Zusammenfassung
Hintergrund
Die Behandlung periprothetischer Hüftinfektionen ist meist kostenintensiv und gilt im Allgemeinen als nicht kostendeckend für die Kliniken. Bei chronischen Infektionen ist oft ein zweizeitiger Prothesenwechsel indiziert, der als Fast-Track mit kurzem prothesenfreiem Intervall (2–4 Wochen) oder als Slow-Track mit langem prothesenfreiem Intervall (über 4 Wochen) erfolgen kann.
Ziel
Ziel dieser Arbeit war die Erfassung der Erlössituation beider Behandlungsformen im aktuellen aG-DRG-System 2020 unter Berücksichtigung erlösrelevanter Einflussfaktoren.
Methoden
Für Fast-Track und Slow-Track bei zweizeitigem septischem Hüftprothesenwechsel mit Nachweis eines Staphylococcus aureus (MSSA) wurden mittels einer Grouper-Software (3M KODIP Suite) anhand der Diagnosen (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS) Behandlungsfälle simuliert und in DRG eingruppiert. Erlösrelevante Parameter wie Verweildauer (VWD) und Nebendiagnosen (ND) wurden berücksichtigt. Zusätzlich wurden zwei reale Behandlungsfälle mit Fast-Track und Slow-Track miteinander verglichen.
Ergebnisse
Die Gesamterlöse betrugen beim Slow-Track bei einer VWD von 25 Tagen (ohne ND) 27.551 € und bei einer VWD von 42 Tagen (mit ND) 40.699 €. Beim Fast-Track hingegen lag der Gesamterlös bei 23.965 € bei einer VWD von 25 Tagen (ohne ND) und bei 27.283 € bei einer VWD von 42 Tagen (mit ND). Bei den realen Behandlungsfällen zeigte sich ebenfalls eine deutliche Differenz des Gesamterlöses von 12.244 € zugunsten des Slow-Tracks.
Diskussion
Auch im aG-DRG-System 2020 scheint der zweizeitige Hüftprothesenwechsel mit langem Interimsintervall insbesondere bei multimorbiden Patienten aus Krankenhaussicht ökonomisch vorteilhafter zu sein als das Fast-Track-Konzept, wodurch ein finanzielles Hemmnis zur Behandlung solcher Patienten mit kurzem Interimsintervall geschaffen wird.
Abstract
Background
The treatment of periprosthetic hip infections is usually cost intensive, so it is generally not cost effective for hospitals. In chronic infections, a two-stage procedure is often indicated, which can be done as a fast-track procedure with a short prosthetic-free interim interval (2–4 weeks) or as a slow-track procedure with a long prosthetic-free interim interval (over 4 weeks).
Aim
The aim of this study was to elucidate the revenue situation of both forms of treatment in the aG-DRG-System 2020, taking into account revenue-relevant influencing factors.
Methods
For fast-track and slow-track procedures with two-stage revision and detection of a staphylococcus aureus (MSSA), treatment cases were simulated using a grouper software (3M KODIP Suite) based on the diagnoses (ICD-10-GM) and procedures (OPS) and then grouped into DRGs. Revenue-relevant parameters, such as length of stay and secondary diagnoses (SD), were taken into account. In addition, two real treatment cases with fast-track and slow-track procedures were compared to each other.
Results
The total revenues for the slow-track procedure with a length of stay of 25 days (without SD) were 27,551 € and for a length of stay of 42 days (with SD) even 40,699 €, compared to 23,965 € with the fast-track procedure with a length of stay of 25 days (without SD) and 27,283 € for a length of stay of 42 days (with SD). The real treatment cases also showed a big difference in the total revenues of 12,244 € in favor of the slow-track procedure.
Discussion
Even in the aG-DRG-System 2020, the two-stage revision procedure with a long interim interval seems to be more interesting from a financial point of view and the hospital perspective compared to the fast-track procedure, especially with multimorbid patients. This creates a financial barrier to the treatment of such patients with a short interim interval.
Hintergrund und Fragestellung
Durch das DRG-System wird in allen Bereichen der Medizin eine Schaffung von Fehlanreizen beobachtet, indem bestimmte diagnostische und operative Maßnahmen hoch vergütet bzw. der Anreiz zur Erlössteigerung vermittelt werden [5]. Die vorliegende Arbeit widmet sich der Analyse der neuen Abrechnungsmodalitäten nach dem aG-DRG-System (ausgegliedertes G‑DRG-System), das zum 01. Januar 2020 eingeführt wurde, für chronische periprothetische Hüftinfektionen mit der Frage, ob auch hier ökonomische Anreize für ein bestimmtes Therapieregime bestehen.
