tendenziell ein ausladendes, „bulky“ Design v. a. bei verbliebenem Humeruskopf die korrekte Platzierung des PSI-Guides erschwert.

Auch die weiteren Präparationsschritte werden durch individuelle Schablonen unterstützt. Beispielsweise ist die Frästiefe für den zentralen Zapfen damit einstellbar, so dass dieser nach definierter Perforation der medialen Kortikalis hier eine zusätzliche Stabilität bieten kann. Das Vorbohren der Schrauben kann ebenfalls mit der präoperativ festgelegten Angulierung erfolgen, damit sie in der sich nach medial verjüngenden Skapula sicher intraossär zu liegen kommen (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

a, b Individuell angefertigter PSI(„patient specific instrumentation“)-Guide zur exakten Angulierung beim Vorbohren der Schrauben. Aufsatz auf das bereits eingebrachte definitive glenoidale Implantat

Im Rahmen der präoperativen Planung können schließlich weitere relevante Aspekte computergestützt visualisiert werden. Beispielsweise besteht bei großer metallischer Lateralisierung die Gefahr, dass es zu einem inferioren Hardware-auf-Hardware-Notching kommt, welches nach Ansicht der Autoren vermieden werden sollte (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

a Visualisierung des inferioren Notchings (voraussichtlicher Berührungspunkt bei definierter Größe der Gleitpartner) bei großer metallischer Lateralisierung. Einbeziehung der Gefahr eines inferioren Hardware-auf-Hardware-Notchings erfolgt bereits bei Designüberlegungen.b Postoperatives röntgenologisches Ergebnis mit planungsgemäßer Umsetzung

Soweit kein Modifikationsbedarf (mehr) besteht und der Operateur mit allen Aspekten der Implantat- und Operationsplanung einverstanden ist, sollte die Produktion in Auftrag gegeben werden. Planungsprozess und Produktion tragen wesentlich zum zeitlichen Abstand zwischen CT und Operation bei, so dass hier möglichst keine unnötigen Verzögerungen entstehen sollten.

Durchführung der Operation

Wie bei letztlich jeder Implantation einer Endoprothese ist ein adäquater Zugang zum Glenoid zu gewährleisten. Der deltoideopektorale Zugang ist für dieses Verfahren zwingend zu empfehlen. Nach sorgfältiger Weichteilpräparation unter Darstellung und Schonung des N. axillaris ist das Glenoid großzügig freizulegen. Individuell angefertigte sterile 3‑D-Skapulamodelle, anhand derer man sich die Verhältnisse veranschaulichen und direkt immer wieder mit dem realen Situs vergleichen kann, sind dabei v. a. bei hochgradig alterierten Situationen hilfreich (Abb. 9). Das Glenoid muss behutsam von Weichteilen befreit werden, ohne dass der Knochen an sich entfernt wird. Entsprechend des PSI-Guide-Designs müssen alle Kontaktpunkte zwischen Schablone und Knochen freiliegen bzw. die Weichteile so mobilisiert werden, dass ein satter und kippelfreier Sitz auf dem Knochen möglich ist. Wie bereits erwähnt, gilt es stets zu bedenken, dass die Positionierung des Kirschner-Drahts sowohl die weitere Bearbeitung als auch schlussendlich wesentlich die Lage des definitiven Implantats bestimmt. Sollte dieser K‑Draht nicht zufriedenstellend platziert sein, so besteht die zwingende Notwendigkeit, ihn in neuer und verbesserter Lage zu positionieren. Weitere individuelle Schablonen dienen der zusätzlichen Überprüfung der korrekten Bearbeitung und der zu erwartenden Implantatpositionierung vor dem Einbringen des metallischen Materials (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

a Visualisierung des Sitzes des PSI(„patient specific instrumentation“)-Guides auf einem individuell angefertigten sterilen Skapulamodell und Vergleich mit dem Situs (Patient 2). b Einbringen eines zentralen Kirschner-Drahts in vorgegebener Richtung nach sicherer Auflage des PSI-Guides. Die richtige Platzierung ist entscheidend für die Passgenauigkeit des definitiven Implantats. c Aufsetzen eines speziell für den Fall hergestellten Probeimplantats vor Implantation der metallischen Komponente und Prüfen auf satten kippelfreien Sitz. d Nach Platzierung des definitiven Implantats

