Das Outcome nach einer arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion (ARCR) ist im Allgemeinen gut [10, 13], hinsichtlich der Schwankungsbreite der postoperativen Resultate aber immer noch verbesserungsfähig. Diese Variabilität erschwert die Vorhersage des zu erwartenden Ergebnisses im Einzelfall. Letzteres wäre aber von Patientenseite wünschenswert, damit die Indikation zur Rekonstruktion im Sinne eines „shared decision making“-Prozesses gestellt werden kann. Verschiedene patienten-, ruptur- und behandlungsspezifische Faktoren beeinflussen das funktionelle und strukturelle Ergebnis nach ARCR. In diesem Literaturüberblick sollen die bisher bekannten prognostischen Faktoren identifiziert und im Hinblick auf ihre Relevanz gewichtet werden. Aufgrund der ansonsten kaum überblickbaren Literatur beschränkt sich dieser Beitrag auf systematische Reviews zu diesem Thema.

Literaturrecherche

Die Literatursuche wurde in den Datenbanken von Embase, Medline (Ovid) und Scopus durchgeführt. Es wurden nur systematische Reviews eingeschlossen, welche mindestens einen prognostischen Faktor für das postoperative Ergebnis nach ARCR untersuchten. Die Literatursuche ergab initial 5005 Treffer; 7 dieser Studien erfüllten die Einschlusskriterien und wurden in diese Übersichtsarbeit aufgenommen. Prognostische Faktoren wurden in die Auswertung eingeschlossen, wenn sie in mindestens zwei Übersichtsarbeiten beschrieben wurden. Erhoben wurde zudem die von den Autoren bewertete Stärke der Evidenz. Die eingeschlossenen prognostischen Faktoren wurden zur besseren Übersicht in die Kategorien patienten-, ruptur- und behandlungsbezogen unterteilt.

Ergebnisse

Sieben systematische Reviews, die den Zusammenhang zwischen verschiedenen prognostischen Faktoren und dem Outcome nach ARCR untersuchen, erfüllten die Einschlusskriterien für diese Literaturübersicht [2, 4, 6, 7, 9, 11, 12]. Insgesamt wurden somit 332 Artikel in die Auswertung einbezogen. In Tab. 1 ist eine Übersicht der in den Reviews jeweils erhobenen prognostischen Faktoren dargestellt. Die postoperative Sehnenheilung und Funktionsscores waren der am häufigsten erhobene Endpunkt. Die postoperative Lebensqualität und die Zufriedenheit der Patienten wurde in jeweils einer Übersichtsarbeit als zusätzlicher Endpunkt erfasst (Tab. 2). Es konnten 16 prognostische Faktoren, die mindestens in 2 verschiedenen Übersichtsarbeiten untersucht wurden, identifiziert werden.

Tab. 1 Eingeschlossene Übersichtsarbeiten mit den jeweils untersuchten prognostischen Faktoren und der Anzahl eingeschlossener Studien
Tab. 2 Eingeschlossene Übersichtsarbeiten mit den jeweils untersuchten klinischen und radiologischen Endpunkten

Patientenbezogene Faktoren

Alter

Das Alter ist einer der am häufigsten untersuchten prognostischen Faktoren nach ARCR. Ein höheres Alter zum Zeitpunkt der RM-Rekonstruktion ist dabei mit einer schlechteren Sehnenheilung und somit höheren Rerupturrate [6, 7, 9, 11, 12] und schlechteren funktionellen Ergebnissen [2] assoziiert.

McElvany et al. [7] fassten die Ergebnisse von 11 Studien zusammen und fanden eine gesammelte Odds-Ratio (OR) von 1,67 (1,49–1,87) pro Altersanstieg von 10 Jahren in Bezug auf Rerupturen.

Geschlecht

Fermont et al. [1] identifizierten in ihrem Review eine Studie, in der das weibliche Geschlecht einen negativen Einfluss auf die physische und psychische Lebensqualität postoperativ hatte. McElvany et al. [7] zeigten in ihrer Metaanalyse eine geringere Zufriedenheit nach ARCR in Studien mit einem höheren Frauenanteil. Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass die Geschlechtsabhängigkeit der klinischen Resultate in weiteren Studien geprüft werden muss.