Periprothetische Hüftinfektionen sind schwerwiegende und medizinisch sowie ökonomisch herausfordernde Komplikationen in der Endoprothetik [1, 6, 22, 26], deren Häufigkeit nach primärer Prothesenimplantation mit 0,5–2 % und bei Hüftprothesenrevisionen mit 4 % angegeben wird [8, 10, 28]. Bei weltweit zunehmender Anzahl an Primärimplantationen von Hüftprothesen ist von einem Anstieg periprothetischer Infektionen in den nächsten Jahren auszugehen [12, 25]. Entsprechend der demografischen Entwicklung sind die betroffenen Patienten häufig in hohem Lebensalter und haben zahlreiche Komorbiditäten, sodass die Verläufe periprothetischer Hüftinfektionen meist komplex und mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden sind [13, 23, 24, 29].
In Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Ausgangssituation ist bei periprothetischen Hüftinfektionen oft ein Prothesenwechsel erforderlich, der in der Regel zweizeitig mit langem prothesenfreiem Intervall von mindestens 4 Wochen (Slow-Track) durchgeführt wird. Alternativ kann der Prothesenwechsel als Fast-Track mit kurzem prothesenfreien Intervall (2–4 Wochen) durchgeführt werden, falls dies von Seiten der Knochen- und Weichteilsituation sowie des Keim- und Resistenzmusters möglich ist [16, 19]. Voraussetzung hierfür ist die Abwesenheit eines Problemkeims, der nicht mit biofilmgängigen Antibiotika, wie z. B. Rifampicin oder Ciprofloxacin, therapiert werden kann. Generell wird ein Fast-Track-Konzept aufgrund des besseren Gewebezustandes bei der Prothesenreimplantation, der schnelleren Mobilisation und Verkürzung der Gesamtbehandlungsdauer als vorteilhaft angesehen [16].
Im Allgemeinen sind die Behandlungen periprothetischer Hüftinfektionen sehr kostenintensiv und gelten als nicht kostendeckend, sodass sie für die Kliniken ein wirtschaftliches Problem darstellen [3, 4, 9, 21]. Daher spielen bei der Planung der stationären Behandlung beim zweizeitigen Prothesenwechsel neben medizinischen Gründen zunehmend auch ökonomische Aspekte eine Rolle, die sich aus dem G‑DRG-System mit pauschaliertem Abrechnungsverfahren ergeben. Erfolgt die Wiederaufnahme nach Entlassung aus dem ersten stationären Aufenthalt bei gleicher Basis-DRG innerhalb der oberen Grenzverweildauer oder 30 Kalendertage ab Aufnahmetag des ersten Aufenthaltes, führt dies laut Fallpauschalenvereinbarung (§2) zu einer Fallzusammenführung. Hierdurch kommt es gerade bei der Behandlung äußerst kostenintensiver periprothetischer Hüftinfektionen häufig zu ökonomischen Fehlanreizen, indem der zweizeitige Prothesenwechsel mit entsprechend langem Intervall geplant wird, um eine Fallzusammenlegung zu umgehen und zwei stationäre Fälle abrechnen zu können. Eine Fast-Track-Behandlung mit einem oder zwei stationären Aufenthalten mit kurzem Intervall von 2–4 Wochen ist für die Kliniken demzufolge meist mit großen Erlösverlusten verbunden [20]. Jedoch kann dieses Vorgehen insbesondere bei multimorbiden Patienten, deren Versorgung im prothesenfreien Intervall sich häufig schwierig gestaltet, einen geeigneten Behandlungsweg darstellen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieses Konzept allerdings nachteilig für die Kliniken, da solche Fälle mit einem stationären Aufenthalt bzw. bei einer Fallzusammenlegung aufgrund des kurzen Intervalls im G‑DRG-System nur unzureichend abgebildet werden [20].
