Bei der Behandlung eines Sarkoms im Kindesalter sind Wachstumsprothesen eine wichtige Alternative zu Amputation und Umkehrplastik. Mittlerweile gibt es mehrere Systeme, die entweder invasiv oder nichtinvasiv verlängerbar sind. Das Ziel dieses Beitrages ist es, neben der Indikationsstellung und den Erfolgsaussichten die altersspezifischen Probleme aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten darzustellen.

Einleitung

Während Amputationen noch vor 40 Jahren die zentrale Säule in der chirurgischen Sarkombehandlung bei Lokalisation in den Extremitäten darstellten, wurde nach Einführung effizienter adjuvanter und neoadjuvanter Chemotherapien die Indikation zu ablativen Verfahren sukzessive zugunsten der Extremitäten erhaltenden Chirurgie geändert. Für die Wiederherstellung des resezierten Knochensegmentes wurden zahlreiche Rekonstruktionsverfahren angewendet, wobei sich für die Rekonstruktion von Gelenken der endoprothetische segmentale Gelenksersatz durchgesetzt hat. Erfahrungen, die mit individuell angefertigten Endoprothesen gewonnen wurden, konnten in die Entwicklung von modularen Tumorsystemen eingebracht werden, die eine unmittelbare Verfügbarkeit im Operationssaal gewährleisteten.

Bei Kindern und Jugendlichen ist die endoprothetische Rekonstruktion des resezierten Knochenabschnittes respektive Gelenkteiles durch die Wegnahme zumindest einer Wachstumsfuge und der daraus resultierenden Beinlängendifferenz weiter erschwert. Mit der Einführung von teleskopartig verlängerbaren Endoprothesen, den sogenannten Wachstumsprothesen, sollte diesem Umstand Rechnung getragen werden und die Indikation zur Extremitätenerhaltung auch in das Kindesalter ausgedehnt werden. Interessant ist, dass bereits 1976 erste Wachstumsprothesen entwickelt wurden, nur 1 Jahr nach erstmaliger Anwendung der Umkehrplastik nach Borgreeve zur Behandlung kniegelenksnaher Sarkome im Wachstumsalter an der Universitätsklinik für Orthopädie in Wien [15]. Die deutlich erhöhte Reoperationsrate von Wachstumsprothesen sowie die eingeschränkte Sportfähigkeit lassen die Umkehrplastik auch heutzutage als wichtige Alternative zur Sarkombehandlung im Kleinkindesalter erscheinen.

Indikationsstellung

Wachstumsprothesen kommen nahezu ausschließlich im Bereich der unteren Extremität und hier vor allem bei kniegelenksnahen Tumoren infrage. Verkürzungen nach endoprothetischem Ersatz im Bereich der oberen Extremität haben nur geringe bis gar keine funktionellen Nachteile und werden auch vom kosmetischen Aspekt der Verkürzung sehr gut toleriert.

Unter Berücksichtigung onkologisch-chirurgischer Kriterien sollte eine ausreichende Muskelerhaltung gewährleistet sein, um ein zufriedenstellendes funktionelles Ergebnis zu sichern und auch die Weichteildeckung der Prothese zu gewährleisten. Durch Erstellung einer Wachstumsprognose und Kalkulation des fehlenden Wachstums aus der resezierten Wachstumsfuge wird der notwendige Verlängerungshub der Prothese errechnet, wobei dieser besonders bei kleinen Tumoren und damit kurzen Resektionsprothesen gering ausfallen kann [1, 5, 19]. Prinzipiell werden Wachstumsprothesen nur dann angewendet, wenn das errechnete Defizit aus der resezierten Fuge mehr als 4 cm beträgt. Manche Zentren sehen die Verwendung einer Resektionsprothese auch bei 3 cm als gerechtfertigt an. In allen anderen Fällen wird durch Verwendung einer längeren Resektionsprothese ein Beinlängenüberschuss von etwa 1 bis max. 2 cm nach erfolgter Tumorresektion erzielt, der durch Schuhausgleich auf der kontralateralen Seite ausgeglichen wird.

