Der technologische Fortschritt bietet vielfältige Chancen, die Aus- und Weiterbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie im Zuge der Digitalisierung zu modernisieren. Anwendungen in virtueller Umgebung stellen einen alternativen Ansatz der praktischen Ausbildung dar und können durch digitale Medien und Hilfsmittel als Quelle von theoretischem Wissen ergänzt werden.

Einleitung

Der eingeschränkte Zugang zu Fortbildungsveranstaltungen und die Reduktion von Routineoperationen im Zuge der COVID-19-Pandemie stellten die studentische und ärztliche Weiterbildung vor große Herausforderungen. Wo theoretische Inhalte über Online-Programme gut kompensiert werden konnten, rückten Defizite der praktischen Ausbildung immer mehr in den Vordergrund und machten auf allgemeine Probleme der praktischen chirurgischen Ausbildung in der Orthopädie und Unfallchirurgie aufmerksam.

Durch die Verschiebung vieler Operationen in den ambulanten Bereich sowie den steigenden Kostendruck der Kliniken gestaltet sich vor allem die Ausbildung bei arthroskopischen Eingriffen, welche eine flache Lernkurve besitzen, als schwierig [1]. Das klassische Paradigma des „Lernen am Patienten im Operationssaal“ steht immer mehr im Konflikt mit den wachsenden Anforderungen an die Patientensicherheit sowie des Qualitäts- und Quantitätsanspruches der Kliniken.

Die digitale Agenda der Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, digitale Kompetenzen mit einem nicht unerheblichen Maß an Investitionen bis zum Jahr 2023 zu fördern [2]. Auf der Grundlage zukunftsfähiger Infrastruktur an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen nun digitale Werkzeuge entstehen, welche die Aus‑, Fort- und Weiterbildung nicht nur für die Orthopädie und Unfallchirurgie innovativ gestalten sollen.

Durch die heute existierende Technik besteht bereits die Möglichkeit, patientenspezifische virtuelle Simulationen durchzuführen. Hier kann der Operateur an zweidimensionalen Patientendaten aus CT- oder MRT-Bildgebung eine Operation simulieren und den Eingriff trainieren [3]. Diese technischen Errungenschaften der letzten Jahre sollten es aber auch ermöglichen, Simulatortraining und andere digitale Lernmethoden in die orthopädisch-unfallchirurgische Weiterbildung zu integrieren.

Es stellt sich die Frage, welche Anwendungsszenarien auf Grundlage der heute zur Verfügung stehenden Technik möglich sind und ob innovative Ansätze wie Simulatortraining sowie andere digitale Hilfsmedien einen adäquaten Ersatz zu klassischen Aus- und Weiterbildungsformaten darstellen. Verfolgt man aktuelle Entwicklungen, ist die Entstehung eines Metaversum oder Metaverse als Ort der digitalen Zusammenkunft die Zukunft der digitalen Verbindung und des gemeinsamen Wirkens. Hier ergeben sich vielfältige Möglichkeiten in der Entstehung von innovativen Ausbildungskonzepten.

Wir geben im folgenden Artikel einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten von virtuellen Simulatoren sowie anderen Hilfsmitteln in der orthopädisch-unfallchirurgischen Weiterbildung (Abb. 1) und wagen einen Ausblick in zukünftige Szenarien.

Abb. 1
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Übersicht von Simulatortypen und digitalen Hilfsmitteln; VR Virtual Reality

Simulatoren

Eine essenzielle Rolle bei der Ausbildung von Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten in der orthopädischen und unfallchirurgischen Chirurgie spielte schon immer das Erlernen und Verbessern chirurgischer Methoden an „Simulatoren“. In der Vergangenheit wurden hierfür Leichenspenden verwendet. Hier bestand die erste Möglichkeit, operative Fähigkeiten zu erlernen ohne das Risiko, einen Patienten zu schädigen. In den letzten Jahren führten die technischen Fortschritte zur Entwicklung weiterer, moderner Simulatoren für die medizinische Ausbildung.