Gemäß Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde zum 01. Januar 2020 die „Pflege am Bett“ aus der Finanzierung über G‑DRG ausgegliedert und das aG-DRG-System eingeführt, bei dem der Fallpauschalenkatalog um den Pflegeerlöskatalog erweitert wurde. Die Erstattung der Pflegekosten erfolgt ab 2020 über ein Pflegebudget per Selbstkostendeckungsprinzip. Bis zur Verhandlung des krankenhausindividuellen Pflegebudgets wurde der tagesbezogene Pflegeentgeltwert zum 01. Januar 2020 auf 146,55 € festgesetzt und aufgrund der Coronavirus-Pandemie zum 01. April 2020 bis 31. Dezember 2020 auf 185 € erhöht, gemäß COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz [7].
Vor diesem Hintergrund sollte die Erlössituation von Fast-Track und Slow-Track beim zweizeitigen septischen Hüftprothesenwechsel analysiert und erlösrelevante Einflussfaktoren im aG-DRG-System dargestellt werden. Eine spezifische Fragestellung war, ob das aG-DRG-System finanzielle Unterschiede hinsichtlich des Fast- vs. Slow-Track-Managements von periprothetischen Hüftinfektionen bewirkt und dadurch gewisse finanzielle Anreize zur Bevorzugung einer Methode geschaffen werden könnten.
Methodik
Fallsimulation
In Form einer Fallsimulation wurden die Gesamterlöse eines zweizeitigen septischen Hüftprothesenwechsels sowohl mit kurzem Intervall (Fast-Track) als auch mit langem Intervall (Slow-Track) ermittelt.
Mithilfe der Grouper-Software 3M KODIP® Suite (Version 2020; 3M Deutschland, Neuss, Deutschland) wurden für Fast-Track und Slow-Track jeweils zwei verschiedene Fallbeispiele einer chronischen periprothetischen Hüftinfektion mit Nachweis eines multisensiblen Staphylococcus aureus (MSSA) simuliert. Beim Fast-Track erfolgte der zweizeitige Prothesenwechsel in einem stationären Aufenthalt mit kurzem Intervall, beim Slow-Track wurde der Prothesenwechsel mit langem Intervall in zwei stationären Aufenthalten durchgeführt.
Die operativen Eingriffe des Hüftprothesenwechsels umfassten im ersten Schritt den Prothesenausbau mit Implantation eines Spacers aus antibiotikahaltigem Knochenzement sowie die Reimplantation einer zementfreien Hüftprothese nach Spacerentfernung im zweiten Schritt und wurden anhand der entsprechenden Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) kodiert.
Simulierte Fallbeispiele
Fast-Track
Im Fallbeispiel 1a ohne weitere Nebendiagnosen (Tab. 1) betrug die stationäre Verweildauer 25 Tage mit kurzem prothesenfreien Intervall von 2 Wochen. Im Fallbeispiel 1b (Tab. 2) wurden zusätzlich Nebendiagnosen kodiert, die einen Einfluss auf den PCCL (Patient Clinical Complexity Level) haben können, in der Annahme, dass dies zu einem höheren DRG-Erlös führt. Die Verweildauer war 42 Tage bei einem Interimsintervall von 3 Wochen. In beiden Fällen wurde nur mit einem stationären Aufenthalt kalkuliert.
Slow-Track
Beim Slow-Track wurden pro Fallbeispiel zwei stationäre Aufenthalte simuliert, wobei im ersten Aufenthalt der Hüftprothesenausbau erfolgte und mit einem langen Intervall im zweiten Aufenthalt die Reimplantation der Hüftprothese durchgeführt wurde. Die Verweildauer und Erlöse beider stationärer Aufenthalte wurden jeweils addiert.
Im Fallbeispiel 2a (Tab. 3) wurde ein Behandlungsfall simuliert, bei dem in beiden stationären Aufenthalten keine weiteren Nebendiagnosen vorlagen, die Gesamtverweildauer 25 Tage betrug und der Wiedereinbau der Prothese nach 6 Wochen durchgeführt wurde. Um einen möglichen Einfluss auf den Gesamterlös zu ermitteln, wurden im Fallbeispiel 2b (Tab. 4) zusätzliche Nebendiagnosen in beiden stationären Aufenthalten kodiert und die Gesamtverweildauer auf 42 Tage verlängert. Die Reimplantation der Prothese erfolgte nach 8 Wochen.
Auswertung der Fallsimulationen
Die Gesamterlöse wurden aus dem DRG-Erlös der ermittelten DRG (I03A, I08B, I08C und I04Z) bei einem Landesbasisfallwert von 3660,92 € (LBFW 2020 Bayern) und dem Pflegeerlös (tagesbezogener Pflegeentgeltwert 185 €) berechnet. Zusatzentgelte und Verweildauerzuschläge blieben in der Fallsimulation unberücksichtigt.
