Derzeit wird die deutsche Leitlinie zur Behandlung des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen überarbeitet. Letztes Jahr erschien die aktualisierte Version der europäischen ESGO(The European Society of Gynaecological Oncology)-Leitlinie zur Behandlung des Vulvakarzinoms [15]. Trotz intensiver Forschung zur operativen Therapie des Vulvakarzinoms bleiben einige Fragen offen. Unklarheit besteht u. a. bei der prognostischen Wertigkeit der Resektionsgrenzen beim Primärtumor [15]. Innovative operative Konzepte, die sich von gängigen Grundprinzipien der operativen Therapie des Vulvakarzinoms unterscheiden, können einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Outcomes Vulvakarzinom leisten.

Aktuelle Standardtherapie

Operative Behandlung des Primärtumors

Entsprechend der aktuellen ESGO-Leitlinie [15] ist der gültige Standard in der operativen Therapie des Primärtumors des Vulvakarzinoms die radikale lokale Exzision. Das Ziel dieser Resektion ist eine Entfernung des Tumors „im Gesunden“. Dazu wird ein minimaler Resektionsrand mikroskopisch karzinomfreien Gewebes von 2–3 mm gefordert. Im Falle von Tumoren in der Nähe von Klitoris/Urethra/Anus kann ein geringerer Randabstand akzeptiert werden. Bezüglich des optimalen Resektionsabstandes ist die Datenlage jedoch uneinheitlich [1, 12, 15,16,17,18, 22, 24].

Operative Behandlung der Leisten

Hier schlagen die aktuellen ESGO-Leitlinien [15] Folgendes vor: Zur Behandlung von Tumoren mit einer Invasionstiefe von ≤ 1 mm wird keine Lymphknotenchirurgie empfohlen. Bei unifokalen Tumoren unter 4 cm und einer Infiltrationstiefe von > 1 mm sowie klinisch unauffälligen Leistenlymphknoten ist die Sentinellymphknotenbiopsie indiziert. Bei multifokalen Tumoren und Tumoren ≥ 4 cm soll eine bilaterale inguinofemorale Lymphonodektomie durchgeführt werden, mit der die oberflächlichen und tiefen Lymphknoten reseziert werden.

Prognose nach Standardtherapie

Die GROINS-V-I-Studie untersuchte prospektiv die Sicherheit und den klinischen Nutzen der Sentinellymphonodektomie bei Patientinnen mit einem Vulvakarzinom in einem frühen Stadium [20]. Die Behandlung im Rahmen der Studie bestand in einer radikalen lokalen Exzision in Kombination mit einer uni- oder bilateralen Sentinellymphonodektomie. Die Langzeitanalyse der GROINS-V-I-Studie nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 105 Monaten [19] erfasste das Auftreten von Lokalrezidiven bei 27,2 % der Patientinnen nach 5 Jahren und bei 39,5 % nach 10 Jahren [19]. Die Rate isolierter Leistenrezidive betrug 4,1 % nach 5 und 10 Jahren. Die Gesamtrezidivrate nach 5 Jahren lag bei 33,3 %. Die Gesamtüberlebensrate für alle Patientinnen betrug 74,7 % nach 5 Jahren und 60,3 % nach 10 Jahren. Das 5‑Jahres- und 10-Jahres-Gesamtüberleben war bei Sentinellymphknoten-negativen Patientinnen signifikant besser verglichen mit den Sentinellymphknoten-positiven Patientinnen (81,2 bzw. 68,6 % vs. 61,3 % bzw. 43,6 %; < 0,0001).

Krebsfeldchirurgie

Die Krebsfeldchirurgie des Vulvakarzinoms ist keine optimierte Modifikation bestehender Operationstechniken, vielmehr unterscheidet sie sich von der leitlinienbasierten Standardtherapie sowohl im Prinzip als auch in der Praxis. Das betrifft sowohl die lokale als auch die regionale Behandlung. Darüber hinaus ist die operative Rekonstruktion regulärer Bestandteil des Behandlungskonzepts. Die Krebsfeldchirurgie wurde entwickelt, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Grundlage der herkömmlichen Krebschirurgie, das isotrope Tumorausbreitungsmodell, nicht mit den klinischen Fakten vereinbar ist.

