Grundsätzliche Überlegung

Anders als etwa in der Kniegelenkendoprothetik stehen dem Operateur in der Hüftendoprothetik mehrere gleichermaßen gut belegte Zugänge zur Auswahl. Dies gilt unabhängig vom Alter des Patienten. Grundsätzlich werden die Zugänge nach ihrer Lokalisation unterschieden, wobei die Zugänge eng mit der Lagerung des Patienten verbunden sind:

  • dorsaler Zugang: Seitenlage [1],

  • direkt lateraler, transglutealer Zugang (Bauer): Seitenlage/Rückenlage [2],

  • anterolateraler Zugang (Watson Jones): Seitenlage/Rückenlage [3],

  • direkt anteriorer Zugang (DAA): Rückenlage [4].

Technisch operativ sind die Unterschiede zwischen diesen Zugängen klar ersichtlich. Wesentlich schwieriger ist die Beurteilung der Bedeutung der Zugangswahl für das Operationsergebnis, das Patienten-Outcome. Es gibt in der Literatur eine große Anzahl von Studien, die Unterschiede zwischen den Zugängen untersuchen [57]. Es gibt allerdings keinen Konsens darüber, dass einer dieser Zugänge der Goldstandard der Hüftendoprothetik wäre. Alle beschriebenen Zugänge in zahlreichen Varianten finden weltweit in der Hüftendoprothetik Verwendung.

Bei einer einfachen Literaturrecherche im Juli 2016 ergab die Suche nach „THA Approach“ auf PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=tha+approach) 710 Treffer; 99 Artikel stammen dabei aus dem Jahr 2016. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Diskussion um Vor- und Nachteile verschiedener Zugänge in der Hüftendoprothetik breit diskutiert wird. Die Bandbreite der Artikel reicht dabei von Vergleichen einzelner Zugänge miteinander im Hinblick auf Operationsergebnisse bis zu technischen oder anatomischen Details eines speziellen Zugangs.

Ein wesentliches Thema der aktuellen Diskussion ist jenes über die Bedeutung von minimalinvasiven Zugängen im Vergleich zu klassischen Zugangsvarianten. Eine entsprechende Suche in PubMed mit den Stichworten „THA minimally invasive“ (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=tha+minimally+invasive) ergab 220 Treffer mit Arbeiten zu diesem Thema; 14 Arbeiten waren im Jahr 2016 publiziert. Auch dieses Thema ist aktuell und wird breit diskutiert.

Invasivität

Neuere Zugangswege werden häufig als minimalinvasiv beschrieben. Gemeint ist hier das Ausmaß des Muskeltraumas, da die Invasivität im Hinblick auf das Gelenk, also dessen Entfernung und Ersatz durch ein Kunstgelenk, bei allen Zugängen gleich ist.

Jeder operative Eingriff führt zwangsläufig zu einer zugangsbedingten Gewebeschädigung, dem Zugangsschaden. Ziel der „Minimalinvasivität“ ist, diesen so klein wie möglich zu halten, ohne das Operationsergebnis negativ zu beeinflussen. Die Frage, was nun weniger invasiv ist, wird breit diskutiert und ist nicht vollständig entschieden, hängt sie doch, wie im Abschnitt über die Zugangswahl ausgeführt, auch von der Umsetzung eines Zugang im Hinblick auf Erfahrung, operationstechnische Kompetenz sowie verwendete Implantate und Instrumente ab. Grundsätzlich ist das Ziel, den Schaden, der durch die Operation und den gewählten Zugang besteht, möglichst gering zu halten, eines, das akzeptiert wird. Als Schaden im Bereich des Hüftgelenkes sind v. a. Schädigungen der Muskulatur zu betrachten.