Adipositas

Der Body-Mass-Index (BMI) ist ein in Einzelstudien häufig erhobener prognostischer Faktor, dessen Einfluss auf das funktionelle Ergebnis nach ARCR in der Literatur uneinheitlich beschrieben wird. Darüber hinaus kann ein solcher Risikofaktor binär, als „Fettleibigkeit“ oder „keine Fettleibigkeit“, oder linear, als Einfluss der Erhöhung einer Einheit des BMI auf die Ergebnisse, beschrieben werden, was zu unterschiedlichen Resultaten führt.

In 3 Übersichtsarbeiten wurde der Einfluss des BMI auf die funktionellen Ergebnisse zusammengefasst [2, 6, 12]. Adipositas war entweder mit schlechteren postoperativen Funktionsergebnissen [2] oder nicht mit den funktionellen Resultaten [6, 12] assoziiert. Kein Review bewertete den Einfluss des BMI auf die Sehnenheilung.

Diabetes mellitus

Fermont et al. [2] identifizierten die Erkrankung an Diabetes mellitus als negativen prognostischen Faktor für das funktionelle Ergebnis nach ARCR. Dabei stützten sich die Autoren auf die Ergebnisse einer univariaten Analyse eines einzigen eingeschlossenen Artikels [1, 2]. Raman et al. [11] fanden in zwei eingeschlossenen Studien lediglich einen bescheidenen Effekt auf das funktionelle Ergebnis (OR = 2,13 [1,16; 3,90]). Saccomanno et al. [12] konnten in ihrer Analyse keinen Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und den Ergebnissen nach ARCR herstellen.

Dauer der Symptome

In 2 Übersichtsarbeiten wurde die Dauer der Symptome bis zur ARCR als prognostischer Faktor eingeschlossen [6, 11], wobei in keiner der beiden Arbeiten ein signifikante Korrelation nachgewiesen werden konnte.

Hingegen fanden Saccomanno et al. [12] 2 Studien, die darauf hinweisen, dass eine längere Symptomdauer einen negativen Einfluss auf die funktionellen Ergebnisse haben könnte [5, 8]. In Anbetracht der variablen Ergebnisse der verschiedenen Übersichtsarbeiten sind weitere Studien notwendig, um diesen Zusammenhang zu klären.

Niveau der sportlichen Aktivität präoperativ

In 2 Übersichtsarbeiten wurde der Zusammenhang zwischen dem Niveau der sportlichen Aktivität präoperativ und den postoperativen Ergebnissen nach ARCR untersucht [2, 12].

Fermont et al. [1] schlossen eine Arbeit ein, in der gezeigt werden konnte, dass ein höheres Maß an sportlicher Aktivität die postoperative Lebensqualität des Patienten positiv beeinflusst. Saccomanno et al. [12] identifizierten 2 Studien, die keinen Zusammenhang zwischen der sportlichen Aktivität und den postoperativen funktionellen Ergebnissen zeigten.

Präoperative Schulterfunktion

In insgesamt 3 der 7 eingeschlossenen Übersichtsarbeiten konnte ein Zusammenhang zwischen präoperativen und postoperativen Schulterfunktionsparametern dargelegt werden [2, 9, 12]. Hierbei wurde verschiedene Funktionsscores (Tab. 2) erhoben, sowie meist ergänzend die Kraft in Abduktion und der Bewegungsumfang gemessen. In der Übersichtsarbeit von Fermont et al. [2] war ein größerer Bewegungsumfang präoperativ mit besseren funktionellen Resultaten nach ARCR assoziiert. Gemäß Raman et al. [11] zeigt eine geringere Muskelkraft präoperativ nur einen mäßigen negativen Einfluss auf die postoperativen funktionellen Resultate.

Nikotinkonsum

Vier Übersichtsarbeiten überprüften den Zusammenhang zwischen dem Nikotinkonsum und den postoperativen Ergebnissen nach ARCR [6, 7, 9, 12]. In einer Arbeit [12] war der Nikotinkonsum mit schlechteren funktionellen Ergebnissen assoziiert, allerdings wurde die zugrundeliegende Evidenz als unzureichend beurteilt. Kontroverserweise ergab die Metaanalyse von McElvany et al. [7] bessere funktionelle Ergebnisse bei Rauchern als bei Nichtrauchern. Lambers-Heerspink et al. [6] kamen zu dem Schluss, dass es keine ausreichende Evidenz dafür gibt, dass Rauchen einen Einfluss auf das funktionelle oder strukturelle Ergebnis nach ARCR hat.

