Hauptergebnisse
Ziel dieser Studie ist es, die Verfügbarkeit und den subjektiven Patientenwert der Online-Informationen zu orthopädischen Gesundheitsthemen sowie deren Konsistenz mit den Angaben des Facharztes zu bewerten. Darüber hinaus wurde untersucht, wie vertrauenswürdig die aus dem Internet gewonnenen Gesundheitsinformationen zu muskuloskelettalen Symptomen von den Patienten eingeschätzt werden und welche interindividuellen Determinanten dies beeinflussen können. Das Internet wurde von orthopädischen Patienten als hilfreiche Gesundheitsinformationsplattform gesehen. Es konnte gezeigt werden, dass bei 88,1 % der Patienten internetfähige Geräte vorhanden waren, jedoch mit zunehmendem Alter und abnehmender Schulbildung diese seltener Anwendung finden. Das anhaltende Wachstum des Internets hat Patienten einen einfachen Zugang zu medizinischen Informationen ermöglicht, unabhängig von Alter oder Schulabschluss. Bei der Informationssuche von Patienten mit orthopädischen Symptomen spielt das Internet eine wesentliche Rolle.
Eine Umfrage der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2014 ergab, dass das Internet als Suchmedium für Informationen noch wichtiger ist: Hier haben sich 57 % der Deutschen in den letzten 12 Monaten im Internet über Gesundheitsthemen informiert. Damit liegt Deutschland leicht unter dem europäischen Durchschnitt von 59 % [16]. In dieser Studie gaben über zwei Drittel der Patienten an, das Internet als Informationsquelle zu nutzen. In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Internets aus Patientensicht stetig zugenommen. Sie hat somit direkte Auswirkungen auf das Gesundheitssystem [17].
Es gibt viele Gründe für die Zunahme der Internetnutzung in Gesundheitsfragen. Ein Grund hierfür kann ein Mangel an Alternativen für die Patienten sein. Andere Informationsquellen zu Gesundheitsthemen, wie Bücher, stellen eine Barriere dar und sind aus Patientensicht weniger zugänglich [18]. Für die meisten Patienten sind Informationen aus Fachquellen aufgrund der verwendeten Fachterminologie oft irreführend oder unverständlich. In einer Studie von Ayantunde et al. gaben 70 % der Patienten an, Internetsuchmaschinen als erste Anlaufstelle für gesundheitliche Probleme zu nutzen [20]. Häufig erhalten Patienten auch medizinische Informationen über soziale Medien. Aufgrund dieser schwierigen Zugänglichkeit konnten sich seriöse Websites für die medizinische Informationseinholung aus Patientensicht noch nicht etablieren [19]. Neben Gesundheitssuchmaschinen und Lexika zur gezielten Recherche stellen auch private Unternehmen, Krankenhäuser und Arztpraxen ihre Informationen auf eigenen Homepages zur Verfügung [21].
Das Internet ist neben Haus- und Fachärzten, Zeitschriften und dem Fernsehen zu einer der wichtigsten Informationsquellen zu Gesundheitsthemen aus Patientensicht geworden [22]. Dabei spielt das Alter der Befragten eine wichtige Rolle. Diese Studie zeigte, dass das Internet für Patienten jeden Alters und vor allem für die Altersgruppe unter 60 Jahren eine wichtige Informationsquelle für orthopädische Gesundheitsfragen darstellt. Dieser Punkt wird in der Literatur kontrovers diskutiert. In einer Studie von Baumann et al. zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit, Gesundheitsinformationen über das Internet zu erhalten, umso geringer war, je älter die Patienten waren [28]. Andere Studien zeigen jedoch, dass ältere Menschen zunehmend das Internet als Gesundheitsinformationsmedium nutzen.