Nach Implantation des definitiven glenoidalen Implantats ergeben sich die weiteren Operationsschritte entsprechend der spezifischen Verhältnisse und der Präferenzen des Operateurs. Soweit die patientenindividuelle Glenoidkomponente in einem Plattformsystem eingebettet und kompatibel ist, stehen alle anderen Implantatkonstellationen prinzipiell uneingeschränkt zur Verfügung (Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

a,b Postoperative Röntgenkontrolle (Patient 2, Abb. 4, 5, 6 und 9). Übrige Komponenten der Schulterendoprothese sind Standardimplantate eines modularen Systems. c,d Postoperative Kontrolle mittels Computertomographie (CT, axiale Rekonstruktion). Zentraler Peg mit dezidierter Perforation der Kortikalis entsprechend präoperativer Planung. Inferiore Schraube mit intraossärer Lage planungsgemäß. DICOM-Daten sind im Supplementary Material hinterlegt. e Klinischer Befund (Abduktion) 1 Jahr postoperativ

Vorteile

Auf Basis der Erfahrungen der Autoren zeigt dieses Verfahren folgende Vorteile:

  • Eine primär suffiziente Verankerung der Glenoidkomponenten kann erreicht werden. Durch die dem „additive manufacturing“ inneliegende große Designvariabilität kann die vorhandene Knochensubstanz bestmöglich adressiert und somit die glenoidale Stabilität erhöht werden.

  • Ausgangssituationen, welche bisher ein zweizeitiges Vorgehen mit knöchernem Glenoidaufbau erforderlich machten, können durch Anfertigung eines patientenindividuellen Implantats einzeitig versorgt werden. Damit sind zusätzliche und belastende Operationen vermeidbar.

  • Das Verfahren bietet die Möglichkeit, die präoperativ geplante Implantatpositionierung, v. a. in Anbetracht der oft anspruchsvollen Ausgangssituation, mit hoher Präzision operativ umzusetzen.

  • Es entsteht keine Entnahmemorbidität von autologen Knochenspanplastiken. Graft-Resorptionen mit sekundärer Instabilität werden vermieden.

  • Die Operationszeit (und damit potenziell das Infektionsrisiko) ist gegenüber anspruchsvollen Glenoidrekonstruktionen vermindert.

  • Die präoperative Planung bzw. Diskussion mit dem Planungsingenieur („surgery before the surgery“) ermöglicht es, viele relevante Aspekte bereits präoperativ zu erfassen, zu visualisieren und erleichtert damit die Operation an sich.

  • Soweit patientenindividuelle Implantate in Plattformsysteme eingebettet sind, stehen neben der glenoidalen knöchernen Fixierung alle sonst vorhandenen Optionen der Endoprothesenversorgung zur Verfügung.

Nachteile

Mit dem Begriff „Nachteile“ sind hier im Wesentlichen potenziell mögliche Nachteile gemeint, welche bisher auf Grund der Neuheit des Verfahrens noch nicht in größerem Umfang nachuntersucht sind:

  • Die Studienlage ist aktuell noch rar. Weder existieren profunde längerfristige klinische und radiologische Ergebnisse, noch kann mittels prospektiver vergleichender Studien eine Überlegenheit des Verfahrens attestiert werden.

  • Die Kraftübertragung zwischen Implantat und Knochen ist gegenüber einer Standardversorgung unter Umständen stark verändert. Die langfristigen Auswirkungen sind bisher nicht hinreichend erforscht. Eine höhergradige metallische Lateralisierung ist mit potenziellen Risiken behaftet [47].

  • Im Revisionsfall (z. B. Infektion) ist ggf. auf Grund der hohen Stabilität in Verbindung mit einer weit medialen Knochen-Implantat-Grenze die Revidierbarkeit deutlich erschwert.

  • Monetäre Aspekte patientenindividueller Implantate stellen unter Umständen in der Breite gewisse Barrieren dar. Im Zuge der Gewinnung von Evidenz kann sich eine Argumentationsgrundlage für die Readjustierung der Vergütung bilden.