Dieser Schuhausgleich wird anschließend auf der operierten Seite getragen, sobald das gesunde kontralaterale Bein durch aufholendes Wachstum wieder eine Überlänge erreicht hat, die aber auch durch eine Epiphyseodese auf dieser Seite dauerhaft verhindert werden kann. Da der Verlängerungshub von der Länge der Prothese und damit des resezierten Knochens abhängt, ist allein dadurch eine Alterslimitierung auf etwa 7–8 Jahren gegeben. So beträgt der Hub bei einer häufig verwendeten nichtinvasiven Wachstumsprothese und einer Länge von 170 mm, lediglich 50 mm und steigt auf 70 mm bei 190 mm Resektion und 90 mm bei 210 mm Resektionslänge an. Bei invasiv verlängerbaren modularen Systemen besteht die Möglichkeit der operativen Verkürzung des Wachstumsmoduls und Implantation eines zusätzlichen Segmentersatzes, um die Verlängerung weiter fortzusetzen. Bei aufwändigen nichtinvasiv verlängerbaren Prothesen bedürfte es eines kompletten Prothesenwechsels, da die Prothese meist mit dem Verankerungsstiel im Knochen direkt verbunden ist. Bei sehr kleinen Kindern bedeutet dies, dass während der Wachstumsphase ein oder mehrere Prothesenwechsel erforderlich werden, um entstehende Wachstumsdefekte und Distanzen von mehr als 10 cm auszugleichen, sodass die Indikation hier kritisch zu stellen ist.

Verlängerungsmechanismus

Frühe Modelle (1982–1988) der Firma Stanmore (Hertford, United Kingdom) wurden durch Einbringen von Metallkugeln in einen zentralen teleskopartig ausziehbaren Zylinder oder durch Interposition von geschlitzten Zylindern um einen zentralen Stab (1988–1994) verlängert. Spätere Modelle der Firma Stanmore oder die Lewis-Wachstumsprothese bestanden aus einer zentralen Spindel, die invasiv über ein Kegelrad mit einem Schraubendreher verlängert wurde [24]. Dieses System galt als verlässlich, bedurfte jedoch mehrerer Verlängerungsschritte zwischen 10 und 15 mm, um die Prothese zu extendieren und die Beinlänge auszugleichen. Ein System dieser Art bietet weiterhin die Firma Stryker Howmedica (Kalamazoo, MI, USA) im Rahmen des GMRS-Systems als auswechselbares Modul an [23]. Der Vorteil eines solchen Modulsystems liegt in der Möglichkeit, das Verlängerungsmodul nach Wachstumsabschluss und Ausgleich der Beinlänge eventuell gegen ein Standardmodul auszutauschen, wenngleich von allen Firmen Wachstumsprothesen als definitive Implantate deklariert sind. Dies setzt die Verwendung eines osteointegrativen Verankerungsstieles im korrespondierenden Gelenkpartner trotz intakter Wachstumsfuge voraus. Wird hingegen ein glatter Verankerungsstiel mit Perforation der gegenüberliegenden Wachstumsfuge verwendet, ist ein weiteres Wachstum aus dieser Fuge möglich, jedoch ist ein Wechsel auf ein Implantat mit osteointegrativer Oberfläche nach Wachstumsende einzuplanen. Das Restwachstum, das sich aus diesen sogenannten passiven Wachstumsteilen ergibt, beträgt im Schnitt 69 % (43–100 %) im Vergleich zu einer nichtperforierten Wachstumsfuge, wobei die große Variabilität des Restwachstums nicht erklärbar und damit voraussagbar ist [1, 4, 5]. Hierdurch kann es zu einer Verschiebung der Gelenklinie kommen, da die Beinlängendifferenz mit der verlängerbaren Prothese ausgeglichen wird.

Eine weiterentwickelte Variante dieses Systems sollte eine nichtinvasive Verlängerung ohne Energiezufuhr von extern gewährleisten, in dem bei Kniebeugung ein Schalter von einem Stößel im Tibiaplateau aus aktiviert wurde, der zur Aktivierung des Verlängerungsmechanismus und Extension der Prothese um 0,056 mm pro Einheit führte. Die Kontrolle der Verlängerung war bei diesem Mechanismus durch das Wechselspiel zwischen Weichteilspannung und Beugefähigkeit einer Autoregulation unterworfen, die eine überschießende Verlängerung verhinderte [16, 29]. Das System wurde durch verfeinernde Entwicklungsschritte und der damit verbundenen Komplexität nicht nur teurer, sondern auch anfälliger für mechanisches Versagen, sodass die Produktion eingestellt wurde.

