Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen sind für den Fortschritt in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung von immenser Bedeutung. Die damit einhergehenden direkten Kosten können gerechtfertigt sein.

So bewertete der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Einsatz des Wirkstoffs Sofosbuvir (ca. 700 €/Tablette, 12-wöchige Behandlung ca. 60.000 € in 2014, 488 €/Tablette, Behandlung 43.500 € in 2017; [9, 12]) bei akuter und chronischer Hepatitis C als positiv [6, 20] im Hinblick auf die Verkürzung der Therapiedauer und Vermeidung von Nebenwirkungen [7]. Die interventionelle Radiofrequenzobliteration zur Behandlung der Varikose verkürzt die postoperative Arbeitsunfähigkeit (AU) auf wenige Tage [13]. Eine detaillierte Kosten-Nutzen-Evaluation des Langzeitverlaufs unterschiedlicher interventioneller Verfahren zur Behandlung von Venenerkrankungen durch den G‑BA steht noch aus [18].

In der vorliegenden Arbeit wurde solchen medizinökonomischen Aspekten anhand prospektiv randomisiert erhobener Daten nachgegangen. Beispielhaft geht es dabei um die operative Therapie des lumbalen Bandscheibenvorfalls und die Frage, ob eine neu eingeführte Technik (Beispiel Anulusverschlussimplantat) im Rahmen der Standardoperation zu einer verbesserten Versorgungsqualität und einer erhöhten Patientensicherheit führen kann, die auch ökonomischen Aspekten Rechnung trägt.

Methoden

Medizinisches Studiendesign

Die Daten der 10 teilnehmenden deutschen Zentren einer multizentrischen randomisierten Studie (ClinicalTrials.gov, NCT 01283438) wurden über den Zeitraum von 2 Jahren analysiert. In jedem Zentrum lag ein positives Ethikvotum vor. Zwei operative Verfahren, die limitierte Nukleotomie (hierbei wird nur der Vorfall und möglichst kein intradiskales Gewebe entfernt) mit und ohne Insertion eines neuartigen Implantats, eines Anulusverschlussimplantats („annular closure device“, ACD, Barricaid®, Intrinsic Therapeutics, Woburn/MA, USA), wurden hinsichtlich des klinischen und radiologischen postoperativen Outcomes einander gegenübergestellt. In die Studie eingeschlossen wurden 243 Patienten (Kontrollgruppe: 115, ACD-Gruppe: 128) zwischen 21 und 75 Jahren (im Durchschnitt 43 Jahre ohne signifikanten Unterschied in den Gruppen) mit einer therapierefraktären Radikulopathie über 6 Wochen aufgrund eines lumbalen Bandscheibenvorfalls. Die Patienten mussten klinisch u. a. folgende Einschlusskriterien erfüllen:

  • Oswestry Disability Index ≥40 von100

  • Schmerzstärke nach visueller Analogskala von ≥40/100 im Bein

  • Bestätigung der diskogenen Herniation in der T1- und T2- gewichteten Magnetresonanztomographie (MRT)

  • Mindesthöhe der Bandscheibe von 5 mm

Zu den häufigsten Ausschlusskriterien zählten die Spondylolisthesis (Meyerding Grad I), Voroperationen im gleichen Segment, schwere Degenerationen der Wirbelkörper, eine vorbestehende Skoliose mit einem Cobb-Winkel von > 10° und eine vorliegende Schwangerschaft. Weitere Details dieses Studienprotokolls wurden bereits veröffentlicht [11].

Follow-up

Die Nachkontrollen erfolgten 6 Wochen sowie 3, 6, 12 und 24 Monate postoperativ.

Medizinökonomische Betrachtung

Für diese Analyse wurden nur die in den deutschen Zentren erhobenen Patientendaten zugrunde gelegt, da für alle Studienteilnehmer vergleichbare medizinökonomische Rahmenbedingungen vorlagen.

Untersucht wurde, inwieweit die mit dem ACD versorgten Patienten medizinökonomische Vorteile im Vergleich zu den standardmäßig Versorgten (Nukleotomie ohne ACD) aufwiesen.