Die Krebsfeldchirurgie erfolgt derzeit unter Studienbedingungen (DRKS 00013358) in 2 Zentren, den Universitätskliniken Essen und Leipzig. Im Folgenden werden die Grundlagen der Krebsfeldchirurgie, das Krebsfeldmodell der lokoregionalen Tumorausbreitung und die ontogenetische Anatomie sowie ihre Umsetzung in neue Operationstechniken zur Behandlung des Vulvakarzinoms, die Vulvafeldresektionen (VFR) mit diagnostischer und therapeutischer Lymphonodektomie und anatomischer Rekonstruktion, kurz dargestellt.

Die Forderung an die Krebschirurgie, einen malignen Tumor „weit“, d. h. mit einem genügend breiten allseitigen Gewebsrand ohne mikroskopischen Nachweis maligner Zellen zu exzidieren, beruht auf einem isotropen lokalen Ausbreitungsmodell. Die logische Schlussfolgerung nach diesem Modell ist die prädiktive Bedeutung der Breite des „gesunden“ Absetzungsrandes für das Auftreten von Lokalrezidiven. Lokalrezidive sollten demnach umso häufiger beobachtet werden, je geringer die minimale Breite des gesamten Absetzungsrandes ist. Tatsächlich wurde bei einer Untersuchung mit 91 Fällen im Jahr 1990 für das Vulvakarzinom eine solche Beziehung nachgewiesen [4]. Diese besitzt immer noch klinische Relevanz, obwohl sämtliche nachfolgenden Untersuchungen mit mehr als 1000 Fällen dieses Ergebnis nicht bestätigen konnten [2, 3, 14, 18, 23].

Auch für andere Tumorentitäten konnte die aus dem isotropen Ausbreitungsmodell zu folgernde prognostische Bedeutung des minimalen krebszellfreien Absetzungsrandes nicht bestätigt werden [7]. Die klinischen Fakten fordern somit ein anisotropes lokales Krebsausbreitungsmodell.

Das ontogenetische Krebsfeldmodell der lokoregionalen Karzinomausbreitung

Das ontogenetische Krebsfeldmodell [5, 6], kurz „Krebsfeldmodell“, besagt allgemein:

  • Maligne Tumoren breiten sich lokal in einem für den jeweiligen Tumortyp und sein Stadium der malignen Progression spezifischen, topografisch definierten permissiven Gewebsraum, dem Krebsfeld, aus.

  • Innerhalb seines Krebsfeldes ist die Tumorausbreitung isotrop, die Feldgrenzen werden nicht überschritten.

  • Im Zuge seiner malignen Progression „öffnen“ sich für die Tumorzellen neue und ausgedehntere Krebsfelder in hierarchischer Folge, die durch die Ontogenese der nicht transformierten Zellen determiniert sind.

  • Die regionale Krebsausbreitung eines Karzinoms erfolgt innerhalb eines anatomischen Netzwerks der peripheren Immuntoleranz in Form von topografisch festgelegten first-, second- und third-line Lymphknotenregionen.

Das Krebsfeldmodell beruht auf Erkenntnissen der Evolution und Entwicklung vielzelliger Tiere, der Mechanismen der Wundheilung und Regeneration sowie der peripheren Immuntoleranz. Die maligne Progression kanzerogen mutierter Zellen erfolgt nach dem Krebsfeldmodell als epigenetische Zelllinienregression aufgrund der durch die unkontrollierte Proliferation ausgelösten lokalen Störung der Homöostase. Einzelheiten sprengen den Rahmen dieser Abhandlung. Weiterführende Informationen sind publiziert und werden in den Kursen der Leipzig School of Radical Pelvic Surgery vermittelt (www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/frauenheilkunde).

Die ontogenetische Anatomie der Vulva und das ontogenetische Staging des Vulvakarzinoms

Die Anwendung des Krebsfeldmodells für eine bestimmte Tumorentität erfordert die Kenntnis der Embryonalentwicklung des gesamten reifen Gewebes, in dem die maligne Transformation erfolgte. Dazu müssen der Entwicklungsweg des reifen Zelltyps („fate progression“) und für jedes Entwicklungsstadium sein räumliches Habitat sowie die Habitate von Nachbarzellpopulationen, mit denen eine Transdeterminierungsbeziehung besteht, bekannt sein. Gemeinsam bilden die Habitate für jedes Entwicklungsstadium eine „morphogenetische Einheit“. Die Kartierung der aus den morphogenetischen Einheiten entstandenen reifen Gewebe kann für die letzten fünf Entwicklungsstadien farbkodiert in topografisch-anatomischen Darstellungen vorgenommen werden und repräsentiert ihre ontogenetische Anatomie.