Traumatische Genese

In drei der eingeschlossenen Übersichtsarbeiten wurde die Genese der Ruptur (traumatisch oder degenerativ) als prognostischer Faktor eingeschlossen [6, 9, 12]. Hierbei konnte in keiner Arbeit ein signifikanter Einfluss auf die postoperativen Ergebnisse gezeigt werden. Allerdings bewerten die Autoren eines Reviews die Evidenz als unzureichend [6].

Anhand der aktuellen Literatur kann also die klinische Erfahrung, gemäß derer traumatische Rupturen ein besseres Ergebnis als degenerative Rupturen nach ARCR haben, (noch) nicht bestätigt werden. Die Definition einer traumatischen oder degenerativen Genese sollte in Zukunft in weitere Studien evaluiert werden, um diesen Unterschied genauer herauszuarbeiten.

Knochendichte

In 2 Übersichtsarbeiten wurde der Zusammenhang zwischen der Knochendichte und den postoperativen strukturellen Ergebnissen zusammengefasst [2, 12]. Es gibt Hinweise darauf, dass eine geringere Knochendichte mit einer schlechteren postoperativen Sehnenheilung assoziiert ist. Saccomanno et al. [12] beschreiben die zugrunde liegenden Studien jedoch als sehr heterogen.

Status der Arbeitnehmerentschädigung

In 3 Übersichtsarbeiten wurde der Zusammenhangs zwischen der „worker’s compensation“ (Arbeitnehmerentschädigung) und den funktionellen und strukturellen postoperativen Resultaten zusammengefasst [6, 9, 12]. Hierbei konnte gezeigt werden, dass funktionelle Ergebnisse [6, 9, 12], aber nicht die Sehnenheilung [12] bei Patienten mit Arbeitsunfällen und „worker’s compensation“ signifikant schlechter sind. Die Leistungen der Unfallversicherung erhöhen gemäß dieser Untersuchung also das Risiko einer schlechten Funktion bei Patienten nach ARCR. Die Autoren stufen ihre Evidenz jedoch als mäßig [6, 9] bis sehr gering [12] ein.

Rupturbezogene Faktoren

Fettige Infiltration nach Goutallier

Die fettige Infiltration der Muskulatur gemäß der Klassifikation nach Goutallier [3] war der prognostische Faktor, der am häufigsten in den verschiedenen Übersichtsarbeiten untersucht wurde [2, 4, 6, 7, 9, 11, 12]. Alle Autoren berichteten über einen negativen Einfluss einer zunehmenden fettigen Infiltration auf die postoperative Sehnenheilung [2, 4, 7, 9, 11, 12].

Beteiligung mehrerer Sehnen

Die Beteiligung mehrerer Sehnen wurde in vier der eingeschlossenen Übersichtsarbeiten untersucht [2, 6, 9, 12].

Die Beteiligung mehrerer Sehnen hat einen negativen Einfluss auf das postoperative Resultat

Alle Studien zeigten, dass die Beteiligung mehrerer Sehnen einen negativen Einfluss auf das postoperative Resultat hat. Dabei besteht ein klarer negativer Einfluss auf die Sehnenheilung [2, 6, 9, 12]. Der Einfluss auf das funktionelle Ergebnis sollte gemäß den Autoren aber noch genauer untersucht werden [6, 12].

Rupturgröße

Der Einfluss der Rupturgröße auf das Outcome nach ARCR wurde in 5 Übersichtsarbeiten untersucht [2, 6, 7, 9, 12].

In allen Reviews fallen die Auswertung der postoperativen Funktionsscores und der Sehnenheilung umso schlechter aus, je größer die Ruptur ist [2, 6, 7, 9, 12]. Allerdings wurde die zugrundeliegende Evidenz als niedrig bis moderat eingestuft. Die OR, welche die Stärke des Zusammenhangs zwischen der Rupturgröße und der Sehnenheilung beschreibt, zeigte zudem eine hohe Variabilität (2,62 [7] bis 4,27 [11]). Die in den Arbeiten verwendeten, uneinheitliche Klassifikationen der Rupturgröße können den Unterschied der errechneten OR zumindest teilweise erklären.