Dazu wurden folgende Faktoren in die Betrachtung einbezogen:

  • Direkte Kosten

    • Kosten für die Erstoperation

    • Kosten für Rezidivoperationen

    • Kosten für konservative Behandlungen bei Patienten mit symptomatischen Rezidiven, bei denen keine erneute Operation durchgeführt wurde

  • Indirekte Kosten

    • Mit der AU korrelierende Kosten

      Die AU-Zeiten wurden zum Zeitpunkt des Kontrolluntersuchungstermins (6 Wochen, 3, 6, 12 und 24 Monate) von den Studienteilnehmern angeben. Die sich aus der Auswertung der Studienprotokolle ergebenden AU-Intervalle bildeten die Basis für die Ableitung der indirekten Kosten.

Für die beiden Patientenkollektive erfolgte eine Zuordnung der jeweiligen DRG der Erst- und Rezidivoperationen auf Basis der in den Operationsberichten dokumentierten OPS- und ICD-Codes durch zwei unabhängige Experten mit einem Übereinstimmungsgrad von 94,5 %. Die abweichende Einschätzung wurde in einer abschließenden Konsensusrunde eindeutig zugeordnet.

Die Modellierung der Behandlungskosten wurde in 4 Schritten vollzogen (Details unter Infobox 1):

  • Kosten für die Erstoperation (128 Patienten mit ACD-Implantation, 115 Patienten mit Standardoperation)

  • Zahl der Rezidivoperationen innerhalb von 2 Jahren nach dem Ersteingriff

  • Ambulante Behandlungskosten bei Patienten mit Rezidiven, die nicht operativ versorgt wurden

  • Krankengeldzahlungen ab dem 43. Tag der Krankschreibung

Infobox 1 Ausführliche Darstellung der Verfahrensschritte der Modellierung der Behandlungskosten

  1. 1.

    Kostenbestimmung für die Erstoperation (128 Patienten mit ACD-Implantation, 115 Patienten mit Standardoperation) anhand der zugeordneten DRGs auf Basis des Jahres 2016. (Modulation der Kontrollgruppe auf 128 Patienten, um eine vergleichbare Grundgesamtheit zu erhalten, Tab. 1).

    Bezüglich der Kostenermittlung für die Erst- und eine mögliche Rezidivoperation wurde aufgrund fehlender Daten die jeweilige aggregierte DRG-Vergütung (Bundesbasisfallwert 2016: 3.311,98 €) verwendet.

  2. 2.

    Um adäquat die Kosten für die Rezidivoperationen, die innerhalb des untersuchten 2‑Jahres-Zeitraums durchgeführt wurden, abbilden zu können, wurde analog zu Schritt 1 ebenfalls die Zahl der Revisionsoperationen der Kontrollgruppe moduliert (von 31 auf 34,5, vgl. Ergebnisse Abb. 1).

  3. 3.

    Die Einbeziehung der Behandlungsaufwendungen der ambulant konservativ behandelten Patienten mit symptomatischen Rezidiven (Verumkollektiv: 4 Patienten mit ACD, Kontrollgruppe: 10 Patienten mit Standardversorgung) erfolgte auf Basis der medizinökonomischen Daten nach Becker et al. [2], da innerhalb dieses Studiendesigns keine medizinökonomischen Daten für die ambulante Behandlung evaluiert wurden.

  4. 4.

    Neben den direkten Behandlungskosten wurde das mit den AU-Tagen korrespondierende Krankengeld der in diese Studie einbezogenen Patienten als indirekte Kosten ermittelt. Dieses für die gesetzlichen Krankenkassen anfallende Krankengeld wird ab dem 43. Tag der Krankschreibung fällig. Die Cut-off-Wert für die Einbeziehung der Krankengeldanalyse lagen zwischen dem 43. Tag und dem 547. Tag der AU-Zeit, da i. d. R. diese Patienten zum 1. Zeitpunkt krankengeldberechtigt sind und ab dem 2. Zeitpunkt in die „Arbeitsunfähigkeitsrente“ eingesteuert werden.