Zur Ermittlung der Erlösdifferenz ∆ wurden die Gesamterlöse der Fallbeispiele mit Fast-Track und Slow-Track jeweils miteinander verglichen (Tab. 5).
Reale Patientenfälle
Um zusätzlich die reale Erlössituation im aG-DRG-System aufzuzeigen, wurden zwei Behandlungsfälle des Jahres 2020 mit zweizeitigem septischem Hüftprothesenwechsel mit Fast-Track und Slow-Track, die in der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Regensburg behandelt wurden, hinsichtlich der Gesamterlöse miteinander verglichen und die Erlösdifferenz ∆ berechnet. Die Kodierung der Diagnosen (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS) sowie die Eingruppierung der Behandlungsfälle wurden mit der Grouper-Software 3M KODIP Suite (Version 2020) durchgeführt.
Patientenfall 1 (Tab. 6)
Es handelte sich um eine 68-jährige immobile Patientin mit periprothetischer Hüftinfektion links nach auswärtiger Erstimplantation einer zementfreien Hüftprothese im Juli 2020, bei der ein zweizeitiger Prothesenwechsel als Fast-Track mit kurzem Intervall von 3 Wochen in einem stationären Aufenthalt vom 17.09.2020 bis 19.10.2020 durchgeführt wurde. Am 17.09.2020 erfolgte der Hüft-TEP-Ausbau und die Implantation eines antibiotikahaltigen Spacers. Histologisch konnte eine Osteomyelitis im Bereich des proximalen Femurs gesichert werden bei mikrobiologischem Nachweis eines Staphylococcus epidermidis und Cutibacterium acnes. Am 09.10.2020 erfolgte der Wiedereinbau einer zementierten Hüftprothese. Die stationäre Verweildauer betrug 32 Tage. An Komorbiditäten waren eine arterielle Hypertonie, eine Hypothyreose sowie eine Adipositas Grad II bekannt. Postoperativ wurde nach dem zweiten Eingriff eine tiefe Beinvenenthrombose links diagnostiziert und therapiert. Zudem erfolgte eine Kaliumsubstitution und die Transfusion eines Erythrozytenkonzentrates.
Patientenfall 2 (Tab. 7)
Bei der 55-jährigen Patientin bestand eine periprothetische Reinfektion der linken Hüfte mit Nachweis eines Staphylococcus epidermidis bei Zustand nach Reimplantation einer zementfreien Hüftprothese und Cerclagenosteosynthese am proximalen Femur links im März 2020. Es erfolgte ein zweizeitiger Prothesenwechsel mit langem Intervall von 11 Wochen (Slow-Track) in zwei stationären Aufenthalten vom 18.09.2020 bis 09.10.2020 sowie vom 01.12.2020 bis 10.12.2020, wobei die Gesamtverweildauer bei 30 Tagen lag. Am 18.09.2020 wurde der Ausbau der Hüftprothese und die Implantation eines antibiotikahaltigen Spacers durchgeführt. Die Histologie zeigte eine Osteomyelitis im Bereich des proximalen Femurs. Nach 21 Tagen wurde die Patientin entlassen und am 01.12.2020 erneut stationär aufgenommen. Es erfolgte am 02.12.2020 die Implantation einer zementfreien silberbeschichteten modularen Hüftprothese und am 10.12.2020 die Entlassung nach insgesamt 9 Tagen. An Nebendiagnosen lagen eine arterielle Hypertonie, eine multiple Sklerose, eine Adipositas Grad III, eine postoperative Anämie, eine Hyponatriämie und eine Hypokaliämie vor, die jeweils einen entsprechenden Mehraufwand erforderten.
Auswertung der Patientenfälle
Die Gesamterlöse wurden aus dem DRG-Erlös der zugrundeliegenden DRG (I03A und I03A + I04Z) bei einem Landesbasisfallwert von 3660,92 € (LBFW 2020 Bayern), dem Pflegeerlös (tagesbezogener Pflegeentgeltwert 185 €) und den abrechenbaren Zusatzentgelten ermittelt und die Erlösdifferenz ∆ berechnet. Zu- oder Abschläge auf den DRG-Erlös ergaben sich bei beiden Fällen nicht.