Medizinische Simulatoren werden häufig für die Erstausbildung von Medizinstudenten eingesetzt. In der chirurgischen Ausbildung beispielsweise ergänzen sie das traditionelle, weitgehend beobachtende Lernen. Da die Nachfrage nach qualifizierten Chirurgen weiter steigt, wächst auch der Bedarf an innovativen Ausbildungsinstrumenten. 2014 waren bereits mehr als 400 verschiedene chirurgische Simulatoren kommerzialisiert [4].

Im Folgenden geben wir eine Übersicht zu den aktuellen Entwicklungen der virtuellen Anwendungen auf Basis von Simulatoren und deren Trainingsmöglichkeiten in der orthopädisch-unfallchirurgischen Ausbildung.

Desktop-VR-Simulatoren

Die ersten VR-Desktop-Simulatoren in der Orthopädie und Unfallchirurgie wurden vor mehr als 20 Jahren entwickelt. Die amerikanische Akademie für orthopädische Chirurgen (AAOS) interessierte sich bereits im Jahr 1996 für die Entwicklung von VR-Simulatoren mit dem Ziel, die chirurgischen Fähigkeiten der Ärzte durch weitere Technologien zu verbessern [5]. 1998 wurde eine Arbeitsgruppe mit dem Namen „Task Force on Virtual Reality“ gebildet. Diese konzentrierte sich auf die Entwicklung von VR-Simulatoren und deren Einsatz in chirurgischen Ausbildungsprogrammen. Hier spielten insbesondere arthroskopische VR-Simulatoren eine wichtige Rolle. Durch die Wiedergabe eines operativen Verfahrens auf zweidimensionale Bildschirme war diese Art der Ausbildung in der arthroskopischen Chirurgie von besonderem Interesse.

Die ersten arthroskopischen VR-Kniesimulatoren bestanden aus einem Computer mit Videobildschirm und einem Kniemodell. Anschließend konnte durch eine computergenerierte Simulation eine dreidimensionale Umgebung geschaffen werden. Mit verschiedenen, an das System gekoppelten Instrumenten war es dem Nutzer möglich, mit dem simulierten Gelenk zu interagieren. Primär fehlte bei diesen Systemen ein haptisches Feedback. Diese Funktion wurde im weiteren Verlauf in den modernen Simulatoren implementiert [1]. In den orthopädischen Modellen wird das haptische Feedback durch Widerstand von physischen Strukturen meist bevorzugt.

Durch die technischen Fortschritte in den letzten Jahren bestehen nun zahlreiche Trainingsmöglichkeiten an Desktop-VR-Simulatoren. Eine genauere Wiedergabe der Manipulation der Instrumente sowie des haptischen Feedbacks ermöglichen eine realitätsnahe Simulation von operativen Eingriffen. Auch Bewegungen der Gelenke werden vom Simulator registriert und zeitgleich wiedergegeben. Anhand innovativer Software konnten strukturierte Trainingsprogramme entwickelt werden. Dies ermöglicht, die Lernkurve der Auszubildenden zu optimieren [6]. Verschiedene Aufgaben können durchgeführt werden, wie zum Beispiel ein diagnostischer Rundgang, das Entfernen von freien Gelenkkörpern oder eine Meniskusteilresektion. Daraufhin kann der Nutzer bei manchen Systemen Rückmeldung über Schädigung der Knorpeloberfläche oder auch Zeitdauer bis zum Erfüllen der Aufgaben erhalten. Auch die Schwierigkeitsstufe kann angepasst werden mit dem Programmieren von möglichen Komplikationen (zum Beispiel intraartikuläre Blutungen oder eine schlechte Sicht).

Immersive VR-Simulatoren

Unter dem Begriff Immersion versteht man in der virtuellen Realität eine Wahrnehmung der physischen Anwesenheit in einer nichtphysischen Welt. Diese Art der Technologie wird bereits seit Jahren durch die Gaming-Industrie genutzt: Zur kompletten Immersion des Spielers wird eine VR-Brille benötigt. Beim Aufsetzen der Brille ist es dem Spieler möglich, sich in einer virtuellen Umgebung zu bewegen und mittels Kontroller mit dieser zu interagieren. Bereits in der Luftfahrtindustrie sowie im Militär wird die immersive VR-Simulation genutzt und ist dort ein wesentlicher Teil der Ausbildung [7] Die Anwendung der VR-Technologie wird nun ebenfalls in der medizinischen Welt etabliert (Tab. 1).