Tab. 1 Kosten der Erstoperation (Op.)
Abb. 1
figure 1

Kosten der Rezidivoperationen (Re-Op.) für beide Patientenkollektive. ACD „annular closure device“, RG Relativgewicht, OPS Operationen- und Prozedurenschlüssel, DRG „diagnosis-related group“

Ergebnisse

Klinische Ergebnisse

Die Follow-up-Quoten über 24 Monate lagen mit 93 % (119/128) in der ACD-Gruppe und 87 % (100/115) in der Kontrollgruppe sehr hoch.

Symptomatische Rezidivvorfälle im Indexsegment wurden wie folgt diagnostiziert:

  • MRT-Nachweis, verbunden mit den dazu passenden klinischen Untersuchungsbefunden im Sinne einer radikulären Schmerzsymptomatik und/oder neurologischer Ausfallerscheinungen

  • Intraoperativ während der Revisionsoperation

Mit einem Anteil von 7,0 % an symptomatischen Rezidivvorfällen (9/128) lässt sich ein hochsignifikanter (p < 0,001) Unterschied zwischen der ACD-Gruppe und der Kontrollgruppe mit 24,3 % (28/115) feststellen. Dabei wurden in der ACD-Gruppe signifikant (p = 0,001) weniger Operationen im Indexsegment durchgeführt (7/128, 5,5 %) als in der Kontrollgruppe (22/115, 19,1 %). Betrachten wir ergänzend die Operationen aufgrund eines aufgetretenen Rezidivvorfalls, zeigt sich mit gleichem Signifikanzniveau (p = 0,001) ein Vorteil in der ACD-Gruppe (4/128, 3,1 %) verglichen mit 18/115 (15,7 %).

Direkte Kosten

Für die ACD-Implantation wurden der Bundesbasisfallwert 2016 und die DRG I10C mit einem Relativgewicht (RG) von 1,606 für die medizinökonomische Modellierung genutzt. Im Ergebnis ergaben sich Gesamtkosten von 680.837,10 € für die ACD-Gruppe und diese lagen mit 153.887,83 € höher als die Behandlungskosten (DRG I10F, RG 1,243) in der Kontrollgruppe.

Den Eingriffen infolge eingetretener Rezidive lagen differenzierte operative Versorgungsformen zugrunde, die DRGs mit unterschiedlicher Fallschwere auslösten (Details in Abb. 1). Insgesamt zeigten sich für die ACD-Gruppe um 105.114,18 € niedrigere Behandlungskosten gegenüber der Kontrollgruppe aufgrund einer deutlich geringeren Anzahl an Folgeoperationen (31 vs. 8 Operationen, p = 0,001). In mehr als der Hälfte aller Fälle musste in der Kontrollgruppe eine erneute Diskektomie durchgeführt werden (61 %, 19 Fälle).

Kosten für die konservative Behandlung

Die klinischen Verlaufsdaten der konservativ behandelten Rezidivpatienten wurden nicht erfasst. Daher wurde ein verifizierbares, auswertbares Therapieprogramm für diese Gruppe definiert. Hierzu mussten wir uns bei kaum verfügbaren Daten auf das Kostenmodell von Becker et al. [2] stützen: Die Autoren ermittelten in einer clusterrandomisierten Studie 1322 Rückenschmerzpatienten mit evidenzbasierter konservativer Versorgung eine Ausgangskostenbasis von durchschnittlich 557,11 € pro Patient mit lumbalem Rückenschmerz. In unserer Kontrollgruppe befanden sich 10 Patienten und in der ACD-Gruppe 4 Patienten, die nach symptomatischen Rezidiven eine konservative Behandlung erhielten. Dies führte zu Behandlungskosten von 5571,30 € in der Kontrollgruppe gegenüber 2228,52 € in der ACD-Gruppe, was einem Behandlungskostenvorteil in Höhe von 3342,78 € für die ACD-Gruppe entspricht.