Ergebnisse
In den simulierten Fallbeispielen ergaben sich deutliche Erlösunterschiede für die Behandlungsalternativen.
Fast-Track
Der Gesamterlös lag beim Fast-Track bei einer Verweildauer von 25 Tagen ohne weitere Nebendiagnosen bei 23.965 € (Tab. 1), bei einer Verweildauer von 42 Tagen mit zusätzlichen Nebendiagnosen bei 27.283 € (Tab. 2). Es zeigte sich, dass bei beiden Behandlungsfällen unabhängig von den Nebendiagnosen ein DRG-Erlös von 19.084 € (DRG I03A) erzielt wurde, sodass die im Fallbeispiel 1b kodierten CCL-relevanten Nebendiagnosen beim Fast-Track keinen Einfluss auf den DRG-Erlös hatten. Die Erlösdifferenz von 3318 € zwischen beiden Fallbeispielen mit Fast-Track (Tab. 5) resultierte bei unterschiedlicher Verweildauer aus dem tagesbezogenen Pflegeentgelt (25 Tage VWD: 4880 €, 42 Tage VWD: 8199 €).
Slow-Track
Beim Slow-Track lag der Gesamterlös in beiden Fallbeispielen höher als beim Fast-Track, da hier zwei stationäre Behandlungsfälle abgerechnet werden konnten. Bei einer Verweildauer von 25 Tagen ohne weitere Nebendiagnosen wurde ein Gesamterlös von 27.551 € aus beiden stationären Fällen ermittelt (Tab. 3). Im Fallbeispiel 2b mit zusätzlichen Nebendiagnosen und 42 Tagen Verweildauer wurde ein deutlich höherer Gesamterlös von 40.699 € aus beiden stationären Fällen erzielt (Tab. 4). Die hohe Erlösdifferenz von 13.148 € zwischen beiden Fallbeispielen mit Slow-Track (Tab. 5) war zum einen auf die unterschiedliche Verweildauer mit dadurch differierendem Pflegeerlös zurückzuführen (25 Tage VWD: 4469 €, 42 Tage VWD: 8340 €). Zum anderen wirkten sich beim Slow-Track die kodierten Nebendiagnosen im Fallbeispiel 2b erlössteigernd aus und führten zu einem Anstieg des DRG-Erlöses um 9277 €. Der DRG-Erlös lag beim Slow-Track ohne Nebendiagnosen bei 23.082 € (DRG I08C + I04Z), beim Slow-Track mit Nebendiagnosen bei 32.359 € (DRG I08B + I03A).
Die Gegenüberstellung Fast-Track vs. Slow-Track ohne weitere Nebendiagnosen (VWD 25 Tage) zeigte eine Erlösdifferenz von 3586 € zum Vorteil des Slow-Tracks. Beim Vergleich Fast-Track vs. Slow-Track mit zusätzlichen Nebendiagnosen (VWD 42 Tage) war der Gesamterlös beim Slow-Track um 13.416 € höher als beim Fast-Track (Tab. 5).
Auch bei den realen Behandlungsfällen zeigte sich eine große Erlösdifferenz von 12.244 € zugunsten des Slow-Tracks (Tab. 8).
Patientenfall 1
Bei einer Verweildauer von 32 Tagen lag der Gesamterlös bei 25.384 €. Dieser errechnete sich aus dem DRG-Erlös von 19.084 € (DRG I03A), dem Pflegeerlös von 6247 € sowie einem Zusatzentgelt von 52,50 € für den Corona-Test (Tab. 6).
Patientenfall 2
Hier lag der Gesamterlös mit 37.628 € für beide stationäre Aufenthalte deutlich höher als beim Fast-Track (Tab. 7). Für den ersten Aufenthalt (VWD 21 Tage) ergab sich aus dem DRG-Erlös von 19.084 € (DRG I03A), dem Pflegeerlös von 4099 € und dem Zusatzentgelt von 52,50 € für den Corona-Test ein Gesamterlös von 23.236 €. Beim zweiten Aufenthalt (VWD 9 Tage) konnte ein Gesamterlös von 14.392 € berechnet werden bei einem DRG-Erlös von 11.722 € (DRG I04Z), einem Pflegeerlös von 1417 € und den Zusatzentgelten von 52,50 € für den Corona-Test und 1200 € für die modulare Prothese (ZE 2020-25).