Das System Repiphysis (Wright Medical Technology, IMC, Arlington, TN, USA) beinhaltete eine Feder mit Vorspannung, die im Prothesenkörper in einem Kunststoffharz eingebettet war und durch Erwärmen der Prothese in einer MRT-Spule aktiviert wurde. Hierdurch kann sich die Feder langsam ausdehnen und führt zur Verlängerung der Prothese. Das früher in den USA häufig verwendete Prothesensystem musste jedoch wegen hoher Komplikationsraten vom Markt genommen werden [25].

Derzeit stehen vor allem nichtinvasive verlängerbare Prothesen, die einerseits über eine Magnetfeldspule (Stanmore, Abb. 1a–d) oder aber einen elektrischen Motor, der mittels Induktionsspule über einen subkutan implantierten Sensor betätigt wird (Mutars, Implantcast, Buxtehude, Deutschland), in Verwendung.

Abb. 1
figure 1

Patient, der mit einer nichtinvasiv verlängerbaren Prothese im Alter von 13 Jahren nach Resektion eines Osteosarkoms im distalen Femur versorgt wurde. a Zementfreie Implantation der femoralen Verankerung. Die mit Hydroxylapatit beschichtete osteointegrative Fläche ist kurzstreckig angelegt, um ein „stress shielding“ zu verhindern. b Ausgangssituation im Alter von 13 Jahren. Der tibiale Verankerungsstiel ist glatt, um ein Restwachstum aus der proximalen Tibiafuge zu ermöglichen. c Am Ende des Wachstums wurde eine Verlängerung von insgesamt 53 mm (32 mm Verlängerung aus der Prothese und 21 mm Restwachstum aus der proximalen Tibia) erreicht. d Die Verlängerung der Prothese wird ohne Narkose mit einer Magnetfeldspule bewerkstelligt und die Aktivierung der Prothesenverlängerung durch Abhören der Geräusche, die hierbei entstehen, überprüft

Probleme an speziellen Lokalisationen

Wenngleich – entsprechend der Primärlokalisation der Sarkome – distale Femurresektionen die häufigste Indikation für eine Wachstumsprothese darstellen und auch hier die besten funktionellen Ergebnisse zeigen, so wird vereinzelt eine Anwendung im Bereich des proximalen Femurs bis hin zum totalen Ersatz des Femurs respektive der proximalen Tibia notwendig. Am proximalen Femur besteht einerseits die Problematik der Reinsertion der pelvitrochantären Muskulatur, die für das funktionelle Ergebnis entscheidend ist, ebenso wie die Rekonstruktion des Femurkopfes, wofür, wenn immer möglich, ein bizentrischer Femurkopfersatz zur Anwendung kommen sollte. Bei nicht exakter Einpassung des Femurkopfes kann es aufgrund geschwächter Abduktoren und der durch Verlängerung bedingten Druckerhöhung im Bereich des Pfannenerkers zu einer Dezentrierung des Kopfes mit sekundärer Dysplasie kommen, die reorientierende Eingriffe am Becken erforderlich machen können. An der proximalen Tibia hat sich die Rekonstruktion des Ligamentum patellae mit einem lokal gestielten Gastroknemiuslappen und temporärer Augmentation dieses Konstruktes in Form einer Rahmennaht mit resorbierbaren Materialien bestens bewährt (Abb. 2a–d).

Abb. 2
figure 2

a Rekonstruktion der proximalen Tibia mit manuell verlängerbarer Wachstumsprothese. Der Musculus gastrocnemius medial ist distal abgelöst und bis zum Gefäßstiel proximal freipräpariert. b Der proximal gefäßgestielte Muskel wird über die Prothese gelegt und die Faszie mit dem Ligamentum patellae, welches mit einer resorbierbaren Rahmennaht an die Prothese fixiert wurde, vernäht. c Aktive Flexion. d Aktive Extension ohne Streckdefizit

Überschießende Weichteilreaktionen werden vor allem bei Anwendung im Alter unter 10 Jahren beobachtet und können bis zur kompletten Gelenkssteife führen [30]. In diesen Fällen ist auch eine Verlängerung der Prothese, die einen zufriedenstellenden Bewegungsumfang am betroffenen Gelenk voraussetzt, nicht mehr möglich, sodass eine Arthrolyse mit Lösung der umgebenden Muskulatur und Resektion des mitunter sehr ausgeprägten Narbengewebes um die Prothese erforderlich ist, um weitere Verlängerungsschritte zu garantieren.