Aus anatomischen Gründen sind 2 Zugänge zum Hüftgelenk streng intermuskulär. Der DAA und der anterolaterale Zugang verwenden jeweils ein Intervall zwischen Muskeln. Der dorsale (D) und der laterale transgluteale Zugang erfordern jeweils das Spalten bzw. Ablösen von Muskeln und Muskelgruppen. In Abb. 1 sind die anatomischen Portale, über die das Hüftgelenk erreicht werden kann, dargestellt:

Abb. 1
figure 1

Chirurgische Portale zum Hüftgelenk. DAA direkt anteriorer Zugang, TFL Tensor fasciae latae, Glut. Med. Glutaeus medius

  • dorsaler Zugang:

    • Spaltung des M. glutaeus maximus,

    • Ablösen der kurzen Außenrotatoren (M. obturatorius internus, M. gemellus superior/gemellus inferior);

  • lateraler, transglutealer Zugang:

    • Spaltung und Ablösung des M. glutaeus medius,

    • Spaltung und Ablösung des M. vastus lateralis als Bestandteil des M. quadriceps femoris;

  • anterolateraler Zugang:

    • Intervall zwischen M. tensor fasciae latae und M. glutaeus medius;

  • direkt anteriorer Zugang:

    • Intervall zwischen M. sartorius und M. rectus femoris (medial) und M. tensor fasciae latae lateral.

Die Tab. 1 zeigt die relevanten Muskeln mit ihrer Funktion.

Tab. 1 Hüftgelenkmuskeln und ihre Funktion

Diese Muskeln werden in unterschiedlicher Weise bei den verschiedenen Zugängen tangiert. Einerseits kann eine Muskelschädigung direkt durch den operativen Zugang selbst erfolgen, wenn dieser die Durchtrennung, Ablösung oder Spaltung des Muskels notwendig macht. Andererseits ist die Muskulatur auch durch die Manipulationen während der Operation gefährdet. Rotierende Fräsen, Raspeln oder Retraktoren stellen eine mechanische Belastung für das Weichteilgewebe dar. In Tab. 2 sind die Zugänge den verschiedenen Muskelgruppen zugeordnet, die durch den Zugang tangiert werden können. Aus unserer Sicht ist der DAA besonders geeignet, die Abduktoren des Hüftgelenkes zu schonen.

Tab. 2 Potenziell vom operativen Zugangsweg betroffene Muskelgruppen

Gerade beim alten Menschen ist das Gehen eine der entscheidendsten Funktionen und Voraussetzung für deren Mobilität im Alltag. Der Flexion/Extension und Abduktion kommt hier wohl die wichtigste Bedeutung zu. Muskuläre oder neurogene Störungen der Extension oder Flexion als Folgen von Hüftendoprothesenoperationen treten vergleichsweise selten auf. Iatrogene Störungen des Gangmechanismus betreffen am häufigsten die Abduktion. Hauptmuskeln sind hier M. glutaeus medius und minimus. Eine Schädigung kann durch eine direkte Zerstörung von Muskelgewebe erfolgen. Ebenso kann die Funktion durch eine Zerstörung der Knochenansätze dieser Muskeln auftreten, wenn etwa größere Knochendefekte oder Frakturen an der Spitze (Glutaeus minimus [G-min]) und/oder am lateralen Aspekt des Trochanter major (Glutaeus medius [G-med]) entstehen. Beide Muskeln werden vom N. glutaeus superior innerviert. Eine Schädigung dieses Nervs resultiert in einer Parese der Abduktoren.

Eine Schädigung der Abduktionsfunktion führt zu einer glutealen Insuffizienz. Im Gangzyklus ist es Aufgabe der Abduktoren, das Becken in der Phase des Einbeinstandes stabil zu halten, um ein Vorschwingen des kontralateralen Beines zu ermöglichen. Ist diese Funktion gestört, ist der Patient nicht mehr in der Lage, das Becken im Einbeinstand zu stabilisieren, Das Becken kippt ab, der Patient zeigt ein positives Trendellenburg-Zeichen.

Eine Glutealinsuffizienz bedeutet für den älteren Patienten eine massive Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und macht häufig ein freies Gehen ohne Gehhilfe unmöglich. Darüber hinaus ist die Gehstrecke massiv reduziert [8].

Eine orthetische Verbesserung der Situation ist nicht möglich. Bei rein mechanischen Schädigungen der Muskulatur kann chirurgisch eine Refixation der Muskelansätze versucht werden. Im Hinblick auf die Schwere der Beeinträchtigung sollte dies so früh wie möglich versucht werden, wenn der Ansatz des G‑med betroffen ist. Das Spektrum reicht hier von einer Muskel- bzw. Fasziennaht oder dem Versuch einer knöchernen Re-Insertion bis hin zur Osteosynthese bei Frakturen des Trochanter major (TM). Zu beachten ist hier, dass der relevantere G‑med an der Außenseite des TM ansetzt und nur bei großen Trochanterdefekten betroffen ist. Bei den häufigeren, kleinen Trochanterspitzenfrakturen ist dieser in der Regel nicht tangiert. Die Abb. 2 zeigt ein Beispiel aus der Praxis, in dem es zu einer Fraktur des TM bei einer Revisionsoperation kam. Der TM wurde mit einer Krallenplatte refixiert und in situ gehalten. Der Verlauf und Ansatz des G‑med sind farblich gekennzeichnet.