Diskussion
Die Erlössituation bei der Behandlung periprothetischer Hüftinfektionen ist aufgrund der unzureichenden Abbildung im bisherigen DRG-System nicht angemessen und stellt für die Kliniken eine große ökonomische Belastung dar [11, 14], da die anfallenden hohen Behandlungskosten durch die Fallpauschalen des DRG-Systems nicht ausreichend gedeckt werden und dennoch von den Kliniken getragen werden müssen [2, 15, 17, 27].
Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel, die Erlössituation für periprothetische Hüftinfektionen für das seit dem 01. Januar 2020 geltende aG-DRG-System darzustellen. Durch Fallsimulationen einer periprothetischen Hüftinfektion sowie durch den Vergleich von zwei realen Behandlungsfällen des Jahres 2020 konnte gezeigt werden, dass beim Slow-Track mit langem prothesenfreiem Intervall generell ein höherer Erlös als beim Fast-Track mit kurzem Interimsintervall erzielt wurde, indem beim Slow-Track unter Umgehung einer Fallzusammenführung der Gesamterlös aus zwei stationären Fällen berechnet wurde. Beim Fast-Track hingegen konnte nur ein stationärer Fall abgerechnet werden.
In den simulierten Fallbeispielen ohne weitere Nebendiagnosen lag der Gesamterlös beim Slow-Track um 3586 € höher als beim Fast-Track, wobei derartige Fälle im klinischen Alltag eher die Ausnahme darstellen und in der vorliegenden Arbeit vor allem als Vergleichssimulation aufgeführt wurden.
In den simulierten Fällen mit zusätzlichen Nebendiagnosen zeigte sich eine große Erlösdifferenz von 13.416 € zugunsten des Slow-Tracks. Diese Fälle spiegeln die Realität wider, da Patienten mit periprothetischen Hüftinfektionen meist multiple Komorbiditäten aufweisen und einen hohen Pflegeindex haben [18]. Gerade bei multimorbiden Patienten wäre eine Fast-Track-Behandlung mit kurzem prothesenfreiem Intervall von 2–4 Wochen in einem stationären Aufenthalt durchaus vorteilhaft. Eine zwischenzeitliche Unterbringung der Patienten, die häufig in Form einer Kurzzeitpflege erfolgt, und sowohl Kliniken, Kostenträger als auch die Patienten selbst teilweise vor große organisatorische und finanzielle Herausforderungen stellt, wäre damit vermeidbar. Weitere Vorteile des Fast-Track-Konzeptes sind die Verkürzung der Gesamtbehandlungsdauer und die Reduktion der Gesamtkosten pro Behandlungsfall [20].
Durch die Analyse der realen Behandlungsfälle konnte der ökonomische Vorteil einer Slow-Track-Behandlung im aG-DRG-System unterstrichen werden, indem auch hier aufgrund des langen Intervalls von 11 Wochen eine Fallzusammenführung verhindert und zwei stationäre Behandlungsfälle abgerechnet werden konnten. Somit resultierte ein deutlicher Erlösunterschied von 12.244 € inklusive der abrechenbaren Zusatzentgelte zwischen Fast-Track und Slow-Track, wobei in beiden Fällen therapiebedürftige Nebendiagnosen bei nahezu gleich langer Verweildauer vorlagen.
Als weiteres wesentliches Ergebnis unserer Arbeit konnten wir mittels Fallsimulation zeigen, dass die zusätzlich kodierten Nebendiagnosen beim Fast-Track keinen Einfluss auf den DRG-Erlös hatten, sich jedoch beim Slow-Track in beiden Aufenthalten erlössteigernd auswirkten und zu einem höheren DRG-Erlös führten. Dies ist ein Hinweis darauf, dass eine periprothetische Hüftinfektion bei multimorbiden Patienten mit Fast-Track-Behandlung auch im aG-DRG-System nicht adäquat abgebildet wird, sodass dieses Konzept wegen der enormen Kostenbelastung und der unzureichenden Erstattung für die Kliniken nicht profitabel ist. In einer früheren Arbeit von Lieb et al. konnte durch eine Kosten-Erlös-Analyse gezeigt werden, dass beim Fast-Track eine deutliche Kostenunterdeckung im Vergleich zum Slow-Track resultiert [20]. Daher bedarf es hier einer Anpassung des Systems, um eine Fast-Track-Behandlung für die Kliniken aus ökonomischer Sicht attraktiver zu machen.