Die Habitate für jedes Entwicklungsstadium bilden gemeinsam eine „morphogenetische Einheit“

Der Entwicklungsweg der Vulva, ausgehend von der Kloakenmembran im Carnegie-Stadium 11 und die durch die jeweiligen morphogenetischen Einheiten entstandenen reifen Gewebe sind in Abb. 1 aufgezeigt. Hier wird deutlich, dass das ontogenetische Vulvakompartiment erheblich von der Lehrbuchanatomie abweicht. So gehören die großen Labien mit Ausnahme ihrer Innenseiten nicht zur ontogenetischen Vulva. Im Gegensatz zur herkömmlichen anatomischen Vorstellung sind aber der Meatus urethrae, das Hymen und selbst die ventrale Analhaut (etwa von 11–1 Uhr) Bestandteil des Vulvakompartiments.

Abb. 1
figure 1

Ontogenetische Anatomie der Vulva und ontogenetisches Tumorstaging des Vulvakarzinoms. a Entwicklungspfad der menschlichen Vulva ausgehend von der Kloakenmembran im Carnegie Stadium 11. b Farbkodierte Darstellung der ontogenetischen Anatomie der Vulva an der perinealen Oberfläche mit einem bis zur Colles-Faszie reichenden Fenster. hellgrün Vulvakompartiment; dunkelgrün mittleres Subkompartiment; dunkelgrau Superkompartiment des phallischen Urogenitalsinus; mittelgrau Superkompartiment der Urogenitalplatte; hellgrau Superkompartiment der Kloakenmembran. c Lehrbuch-anatomische Darstellung der Vulva (grün); ausgeprägte Unterschiede zur ontogenetischen Vulvaanatomie sind deutlich. dh Ontogenetisches (o) Staging des Vulvakarzinoms; oT-Stadien bezogene Krebsfelder rot koloriert. oT1-Stadium am mittleren Subkompartiment gezeigt. Die ontogenetische Anatomie bestimmt die Hierarchie der lokalen Krebsfelder des Vulvakarzinoms entsprechend seiner malignen Progression. (Mod. nach [8]. Mit freundl. Genehmigung, ©Elsevier, alle Rechte vorbehalten)

Die ontogenetische Anatomie zeigt die Krebsfelder, die nach dem Krebsfeldmodell den Malignitätsstadien zuzuordnen sind. Die für ein individuelles Karzinom diagnostizierte lokale Ausbreitung bestimmt dann das ontogenetische Stadium (oT 1–4) und das für dieses Stadium potenzielle Ausbreitungsgebiet des Karzinoms. Auch hierbei wird deutlich, dass sich das ontogenetische Tumorstadium deutlich vom pathologischen T‑Stadium unterscheidet.

Das ontogenetische Tumorstadium unterscheidet sich deutlich vom pathologischen T‑Stadium

Die Gültigkeit des ontogenetischen Krebsfeldmodells wurde bisher an weit über 1000 Karzinomen des unteren weiblichen Genitaltraktes verifiziert. Das ontogenetische Tumorstaging erwies sich sowohl beim Zervixkarzinom als auch beim Vulvakarzinom gegenüber allen existierenden prognostischen Klassifikationen überlegen [8, 9]. Auch die lokalen Rezidivmuster beider Karzinomentitäten lassen sich eindeutig aus dem Krebsfeldmodell ablesen.