Tab. 1 Beispiele für verschiedene VR-Simulatorsysteme in der orthopädischen und unfallchirurgischen Ausbildung

Die immersive VR-Simulation ist in der Lage, eine authentische und interaktive Operationssimulation mit Aufzeichnungs- und Analysemöglichkeiten der Leistung zu erstellen. Der Nutzer verwendet eine VR-Brille, in der ein Operationssaal realistisch simuliert wird. Mit Kontrollern ist es möglich, sich im Raum zu bewegen und die verschiedenen chirurgischen Instrumente zu bedienen. Auch hier spielt das Prinzip des haptischen Feedbacks eine wichtige Rolle und ermöglicht eine bessere Rückmeldung für den Auszubildenden. Mögliche Anwendungen des immersiven VR-Trainings in der Orthopädie und Unfallchirurgie sind zum Beispiel das Implantieren von Endoprothesen. Es ist möglich, verschieden Zugänge bei unterschiedlichen Patiententypen zu üben. Weiterhin kann auch bei dieser Art der VR-Simulation die Schwierigkeitsstufe an den Anwender angepasst werden. Hier können beispielsweise intraoperative Komplikationen oder erschwerte operative Bedingungen simuliert werden.

Wesentlicher Vorteil der immersiven VR-Simulation ist die realitätsnahe Umgebung mit der Erstellung eines virtuellen Operationssaales. Auch Endoprothesenhersteller binden sich in die VR-Industrie ein und ermöglichen es, realitätsgetreue Instrumente und Endoprothesen in der Simulation zu nutzen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Desktop-VR- und immersiver VR-Simulation ist die Zusammenarbeit mit anderen Nutzern. Bei der immersiven VR-Simulation besteht die Möglichkeit, mit anderen Studenten oder Chirurgen eine Operation durchzuführen, auch wenn sich nicht alle Teilnehmer physisch am selben Ort befinden. Diese Technologie erweitert somit das mögliche Anwendungsspektrum der VR-Simulation, bei der nun Kongresse oder Fortbildungen in einer virtuellen Welt organisiert werden können. Insbesondere aufgrund der schwierigen, weltweiten Situation mit der COVID-19-Pandemie gewann diese Art der Weiterbildung immer mehr an Bedeutung [8, 9]. Auch wenn in Zukunft von einem Rückgang der durch die Pandemie ausgelösten Probleme auszugehen ist, wird die immersive VR-Simulation wohl durch technische Fortschritte weiterentwickelt werden und somit eine noch wichtigere Rolle in der medizinischen Ausbildung spielen.

Andere digitale Hilfsmittel

Podcasts entwickeln sich im deutschsprachigen Raum immer mehr zum populären Medium, um Informationen auszutauschen. Die Geschichte des auditiven „podcastings“, welches als „audioblogging“ in den 1980er-Jahren bekannt wurde, war in seiner ursprünglichen Form weder auf das Internet noch auf leistungsstarke Computer angewiesen. In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich Podcasts durch fortschrittlichere Technologien zu einem Medium des Entertainments sowie des auditiven Lernens. Ein Trend, welcher sich zunächst in den USA ausbreitete und im Rahmen der COVID-19-Pandemie rasant entwickelte.

Das Lernen mittels Podcasts weist einige Vorteile gegenüber traditionellen Lernmethoden auf. Es ermöglicht Lernen im eigenen Tempo, orts- und zeitunabhängig. Inhalte können jederzeit wiederholt werden und erreichen durch die sozialen Medien eine breite Masse an Zuhörern. Die Anzahl an Podcasts für orthopädisch-unfallchirurgische Themen hat sich zwischen 2016 und Ende 2020 nahezu verzwölffacht [10].