Ergebnisse in der Literatur

Es wurde ein systematisches Review in Pubmed unter Verwendung folgender Suchkriterien durchgeführt: „growing prostheses“ and „children“ or „KMFTR“ or „repiphysis“ or „Mutars“ or „Stanmore“ or „Pafford-Lewis“ and „osteosarcoma“.

Hierbei wurden 94 Publikationen gefunden, von denen 53 vorweg exkludiert wurden, weil Wachstumsprothesen in diesen Publikationen nicht verwendet worden sind. Weitere 22 Veröffentlichungen wurden nicht berücksichtigt, weil es sich nur um Fallberichte oder Kommentare handelte oder aber nur Analysen zu Wachstum, Bewegung oder Knochen enthielten. Da sich die Daten überschnitten haben wurden 3 Publikationen herausgenommen, sowie 2 weitere, da es sich in einem Fall um einen Review handelte und die zweite Arbeit nur auf Chinesisch verfügbar war. Weitere 8 Arbeiten wurden durch Handsuche inkludiert (Abb. 3). Somit verblieben 21 Arbeiten, die in Tab. 1 aufgelistet sind [2,3,4, 6, 8,9,10,11,12,13, 17, 18, 20,21,22, 24,25,26,27,28, 31].

Abb. 3
figure 3

Flow-Chart mit der Übersicht des systematischen Reviews

Tab. 1 Berücksichtigte Arbeiten aus den Peer-Review-Publikationen

Insgesamt sind in diesen Arbeiten 590 Patienten beschrieben mit einem mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 81,1 Monaten. Der Mittelwert der funktionellen Ergebnisse liegt, gemessen am MSTS-Score [7], bei 78,3 von maximal 100 Punkten.

Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 12,6 Jahren. Die wichtigsten Komplikationsraten betreffend Infektionen respektive mechanisches Versagen betrugen 27,3 % bzw. 22,4 %.

Invasiv verlängerbare Wachstumsprothesen

Erste Ergebnisse über Wachstumsprothesen in Peer-Review-Journalen wurden von Jeff Eckardt 1993 publiziert, allerdings nur mit einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 3,1 Jahren [6]. Dies ist auch die einzige Publikation, in der die Mehrzahl der Patienten mit einer Pafford-Lewis-Prothese (LEAP Design – Lewis Expandable Adjustable Prosthesis, Arlington, TN, USA) versorgt worden sind. Trotz des kurzen Beobachtungszeitraumes traten in 10 Fällen Komplikationen auf, von denen 7 prothesenassoziiert waren, respektive durch den Verlängerungsmechanismus verursacht wurden. Die von den Autoren geforderte Überarbeitung des Designs führte schließlich auch dazu, dass aufgrund der Weiterentwicklungen dieser Prothesentyp in der Literatur nicht weiter beschrieben ist.

Eine dieser Weiterentwicklungen wurde im Rahmen des HRMS (Howmedica Modular Reconstruction System), welches 1987 eingeführt wurde [14], fortgesetzt. Bei dem System wurde die Verlängerung wie bei der LEAP-Prothese minimal-invasiv durch einen Schraubmechanismus umgesetzt und bedurfte mehrerer Verlängerungsschritte zwischen 10 und 15 mm. Erste Ergebnisse wurden 1995 von Schiller et al. publiziert [23] und die Ergebnisse von 6 der insgesamt 20 versorgten Patienten, die das Wachstum bereits abgeschlossen hatten, analysiert. Bei einem durchschnittlichen Operationsalter von 11 Jahren (9,2–13,7) und einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 6,3 Jahren (4,3–7,6) wurden 7 Revisionen erforderlich, wobei in 3 Fällen in diesem mittleren Beobachtungszeitraum eine tiefe Infektion auftrat. Für eine durchschnittliche Verlängerungsstrecke von 13,15 cm (4,5–19,5) waren insgesamt 53 geplante Eingriffe notwendig.