Fazit.

In der Betrachtung der Behandlungskosten für die operative Versorgung (Erst- und Rezidivoperation) über einen Zeitraum von 2 Jahren fällt auf, dass die Behandlungskosten der Patienten mit einem ACD 48.773,66 € über denen der Kontrollgruppe lagen (−153.887,84 € + 105.114,18 € = 48.773,66 €). Unter Einbeziehung des Kostenvorteils aus der konservativen Therapie mit 3342,78 € ist die Versorgung der Patienten mit einem ACD gegenüber der Standardversorgung zunächst um 45.430,78 € kostenintensiver. Es muss aber berücksichtigt werden, dass die ACD-Therapie zu niedrigeren Rezidivraten führte. Dies werten wir als Hinweis auf eine Therapieüberlegenheit in der Primärversorgung.

Indirekte Kosten

Indirekte Kosten bedingt durch Arbeitsunfähigkeit

Der Berechnung der indirekten Kosten beider Patientenkollektive wurden die AU-Tage und die damit korrespondierenden Krankengeldzahlungen zugrunde gelegt. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Lohnfortzahlungen (≤42 Fehltage) sowie Langzeitkranke (≥547 Tage). Der jeweilige Tag der Kontrolluntersuchung galt als Endpunkt, da in diesen Fällen die Krankengeldregelung für die Kostenträger nicht zum Tragen kommen. Die Angaben der AU-Zeiten basierten auf Patientenangaben innerhalb des Beobachtungszeitraums von 2 Jahren.

Für die Kalkulation des Krankentagegeldaufwands wurde das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen 2016 berechnet: 2775 € [8]. Daraus ergibt sich ein Krankentagegeld in Höhe von 61,61 € pro Tag [16]. Die indirekten behandlungsrelevanten Krankengeldaufwendungen errechnen sich aus dem Produkt der ermittelten studienpatientenindividuellen AU-Tage und dem durchschnittlich angesetzten Krankentagegeld pro Tag (Infobox 2).

Auf dieser Basis lassen sich für die operativ versorgten Patienten der Kontrollgruppe Krankengeldzahlungen in Höhe von 137.020,64 € im Vergleich zu 34.563,21 € in der ACD-Gruppe ermitteln. Der modellierte Aufwand für die Krankengeldzahlungen der Kontrollgruppe lag somit um 102.457,43 € über denen der ACD-Gruppe im Studienzeitraum von 2 Jahren. Für die konservativ behandelten Patienten der Kontrollgruppe führten diese Berechnungen zu einem um 40.539,38 € höheren Krankengeldaufwand im Vergleich zu dem für die Patienten der ACD-Gruppe (80.339,44 € Kontrollgruppe vs. 39.800,06 € ACD-Gruppe). Somit ergibt sich ein um 142.996,81 € erhöhter modellierter Krankengeldaufwand für die Kostenträger in der Kontrollgruppe.

Infobox 2 Differenziertes Modell zur Berechnung des Krankentagegeldes (Sensivitätsanalyse)

Lag zum Kontrolltermin beim Patienten eine Unterbrechung der Krankschreibung gegenüber der letzten Untersuchung vor, wurde für das betreffende Intervall zwischen 2 Untersuchungen nur 50 % der Zeitspanne zum Ansatz gebracht, da keine genaueren Angaben vorlagen, ob der Patient erst zum Kontrolltermin wieder arbeitsfähig war oder seine Tätigkeit bereits vor der Kontrolluntersuchung aufgenommen hatte.