Limitationen
Einschränkend muss gesagt werden, dass ausschließlich eine periprothetische Hüftinfektion mit Nachweis eines multisensiblen Staphylococcus aureus (MSSA) simuliert wurde. Andere Erregerspektren, wie multiresistente Keime, oder Infektionen ohne Keimnachweis blieben unberücksichtigt. Dies wäre zusätzlich zu untersuchen, um die Heterogenität der periprothetischen Infektionen abzubilden. Es wurde rein die Erlössituation beim zweizeitigen septischen Hüftprothesenwechsel dargestellt, ohne die jeweiligen Gesamtbehandlungskosten (Personal- und Sachkosten) für Fast-Track und Slow-Track zu berücksichtigen. Zur Ermittlung einer positiven bzw. negativen Kostendeckung sollte daher eine Kosten-Erlös-Analyse folgen.
Fazit für die Praxis
-
In dieser Arbeit konnten wichtige Einflussfaktoren auf den Erlös beim zweizeitigen septischen Hüftprothesenwechsel im aG-DRG-System (aG-DRG: ausgegliederte German Diagnosis Related Groups) dargestellt und deren unterschiedliche Auswirkung beim Fast-Track und Slow-Track analysiert werden.
-
Im Fast-Track-Modell mit der Gesamtbehandlung des Falls inklusive der Reimplantation der Prothese in einem einzigen stationären Aufenthalt werden Kliniken vor allem bei multimorbiden Patienten finanziell deutlich schlechter gestellt als beim Slow-Track mit zwei separaten stationären Aufenthalten. Hierdurch wird das Fast-Track-Verfahren in seiner praktischen Umsetzung sehr benachteiligt.
-
Daher gilt es, bei der Behandlung periprothetischer Hüftinfektionen durch Vermeidung ökonomischer Fehlanreize eine Veränderung und Anpassung der Erlössituation seitens der Kostenträger zu bewirken.
Abbreviations
- aG-DRG:
-
Ausgegliederte German Diagnosis Related Groups
- CC :
-
Komplikationen oder Komorbiditäten
- COVID-19 :
-
„Coronavirus disease“ 2019
- DRG :
-
Diagnosis Related Groups
- G‑DRG :
-
German Diagnosis Related Groups
- ICD :
-
International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
- LBFW :
-
Landesbasisfallwert
- MDC :
-
„Major Diagnostic Category“
- MSSA :
-
Multisensibler Staphylococcus aureus
- mVD :
-
Mittlere Verweildauer
- ND :
-
Nebendiagnosen
- OGVD :
-
Obere Grenzverweildauer
- OPS :
-
Operationen- und Prozedurenschlüssel
- PCCL :
-
Patient Clinical Complexity Level
- SARS-CoV 2 :
-
„Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“
- TE :
-
Transfusionseinheit
- TEP :
-
Totalendoprothese
- UGVD :
-
Untere Grenzverweildauer
- VWD :
-
Verweildauer
- ZE :
-
Zusatzentgelt
Literatur
Alt V, Giannoudis PV (2019) Musculoskeletal infections—A global burden and a new subsection in Injury. Injury 50:2152–2153
Anagnostakos K, Kohn D (2011) Hip joint infections—results of a questionnaire among 28 university orthopedic departments. Orthopade 40:781–792
Assmann G, Kasch R, Maher CG (2014) Comparison of health care costs between aseptic and two stage septic hip revision. J Arthroplasty 29:1925–1931
Babiak I, Pedzisz P, Janowicz J et al (2017) Economic analysis of 4221 revisions due to periprosthetic joint infection in Poland. Ortop Traumatol Rehabil 19:33–44
Beivers A, Emde A, Klauber J et al (2020) DRG-Einführung in Deutschland: Anspruch, Wirklichkeit und Anpassungsbedarf aus gesundheitsökonomischer Sicht. Krankenhaus. https://doi.org/10.1007/978-3-662-60487-8_1
Brochin RL, Phan K, Poeran J et al (2018) Trends in periprosthetic hip infection and associated costs: a population-based study assessing the impact of hospital factors using national data. J Arthroplasty 33:233–238
Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil I Nr. 14, ausgegeben zu Bonn am 27. März 2020. Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz)
Dale H, Fenstad AM, Hallan G et al (2012) Increasing risk of prosthetic joint infection after total hip arthroplasty. Acta Orthop 27(8 Suppl):61–65.e1
Efremov K, Benedetti Valentini M, De Maio F et al (2019) Periprosthetic hip and knee infections: comparison of etiology, perioperative management and costs. Eur Rev Med Pharmacol Sci 23:217–223
