figure z

Ein hypoxisch-ischämischer Hirnschaden stellt seit Jahren das Damoklesschwert der Geburtshilfe dar. An Versuchen, die Geburtshilfe unter Einschluss der Verhinderung vermeidbarer Schäden sicherer zu machen, fehlte es nicht. Organisatorische Vorgaben und Leitlinien mit Grenzzeiten – wie die Entscheidungs-Entbindung-Zeit (EEZ) – sind Zeichen dieser Bemühungen.

Was war die Basis der Vorgaben, was wissen wir heute?

Windle [1] schrieb schon vor über 50 Jahren aufgrund seiner Tierexperimente: „Obwohl auf eine Sauerstoffmangelsituation des Fötus für weniger als sieben Minuten keine neurologischen Defizite folgten, führte eine solche von mehr als sieben Minuten unweigerlich zu zumindest vorübergehenden neurologischen Symptomen und einem permanenten Hirnschaden.“

Aus weiteren Tierexperimenten ist die Geschwindigkeit der Entwicklung einer schweren Azidose bekannt. So zeigte Myers [2] 1972 in Versuchen mit Makaken, dass der pO2-Wert beispielhaft rasch von 24 auf 8 mm Hg sank und der pCO2 gleichzeitig von 52 auf 132 mm Hg stieg. Innerhalb von 12,5 min konnte ein Absinken des pH-Wertes von 7,29 auf 6,81, also um 0,48 bzw. 0,04/min, verzeichnet werden. Gleichzeitig stieg das Basendefizit linear von 2,8 auf 17 mEq/l {≙ mmol/l}an.

Für klinische Belange relevant schreiben Rennie und Rosenbloom 2011 in ihrem Review [3] zu den zeitlichen Handlungsspielräumen auf Basis von Experimenten und retrospektiven klinischen Analysen zur „10-Minuten-Regel“: „Während es sowohl bei den Reserven der Feten als auch bei der Dauer und dem Grad der Störung deutliche Unterschiede gibt, sind wir nun der Meinung, dass das Konzept, dass der Schaden 10min nach einem akuten, extrem hypoxischen, ischämischen Ereignis zu entstehen beginnt, wie dies ursprünglich aus den Ergebnissen der Arbeit von Windle und Myers rekonstruiert wurde. Dies dient weiterhin gut als Rahmen, und so müssen sich alle Geburtshelfer dieser Daten bewusst sein.“

Im Notfall macht man kaum Fehler im Hinblick auf eine HIE, wenn die EE-Zeit höchstens 10 min beträgt

Das bedeutet, dass man im Notfall kaum Fehler macht im Hinblick auf eine HIE (hypoxisch-ischämische Enzephalopathie), wenn die klinischen Abläufe so eingestellt sind, dass die EE-Zeit höchstens 10 min beträgt – wohl wissend, dass dies voraussetzt, das Ereignis möglichst schnell zu erfassen. Das ist bei Blutungen nach außen und schweren Schmerzen möglich, weniger bei Blutungen nach innen oder unter wirkungsvoller Schmerzmedikation.

Zur Umsetzbarkeit schreiben Korda und Zimmermann 2013 [4]: „In der Gruppe der Notfallkaiserschnitte (175 Frauen und 188 Kleinkinder) sank die mittlere EEZ (Entscheidungs-Entbindungs-Zeit) über den Beobachtungszeitraum von 15 auf 9min (Mittelwert 10min 41s) und die mittlere PEZ (Pathologie-Entscheidungs-Zeit) von 11 auf 6min (Mittelwert 8min). Nicht nur, dass die EEZ während der 5 Jahre in über 90% der Fälle 15min nicht überstieg, sondern es fiel in den letzten Phasen der Lernkurve beständig unter 10min.“

Dieses Ziel – eine möglichst kurze Reaktionszeit vom Beginn einer erkennbaren Pathologie bis zur Lösung des Problems z. B. mittels eines Alarmierungssystems (Abb. 1) – ist Inhalt dieses Themenhefts.

Im ersten Beitrag sind die praktischen Wege der Umsetzung skizziert, die in den weiteren Texten ausgeführt werden.

Abb. 1
figure 1

Touchpanel zur Alarmierung in der Geburtshilfe. (Funktionstasten: allgemeine Reanimation; Eklampsie; Blutung; Schulterdystokie; Notsectio; Neonatologie-Alarm; Dokumentationskamera ein/aus; Aufnahme Start; Aufnahme Stopp)