Dieser differenzierte Ansatz führte bei einem Betrachtungszeitraum von 2 Jahren zu Krankengeldzahlungen in Höhe von 141.579,78 € für die operativ behandelten Patienten der Kontrollgruppe im Vergleich zu 25.752,98 € für die der ACD-Gruppe. Die Ausgaben für das Krankengeld der Kontrollgruppe lagen mit 115.826,80 € über denen der ACD-Gruppe. Für die konservativ behandelten Patienten führten die Berechnungen zu einem 23.165,36 € höheren Krankengeld gegenüber der ACD-Gruppe (Kontrollgruppe 77.074,11 € vs. ACD-Gruppe 53.908,75 €). In der Summe entstanden bei einem Betrachtungszeitraum von 2 Jahren 138.992,16 € höhere indirekte Kosten für die Kontrollgruppe gegenüber der ACD-Gruppe, was einer Abweichung von 2,8 % bei einer ermittelten Krankengelddifferenz von 4.004,65 € bzw. 65 Tagen gegenüber der endpunktbezogenen Rechnung entspricht.

Medizinökonomische Gesamtbetrachtung

Die auf die operative Methode bezogenen Behandlungskosten bei der ACD-Implantation ergeben zunächst höhere Kosten von 45.430,78 €. Fließen aus der erweiterten Analyse die indirekten Kosten mit ein, ergibt sich ein modellierter Krankengeldvorteil in Höhe von € 138.992,16 zugunsten der ACD-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Unter Berücksichtigung der direkten und indirekten Kosten zeigt sich ein medizinökonomischer Vorteil für den hier einbezogenen 2‑jährigen Studienzeitraum in Höhe von 93.561,28 € zugunsten der ACD-Patienten. Gleichzeitig lässt sich in der Teilstichprobe der ACD-Patienten eine signifikante reduzierte Rezidivhäufigkeit abbilden, was im Sinn einer erhöhten Patientensicherheit zu werten ist.

Dieses Ergebnis sehen wir als Hinweis auf eine Therapieüberlegenheit des innovativen ACD-Verfahrens in der Primärversorgung.

Diskussion

Therapeutische Neuerungen in der Medizin sind häufig zu Beginn ihrer Implementierung mit höheren Kosten verbunden [5, 7, 13, 19]. Insbesondere stehen die direkten Kosten des neuen Implantats bzw. Medikaments im Vordergrund. Zu betrachten sind aber letzten Endes v. a. die indirekten Kosten, die beispielweise durch eine verlängerte Nachbehandlung oder ausgedehnte AU-Zeiten verursacht werden, um einen möglichen Gesamtvorteil der neu eingeführten Behandlungsmethode erkennen zu lassen.

Vergleichbare Daten in der nationalen und internationalen Literatur hinsichtlich operativer Verfahren zur Vermeidung von lumbalen Bandscheibenrezidivvorfällen durch Anulusverschlusstechniken liegen bis heute nicht vor. Insofern ist der Vergleich der hier dargestellten Ergebnisse durchaus problematisch. Ferner wird dabei zum einen die operative mit der konservativen Therapie hinsichtlich der Kostenvorteile betrachtet. Allerdings konnten wir in der vorliegenden Arbeit zwei homogene Studiengruppen hinsichtlich der gleichen Behandlungsmethode (operatives Verfahren) vergleichen, die sich lediglich in einem Detail (ACD-Implantation) unterschieden. Somit lassen sich signifikante Unterschiede im Outcome der Gruppen auch auf dieses Detail und die entsprechenden Kosten zurückführen. Eine Herausforderung liegt darin, dass in eine medizinökonomische Analyse kein makroökonomischer Ansatz (z. B. Produktivitätsausfall) in Deutschland mit einbezogen wird. Dies haben wir in der vorliegenden Datenanalyse der prospektiven kontrollierten randomisierten Studie berücksichtigt.

Ferner ist limitierend anzufügen, dass die realen Implantatkosten im zugrunde liegenden Betrachtungszeitraum 2016 noch nicht vollumfänglich im Erlössystem des G‑DRG abgebildet wurden. Dieses basiert auf der Kostenkalkulation des Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, die sich systemimmanent erst zeitverzögert der realen Situation angleicht.

Im Folgenden werden einzelne Aspekte zusammengefasst.

Geringere Anzahl an Rezidiven

Mit einer Rate von 10–27 % stellt der Rezidivbandscheibenvorfall ein nicht zu unterschätzendes Risiko nach Diskektomie [3, 22] dar. Bei einem Rezidiveingriff ist aufgrund der Vernarbungen mit vermehrten Komplikationen, z. B. Infektionen, Austreten von Zerebrospinalflüssigkeit oder Duraeinrissen, zu rechnen [24].