In den USA ist ein Anstieg der älteren Nutzer von Gesundheitsinformationen von 24,8 % im Jahr 2009 auf 43,9 % im Jahr 2018 zu verzeichnen [23]. In der Studie von Hung et al. wurden neben dem Alter weitere Einflussfaktoren gefunden. Patienten mit höherer Bildung, höherem Einkommen oder hohem sozioökonomischem Status nutzen das Internet zunehmend als Informationsquelle für die Gesundheit [23]. In der vorliegenden Studie zeigte der Schulabschluss keinen signifikanten Einfluss auf den Abruf von Gesundheitsinformationen aus dem Internet bei den Patienten.
Auswirkungen im klinischen Alltag
Viele Patienten informieren sich heute vor dem Arztbesuch [24]. In unserer Studie suchten über zwei Drittel der Patienten im Internet nach Gesundheitsinformationen zu ihren muskuloskelettalen Symptomen, bevor sie einen Arzt aufsuchten. Eine Information vor einem Arzt- oder Klinikbesuch kann die Arzt-Patienten-Beziehung beeinflussen. Nach wie vor übernehmen Patienten nicht mehr nur die Rolle des Laien, sondern haben durch die Vorabinformationen mehr Möglichkeiten, sich in das Gespräch einzubringen [25]. Patienten fühlten sich auch nach der Informationssuche in der Lage, kompetent an Entscheidungen mitzuwirken [26]. Patienten wird damit eine gewisse Emanzipation garantiert. Sie vertrauen dem Rat von Ärzten weniger blind und können Entscheidungen in Frage stellen.
Mittlerweile informiert sich fast ein Drittel der Patienten vor dem Arztbesuch über ihren Gesundheitszustand [27]. Eine weitere Studie zeigt eine noch höhere Zahl: 89 % der Befragten gaben an, dass sie sich in den letzten 12 Monaten über Fragen zu Gesundheitsthemen im Internet informiert haben. Ärzte befassen sich daher primär mit bereits informierten Patienten [28]. In dieser Studie suchten über zwei Drittel der Patienten im Internet nach Gesundheitsinformationen zu ihren muskuloskelettalen Symptomen, bevor sie einen Arzt aufsuchten. Dabei spielt die Unzufriedenheit von Patienten nach Arztkontakt eine große Rolle: Laut Baumann und Czerwinski suchen unzufriedene Patienten eher nach Gesundheitsinformationen im Internet [28]. Ein Grund kann die Verständnisbarriere zwischen Patienten und Arzt sein. Trotz vorab informierter Patienten fühlen diese sich auch nach einem Arztbesuch ungenügend oder schlecht informiert [29]. Dies könnte an der mangelnden Übereinstimmung von Gesundheitsinformationen aus dem Internet mit Spezialisten liegen.
Auf die Frage nach der Übereinstimmung zwischen den online gefundenen Informationen zum orthopädischen Gesundheitsthema und den Aussagen des Facharztes für Orthopädie, lag für alle Altersgruppen unter 60 Jahren eine Zustimmung von rund 64 % vor. Bei den über 60-Jährigen waren es hingegen nur 28 %. Bei den verschiedenen Schulabschlüssen war die Übereinstimmung bei Patienten mit Abitur höher als bei Patienten mit niedrigerem Schulabschluss. Diese Ergebnisse der Studie zeigen einen Zusammenhang zwischen den Faktoren Alter und Schulabschluss in Bezug auf die Konformität orthopädischer Gesundheitsinformationen aus dem Internet, verglichen mit den Aussagen von Fachärzten für Orthopädie. Dabei lassen sich keine signifikanten statistischen Ergebnisse darstellen. Zudem verändert sich das Rollenverhältnis zwischen Arzt und Patient: Der Patient kann sich im Vorfeld medizinisch behandeln lassen, indem er das Internet in Gesundheitsfragen nutzt oder sich über das Internet informiert und er kann sich gezielt für einen speziellen Facharzt entscheiden. Der Patient wird Koordinator und Verwalter seiner eigenen Untersuchungsergebnisse und Krankenakte. Daraus ergibt sich aus Sicht des Patienten ein Rollenwechsel: vom Unwissenden hin zum gut informierten, selbstbestimmten und stärker mitbestimmenden Patienten [30].