In einer japanischen Sammelstudie wurden 26 von 28 Patienten, die ebenso mit einer HMRS-Wachstumsprothese versorgt worden waren, analysiert. Bei einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 5 Jahren und 1 Monat (1–15 Jahre) fand sich in diesem Kollektiv lediglich eine Infektion. Die durchschnittliche Gesamtverlängerung betrug allerdings nur 35,4 mm, wofür im Schnitt 2,1 Eingriffe erforderlich waren. Diese geringe Zahl an Revisionseingriffen dürfte auch der Grund für die sehr geringe Infektionsrate gewesen sein [31].

Die Autoren verweisen auf die Notwendigkeit der exakten präoperativen Aufklärung

Die längsten Ergebnisse mit einer HMRS-Wachstumsprothese finden sich in der Arbeit von Schinhan et al. 2015 [21]. In dieser Arbeit wurden 71 Patienten, die mit einer Wachstumsprothese im Alter von 10,1 Jahren (alle HMRS mit Ausnahme einer Mutars-Prothese und einer LEAP-Prothese) versorgt worden waren, über durchschnittlich 131,6 Monate (27,2–281,8 Monate) nachverfolgt. Interessanterweise fand sich in den meisten Fällen (46 % der gesamten Komplikationen) ein sogenanntes Weichteilversagen, welches entweder den Streckapparat oder aber eine Instabilität im Bereich der Hüfte mit sekundärer Dysplasie und Dislokation betraf. In 16 % der Fälle berichten die Autoren über die Notwendigkeit einer Resektion einer derben Narbe um die gesamte Prothese, die zu einer massiven Bewegungseinschränkung und damit einer Unmöglichkeit der weiteren Verlängerung geführt hat. Die weitere Analyse zeigte ein strukturelles Versagen in 28 % der Fälle sowie eine Infektionsrate von 17 % und aseptische Lockerungen in nur 8 % aller Fälle. Letzteres ist wohl das überraschendste Ergebnis, wird doch von der Annahme ausgegangen, dass durch das diametrale Wachstum des Knochens die aseptische Lockerung bei Kindern deutlich häufiger wäre. Die Studie zeigt jedoch auch erstmals, dass für die Erzielung einer durchschnittlichen Verlängerung von 70,8 mm, 4,4 Verlängerungseingriffe pro Patient erforderlich waren, ebenso wie 2,5 Operationen pro Patient zur Behandlung der insgesamt 184 Komplikationen bei 58 Patienten. Aufgrund dessen verweisen die Autoren auch explizit auf die Notwendigkeit der exakten präoperativen Aufklärung über diese Folgeeingriffe und auch darauf, dass weitere Verbesserungen in den einzelnen Bereichen nur im direkten Vergleich mit den vorliegenden Langzeitergebnissen möglich sind. Dennoch ist aufgrund der Verlässlichkeit dieses Verlängerungsmechanismus das System weiterhin im Einsatz.

Nichtinvasiv verlängerbare Wachstumsprothesen

Die Diskrepanz zwischen Kurzzeitergebnissen und mittelfristigen Ergebnissen wird auch bei der Analyse des Systems Repiphysis evident. Das System, das früher unter dem Namen Phenix (Phenix Medical, Paris, Frankreich) verwendet wurde, basiert auf einer Speicherung der Expansionsenergie in Form einer Feder, die durch nichtinvasive Erwärmungen eines Polyethylenschlauches freigegeben und damit expandiert wird. Erste Ergebnisse bei einem Nachuntersuchungszeitraum von 14 Monaten wurden 2001 von Wilkins et al. bei 6 Patienten ohne prothesenbezogene Komplikationen berichtet [28]. Weitere 18 Prothesen wurden bei 15 pädiatrischen Patienten (drei Revisionen) im Jahr 2003 von Neel et al. analysiert und auch durchaus optimistische Ergebnisse wiedergegeben [18]. Spätere Ergebnisse zeigen jedoch mit Zunahme der Frequenz und des Nachuntersuchungszeitraumes eine deutliche Zunahme der Komplikationen.