Die analysierten klinischen Studienergebnisse zeigen symptomatische Rezidivvorfälle in der ACD-Gruppe mit 7,0 % (9/128), ein hochsignifikant (p < 0,001) geringeres Auftreten verglichen mit der Kontrollgruppe (24,3 %, 28/115). Davon mussten sich lediglich 7/128 (5,5 %) der ACD-Patienten einer Rezidivoperation im Indexsegment gegenüber 22/115 (19,1 %) der Kontrollgruppenpatienten unterziehen. Die Rate von 24,3 % (28/115) entspricht der, die aus der nationalen und internationalen Literatur zu entnehmen ist [3, 22].

Verringerung des Risikos einer Folgeoperation

Patienten mit einer Revisionsoperation nach einer lumbalen Diskektomie hatten ein kumulatives Risiko von 25,1 % für eine weitere spinale Operation in einem 10-Jahres-Follow-up [17].

Jeder operative Eingriff birgt ein Risikopotenzial [14, 23]. Nach einer Übersichtsarbeit von Gottschalk et al. [10] liegen die perioperativen Komplikationsraten in Industrienationen bei 3–16 % mit bleibenden Schäden aller Fälle. Bei Patienten ohne relevante Systemerkrankungen gehen die Autoren von einer anästhesieassoziierte Mortalität von 0,4/100.000 aus.

Schiff et al. [21] weisen auf eine Mortalitätsrate bei Patienten mit einer nichtkardiologischen Operation von 0,5–1,0 % innerhalb der ersten 48 h bzw. von bis zu 4 % 7 Tage postoperativ hin. Nicht zu unterschätzen ist zudem das Risiko der Schmerzchronifizierung, das nach Folgeeingriffen deutlich erhöht ist [1].

Verkürzung der krankheitsbedingten Ausfallzeiten für den Patienten

Neben einem geringeren Rezidivrisiko kann der mit ACD versorgte Patient schneller in seinen (Berufs‑)Alltag zurückkehren. Dies ist ein wichtiger Faktor, der sich in dem hier diskutierten Modell über die geringeren Krankentagegeldzahlungen in der ACD-Gruppe (142.996,81 € geringere modellierte Krankengeldaufwendungen in der ACD-Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe) abbildet.

Kritisch betrachtet ist die Methode der ACD-Implantation bei lumbalem Bandscheibenvorfall um einen nicht zu unterschätzenden Betrag kostenintensiver. Unter dem Aspekt Patientensicherheit sollte der Mehraufwand an direkten Kosten in der Erstversorgung unbedingt in den Hintergrund rücken. Die Patientenklientel, um die es sich hier handelt, steht mitten im Arbeitsprozess. Das Ziel sollte sein, die Patienten so rasch wie möglich wieder in diesen einzugliedern. Studien belegen, dass je länger die AU-Zeit andauert, das Risiko der Berentung steigt und die Chancen des Wiedereinstiegs in das Arbeitsleben sinken [4, 15].

Schlussfolgerungen

Mit der vorliegenden Arbeit konnte nachgewiesen werden, dass trotz eines höheren Kostenaufwands in der Primärversorgung die operative Therapie des lumbalen Bandscheibenvorfalls mittels ACD-Technik in der untersuchten Patientengruppe zu einer erhöhten Patientensicherheit und über den Untersuchungszeitraum von 2 Jahren zu einer verbesserten Versorgungsqualität führt.

Im Zeitalter eines fortwährenden Ressourcenmanagements aller beteiligten Stakeholder in der Patientenversorgung sollte die Einführung innovativer Behandlungsverfahren nicht nur unter kurzfristigen medizinökonomischen Perspektiven, sondern ergänzend um die erwähnten mittel- bis langfristigen Perspektiven einer verbesserten Versorgungsqualität und Patientensicherheit betrachtet werden.