Abb. 2
figure 2

Refixierung eines abgerissenen Trochanter major mittels einer Krallenplatte. Der Ansatz des Glutaeus medius liegt lateral am Trochanter major

Nicht unbedingt bei Primäroperationen, aber in der Folge bei Revisionsoperationen kann es zu einer völligen Zerstörung oder notwendigen Entfernung des proximalen Femurs kommen. In solchen Fällen fehlt nun jeglicher Ansatz der Glutealmuskulatur am Knochen. Solche Fälle, wie in Abb. 3 dargestellt, führen unausweichlich zur glutealen Insuffizienz, da die Muskulatur nur an der lateralen Narbenplatte des Weichteilgewebes inseriert werden kann. Da diese Situation auch mit einem hohen Luxationsrisiko verbunden ist, wurde für diese Szenarien eine Dual-mobility-Pfanne mit mobilem PE-Inlay entwickelt und von uns erfolgreich angewendet (z. B. Trident MDM®, STRYKER, Mahwah, NJ, USA).

Abb. 3
figure 3

Das Röntgenbild des Hüftgelenkes zeigt ein völliges Fehlen des proximalen Femurs einschließlich des Trochanter major

Nicht direkt rekonstruierbar sind chronische Schädigungen des N. glutaeus superior und eine Parese der Glutealmuskulatur. Die denervierten Muskeln zeigen nach einiger Zeit eine vollständige fettige Atrophie. Die fettige Atrophie der Muskulatur ist in der Magnetresonanztomographie (MRT) gut darstellbar (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Bei Zustand nach Hüfttotalendoprothese zeigen sich M. glutaeus medius und minimus komplett atrophiert

Eine vollständige Rekonstruktion ist in diesen Fällen nicht möglich. Zur Verbesserung der Stabilisierung ist eine Lappenplastik eines Anteils des M. glutaeus maximus (G-max) [9] evtl. in Kombination mit einem sog. Tensor-fasciae-latae (TFL)-Lappen möglich [10]. Die Operation ist aufwendig und ausgedehnt, wobei auch nur eine Teilfunktionsverbesserung erwartet werden kann, da die beiden Muskellappen schon aufgrund ihrer Faserrichtung, Ursprünge und Ansätze rein biomechanisch nur eine Teilfunktion des ausgefallenen Abduktionssystems übernehmen können (Abb. 5). Allerdings ist die Wiedererlangung einer Teilfunktion der Abduktion für ältere Patienten oft eine große Erleichterung, da ein freies Gehen dann zumindest über kürzere Strecken möglich ist und zu Hause auf eine Gehhilfe verzichtet werden kann. Häufig sind mit Schädigungen der Glutealmuskulatur am Trochanter major massive Schmerzen verbunden. Hier kann mit einer Lappenüberdeckung nach unserer Erfahrung eine erhebliche Schmerzreduktion oder gar Schmerzfreiheit beim älteren Patienten erzielt werden, wobei häufig ein TFL-Lappen dafür ausreicht.

Abb. 5
figure 5

Kreuzlappenplastik zur Behandlung einer glutealen Insuffizienz bei Abduktorenatrophie. GM Gluteus maximus

Der verbreiterte laterale Zugang schädigt die Glutealmuskulatur zugangsbedingt direkt. Der dorsale Zugang vermeidet eine direkte Schädigung von G‑med/G-min, setzt aber zwangsläufig einen Schaden am G‑max.

Beide rein intermuskulären Zugänge (DAA und anterolateraler) setzen definitionsgemäß keinen direkten Zugangsschaden im Glutealbereich. Allerdings befindet sich im Intervall des AL zwischen Tensor fasciae latae (TFL) und G‑med etwa 4 cm proximal der Trochanterspitze ein kreuzender Ast des N. glutaeus superior, der direkt durch den Zugang gefährdet wird. Dies ist zwar nicht der Hauptast, eine Teilschädigung des Nervs kann jedoch zur Denervierung von Anteilen (anterior) des G‑min führen. In dieser Hinsicht ist der DAA überlegen. In seinem Intervall liegen keine motorischen Nervenbahnen. Der Glutaeusmuskel ist durch den Tensor fasciae latae geschützt.