Jella et al. zeigten allgemein ein Wachstum aktiver Podcasts im orthopädisch-unfallchirurgischen Bereich. Audiobasierte Formate waren dabei im Beobachtungszeitraum zwischen 2011 und Ende 2020 am häufigsten vertreten (95 %) [10]. Danford et al. beschrieben ebenfalls einen Anstieg aktiver Podcasts im orthopädisch-unfallchirurgischen Gebiet mit einem Wachstum von 1340 % von 2016–2021 [11]. Nach einer aktuellen Umfrage des Online-Audio-Monitor steigt die Nutzung von Podcasts seit 2018 rapide an und stabilisiert sich im deutschsprachigen Raum mit einer Nutzungsrate von 29 % bei Personen ab 14 Jahren [12]. Das Angebot an speziellen orthopädisch-unfallchirurgischen Themen ist jedoch nicht vergleichbar mit englischsprachigen Formaten.

Eine Qualitätsbewertung der Podcasts ist erforderlich

Eine Qualitätsbewertung der Podcasts ist erforderlich. Darauf aufbauend können spezielle Ausbildungsprogramme in die chirurgische Weiterbildung implementiert werden [10]. Kritisch werden die fehlende Visualisierung sowie das Fehlen von Peer-Review-Verfahren gesehen, welches ein Risiko der Verbreitung von Falschinformationen darstellt [11]. Ein weiterer Anstieg und wachsende Popularität von orthopädisch-unfallchirurgischen Podcasts wird in den nächsten Jahren erwartet. Die Schlagwörter „Orthopädie“, „Unfallchirurgie“, „Traumatologie“ zeigten bei den populärsten Podcast-Hosts (Apple, Spotify, Google) lediglich vier etablierte, deutschsprachige Formate (Tab. 2). Teilaspekte der Orthopädie und Unfallchirurgie werden in Podcasts allgemeiner medizinischer Themen, wie zum Beispiel im Podcast der Lernplattform Amboss®, beleuchtet.

Tab. 2 Übersicht populärer, deutschsprachiger Podcasts im Themengebiet der Orthopädie und Unfallchirurgie

Neben reinen Audio-Podcasts existieren mittlerweile auch vermehrt videobasierte Podcasts als Weiterbildungstools. In der studentischen Ausbildung fanden sogenannte „Blended-learning“-Konzepte, also Konzepte welche Präsenzveranstaltungen und E‑Learning kombinieren, bereits vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anwendung [13].

Unter dem Begriff E‑Learning fassen wir unterschiedliche Lernformate zusammen. Hierzu zählen neben Videokursen bzw. Video-Podcasts auch webbasierte Trainings, Webinare und virtuelle Klassenräume [14]. Klassische, einfache Vorlesungsvideos entwickelten sich im Laufe der technischen Entwicklung zu interaktiven Lernplattformen für Studenten. Dabei konnten Schöbel et al. zeigen, dass die Verwendung von Online-Videopodcasts keinen negativen Einfluss auf die Prüfungsleistung der Studierenden während der COVID-19-Pandemie hatten und eine sinnvolle Ergänzung zum Vorlesungsbesuch darstellten. Gleichzeitig konnte jedoch keine signifikante Verbesserung der studentischen Evaluation erreicht werden [15]. Innovative E‑Learning-Konzepte konnten nicht nur auf die studentische Ausbildung übertragen werden. So bietet die AO Foundation eine Vielzahl an E‑Learning-Angebote, welche neben Videos und Webinaren auch diverse Apps und Tools bereitstellt.

Durch die COVID-19-Pandemie waren traditionelle Präsenzfortbildungen zum Erliegen gebracht worden. Dadurch stieg die Nachfrage nach E‑Learning-Angeboten für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie rasant. Erne und Kollegen untersuchten die Angebote von Webinaren, die Entwicklung der Teilnehmerzahlen sowie den Hintergrund der einzelnen Anbieter im Zeitraum des ersten Lockdowns im März 2020 und März 2021 [14]. Hier wurden vier Anbieter („AO Online Campus“, „BVOU Study Club“, „OU To Go“ sowie „WebDGU“) näher betrachtet. Es zeigte sich ein Anstieg der Teilnehmerzahlen bei allen Anbietern, was auf eine positive Entwicklung im Bereich E‑Learning im orthopädisch-unfallchirurgischen Fach hoffen lässt.