Auch die Kommunikationsfähigkeit des Facharztes spielt bei der subjektiven Einschätzung des Patienten eine große Rolle. Patientenorientierte Kommunikation spielt in der medizinischen Ausbildung oft nur eine untergeordnete Rolle, was auch zur Diskrepanz zwischen den Informationen beitragen kann [31]. Um diesen Sachverhalt abschließend beurteilen zu können, fehlte eine Befragung, wie vertrauenswürdig und hilfreich die Angaben der Spezialisten waren. Die Patienten in dieser Studie wurden gefragt, wie vertrauenswürdig sie Gesundheitsinformationen aus dem Internet einschätzen. Die Vertrauenswürdigkeit wurde von den Patienten mit durchschnittlich 4,6/6,0 bewertet. Es gab keine signifikanten Unterschiede in den Altersgruppen oder den unterschiedlichen Schulabschlüssen. Im Vergleich zu anderen Studien sind die Ergebnisse ähnlich. Obwohl die leichter zugänglichen Online-Informationen kritisiert wurden, die oft als verzerrt, unvollständig oder ungenau angesehen werden, vertrauen Patienten diesen Informationen und finden sie hilfreich [32]. Die Frage, ob Gesundheitsinformationen aus dem Internet als hilfreich angesehen werden, beantworteten die Patienten unserer Studie mit durchschnittlich 4,9 von 6 Punkten. Vor allem Patienten unter 60 Jahren bewerten die Informationen besser als Patienten über 60 Jahre. Dieser altersbedingte Unterschied könnte in den nächsten Jahren verschwinden, da jüngere Patienten, die mit dem Internet aufwachsen, die zukünftige ältere Bevölkerung werden und auf das Internet angewiesen sind [33]. In diesem Zusammenhang ist es zudem unklar, ob und wie die subjektive Wahrnehmung der Patienten bzgl. der Qualitätseinschätzung der online verfügbaren Informationen beeinflusst und ob Patienten ohne medizinische Ausbildung Fehlinformationen herausfiltern können [34].
Einfluss von COVID-19
Die COVID-19-Pandemie hat positive Auswirkungen auf die Nutzung von „e-health“. Durch die COVID-19-Pandemie wird das Internet von mehr Menschen und häufiger genutzt. Ereignisse oder Prozesse finden vermehrt im digitalen Raum statt. Patienten nutzen seit der COVID-19-Pandemie häufiger digitale Gesundheitsanwendungen [35]. Diese Entwicklung zeigte sich auch in den Daten dieser Studie. Die befragten orthopädischen Patienten nutzen häufiger digitale Gesundheitsanwendungen. Dabei spielt das Internet für die orthopädischen Patienten eine wichtige Rolle in Gesundheitsfragen, sodass über zwei Drittel von ihnen das Internet als erste Anlaufstelle bei muskuloskelettalen Symptomen nutzen, bevor sie einen Facharzt aufsuchen.
Vergleichbare Studienergebnisse zu dieser Frage stehen noch aus, aber aus Sicht der Fachärzte spielen digitale Gesundheitsanwendungen für sie seit der COVID-19-Pandemie eine größere Rolle als vor der Pandemie. Die meisten Befragten finden den Einsatz digitaler Gesundheitsanwendungen für die Versorgung von Patienten hilfreich [36].
Einschränkungen
Die Stärken der Studie sind die hohe Fallzahl, die konkrete Untersuchung des Internetverhaltens von orthopädischen Patienten und der Differenz bzw. Kohärenz der Informationen aus dem Internet mit denen des Arztes. Die Einschränkungen der Studie bestanden darin, dass eine objektive Bewertung der Informationen im Internet nicht möglich war. Zudem beantworteten nur orthopädische Patienten den Fragebogen. Daher kann der Effekt der Untersuchung des Einflusses von Internetinformationen nicht auf nichtelektive Pathologien übertragen werden. Bei der Patientenauswahl könnte ein Selektionsbias aufgetreten sein, da Patienten ohne Interneterfahrung eher nicht an der Studie teilnahmen.