Luxationen

Postoperative Luxationen der Hüftendoprothese sind bei älteren Menschen eine wichtige Komplikation, die es zu vermeiden gilt. Neben den mit der Luxation verbundenen Schmerzen ist die aus dem Luxationserlebnis resultierende Unsicherheit besonders belastend und für die Mobilisierung des alten Menschen einschränkend. Beim älteren Patienten stellt auch die Reposition des Gelenkes offen oder geschlossen in Narkose ein relevantes Risiko dar. Daher sollte in dieser Patientengruppe die Luxationssicherheit des verwendeten Verfahrens höchste Priorität haben. Neben Maßnahmen in der Auswahl des verwendeten Prothesenkonzeptes (Großkopf, „dual mobility“) [11, 12] und Implantatpositionierung (Pfanneninklination/Anteversion, Schafttorsion) sind die Zugänge mit unterschiedlichen Luxationswahrscheinlichkeiten assoziiert. Mit dem DAA ist die Erhaltung der Abduktorfunktion gut möglich und die Luxationsrate reduziert [13].

Bei älteren Patienten sollte die Luxationssicherheit höchste Priorität haben

Gracia-Rey et al. [14] haben erst kürzlich auf die Bedeutung der Abduktoren in der Luxationsprävention hingewiesen. Der DAA bietet hier eine besonders sichere Alternative und hat gegenüber dem luxationsanfälligen dorsalen Zugang massive Vorteile. Luxationen sind bei konsequenter Schonung der kurzen Außenrotatoren, der hinteren Kapsel und der Glutealmuskulatur durch den DAA eine seltene Komplikation.

Auswahl des Zugangs

Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargestellt, gibt es mehrere grundsätzliche Zugangswege zum Hüftgelenk. Diese Zugänge sind in zahlreichen Varianten und technischen Variationen beschrieben. Ebenso gibt es konventionelle und minimalinvasive Konzepte für diese Zugänge. Es liegt also am Chirurgen, den „richtigen“ Zugang für eine Endoprothesenversorgung auszuwählen. Immer dann, wenn es eine große Auswahl gibt, sind die Auswahlkriterien schwierig zu definieren, da Vor- und Nachteile, Schwierigkeiten und Herausforderungen unterschiedlich sind, sich aber teilweise auch überschneiden. Wenn auch keine eindeutigen Vorgaben aus dem derzeitigen Stand des Wissens zu machen sind, so glauben wir doch, dass es sinnvoll ist, einige grundsätzliche Überlegungen anzustellen.

Erfahrung

Wenn auch mehrere Zugänge zur gleichen Operation zur Verfügung stehen, so sollte die Auswahl doch einigen objektiven Kriterien unterliegen. Dies ist aus unserer Sicht in der Primärendoprothetik zunächst nicht alleine eine anatomisch technische Überlegung, sondern die Frage nach der Erfahrung des Operateurs. In Zeiten des Internets und gut vorinformierter Patienten ist dies nicht immer einfach zu vermitteln, da Patienten häufig mit dem dezidierten Wunsch nach einem bestimmten, besonderen Zugang – vielleicht sogar besonders beworbenen Zugang – kommen. Muskelschonende Zugänge sind bei Patienten aller Altersgruppen zu bevorzugen. Allerdings ist eine Umstellung des eigenen Standardzugangs eine Herausforderung, die nur gut vorbereitet und mit mit einer entsprechenden Lernkurve durchgeführt werden kann. Eine entsprechende Ausbildung ist hier unbedingt erforderlich, um Patienten diese Verfahren mit der nötigen Sicherheit anbieten zu können.