Die Nutzung von sozialen Medien wächst exponentiell

Eine weitere Entwicklung zeichnet sich im Bereich der sozialen Medien (engl. „social media“) ab. Die Nutzung von sozialen Medien wächst exponentiell, 90 % der jüngeren Bevölkerung zwischen 18 und 29 Jahren nutzt mindestens eine „Social-media“-Plattform [16]. „Social-media“-Plattformen erfüllen bei Weitem nicht nur mehr den Nutzen als Ort der digitalen Kommunikation und des Online-Marketings. Sie bedienen heutzutage ein großes Feld an Zielgruppen und bieten vielfältige Möglichkeiten der Interaktion. Im klinischen Bereich suchen Patienten auf sozialen Medien aktiv nach medizinischem Wissen [17]. Auch Inhalte („content“) zu Themen der medizinischen Aus- und Weiterbildung haben längst Einzug auf populären Plattformen wie Instagram, Facebook und Twitter gefunden. Speziell auf dem orthopädisch-unfallchirurgischen Bereich stieg die Anzahl von inhaltsbildenden Accounts auf den oben genannten Plattformen stetig an [18].

Hier zeigt vor allem das bekannte soziale Netzwerk Instagram, als foto- und videofokussierte Plattform, einen hohen Anteil an bildungsbezogenem „content“ von medizinischen Fachkräften [19]. Der Anteil an Beiträgen, welche zu reinen Bildungszwecken verfasst wurden, betrug auf Instagram in der von Abbas und Kollegen durchgeführten Untersuchung 14 % [18]. Mittlerweile sind englischsprachige Fachgesellschaften aus den orthopädisch-unfallchirurgischen Teilgebieten der Schulter- und Ellenbogenchirurgie [20], der Fuß- und Sprunggelenkschirurgie [21], der Handchirurgie [22] sowie der Wirbelsäulenchirurgie [23] auf unterschiedlichen sozialen Netzwerken vertreten. Die Beitragsformen der medizinischen Weiterbildung in den sozialen Medien sind unterschiedlich. Sie reichen von kurzen, klinischen Tipps (z. B. auf TikTok), über Journal Clubs und sogenannten „Tweetorials“ auf Twitter bis hin zu chirurgischen Videos, fallbasierten und visuellbasierten Lernbeiträgen (Infografiken) auf Instagram [24].

Kritisch gesehen werden die unzureichende Kontrolle der Beiträge, rechtliche Lücken in den Datenschutzbestimmungen sowie unterschiedliche Expertise der Verfasser [24]. Es ist daher von größter Bedeutung, dass Leitlinien entwickelt werden, um medizinische Fachkräfte bei der effektiven und verantwortungsvollen Nutzung sozialer Medien zu unterstützen. Professionelle Standards müssen eingehalten werden. Bei groben, fachlichen Fehlern oder gar der Verbreitung von Falschinformationen entsteht sonst eine Gefährdung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Ärzteschaft [17]. Die Chance, soziale Medien als professionelle Tools vor allem für die orthopädisch-unfallchirurgische Fort- und Weiterbildung zu nutzen, sehen die Autoren dennoch gegeben.

Effektivität und Nutzen von VR-Simulatoren

Eine Vielzahl an Studien beleuchteten bereits den Nutzen von VR-Simulatoren für die Ausbildung im orthopädischen und unfallchirurgischen Fachbereich. Die meisten Studien untersuchten die Effektivität von Desktop-VR-Simulatoren, insbesondere von Arthroskopiesimulatoren.