First-, second- und third-line Lymphknotenregionen des ontogenetischen Vulvakompartiments und die regionale Tumorausbreitung des Vulvakarzinoms

First-line Lymphknoten drainieren ein topografisch umschriebenes Gewebe direkt, second-line Lymphknoten sind nachgeschaltet, gehören aber zu demselben Lymphknotenterritorium. Third-line Lymphknoten sind entweder downstream im nächsten Lymphterritorium lokalisiert oder upstream im Lymphterritorium der first- und second-line Lymphknoten. Dabei kann es sich sowohl um Bassin- als auch um interkalare Lymphknoten handeln. Diese hierarchische Kategorisierung wird aus dem regionalen Metastasenmuster von nodal-positiven Karzinomen der entsprechenden Entität und ihren regionalen Rezidiven ohne postoperative Strahlentherapie gewonnen. Die first-line Lymphknotenregionen des auf das ontogenetische Kompartiment begrenzten Vulvakarzinoms (oT1 und 2) sind der superomediale Quadrant des Femoraldreiecks in 95 % und der inferomediale Quadrant in 5 % der Fälle. Der superolaterale Quadrant ist die Region der second-line Metastasierung. Third-line Metastasen des oT1 und 2 Vulvakarzinoms entstehen in den lakunaren Lymphknoten, im inferolateralen Quadranten der oberflächlichen inguinalen und theoretisch in den tiefen inguinalen Lymphknotenregionen. Tiefe inguinale Lymphknotenmetastasen haben wir allerdings bisher nicht beobachtet (Abb. 2). Kompartimentüberschreitende Vulvakarzinome (oT > 2) können primär in alle genannten Lymphknotenregionen metastasieren. In der Regel metastasiert das Vulvakarzinom in Bassin-Lymphknoten; interkalare Lymphknotenmetastasen, z. B. in den Labia majora, sind selten.

Abb. 2
figure 2

First-, second- und third-line Lymphknotenregionen des ontogenetischen Vulvakompartiments. a Oberflächliche inguinale Lymphknotenregionen klassifiziert als superomediale, superolaterale, inferomediale und inferolaterale Quadranten des linken Femoraldreiecks. b Farbkodierung von (a) bezüglich des lymphatischen Drainagenetzwerks der ontogenetischen Vulva; dunkelgrün first-line; hellgrün second-line; gelb third-line Lymphknotenregionen. c Tiefe inguinale (ii) und lakunare (ml, ll) Lymphknotenregionen links. d Entsprechende Farbkodierung von (c), allesamt third-line Lymphknoten

Die Vulvafeldresektion mit diagnostischer und therapeutischer Lymphonodektomie

Die klinische Umsetzung des ontogenetischen Krebsfeldmodells zur ausschließlich operativen Therapie des Vulvakarzinoms bei Verzicht auf eine adjuvante Strahlentherapie erfolgt in Form einer auf die jeweilige lokoregionale Ausbreitung „zugeschnittenen“ Vulvafeldresektion mit (vorangehender) diagnostischer und – bei Lymphknotenmetastasierung – therapeutischer Lymphonodektomie. Dies erfordert eine systematische histopathologisch begleitete Diagnostik mit Bezug auf die ontogenetische Vulvaanatomie. Im Rahmen eines „Vulvamappings“ werden präoperativ multiple topografisch genau beschriebene Gewebeproben entnommen. Die klinische Befundung mit Berücksichtigung der histopathologischen Ergebnisse des Mappings legt das oT-Stadium und die genaue ontogenetisch-anatomische Lokalisation der malignen Läsion(en) sowie zusätzlicher prämaligner Veränderungen fest. Danach wird nach den Algorithmen der Krebsfeldchirurgie die Art der Vulvafeldresektion für den individuellen Fall geplant. Bei der Durchführung erfolgt die intraoperative Kontrolle des Absetzungsrandes im Hinblick auf die ontogenetische Anatomie. Die regionale Therapie nach dem Algorithmus der Krebsfeldchirurgie berücksichtigt präoperativ die klinische Bewertung der Inguinalregionen und bei makroskopischem Tumorbefall auch die Bewertung der Beckenlymphknoten mit Hilfe der Magnetresonanztomographie. Intraoperativ werden je nach Metastasierung first-, second- und third-line Lymphknotenregionen im Schnellschnitt untersucht. Diese prä- und intraoperativ präzise durchgeführte klinische und histopathologische Diagnostik nach den Kriterien und Algorithmen der Krebsfeldchirurgie ist entscheidend für den onkologischen Therapieerfolg.