Instrumentarium

Zugänge, v. a. moderne minimalinvasive Zugänge, sind häufig abhängig von bestimmten, speziellen Instrumenten. Dies inkludiert in aller Regel ein komplexes Set aus allgemeinen und prothesenspezifischen Instrumenten. Hinzu kommen Retraktoren, die üblicherweise auf das Verfahren abgestimmt sind. Erfahrungsgemäß funktionieren Operationstechniken nur dann reibungslos, wenn alle abgestimmten Instrumente korrekt eingesetzt werden. Dies bedeutet, dass für ein spezielles Zugangsverfahren auch die geeigneten Instrumente vollständig zur Verfügung stehen müssen. Allerdings nicht nur für den Standardfall, sondern auch für intraoperativ eintretende Variationen oder Komplikationen. So ist etwa zum Setzen einer Bohrung in der Pfanne bei den minimalinvasiven Zugängen ein gewinkeltes Instrumentarium Grundvoraussetzung und sollte auch dann zur Verfügung stehen, wenn nicht grundsätzlich eine Verschraubung der Pfanne geplant ist, sondern dies nur in speziellen Fällen durchgeführt wird.

Über die Verfügbarkeit hinaus sollte die Anwendung des speziellen Instrumentariums auch eingeübt sein. Hierbei kommt den Herstellern eine besondere Verantwortung zu. Es sollte auch hier Erfahrung mit dem verwendeten System bestehen.

Implantatwahl

Die Wahl des Implantates richtet sich in einer idealen Welt nach der anatomisch-biomechanischen Konfiguration des Gelenkes des Patienten. In der Realität haben wir ein Set von vorausgewählten Implantatsystemen zur Verfügung. Aus diesem wird das für den vorliegenden Fall am besten geeignete System für den Patienten ausgewählt. Auch hier scheint uns die Erfahrung des Operateurs mit dem System ein wesentlicher Parameter der Auswahl zu sein. Im Hinblick auf den Zugang ist die Implantatwahl wichtig. Einerseits bestimmen Form und Größe des Implantates den benötigten Zugangs- und Präparationsweg, andererseits gehen mit der Wahl des Implantates auch Einschränkungen aufseiten der Instrumentarien einher.

Patientenspezifische Überlegungen

Es mag erstaunen, dass wir Patientenspezifisches nicht an erster Stelle in Bezug auf die Zugangswahl anführen. Wir sind uns bewusst, dass man auch argumentieren könnte, dass die Konfiguration des Patienten und die Besonderheiten den Zugang diktieren sollten. Aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung des Lehrens von Zugängen sind wir jedoch überzeugt, dass es aufwendig ist, verschiedene Zugänge gleichermaßen zu beherrschen, und lange Lernkurven beim Erlernen eines neuen Verfahrens bestehen. Insofern, sind wir der Auffassung, dass ein Operateur im Rahmen seiner größten Erfahrung agieren sollte, wann immer es möglich ist.

Der Operateur sollte den Zugang wählen, mit dem er die größte Erfahrung hat

In der Primärendoprothetik sind auch in der Literatur alle Zugänge zum Hüftgelenk gut belegt. Insofern ist jeder Zugang anwendbar. Allerdings gibt es spezielle Situationen, welche die Zugangswahl beeinflussen können:

  • Marknägel, die entfernt werden müssen und lateral eingebracht wurden,

  • Platten am Femur, die weiter distal liegen und über einen lateralen Zugang entfernt werden müssen,

  • dorsale Verplattungen des Azetabulums, die nicht belassen werden können, da etwa die Schrauben weit in das Azetabulum hineinragen,

  • intramedulläre Verknöcherungen nach Umstellungsosteotomien, die das Auffräßen mit langen, geraden Instrumentarien erfordern,

  • Hautläsionen, die im Zugangsgebiet liegen,

  • Tattoos, die der Patient erhalten möchte und die im Zugangsgebiet liegen.

Muskelschonung

Es gibt heute keinen Grund mehr, ausgedehnte Zugänge zum Hüftgelenk anzuwenden. Minimalinvasive oder – besser –, „muskelschonende“ Verfahren sind mittlerweile grundsätzlich etabliert. Diese Zugänge werden gelehrt und in vielen Zentren erfolgreich angewandt. Gerade ältere Patienten profitieren von der Reduktion des Zugangsschadens und der mittlerweile gut belegten rascheren Rehabilitation. Aus unserer Sicht ist der DAA ein besonders schonender Zugang.