Im Jahr 2010 berichteten Saghieh et al. von 17 Patienten, die mit einer Repiphysis für durchschnittlich 61,7 Monate beobachtet wurden und insgesamt 38 Verlängerungssitzungen mit durchschnittlich 8,6 mm erfuhren [20]. 12 dieser 17 Patienten erlitten Komplikationen, wobei 6 mechanischer Natur waren und in 3 Fällen Infektionen auftraten. In 7 Fällen wurde eine Revision erforderlich und in 3 Fällen eine neue Prothese eingesetzt.

Selbst nichtinvasive Verlängerungsmechanismen von Wachstumsprothesen haben eine hohe Komplikationsrate

Ruggieri et al. verglichen 2013 bei 32 Patienten die Versorgungen mit 10 HMRS-, 15 Repiphysis- und 7 Stanmore-Prothesen und zeigten eine signifikant höhere Standzeit der HMRS- in Vergleich zur Repiphysis-Prothese [22]. Die Autoren schlossen, dass selbst nichtinvasive Verlängerungsmechanismen von Wachstumsprothesen mit einer durchwegs hohen Komplikationsrate behaftet sind.

Cipriano et al. beschrieben 2015 bei 6 von 12 Patienten, die mit einer Repiphysis-Prothese im Alter von 10,1 Jahren versorgt und durchschnittlich 72 Monate (26–119) nachbeobachtet wurden, 6 aseptische Lockerungen mit massivem Knochenverlust im Bereich des Verankerungsstieles. Die wohl schlechtesten Ergebnisse wurden schließlich in der Arbeit von Staals et al. 2015 veröffentlicht [25]. Von den 15 Patienten, die sie mit einer Repiphysis-Prothese versorgt hatten, konnten 10 mehr als 5 Jahre (durchschnittlich 104 Monate) nachuntersucht werden. Erstmals wurden auch hier Schmerzen während der nichtinvasiven Verlängerung beschrieben, sodass weitere Verlängerungen unter Anästhesie durchgeführt werden mussten. Bei den Patienten wurden insgesamt 9 Revisionsoperationen durchgeführt, von denen 8 durch Implantatversagen und eine durch aseptische Lockerung bedingt waren. Auch der Knochenverlust wird hervorgehoben, der bei 5 Fällen zu Knochenaugmentationen während der Revisionsoperation geführt hat. In der Conclusio nehmen die Autoren von der weiteren Verwendung dieser Prothese abstand. Aufgrund der sich häufenden Negativveröffentlichungen wurde die Prothese schließlich vom Markt genommen.

Mehrere Publikationen beschäftigen sich auch mit der nichtinvasiven Wachstumsprothese der Firma Stanmore, die von außen durch ein elektromagnetisches Feld angetrieben und so verlängert wird. Wie bei anderen Systemen wurden erste Publikationen mit kleiner Fallzahl und kurzer Nachbeobachtungszeit veröffentlicht. So berichten Gupta et al. 2006 von 7 Fällen, die für nur 20,2 Monate nachbeobachtet und deren Prothese um lediglich 25 mm im Durchschnitt verlängert worden ist [12]. Auch nach diesen ermutigenden Kurzzeitergebnissen wurde von Gilg und Mitarbeitern 2016 über die Morbidität der nichtinvasiven Wachstumsprothese bei 50 Kindern mit 51 Prothesen berichtet [9]. Beim Durchschnittsoperationsalter von 10,4 Jahren und einer Nachbeobachtungszeit von 64 Monaten (20–145) war die Überlebensrate der Prothese bei 81,7 % nach 3 Jahren und 61,6 % nach 6 Jahren.