Fink B, Anagnostakos K, Winkler H (2019) Periprosthetic joint infection. Biomed Res Int. https://doi.org/10.1155/2019/6834680
Fischbacher A, Peltier K, Borens O (2018) Economic analysis in a Diagnosis Related Groups System for two-stage exchange of prosthetic-joint infections. J Bone Joint Infect 3:249–254
Fowler TJ, Sayers A, Whitehouse MR (2019) Two-stage revision surgery for periprosthetic joint infection following total hip arthroplasty. Ann Transl Med 7(Suppl 8):261
Gundtoft PH, Pedersen AB, Varnum C et al (2017) Increased mortality after prosthetic joint infection in primary THA. Clin Orthop Relat Res 475:2623–2631
Haenle M, Skripitz C, Mittelmeier W et al (2012) Economic impact of infected total hip arthroplasty in the German Diagnoses-Related Groups System. Orthopade 41:467–476
Hernández-Vaquero D, Fernández-Fairen M, Torres A et al (2013) Treatment of periprosthetic infections: an economic analysis. Sci World J. https://doi.org/10.1155/2013/821650
Izakovicova P, Borens O, Trampuz A (2019) Periprosthetic joint infection: current concepts and outlook. EFORT Open Rev 4:482–494
Kapadia B, Banerjee S, Cherian J et al (2016) The economic impact of periprosthetic infections after total hip arthroplasty at a specialized tertiary-care center. J Arthroplasty 31:1422–1426
Lenguerrand E, Whitehouse MR, Beswick AD et al (2018) Risk factors associated with revision for prosthetic joint infection after hip replacement: a prospective observational cohort study. Lancet Infect Dis 18:1004–1014
Li C, Renz N, Trampuz A (2018) Management of periprosthetic joint infection. Hip Pelvis 30:138–146
Lieb E, Hanstein T, Schuerings M et al (2015) Reduction of treatment duration in periprosthetic infection with a fast-track concept is economically not feasible. Z Orthop Unfall 153:618–623
Musil D, Snorek M, Gallo J et al (2019) Economic analysis of the costs of hospital stay of patients with infection as a complication of total replacements—Part 2: total hip arthroplasty. Acta Chir Orthop Traumatol Cech 86:241–248
Müller M, Trampuz A, Winkler T et al (2018) The economic challenge of centralised treatment of patients with periprosthetic infections. Z Orthop Unfall 156:407–413
Natsuhara K, Shelton T, Meehan J et al (2019) Mortality during total hip periprosthetic joint infection. J Arthroplasty 34:337–342
Rupp M, Kerschbaum M, Freigang V et al (2020) PJI-TNM as a new classification system for periprosthetic joint infections: an evaluation of 20 cases. Orthopade. https://doi.org/10.1007/s00132-020-03933-5
Rupp M, Lau E, Kurtz SM et al (2020) Projections of primary TKA and THA in Germany from 2016 through 2040. Clin Orthop Relat Res 478:1622–1633
Tansey R, Mirza Y, Sukeik M et al (2016) Definition of periprosthetic hip and knee joint infections and the economic burden. Open Orthopaed J 10:662–668
Waddell B, Briski D, Meyer M et al (2016) Financial analysis of treating periprosthetic joint infections at a tertiary referral center. J Arthroplasty 31:952–956
Winkler T, Trampuz A, Hardt S et al (2014) Periprosthetic infection after hip arthroplasty. Orthopade 43:70–78
Zmistowski B, Karam J, Durinka J et al (2013) Periprosthetic joint infection increases the risk of one-year mortality. J Bone Joint Surg Am 95:2177–2184
Funding
Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
K. Hierl, M. Rupp, M. Worlicek, F. Baumann, C. Pfeifer und V. Alt geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Rights and permissions
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.
About this article
Cite this article
Hierl, K., Rupp, M., Worlicek, M. et al. Vergleich der DRG-Erlöse zwischen Fast- und Slow-Track-Verfahren beim zweizeitigen Prothesenwechsel bei periprothetischen Hüftinfektionen im aG-DRG-System 2020. Orthopäde 50, 728–741 (2021). https://doi.org/10.1007/s00132-021-04106-8
Accepted:
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-021-04106-8