Operationszeit

Die Operationszeitangaben in der Literatur für eine primäre Hüftendoprothese schwanken in Abhängigkeit von Komplexität des Falles, Verfahren und operativer Erfahrung. Die Operationsdauer ist ein relevanter Parameter im Hinblick auf perioperative Parameter wie Blutverlust und Infektionsgefahr – Parameter, die beim älteren Menschen besonders bedeutsam sind. Im Rahmen einer eigenen Studie aus dem Jahr 2005, am Beginn unserer Erfahrung mit dem DAA, zeigte sich einerseits, dass es bei gleichen Operateuren zwar keine Unterschiede in der mittleren Operationsdauer zwischen einzelnen Verfahren gab, es konnte aber nachgewiesen werden, dass die Operationsdauer während des Studienzeitraums bei den gleichen Operateuren durch fortgesetztes Üben reduziert werden konnte (Tab. 3).

Tab. 3 Mittelwert der Operationsdauer in Minuten über 2 Operateure: Vergleich direkt anteriorer Zugang (DAA) – Bauer-Zugang (2004/2005)

Die oben genannten Daten sind über 10 Jahre alt. Der DAA wurde bei uns 2002 eingeführt, diese Studie wurde 2 Jahre nach Einführung des direkten anterioren Zugangs bei uns begonnen. Aktuell lag die durchschnittliche Operationsdauer der letzten 200 konsekutiven primären Hüftendoprothesen eines der Autoren (MN) bei 55 min (Min 22, Max 133 – mithin eine Stabilisierung der Operationsdauer deutlich unter 1 h). Gerade beim älteren Menschen ist es wichtig, die Belastung durch die Operation – und hier ist die Dauer der Narkose ein wesentlicher Aspekt – gering zu halten.

Erweiterbarkeit

Eine wesentliche Frage in der Wahl eines Zugangs ist die nach der Erweiterbarkeit. Grundsätzlich sind alle Zugänge erweiterbar – sowohl proximal hin zum Becken als auch distal entlang des Oberschenkels. Wir haben diese kürzlich auch im Hinblick auf den DAA gezeigt, der wie die anderen Zugänge auch für komplexe Erweiterungen in beide Richtungen eingesetzt werden kann [15]. Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich jedoch aus der Lagerung des Patienten. In Rückenlage sind Becken und Hüfte von dorsal nicht erreichbar. Eine Erweiterung des Zugangs ist ohne Umlagerung nicht möglich.

Schlussfolgerung

Es gibt eine große Anzahl von Zugangswegen und -techniken für die Prothesenversorgung des Hüftgelenkes. Der ältere Mensch benötigt eine sichere Operation mit minimalem Muskeltrauma, eine rasche Rehabilitation und ein geringes Luxationsrisiko. Minimalinvasive Zugänge, insbesondere der DAA, sind neben der Auswahl des Implantatsystems wesentliche Faktoren für das Umsetzen dieser Forderungen.

Infobox Operationsvideos zum Thema

(Registrierung erforderlich!)

Allgemein: https://www.vumedi.com

Direkt anteriorer Zugang (DAA): https://www.vumedi.com/video/direct-anterior-approach-total-hip-arthroplasty/

Crossflap: https://www.vumedi.com/video/cross-flap-technique-for-the-treatment-of-gluteal-insufficiency/

Fazit für die Praxis

  • Schonung der Weichteilstrukturen ist für den älteren Patienten besonders wichtig.

  • Schädigungen der Glutealmuskulatur führen zu massiven Problemen in der Rehabilitation, schränken die Gehfähigkeit bis hin zu ihrem Verlust massiv ein.

  • Wenn die Glutealinsuffizienz auf Abrissen der Knochenansätze der Muskulatur beruht, sollte eine chirurgische Revision rasch erfolgen.

  • Ein Ersatz der atrophierten Glutealmuskulatur ist teilweise durch eine Kreuzlappenplastik aus TFL und dem anterioren Anteil des G‑max möglich.

  • Besonderes Augenmerk sollte auf die Vermeidung von Luxationen gerichtet sein. Die Wahl des Zugangs kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten.

  • Minimalinvasive Zugänge sind gut etabliert. Der DAA erlaubt es, die Glutealmuskulatur zu schonen und Luxationen zu vermeiden.

  • Minimalinvasive Zugänge benötigen spezialisiertes Instrumentarium und erfordern Training.

  • Bei der Wahl des Zugangs sollte die eigene Erfahrung eine wesentliche Rolle spielen.