Zur Bewertung von Simulatoren und deren Wert als Ausbildungsinstrument ist es wichtig, verschiedene Validitätskriterien zu erfüllen. Validierungsstufen, wie die Augenscheinvalidität (Realitätsnähe des Simulators mit einer reellen Operation), die Inhaltsvalidität (quantitative Messungen arthroskopischer Fähigkeiten) und die Konstruktvalidität (Fähigkeit des Simulators, verschiedene Kompetenzniveaus anhand objektiver Messparameter zu unterscheiden), wurden bei arthroskopischen VR-Simulatoren bereits wissenschaftlich belegt [25,26,27,28]. Für die klinische Anwendung spielt die Transfervalidität eine essenzielle Rolle. Durch diese kann beurteilt werden inwiefern am Simulator erlernte Fähigkeiten auch im Operationssaal unter realen Bedingungen reproduziert werden können und zu einer Leistungssteigerung führten [26, 28].

In der Studie von Rebolledo und Kollegen wurde die arthroskopische Leistung von Assistenzärzten, die an einem Knie- und Schulterarthroskopiesimulator ausgebildet wurden, mit denen verglichen, die eine konventionelle Ausbildung erhielten [29]. Acht Assistenzärzte erhielten ein Knie- und Schulterarthroskopietraining mit einem Desktop-VR-Simulator und sechs weitere wurden konventionell mit Vorlesungen sowie mit Arthroskopiemodellen ausgebildet. In dieser Studie zeigten die Assistenzärzte, die an einem Simulator trainierten, eine verbesserte arthroskopische Leistung sowohl bei der Knie- als auch bei der Schulterarthroskopie an Leichenspenden. Simulatorgeschulte Ärzte wiesen signifikant schnellere Operationszeiten sowie niedrigere Verletzungsraten bei Schulterarthroskopien auf. Banaszek et al. untersuchte die Verbesserung der arthroskopischen Leistung von Medizinstudenten nach einem Training an einem VR-Kniearthroskopiesimulator oder an einem „Low-fidelity“-Simulator im Vergleich zu untrainierten Kontrollgruppen [30]. Beide Simulatorgruppen zeigten eine signifikante Verbesserung der arthroskopischen Fähigkeiten im Training an Leichenspenden im Vergleich zu den Ausgangswerten und den untrainierten Kontrollgruppen. Auch die Fähigkeit der Teilnehmer, ungeübte Aufgaben in Form einer partiellen medialen Meniskektomie zu bewältigen, wurde untersucht. Hier waren 31 % der VR-geschulten Studenten in der Lage, die Meniskektomie durchzuführen. Im Vergleich dazu konnten keine Teilnehmer der „Low-fidelity“- und ungeübten Gruppe die Aufgabe erfolgreich ausführen.

Im Jahr 2017 kam es in Frankreich zu einer Reform der Assistenzarztweiterbildung. Neue Ausbildungsziele wurden etabliert. Ein Ziel war es, die Triangulation im Rahmen der Arthroskopie durch Training an VR-Simulatoren zu beherrschen. Ein Zugang zum Operationssaal war ohne Simulatorausbildung nicht möglich. Bei einer landesweiten Kohorte wurde das Training an VR-Simulatoren getestet [31]. Die meisten Assistenten wurden 6 Monate lang ausgebildet. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Gruppe mit einem VR-Arthroskopiesimulatortraining von 14 h über einen Zeitraum von 6 Monaten eine signifikant bessere Triangulationsfähigkeit erreichte, im Vergleich zur Gruppe mit einer einmaligen Weiterbildungsmaßnahme.

Der Nutzen der virtuellen Simulationsgeräte ist für die arthroskopische Weiterbildung gut belegt