Behandlungsbezogene Faktoren

Zusätzliche Eingriffe an Akromioklavikulargelenk und Bizepssehne

In 4 Übersichtsarbeiten wurde der Zusammenhang zwischen begleitenden Eingriffen am AC-Gelenk oder der langen Bizepssehne und den postoperativen Resultaten nach ARCR zusammengefasst [2, 6, 7, 12]. Die meisten Studien zeigen, dass das Durchführen zusätzlicher Eingriffe zur ARCR einen negativen Einfluss auf die postoperativen strukturellen und funktionellen Ergebnisse hat. Der Evidenzgrad dieser Schlussfolgerung wurde durch die Autoren aber als sehr niedrig oder mäßig eingestuft. Saccomanno et al. [12] beurteilten die Evidenzlage als kontrovers.

Es ist überraschend, dass gerade Eingriffe an der Bizepssehne, die als komplikationsarme Standardbehandlung im Rahmen der Schulterarthroskopie zu werten sind, zu schlechteren funktionellen Ergebnissen führen. Möglicherweise kommt es hier zu einer negativen Selektion von bereits präoperativ funktionell schlechteren Patienten.

Nahttechnik

Drei Übersichtsarbeiten untersuchten den Zusammenhang zwischen der intraoperativ verwendeten Nahttechnik (einreihig/„single row“ vs. zweireihig/„double row“) und den postoperativen Ergebnissen [7, 9, 12]. Die Single-row-Technik war in 2 der 3 Analysen mit schlechteren Resultaten in Bezug auf die Sehnenheilung assoziiert [7, 9]. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um den Einfluss der Nahttechnik auf das funktionelle Ergebnis nach ARCR zu beurteilen.

Diskussion

Die aktuelle Literatur zeigt auf, dass ein höheres Alter, das weibliche Geschlecht, die fettige Infiltration der Muskulatur, die Rupturgröße, die Anzahl beteiligter Sehnen, der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers, die präoperative Schulterfunktion und die Nahttechnik einen Einfluss auf die funktionellen und/oder strukturellen Ergebnisse nach ARCR haben können. Der Einfluss begleitender Eingriffe am AC-Gelenk oder der langen Bizepssehne auf die postoperative Schulterfunktion bleibt unserer Meinung nach weiterhin unklar. Widersprüchliche Ergebnisse oder eine schwache Evidenz erschweren es ebenso, klare Schlussfolgerungen über den Einfluss von Adipositas, Rauchen, Knochendichte, der Symptomdauer, des präoperativen sportlichen Niveaus, einer traumatischen Genese und der Komorbiditäten (Diabetes) zu ziehen. Eine systematische Gewichtung der bisher identifizierten einzelnen Risikofaktoren ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhanden. Zudem werden viele der o. g. Risikofaktoren in der Literatur noch als sehr kontrovers eingestuft. Den Einfluss anderer diskutierter Faktoren wie beispielsweise die Lage der Ruptur, Immunsuppression etc. bleiben bis anhin vollständig unklar. Deshalb sind weitere, qualitativ hochwertige Kohortenstudien mit hohen Fallzahlen notwendig, anhand derer künftig ein prognostisches Modell für die Ergebnisse nach ARCR erarbeitet werden kann.

Fazit für die Praxis

  • Strukturelle und funktionelle Resultate nach arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktionen (ARCR) sind im Allgemeinen gut, aber hinsichtlich der großen Schwankungsbreite der postoperativen Ergebnisse immer noch verbesserungsfähig.

  • Präoperativ sollten patienten- und rupturbezogene prognostische Parameter erhoben werden, um die Patientenselektion zu optimieren und somit die postoperativen Resultate zu verbessern.

  • Ein zunehmendes Alter, das weibliche Geschlecht, die fettige Infiltration der Muskulatur, die Rupturgröße, die Beteiligung mehrerer Sehnen, der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers und niedrigere präoperative Funktionsscores zeigen in der Literatur einen negativen Einfluss auf das Outcome nach einer arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion.

  • Weitere qualitativ hochwertige Studien sind notwendig, um in Zukunft ein präzises Vorhersagemodell erstellen zu können.