Zur lokalen Tumorkontrolle des Vulvakarzinoms wurden die totale, die partielle und die erweiterte VFR entwickelt (Abb. 3). Die totale VFR entfernt das komplette ontogenetische Vulvakompartiment, die partiellen Vulvafeldresektionen seine vorderen, hinteren und lateralen Anteile. Für die partielle VFR wird die Exstirpation des Tumors mit einem mikroskopisch weiten (ca. 10 mm) Absetzungsrand innerhalb des Kompartiments gefordert. Erweiterte VFRen beziehen an das ontogenetische Vulvakompartiment angrenzende tumorinfiltrierte Gewebe, z. B. die Labia maiora, Urethra, Sinusvagina, erektile Strukturen, in die Resektion ein. Hier muss der Resektionsrand ebenfalls weit sein. Die vollständige Resektion der Krebsfelder von Vulvakarzinomen oT > 2 ist nicht mehr möglich. Neben der peripheren und zentralen Inzision ist die Dissektion entlang ontogenetisch-anatomischer Grenzen die häufigste chirurgische Technik. Partielle und erweiterte VFRen erfordern definitionsgemäß mehr Transektionen.

Abb. 3
figure 3

Oberflächliche Inzisionslinien der verschiedenen Typen von Vulvafeldresektionen (VFR). Nach den Kriterien der Krebsfeldchirurgie muss eine partielle VFR das Vulvakarzinom innerhalb des ontogenetischen Kompartiments mit einem weiten (ca. 10 mm) krebszellfreien Absetzungsrand resezieren. Bei einer erweiterten VFR muss das Vulvakarzinom in den Nachbarkompartimenten weit exzidiert werden. (Mod. nach [8]. Mit freundl. Genehmigung, ©Elsevier, alle Rechte vorbehalten)

Der Algorithmus der Krebsfeldchirurgie zur regionalen Therapie des Vulvakarzinoms ist in Abb. 4 dargestellt. Die markergesteuerte Sentinellymphknotenbiopsie ist danach für oT1 Karzinome mit klinisch unauffälligen Inguinalregionen indiziert. Im Rahmen der VFR-Studie haben die Patientinnen die Möglichkeit, in diesen Fällen auch die anatomisch gesteuerte Sentinelbiopsie in Form einer first-line Lymphonodektomie zu wählen. Unsere bisherigen Ergebnisse lassen damit für die Erfassung des Nodalstatus eine höhere Genauigkeit als mit der markernavigierten Sentinellymphknotenbiopsie erwarten. Unsere bisherigen Beobachtungen bestätigen auch die Annahme, dass die anatomisch gesteuerte Sentinelbiopsie eine mit der markergesteuerten vergleichbare therapiebedingte Morbidität aufweist.

Abb. 4
figure 4

Therapiealgorithmus der Krebsfeldchirurgie zur regionalen Tumorkontrolle beim Vulvakarzinom. SNL markergesteuerte Sentinelbiopsie, FL „first-line“, SL „second-line“, TL „third-line“, IPÜ inguinopelviner Übergang, LYM Lymphknoten, MRI Magnetic resonance imaging

Anatomische Vulvarekonstruktion

Die anatomische Rekonstruktion der Vulva betrachten wir als essenziellen Bestandteil der Behandlung mit Krebsfeldchirurgie. Die rekonstruktiven Ziele betreffen Form und Funktion der Vulva. Angestrebt werden

  • die plastische Wiederherstellung der primären Vulvakontur in Form zweier symmetrischer vertikaler Hautfalten,

  • die uneingeschränkte Miktion, Defäkation und Möglichkeit der Kohabitation,

  • die Erhaltung einer über die Pudendal- und Genitofemoralnerven vermittelten weitgehend normalen Vulvasensation.

Nach korrekter Durchführung der VFR können diese Ziele in der Regel nicht mit einem Primärverschluss erreicht werden. Sie erfordern die Transposition von Hautflaps. Der Verzicht auf eine anatomische Rekonstruktion sollte durch den Patientenwunsch oder die Komorbidität begründet werden. Zur anatomischen Rekonstruktion der Vulva nach VFR sind von plastischen Chirurgen entwickelte Verfahren sowohl mit „random flaps“ als auch mit „axial pattern flaps“ der Pudenda-interna-Gefäße geeignet.

Zu den „random flaps“ zählen

  • der pubolabiale V‑Y-Verschiebelappen [13], der Glutealfalten V‑Y-Verschiebelappen [10],

  • der Limberg-Flap [11].