Der Nutzen der virtuellen Simulationsgeräte ist für die arthroskopische Weiterbildung wissenschaftlich bereits gut belegt [7]. Im Vergleich dazu liegen deutlich weniger Studien bezüglich des Nutzens der immersiven VR-Simulation im orthopädischen und unfallchirurgischen Fachbereich vor. Logishetty et al. untersuchten in ihrer Arbeit die Auswirkung eines Trainings mit immersiven VR-Simulatoren auf die operative Leistung an Leichenspenden. Es handelte sich dabei um eine randomisierte Studie, an der 24 Assistenzärzte teilnahmen. 12 Auszubildende erhielten ein 6‑wöchiges VR-Trainingsprogramm an immersiven VR-Simulatoren. Weitere 12 Assistenzärzte wurden mit einem konventionellen Lernprogramm geschult. Zur Beurteilung des Lernerfolges mussten alle Auszubildenden eine Hüftprothesenimplantation bei einer Leichenspende durchführen. Assistenzärzte mit einem VR-Training platzierten die Hüftprothesenpfanne in der angestrebten Orientierung (40° Inklination, 20° Anteversion) um 12° präziser und beendeten die Prozedur 9 min (18 %) schneller als die Kontrollgruppe mit konventioneller Ausbildung [32]. Ein Ziel einer weiteren randomisierten Studie der Arbeitsgruppe von Logishetty und Kollegen war es, zu untersuchen, ob die mit immersiver VR erlernten kognitiven und motorischen Fähigkeiten auf die physische Welt übertragen werden können. Auch hier bezog sich die Studie auf die Implantation von Hüftgelenksendoprothesen über einen anterioren Zugang. Dabei wurden 32 Assistenzärzte mit einem VR-Training ausgebildet. Der Lernerfolg wurde anschließend an Knochenmodellen beurteilt. Die Ergebnisse zeigten, dass nach Durchlaufen eines VR-Trainingskurrikulums die Fehleranzahl in Instrumentenauswahl und -benutzung um 79 % und die Operationsdauer um 28 % signifikant reduziert wurden. Auch Abweichungen von der optimalen Positionierung der Femurosteotomien (Höhe und Winkel) sowie Abweichungen von der optimalen Pfannenausrichtung (Inklination und Anteversion) wurden reduziert [33]. Auch hier zeigen somit die ersten Studien eine wissenschaftliche Evidenz für den Nutzen von immersiven VR-Simulatoren in der Ausbildung.

Diskussion

Die traditionelle orthopädisch-unfallchirurgische Ausbildung beruht auf drei praktischen Methoden: Die Verwendung von physischen Trainingsmodellen wie Kunstknochen und Arthroskopietrainer, Trainingskurse am Kadavermodell (tierische Kadaver oder Körperspenden) im sogenannten „wet lab“ und die Operation am Patienten unter Supervision eines erfahrenen Chirurgen. Mangelnde Verfügbarkeit, Kosten und hoher Aufwand sind nur einige Limitationen dieser klassischen Methoden.

Simulatoren bieten viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Ausbildungsmethoden. Mittlerweile liegt auch wissenschaftliche Evidenz zum Nutzen von VR-Simulatoren im orthopädischen und unfallchirurgischen Bereich vor. Diese Simulatoren bieten eine einzigartige Möglichkeit für Chirurgen, ihre Fähigkeiten in einer sicheren, kontrollierten Umgebung zu erlernen und zu verfeinern. Weiterhin ermöglichen VR-Simulatoren den Chirurgen, Erfahrungen mit einer Vielzahl von Verfahren zu sammeln, ohne einen Patienten zu gefährden [6]. Die Schulungsprogramme mit Simulatoren können ebenfalls auf die individuellen Bedürfnisse jedes Chirurgen abgestimmt werden.

Ein Vorteil der immersiven VR-Simulationen gegenüber desktopbasierten Simulatoren zeigt sich in der vielfältigen Möglichkeit der Anwendungen mit nur einem Gerät. Prinzipiell kann jede Situation, von traumatologischen Notfällen [34] über endoprothetischen Gelenkersatz [35] und Pedikelschraubenplatzierung bei Wirbelsäulenoperationen [36] simuliert werden. Die Weiterentwicklung, insbesondere der immersiven VR-Simulationen, sollte nach Meinung der Autoren auch zunehmend Gegenstand auf orthopädisch-unfallchirurgischen Kongressen und Fortbildungen sein.

