Definition und Operationsindikation

Rezidivierende Patellaluxationen können unbehandelt zu patellofemoralen Arthrosen und Bewegungseinschränkungen führen. Betroffen sind häufig junge, aktive Patienten mit z. B. Rotationsfehlstellungen und Malalignment der unteren Extremitäten, insuffizienter Stabilität des medialen Weichteilgewebes (im Speziellen des medialen patellofemoralen Ligaments [MPFL]) oder Trochleadysplasie. Eine Möglichkeit der chirurgischen Behandlung, bei entsprechender präoperativer Abklärung und Indikationsstellung, stellt die hier beschriebene Trochleaplastik in Kombination mit einer MPFL-Rekonstruktion dar [1,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13]. Der Behandlungsalgorithmus orientiert sich an der Empfehlungen des AGA-Komitee-Knie-Patellofemoral [15].

Fallbeschreibung

Ein 29-jähriger Patient berichtet über 10- bis 12-malige Patellaluxationen rechts seit dem 14. Lebensjahr. Der Patient ist im Volleyballsport aktiv. Die klinische Untersuchung zeigt eine Patellainstabilität, welche zwischen 0° und 50° Knieflexion provozierbar ist (Apprehension-Test positiv, „J-sign“ positiv), Kreuzbänder sowie Seitenbänder präsentieren sich stabil. Es zeigt sich der klinische Verdacht einer vermehrten Femurinnentorsion rechts > links. Im durchgeführten Röntgen und der Becken-Bein-MRT beidseits zeigt sich eine Innenrotation des Oberschenkels rechts von −11,7° (Sollwert: −20,4 ± 9,0°), sowie eine Trochleadysplasie Grad C nach Dejour et al. [14].

Operationstechnik (siehe Video Trochleaplastik)

Es erfolgt der chirurgische Zugang über eine laterale Kniegelenksarthrotomie. Anschließend kulissenartige Präparation der Gelenksschichten bzw. Kapselschichten im Sinne einer lateralen Retinakulumverlängerung. Der Streckapparat wird zur Exposition der Trochlea femoris nach medial luxiert und darauffolgend eine Skalpellinzision (Abb. 1) am osteochondralen Rand der Trochlea durchgeführt. Nun erfolgt das Fortsetzen der Osteotomie mit den Meißeln, dadurch wird ein osteochondraler Lappen unterminiert und angehoben („thin-flap technique“, ca. 5 mm) (Abb. 2). Es muss darauf geachtet werden, dass der Trochlea-Flap nicht perforiert wird. Zur Vermeidung einer Perforation bzw. der Fraktur des Lappens empfiehlt es sich, die Assistenz in den Operationsschritt mit einzubinden. Dabei führt die Assistenz die Hammerschläge auf Anweisung des Operateurs hin durch, der Operateur selbst führt mit der einen Hand den Meißel und tastet mit dem Zeigfinger der anderen Hand kontinuierlich die Dicke des Lappens von der chondralen Seite her. Der Lappen wird vorsichtig bis in den Bereich des Notch-Daches angehoben. Nach erfolgtem Heben des Trochlea-Flaps erfolgt das Abtragen des überschüssigen anterioren Knochenstocks unter gleichzeitigem Kreieren eines U‑, bzw. V‑förmigen Trochleabettes (Meißel und Fräße). Anschließend wird der osteochondrale Flap wieder vorsichtig in das Bett modelliert (evtl. vorher leicht knöchern ausgedünnt) (Abb. 3). Die Fixation erfolgt mittels Vicrylband und Knochenankern (Abb. 4). Abschließend Verschluss der lateralen Arthrotomie in 70–80° Knieflexion mit situationsangepasster lateraler Verlängerung des Retinakulums. Fortsetzen mit MPFL-Rekonstruktion je nach bevorzugter Technik.

Abb. 1
figure 1

Skalpellinzision am osteochondralen Rand der Trochlea

Abb. 2
figure 2

Osteotomie mit den Meißeln, dadurch Unterminieren und Anheben eines osteochondralen Lappens

Abb. 3
figure 3

Vorsichtiges Einmodelieren des osteochondralen Lappens in das neu geformte Trochleabett

Abb. 4
figure 4

Fixation mittels Vicrylband und Knochenankern

Ergebnis

Ein großer Teil der Patienten mit rezidivierenden Patelladislokationen leidet an einer Dysplasie der Trochlea femoris [1,2,3]. Dies ist auch der wesentliche Faktor für das Versagen von isolierten MPFL-Rekonstruktionen [4,5,6,7,8,9,10,11,12,13]. Mit der beschriebenen Trochleaplastiktechnik (Thin-Flap-Trochleaplastik, Bereiter-Trochleaplastik) gelingt in Kombination mit einer MPFL-Rekonstruktion die suffiziente Therapie von rezidivierenden Patelladislokationen bei Trochleadysplasie.

Die Autoren konnten in den letzten 10 Jahren eine Vielzahl von Patienten erfolgreich therapieren.

Fazit für die Praxis

  • In den letzten 10 Jahren wurden >100 Patienten mit dieser Methode an unserer Abteilung behandelt.

  • In keinem der Fälle kam es zu einer Rezidivluxation.

  • Zwei Patienten mussten sich aufgrund einer Arthrofibrose einer Manipulation in Allgemeinnarkose unterziehen

  • Ca. 15 Patienten erhielten später das gleiche Verfahren an der Gegenseite.

  • In einem Fall passierte intraoperativ ein Bruch des Trochlea-Flaps, weshalb das Verfahren in eine sog. Grooveplasty konvertiert werden musste.

  • In einem anderen Fall musste die Trochleaplastik ca. 1 Jahr postoperativ auf eine Patellofemoralprothese konvertiert werden.

  • Weitere Risikofaktoren (z. B. Torsionsfehler, Genu valgum) müssen ebenfalls in der Behandlungsstrategie berücksichtigt werden.