„Axial pattern flaps“ der Pudenda-interna-Gefäße können von verschiedenen Entnahmestellen am Oberschenkel als Halbinsel- oder Inselflaps eleviert und transponiert werden [21]. Wir haben beim Limberg-Flap und beim pudendalen Oberschenkelflap Modifikationen vorgenommen, die als perianaler Limberg-Biflap und als Paralabialflaps auf die Gewebedefekte nach VFR abgestimmt sind. Eine schematische Übersicht gibt Abb. 5.

Abb. 5
figure 5

Für die anatomische Vulvarekonstruktion nach Vulvafeldresektion (VFR) geeignete Hautflaps. a Übersicht. Obere Reihe: „random flaps“; untere Reihe: „axial pattern flaps“. b Perianaler Limberg-Biflap: Spätergebnis. c Bilaterale Paralabialflaps: Spätergebnis

Das immer kontaminierte perineale Operationsgebiet führt mit hoher Wahrscheinlichkeit (im Durchschnitt in der Hälfte der Fälle) zu ausgeprägten Wundheilungsstörungen. Diese wirken sich bei einer Rekonstruktion mit Transpositionsflaps mit größerer Wundfläche entsprechend stärker aus als nach einem Primärverschluss. Nach unserer Erfahrung sind aber die rekonstruktiven Ergebnisse nach Sekundärheilung bei professioneller Betreuung oft mit denen der Primärheilung vergleichbar.

Das größte Risiko für Wundheilungskomplikationen besteht bei morbider Adipositas

Das größte Risiko für Wundheilungskomplikationen besteht bei morbider Adipositas. Das optimale Vorgehen in dieser relativ häufigen Situation ist ein Gegenstand unserer gegenwärtigen klinischen Forschung.

Ergebnisse der Krebsfeldchirurgie des Vulvakarzinoms

Die erste Auswertung der VFR-Studie mit 94 Patientinnen, die am Universitätsklinikum Leipzig von 2009–2017 nach den Algorithmen und Techniken der Krebsfeldchirurgie behandelt wurden, ergab bei einer Nachbeobachtungszeit von im Median 40 Monaten (IQR [„interquartile range“] 14–66) eine 3‑Jahres-rezidivfreie, krankheitsspezifische Überlebenswahrscheinlichkeit für die gesamte Gruppe von 85 % (95 %-KI [Konfidenzintervall] 77–93 %) bzw. 86 % (78–94%). Die entsprechenden Ergebnisse für die nodal-negativen Patientinnen betrugen 100 und 97 %, für die nodal-positiven Patientinnen ohne postoperative Bestrahlung 54 % (33–74) und 64 % (45–83; [8]). Die gesamte Rezidivrate (lokal, regional und Fernmetastasen) nach 5 Jahren liegt bei 17 %. Mäßige und schwere postoperative Komplikationen traten bei 46 % der Patientinnen auf. Von 59 Patientinnen konnte eine Selbstbewertung funktioneller und plastisch-ästhetischer Aspekte im postoperativen Langzeitverlauf erhalten werden. Abhängig von der Fragestellung äußerten 70–90 % der Patientinnen eine völlige oder weitgehende Zufriedenheit.

Die zweite Auswertung der VFR-Studie, die seit 2018 als Beobachtungsstudie an 2 universitären Zentren durchgeführt wird, erfolgt derzeit mit 217 von 2009–2023 behandelten Patientinnen.

Schlussfolgerung

Die publizierten prospektiven Daten zur VFR zeigen sehr gute Ergebnisse für das erkrankungsfreie Überleben und das Gesamtüberleben bei Patientinnen mit einem Vulvakarzinom. Zur Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sind multizentrische, prospektive Studien mit einer höheren Fallzahl sowie einer längeren Nachbeobachtungszeit und in der Krebsfeldchirurgie ausgebildete Operateure notwendig.

Fazit für die Praxis

  • Die Krebsfeldchirurgie bietet einen innovativen Ansatz zur operativen Behandlung des Vulvakarzinoms.

  • Die bisherigen prospektiven Daten zeigen ein sehr gutes Ergebnis für erkrankungsfreies Überleben und Gesamtüberleben und sollten den Patientinnen als Alternative zum Standardverfahren angeboten werden.

  • Eine anatomische Rekonstruktion sollte zum Funktionserhalt sowie zur verbesserten Lebensqualität durchgeführt werden.