Auch wenn sich der Nutzen des Simulatortrainings und der Verwendung von anderen Hilfsmitteln in vielen Aspekten zeigt, stehen diese Lernmethoden vor einigen Hürden. So sind der Entwicklung noch einige, vor allem technische Grenzen gesetzt. Video-Podcasts sowie Webinare und Online-Simulationen benötigen generell eine hohe Internetbandbreite, um stabil und ohne Unterbrechungen zu funktionieren. Gleichzeitig muss eine Breitbandinternetverbindung auch flächendeckend verfügbar sein. Das Angebot von kommerziell verfügbaren VR-Brillen und Desktop-VR-Simulatoren ist ansteigend, aber aktuell immer noch mit relativ hohen Kosten verbunden. Somit ist der Zugang in der Ausbildung noch eingeschränkt. Nebenwirkungen bei der Verwendung von VR-Brillen, wie Augentrockenheit und andere neurologische Symptome [37] sowie die sogenannte Cyber-Sickness [38], werden kontrovers diskutiert. Bei der Cyber-Sickness handelt es sich um ein Krankheitsbild, welches Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und Schwindel auslösen kann. Die Autoren sehen außerdem eine noch zu meisternde Hürde in der Entwicklung von Standards, welche die Qualität frei verfügbarer, medizinischer Medien festlegt.

Ausblick

Bedingt durch den rasanten technischen Fortschritt sind den Entwicklungen im Bereich der Simulatorsysteme immer weniger Grenzen gesetzt. Auf Basis einer funktionierenden und zukunftsträchtigen digitalen Infrastruktur können so innovative Trainings- und Ausbildungskonzepte entwickelt werden. Dies bildet eine weitere Säule der praktischen Ausbildung im orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgebiet. Ergänzend sollte auch das Potenzial moderner Medien und Hilfsmittel als sichere Informationsquelle genutzt werden.

Bei dem Metaversum oder Metaverse handelt es sich um eine virtuelle Umgebung, welche mit Elementen der Augmented, Virtual oder Mixed Reality charakterisiert wird [39]. Das Metaverse ermöglicht eine Integration verschiedener Lernmethoden wie problemorientiertes Lernen, Simulationen, AR/VR-basiertes Lernen [39] und findet heute schon in virtuellen, chirurgischen Trainingssimulationen [40] und virtuellen Patienten [41] Anwendung. Denkbar wäre in Zukunft die Entstehung von digitalen Ausbildungs- und Trainingszentren im Metaversum, deren Zugang auf Basis der Blockchain-Technologie strikt und datensicherheitskonform kontrolliert werden kann. Diese Art des digitalen, kollaborativen Lernens klingt für den Leser sehr abstrakt und steht noch vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Hier bedarf es weiterer Forschung und kritischer Überprüfung, ob ein wirklicher Nutzen für den Lehrenden und Lernenden entsteht. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Metaverse kann für die universitären Institutionen dennoch einen Vorteil schaffen, um der nächsten Generation an Ärzten ein experimentelles Lernen in einer virtuellen Umgebung zu ermöglichen [39].

Die Digitalisierung der orthopädisch-unfallchirurgischen Weiterbildung kann und soll keinen vollständigen Ersatz zum Lernen am organischen Modell (Kadaver oder Patienten) darstellen. Sie sollte dennoch mit den heute und in Zukunft zur Verfügung stehenden Mitteln eine optimale Vorbereitung zur Anwendung am Patienten darstellen und fest in die bestehenden Ausbildungskurrikula integriert werden.

Fazit für die Praxis

  • Die orthopädisch-unfallchirurgische Aus- und Weiterbildung ist aufgrund wachsender Anforderungen an Patientensicherheit und Kosteneffizienz in den Kliniken und Praxen auf Innovationen angewiesen.

  • Virtual-Reality(VR)-Simulatortraining bietet eine Möglichkeit, operative Fähigkeiten von Studenten und Chirurgen durch regelmäßige Anwendung zu verbessern.

  • VR-Simulatoren sollten in ihrer Kosteneffizienz verbessert und der Zugang zur Ausbildung an Simulatoren sollte weiter vereinfacht werden.

  • Die Verwendung von digitalen Hilfsmitteln, wie Audio- und Videopodcasts, kann die klassischen Lernmethoden erweitern, sollte jedoch strikten Qualitätsstandards folgen.

  • Die Verwendung von sozialen Medien kann klassische Lernmodelle ergänzen und eine große Verbreitungsreichweite erzielen.

  • Zukünftige Entwicklungen im Metaverse bieten heute noch kaum vorstellbare Chancen des experimentellen Lernens.