Literaturüberblick

Jüngst publizierte Studien, welche allesamt die Behandlung fortgeschrittener glenoidaler Defektsituationen mit patientenindividuellen Implantaten in Kombination mit einer inversen Endoprothese untersuchen, attestieren übereinstimmend, dass mit diesem Verfahren für einen kurzfristigen Nachuntersuchungszeitraum signifikante klinische Verbesserungen erreicht werden können [4, 8, 30, 31]. Die Komplikationsrate ist dabei niedrig bzw. entspricht dem größtenteils operativ anspruchsvollen Patientengut im Rahmen von Revisionseingriffen. Komplikationen, welche direkt mit den glenoidalen Implantaten assoziiert waren, wurden nicht berichtet. Ebenso wenig zeigten sich in diesen Untersuchungen Hinweise für glenoidale Lockerungen bzw. Versagen in der betreffenden Follow-up-Periode. In Tab. 2 sind die entsprechenden Ergebnisse zusammengefasst. DeBeer et al. untersuchten weiterhin die Präzision der Positionierung des glenoidalen Implantats als Differenz zwischen präoperativer Planung und postoperativem radiologischem Ergebnis. Die durchschnittlichen Abweichungen betrugen 6 ± 4° (1–16°) in Bezug auf Version und 4 ± 4° (0–11°) in Bezug auf Inklination [8].

Tab. 2 Gegenüberstellung von Studienparametern und grob zusammengefassten Ergebnissen aktueller klinischer Studien patientenindividueller glenoidaler Implantate

Ein anderer biomechanischer Ansatz wird in einer Publikation von Chammaa et al. [6] verfolgt. In einem dem Hüftgelenk angelehnten und mittels CAM/CAD-Technik („computer-aided manufacturing/computer-aided design“) gefertigten glenoidalen Implantat wurde ein Polyethyleneinsatz zementiert. Durchschnittlich 5 Jahre postoperativ konnten klinisch signifikante Verbesserungen (Oxford Shoulder Score 11 ± 8 auf 27 ± 11; p < 0,001) erreicht werden. Die postoperative Anteversion ist statistisch ebenfalls erhöht (p < 0,001), befindet sich mit 63 ± 38° jedoch immer noch auf einem niedrigen Niveau. Es wird eine Revisionsrate von 16 % berichtet mit einem darin enthaltenen Fall einer glenoidalen Lockerung.

Anatomische Schulterendoprothesen in Verbindung mit patientenindividuellen Glenoiden bei ausgeprägten Knochendefekten sind bisher hauptsächlich in Fallberichten erwähnt und attestieren substanzielle klinische Verbesserungen kurz- bis mittelfristig (2,5 bzw. 4 Jahre) sowie radiologisch stabile Verhältnisse [9, 38]. Gunther und Lynch publizierten min. 3‑Jahres-Ergebnisse von 7 Patienten nach Implantation eines zementierten CAM/CAD-gefertigten Glenoids in Primärsituationen mit 13–34° glenoidaler Retroversion mit ebenfalls signifikanter klinischer Verbesserung (ASES 25,6 ± 12,1 auf 94,1 ± 5,2; p < 0,02), ohne Anzeichen für glenoidale Lockerungen [18].

Fazit für die Praxis

  • Die Indikation für patientenindividuelle 3‑D-geprintete glenoidale Implantate besteht bei ausgeprägten Knochendefekten, bei welchen mit herkömmlichen Verfahren das Erreichen einer suffizienten Primärstabilität und/oder der angestrebten Implantatpositionierung nicht möglich sind.

  • Mit diesem neuen Verfahren kann auch in schwierigen Ausgangssituationen ein präziser Defektwiederaufbau mit stabiler Verankerung sowie präziser Positionierung entsprechend der präoperativen Planung erreicht werden.

  • Die präoperative computergestützte Planung („surgery before the surgery“) ist von großem Wert und bietet die Möglichkeiten, sowohl das Implantatdesign als auch weitere wesentliche Aspekte der Operation zu visualisieren und zu konzeptionieren.

  • Die bisherigen kurzfristigen Studienergebnisse sind ermutigend.

  • Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Evidenz des Verfahrens zu erhöhen und damit auch in Bezug auf die Vergütung eine solide Argumentationsgrundlage zu schaffen.