Silberbeschichtete Implantate brachten keinen Benefit in Bezug auf Infektionskontrolle

Eine tiefe Infektion musste bei 19,6 % nach durchschnittlich 12,5 Monaten festgestellt werden und in 9,8 % fand sich ein Versagen des Verlängerungsmechanismus sowie ein Implantatbruch in 3,9 % der Fälle. Die Zahl der Reoperationen war mit 53 ähnlich wie in anderen Publikationen, wobei die Amputationsrate mit 14 % (3 wegen Lokalrezidiv und 4 wegen Infektionen) eher höher angesetzt ist. Die Autoren heben hervor, dass bei guten funktionellen Ergebnissen und Kompensation der Beinlänge, die Infektion nach wie vor das größte Risiko darstellt, wobei die proximale Tibia das höchste Risiko birgt. Die Ergebnisse der Versorgung mit einer Wachstumsprothese in dieser Region wird in einer eigenen Arbeit von Tsagozis et al. 2018 bei 42 Patienten retrospektiv analysiert [27]. Als Besonderes hervorzuheben ist, dass in dieser Studie die Versorgung mit nichtinvasiven Verlängerungsprothesen mit einer höheren Infektionsrate als bei konventionellen Verlängerungsprothesen behaftet und mit einer höheren Amputationsrate verbunden war. Trotz guter funktioneller Ergebnisse betrug die Prothesenstandzeit nach 5 Jahren lediglich 55 % und nur 25 % nach 10 Jahren. Hervorzuheben ist auch, dass die Versorgung mit silberbeschichteten Implantaten in dieser Lokalisation keinen Benefit in Bezug auf Infektionskontrolle und damit Prothesenüberleben brachte.

Dieser Nachteil der nichtinvasiv verlängerbaren Prothesen konnte in der Analyse von Medellin et al. von 24 totalen Femurversorgungen in einem Nachuntersuchungszeitraum von 13,2 Jahren (7 Monate bis 29,25 Jahre) nicht nachvollzogen werden [17]. Es fanden sich keine Diskrepanzen in Bezug auf verschiedene Komplikationsarten. Allerdings waren in der Gruppe der minimal-invasiv verlängerbaren totalen Femurprothesen eine genauere Einstellung der Beinlängendifferenz, eine bessere Kniegelenksbeweglichkeit und eine verbesserte Gesamtfunktion zu verzeichnen. Die Prothesenstandzeiten nach 5, 10 sowie 20 Jahren betrugen jeweils 79 % für minimal-invasiv verlängerbare Stanmore-Prothesen und 85 % nach 5 sowie 70 % nach 10 Jahren für nichtinvasiv verlängerbare Wachstumsprothesen der Firma Stanmore.

Schließlich wurde in der Arbeit von Gilg et al. die Anwendung der verlängerbaren Prothesen bei Revisionsoperationen mit massiver Beinlängendiskrepanz bei 21 Patienten und einem durchschnittlichen Alter von 20 Jahren (10–41) analysiert [9]. Bei einer Nachuntersuchungszeit von 70 Monaten (17–128) wurde eine durchschnittliche Verlängerung von 51 mm (5–140) erzielt und eine Prothesenstandzeit von 75 % nach 2 Jahren und 55 % nach 5 Jahren beschrieben.

Mit der Kostenanalyse beschäftigt sich schließlich die Arbeit von Henderson et al. und vergleicht 17 Patienten, die mit einer minimal-invasiv verlängerbaren Prothese und 8 Patienten, die mit einer nichtinvasiv verlängerbaren Prothese versorgt wurden [13]. Unter Zugrundelegung US-amerikanischer Verhältnisse schließen die Autoren, dass nichtinvasiv verlängerbare Prothesen trotz höherer Initialkosten aufgrund fehlender Verlängerungseingriffe günstiger abschneiden als minimal-invasiv verlängerbare Prothesen.

Abschließend muss festgehalten werden, dass trotz intensiver Recherche keine Publikationen über die verlängerbare Prothese von Mutars mit größeren Fallzahlen gefunden werden konnte.

Fazit für die Praxis

  • Wachstumsprothesen stellen eine bewährte Methode und Alternative zu ablativen Verfahren wie Amputation und Umkehrplastik bei der Behandlung von Sarkomen im Kindes- und Jugendalter dar.

  • Das über einen langen Zeitraum zu beobachtende hohe Infektionsrisiko bedarf einer ausführlichen Erörterung im Rahmen des Aufklärungsgespräches.

  • Aufgrund der vielfältigen Komplikationsmöglichkeiten sollte zur Reduktion der Reoperationsfrequenz diese Versorgung nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.